Protokoll der Sitzung vom 18.11.2009

(Zurufe von der SPD)

- Ja, für mich ist das ein schönes Land.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich habe das Gefühl, dass die Linken noch ein bisschen durchs Land fahren, vielleicht noch das eine oder andere lernen, die Augen und die Ohren offenhalten müssen. Das kriegen Sie aber sicherlich hin, denn in der Oppositionszeit hat man für so etwas manchmal auch Zeit.

(Jürgen Weber [SPD]: Nun kommen Sie mal wieder zur Regierungserklärung!)

- Dabei bin ich, Herr Weber!

Seine Natur, seine Lebensräume und seine Artenvielfalt sind einmalig und schützenswert. Es ist unsere Aufgabe, diese Schöpfung zu bewahren. Das muss im Interesse jedes Bürgers und jeder Bürgerin liegen. Deshalb wollen wir Naturschutz mit den Menschen machen, bürgernah und unbürokratisch Kooperation statt Konfrontation.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Den begonnenen erfolgreichen Weg der Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen, insbesondere im Netz NATURA 2000, werden wir vor Ort mit den Menschen fortsetzen. Wir werden die Landesstrategie Naturschutz 2020 konsequent umsetzen. Bei uns gehen Freiwilligkeit und Förderung vor Zwangsmaßnahmen und Ordnungsrecht.

Das bürgerschaftliche Engagement wie auch das von Stiftungen werden wir stärken. Über den Vertragsnaturschutz gewinnen wir Land- und Forstwirte als Partner. Gemeinsam mit den Naturschutzverbänden und lokalen Aktionsgruppen werden wir Projekte maßschneidern, um den Verlust der biologischen Vielfalt zu stoppen. Wir werden neue Wege gehen, um auch den Flächenverbrauch zu stoppen. Dies gilt nicht nur für die bauliche Entwicklung, sondern auch für Ausgleichs- und Ersatzflächen. Wir stellen das Ökokonto, eine ökologische Aufwertung und eine konsequente Nutzung von Altstandorten in den Vordergrund.

(Beifall bei CDU und FDP)

Schleswig-Holstein ist wie kaum ein anderes deutsches Land von den Gefahren des Klimawandels bedroht. Ich denke dabei besonders an die Niederungsgebiete unserer Küsten. Die Auswirkungen des Klimawandels sind nicht regional zu begrenzen, deshalb werden wir uns auch vermehrt bundesweit und auf europäischer Ebene in die Diskussion um den Klimaschutz einmischen. Gerade der Küstenschutz hat Vorrang vor anderen Schutzinteressen.

Völlig klar ist, dass man Ökonomie und Ökologie zusammenbringen muss. Das geht auch. Es ist sogar ein Erfolgsrezept für mehr Wachstum und Beschäftigung. Ich bin ein Verfechter der ökologischsozialen Marktwirtschaft. Sie sollte nicht auf Schleswig-Holstein, Deutschland oder Europa begrenzt sein.

(Beifall bei CDU und FDP)

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Regierung hat neuen Mut für Reformen.

(Zurufe von der SPD)

Diese Regierung geht mit Tatkraft Herausforderungen an. Und so wird diese Regierung für einen Aufbruch sorgen. Sie steht zusammen, in Partnerschaft, voller Vertrauen und auf der Basis einer fairen Zusammenarbeit. Sie ist sich ihrer Verantwortung bewusst und übernimmt sie mit der festen Überzeugung, Schleswig-Holstein für die Zukunft Stabilität verleihen zu können. Diese Regierung wird offen, aber auch entschlossen sein.

Diese Regierung wird offen sein für guten Rat, weshalb ich auch unter meiner Führung im kommenden Jahr einen Zukunftsrat einrichten werde, bestehend aus Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft. Herausforderungen der Zukunft, wie etwa die Folgen der demografischen Entwicklung, auf allen Politikfeldern möchte ich gemeinsam mit dem Zukunftsrat diskutieren. Wir werden für Lösungen arbeiten. Diese Regierung wird entschlossen sein, weil wir wissen: Unser Wohlstand ist bedroht, wenn wir nicht handeln. Diese Regierung wird handeln.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir werden uns um das Wohlergehen der Menschen in Schleswig-Holstein kümmern. Einzelinteressen werden zurückstehen müssen. Wir werden auf manch Liebgewonnenes verzichten müssen. Aber wir tun es, um etwas zu gewinnen: Wir werden Freiheit gewinnen von drückender Last. Wir werden Spielräume gewinnen für unser Land. Und wir werden Stärke gewinnen für die Zukunft.

Diese Regierung wird handeln: für das Gemeinwohl und für die Menschen in diesem Land. Ich bin der festen Überzeugung: Wir haben die Kraft, unserem Land eine Perspektive zu geben bis in das Jahr 2020. Dafür werbe ich um Unterstützung. Packen wir es gemeinsam an!

(Anhaltender Beifall bei CDU und FDP)

Die Redezeiten der Fraktionen verlängern sich um jeweils vier Minuten.

Das Wort in der Aussprache hat jetzt der Oppositionsführer im Schleswig-Holsteinischen Landtag und Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Abgeordneter Dr. Ralf Stegner.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Können Sie das wiederholen? Das war so schön!)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Dies ist nach zwei Jahrzehnten die erste Rede eines sozialdemokratischen Oppositionsführers als Antwort auf die Regierungserklärung eines konservativen Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Opposition zu sein ist in einer Demokratie keine Schande. Im Gegenteil: Gerade in diesen Zeiten ist eine kraftvolle Opposition in unserem Land besonders notwendig. Regierung und Opposition haben verschiedene Rollen, aber das gleiche Ziel: Das Wohl des Landes mehren und Schaden von ihm abwenden. Wir verfolgen daher keine Sonthofen-Strategie à la Franz-Josef Strauß, sondern müssen hoffen und wünschen, dass es dieser Regierung im Interesse der Menschen dieses Landes tatsächlich gelingt, das Wohl zu mehren und Schaden abzuwenden.

Klar ist: Wir Sozialdemokraten haben uns nicht für die Oppositionsrolle in diesem Haus beworben, aber wir haben diese Wahl verloren. Das ist für uns nach 21 Jahren Regierungsverantwortung in Schleswig-Holstein schmerzlich und in der Dimension hart. Bitter ist dies jedoch nicht nur für die SPD, sondern auch für unser Land, weil die Zeit eigentlich nach sozialdemokratischen Antworten geradezu schreit.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das sahen die Menschen aber anders!)

Stattdessen regieren jetzt diejenigen unser Land in Berlin und auch hier in Schleswig-Holstein, die in den vergangenen Jahren immer wieder die sozialen Bedürfnisse der Menschen und die ökologischen Notwendigkeiten dem Primat der Ökonomie untergeordnet haben und diese Prioritätensetzungen nach wie vor richtig finden. Um diese Dominanz der Ökonomie von Kindesbeinen an geht es im Kern übrigens auch den jungen Menschen, die bundesweit und heute in Kiel demonstrieren und die unsere Unterstützung in der Sache verdienen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit der Parteinahme für einen immer hemmungsloseren Marktradikalismus sind die Konservativen und Liberalen die ideologischen Wegbereiter der gravierendsten Wirtschaft- und Finanzkrise der Geschichte unserer Republik. Und trotzdem haben sie die Wahlen für sich entscheiden können. Es wäre jetzt also einfach zu sagen: Die Bürgerinnen und

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

Bürger werden schon sehen, was sie davon haben. Wir könnten es uns leicht machen und zusehen, wie sie mit ihren konservativ-liberalen Vorstellungen wir haben es ja eben 64 Minuten lang gehört - das Land an die Wand fahren. Die Bürgerinnen und Bürger, die schließlich Schwarz-Gelb im Bund mit und in Schleswig-Holstein kurioserweise ohne Stimmenmehrheit an die Regierung gebracht haben, werden schon irgendwann die Quittung dafür erteilen. Doch, wie gesagt, eine solche Haltung wäre verantwortungslos. Gemütliche Oppositionsjahre sind unsere Sache nicht, meine schon gar nicht.

Vor allen Dingen aber würden wir so unserer Aufgabe als verantwortungsvolle Opposition in diesem Hause nicht gerecht werden. Die Aufgabe besteht nämlich darin, einerseits die Regierung zu kontrollieren und zu kritisieren, eine Notwendigkeit, die offenkundiger nicht sein könnte, wenn man Ihnen heute zugehört hat. Dies wollen wir konstruktiv ohne Oppositionsklamauk und vor allen Dingen ohne abenteuerliche Versprechungen tun. Denn die 14,9 %, die man damit erreichen kann, reichen mir nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Andererseits müssen und werden wir im Interesse unseres Landes seriöse Alternativen zur Regierungspolitik formulieren,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist aber neu!)

um mit eigenen Konzepten Perspektiven für die Zukunft zu schaffen. Es ist wichtig für unsere Demokratie, dass glaubwürdige Alternativen erkennbar sind. Die zu oft proklamierte, angeblich alternativlose Politik führt doch erst zu Politik- und Demokratiemüdigkeit.

(Beifall bei der SPD)

Unabhängig davon will ich am Anfang selbstkritisch feststellen, dass trotz aller Zustimmung in der Bevölkerung zu unseren Positionen bei Mindestlöhnen, beim Atomausstieg, bei mehr Bildungsgerechtigkeit oder für eine gerechte Steuerpolitik wir trotzdem nicht gewählt worden sind, weil unsere sozialdemokratischen Antworten offenkundig nicht als glaubwürdig angesehen worden sind.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Oder die Person!)

Denn in unserer Regierungszeit hat trotz aller guten Absichten die Armut eben doch zugenommen, sind bei aller grundsätzlichen Richtigkeit der Weichenstellungen rot-grüner Sozialreformen wie der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe prekäre Beschäftigungsverhältnisse über die Maßen

gewachsen, ist die soziale Spaltung vertieft worden und haben die Abstiegsängste vieler Menschen vor Arbeitsplatzverlust und Lebensstandardeinbußen im Alter zugenommen und ist die finanzielle Notlage von Bund, Ländern und Kommunen offenkundig. Für all das gibt es vielfältige Gründe, die sicherlich nicht allein im Versagen der Sozialdemokraten liegen und die gewiss auch nicht primär in SchleswigHolstein zu suchen sind. Aber wir tragen dafür die politische Mitverantwortung. Daran gibt es nichts zu deuteln, und deswegen will ich das auch gar nicht versuchen. Das verbietet der Respekt vor der demokratischen Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden aus dieser Niederlage aber lernen, nicht nur die Absicht, sondern auch die praktischen Wirkungen von Politik umfassender als bisher zu bedenken.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Es wäre schlecht, wenn nicht!)

Wir werden unsere Fehler analysieren und korrigieren. Was sich nicht ändern wird, ist unsere Grundüberzeugung, dass Gerechtigkeit in allen Dimensionen, von der Chancengerechtigkeit über die Verteilungsgerechtigkeit, von der Geschlechtergerechtigkeit bis zur Generationengerechtigkeit, Maßstab und Kompass für die Politik bleiben oder, besser gesagt, wieder stärker werden muss, objektiv und im subjektiven Urteil der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.

(Beifall bei der SPD)