Was sich nicht ändern wird, ist unsere Grundüberzeugung, dass sich nur die Reichen einen schwachen Staat leisten können. Alle anderen brauchen einen handlungsfähigen und leistungsstarken Staat. Was sich nicht ändern wird, ist unsere Grundüberzeugung, dass moderne Politik die ökonomischen Konsequenzen des Klimawandels nicht verweigern darf und dass hier außerdem eine riesige Chance für gutes Wachstum und Arbeitsplätze in SchleswigHolstein liegt.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir diese Krise nur durch ein Mehr an Gerechtigkeit, ein Mehr an Solidarität und ein Mehr an Nachhaltigkeit zum Wohl unseres Landes lösen können. Nur wenn wir das Gemeinwohl stärken, werden wir die Zukunft unseres schönen Landes Schleswig-Holstein sichern können.
Wir werden also die nötigen sozialdemokratischen Antworten geben. Wir werden sie einfordern. Ich bin sicher, dass die Regierung es schwer haben wird, auf Dauer ihre offenkundige Klientelpolitik gegen die Mehrheit der Bevölkerung durchzuhalten.
Die SPD vermochte es leider am Ende nicht, sich dem neoliberalen Mainstream des letzten Jahrzehnts zu entziehen, auch wenn dies in SchleswigHolstein weniger ausgeprägt war. Das bleibt für mich unser schwerster Fehler in der Vergangenheit.
Genauso wenig wird es das Bündnis aus Konservativen und Egoisten schaffen, sich auf Dauer dem sozialdemokratischen Mainstream der kommenden Jahre zu entziehen.
Verbal und mit ein bisschen Symbolpolitik hier und da betätigen Sie sich ja schon quasi als Produktpiraten, wenn auch nur scheinbar und gegen Ihre Überzeugung. Das gilt zum Beispiel, wenn Sie darauf verweisen, Sie seien doch angeblich gar nicht unsozial, der Stufentarif bei der Steuer, bei dem die oberen Einkommen am stärksten entlastet werden, sei doch viel gerechter als der linear progressive Tarif, bei dem die starken Schultern mehr tragen als die schwachen Schultern. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, Gerechtigkeit ist das nicht. Das ist das Gegenteil, was Sie hier wollen!
Die SPD-Landtagsfraktion in diesem Haus - das verspreche ich Ihnen - wird helfen, den nötigen Druck aufzubauen.
Herr Ministerpräsident, Sie überschreiben Ihre Regierungserklärung mit dem Titel: „Mut. Tatkraft. Aufbruch: In Verantwortung für Schleswig-Holstein.“ - Die Chinesen sagen, die Quelle des Mutes sei die Wahrheit. Zur Wahrheit hatten Sie aber nicht den Mut. Denn Ihre Deutung der Ereignisse dieses Jahres hat mit der Wahrheit nichts zu tun. Sie sind vertragsbrüchig geworden, weil Sie Schwarz-Gelb wollten. Nach dem über Monate vorbereiteten, immer wieder öffentlich angekündigten und schließlich kalt kalkuliert vollzogenem Bruch der Großen Koalition, nach dem kurzen und harten Wahlkampf, nach dem ersten Schock für die einen und dem Erfolgsrausch für die schwarz-gelbe Partnerschaft auf der anderen Seite dürfte inzwischen genügend Zeit vergangen sein, um eine nüchterne Bestandsaufnahme zu machen.
Für die Landesregierung heißt das: Was sind die Herausforderungen, denen sie sich stellen muss? Auf welche Grundlagen kann sie zurückgreifen? Welche Antworten will sie geben? Welche Auswirkungen auf die Politik und die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande hat das? - Dazu, Herr Ministerpräsident, haben Sie heute 64 Minuten lang viel geredet, aber wenig gesagt.
Für die Opposition heißt das: Wir haben zu bewerten, wie die Landesregierung mit diesen Herausforderungen umgeht, wie sie sich für die Ressourcen unseres Landes einsetzt und wie sie die Chancen für Schleswig-Holstein nutzt. Letztlich haben wir dann zu beurteilen, was das für die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in diesem Lande bedeutet. Die SPD-Fraktion in diesem Parlament wird genau hinsehen, was Ihre sogenannte Koalition des Aufbruchs - wie Sie sie in Ihrem Koalitionsvertrag genannt haben - für das Leben der Menschen in diesem Land bedeutet und ob nicht da, wo Aufbruch draufsteht, in Wirklichkeit Abbruch drin ist.
Wir werden für Transparenz sorgen und nicht zulassen, dass Sie sich so aus der Verantwortung stehlen, wie es die inhaltsleeren Formeln aus dem Koalitionsvertrag oder die treuherzig vorgetragenen Allgemeinplätze Ihrer Regierungserklärung von heute andeuten. Das Prinzip Merkel, das Sie hier kopieren und für fünf Jahre durchziehen wollen, funktioniert auch in der Amateurliga nicht, verehrter Herr Ministerpräsident. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden eine Politik für die große Mehrheit der Bevölkerung einfordern, die über den Horizont von Strande und Nordstrand hinausreicht und nicht einzelne Regionen oder Klientelinteressen bevorzugt.
Kommen wir zu den Grundlagen und der Eröffnungsbilanz dieser ersten Mitte-Rechts-Regierung dieses Landes seit 1987! Als Björn Engholm der Barschel-Regierung nachfolgte, war SchleswigHolstein Schlusslicht in jeder Disziplin
von der Kindergartenversorgung über Bahnstrecken, Schulen, Hochschulen und die Umwelt bis hin zu Gleichstellung und Mitbestimmung und so weiter. Kräftig verschuldet waren wir damals au
ßerdem auch schon. Die SPD hat in ihrer 21-jährigen Regierungsverantwortung in Schleswig-Holstein vieles erreicht, was die Situation der Menschen verbessert hat - erst allein, später mit den Grünen und selbst in der Großen Koalition mit Ihrer Partei, Herr Ministerpräsident. Das merkt man schon an Ihrem Lamento, wonach Sie angeblich von uns gehindert worden seien. Wenn man Ihnen zuhört, hat man den Eindruck, dass Sie in den letzten vier Jahren gar nicht der Regierungschef gewesen sind. Und so ganz falsch scheint dieser Eindruck ja auch gar nicht zu sein.
Wir Sozialdemokraten waren es, die die Weichen für eine moderne und innovative Wirtschaft gestellt haben, nicht nur, aber ganz besonders im Bereich der erneuerbaren Energien mit vielen kleinen und mittleren Unternehmen, bei der Gesundheitswirtschaft und bei der maritimen Wirtschaft.
Wir waren es, die für großen Fortschritt und eine leistungsfähige Infrastruktur gesorgt haben, und es ist bezeichnend für Sie, wie Sie sich seit Mitte Juli für jeden noch so kleinen Bewilligungsbescheid und das Ende von Bauabschnitten feiern lassen, deren Planung nun wirklich nicht in Ihrer Hand lag, Herr Ministerpräsident.
Wir Sozialdemokraten waren es, die für eine offene Politik mit mehr Mitbestimmung, Gleichstellung und Beteiligung gesorgt haben, für eine Politik nicht nur für alle Menschen, sondern für eine Politik mit den Bürgerinnen und Bürgern, für eine Regierung, die tatsächlich zuhört, wie Björn Engholm - jener große Ministerpräsident dieses Landes, der vor wenigen Tagen 70 Jahre alt geworden ist das formuliert hat.
Wir waren es, die für Tariftreue und Mindestlöhne eingetreten sind und eine Arbeitsmarktpolitik für die Beschäftigten, nicht gegen sie gemacht haben. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten waren es, die stets für eine solidarische Gesellschaft gearbeitet haben, in der der Kinderschutz gegen Ihren langjährigen erbitterten Widerstand schließlich Verfassungsrang bekommen hat und ein bundesweit vorbildliches Kinderschutzgesetz auf den Weg gekommen ist.
Wir waren es, die Programme wie „Kein Kind ohne warme Mahlzeit“, ,,Schule und Arbeitswelt“, ,,Keiner soll mehr sitzenbleiben“ und ,,Jeder soll einen Schulabschluss haben“ konzipiert und damit Inklusion aus den Sonntagsreden heraus in die praktische Politik hineingetragen haben.
Wir waren es, die mit der Konzentration der ESFFördermittel auf Jugendliche und Langzeitarbeitslose, auch auf „Frau und Beruf“, mit einem vorzüglichen Pflegegesetz – im Übrigen wollen die Pflegekräfte nicht nur schöne Worte, sondern eine ordentliche Bezahlung, Herr Ministerpräsident -,
mit Konzepten für die soziale Stadt, mit einer menschlicheren Psychiatrie und mit vielem anderen mehr dafür gesorgt haben, dass weniger Menschen zurückgelassen und aus dieser Gesellschaft ausgegrenzt werden. Wir waren es, die die Rahmenbedingungen für eine vielfältige Gesellschaft mit einer breiten kulturellen Landschaft und einer Vielzahl von Kulturschaffenden sowie von Aktiven im Sport und im Ehrenamt geschaffen haben. Die sogenannte Chefsache „Kultur“ in der Staatskanzlei war ein so offenkundiger Rohrkrepierer, dass das jetzt zu Recht klugerweise repariert wird.
Die erste Vorstellung der Regierungskoalition bei der Tagung des Landeskulturverbandes vor Kurzem in Rendsburg ist mit „peinlich“ sehr höflich beschrieben.
Wir waren es, die beim Aufstieg durch Bildung bei allen zu Recht kritisierten Mängeln im administrativen Detail - für viele Verbesserungen gesorgt haben - meistens gegen Ihren entschiedenen Widerstand. Ich rede vom Ausbau der Fachhochschulen, auch der regionalen Versorgung in Flensburg und ganz besonders von der größten Investitionsleistung in der Geschichte unseres Landes, nämlich der Fachhochschule Westküste, die wir eingerichtet haben.
Wir haben den Ausbau der Kinderbetreuung vorangetrieben. 1988 fanden wir ganze 600.000 DM im Landeshaushalt vor. Heute haben wir ungefähr 60 Millionen € dafür, und das reicht hinten und vorn nicht. Das ist der Unterschied zwischen konservativer und sozialdemokratischer Kinderbetreuungspolitik.
Wir haben den Ausbau der Ganztagsschulen angeschoben. Wir waren es, die mit der Gemeinschaftsschule - dem wirklich durchschlagenden Erfolg unserer sozialdemokratischen Bildungspolitik - endlich der absurden, ungerechten und elitären Selektion der jüngeren Schülerinnen und Schülern ein Ende gemacht haben.
Das dreigliedrige Schulsystem ist eine enorme Verschwendung von Ressourcen und bedeutet frühzeitige negative Weichenstellungen bei der Verteilung von Lebenschancen. Sie fänden es in Ordnung, wenn das mit oben und unten so bleibt. Wir wollen es aber ändern.
Wir sind damit dem internationalen Best-PracticeBeispiel gefolgt und fördern durch gemeinsamen Unterricht die Fähigkeiten der schwächeren und stärkeren Schüler.
Wir waren es, die für eine leistungsfähige und engagierte Polizei gesorgt haben und, anders als andere, weder Stellenkürzungen vorgenommen noch Hobbypolizisten eingestellt und schon gar nicht die Bundeswehr als billige Ersatzpolizei im Inneren gefordert haben, wie Sie es immer wieder getan haben.
Wir waren es, die bundesweit der Vorreiter für eine humanitäre Flüchtlings- und Ausländerpolitik gewesen sind und die humanitären Spielräume in Schleswig-Holstein stets maximiert haben. Auch darauf sind wir stolz.