Nein, Projektförderung, das ist nur ein anderes Wort für Willkür. Genau umgekehrt würde ein Schuh daraus werden: Eine systematische Förderung erlaubt auch eine systematische Einsparung. Stattdessen wird nach wie vor mit der Gießkanne durchs Land gezogen und mit dem Rasenmäher gedroht. Das aber ist nicht Regieren, das ist Schrebergärtnern.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Sagen Sie nichts gegen Schrebergärtner!)
Weil mir Böses schwant, möchte ich gleich davor warnen, dass Ihr neues Lieblingskind ÖPP die Antwort auf all unsere Haushaltsprobleme wird. ÖPP vertagt die Schulden doch nur auf nachfolgende Generationen. Damit lassen sich vielleicht Straßen sanieren, aber gewiss keine Haushalte.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich habe eine ungefähre Ahnung davon, wie es ist, mit der SPD zu regieren. Dass ausgerechnet ich mich heute vor sie stellen muss, ist auch bezeichnend. Aber Wahrheit muss Wahrheit bleiben. Sie zeigen auf die rotgrüne Vergangenheit. Im Bündnis mit der SPD wurden 220 Stellen im Landesdienst abgebaut, jährlich. In der letzten Legislatur, als ein CDU
Sie hatten den Finanzminister, Sie stellten den Ministerpräsidenten und einen Entbürokratisierungsstaatsekretär. Für so durchsetzungsstark gegen diese geballte CDU-Mannschaft halte ich die SPD nicht. Im Gegenteil. Ich halte es für billiges Schuldzuschieben. Und es wundert mich, dass Sie heute so offen sagen, dass Sie vier Jahre lang von den Sozis komplett blockiert wurden. Täusche ich mich oder hieß es nicht immer auch: „Das Kabinett arbeitet gut“? Das ist entweder Vergesslichkeit oder Schuldzuweisung.
Auch dass Sie verkünden: „Wir werden bis zum Jahr 2020 10 % der Stellen abbauen“, und weiter sagen: „So weit ist noch keine Landesregierung gegangen“, ist schlicht falsch.
Auch das hatten Sie schon mit der SPD. Bereits im Juni wurde ein Nachtragshaushalt beschlossen. Allerdings hat die FDP damals dagegen gestimmt. Das wirkt an einem Tag wie diesem etwas lustig. Der beschlossene Nachtragshaushalt sieht vor, Stelleneinsparungen von 10 % vorzunehmen.
Der Haushalt und der Beschluss dazu sind gültig. Wie haben Sie sich damals alle dafür gelobt! Seitdem ist zugegebenermaßen viel passiert. Aber im Finanzministerium scheinen mir die Leute doch jeden Tag zur Arbeit gegangen zu sein. Der Finanzminister ist auch noch derselbe.
Fast ein halbes Jahr später können Sie nicht erklären, wie die damals gefassten Beschlüsse umgesetzt werden sollen. Das werden Sie fürderhin auch nicht tun können, denn Sie von der CDU haben sich von der FDP austricksen lassen. Über die Hälfte der angekündigten 4.800 Abbaustellen ist durch den Koalitionsvertrag längst gebunden und vor Streichungen geschützt. Nicht dass ich falsch verstanden werde: Auch wir haben gesagt, die sogenannte demografische Rendite soll im Bildungssystem bleiben. Dazu schweigt die FDP, weil sie weiß, dass ich recht habe. Wir haben aber nicht so getan, als würden wir alles gleichzeitig tun können: netto Stellen abbauen und dabei neue Stellen schaffen, Steuern senken und Standards erhöhen. Ich erwarte von Ihnen nicht, dass Sie den Bildungsbereich rasieren. Ich erwarte schlicht Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit. Ausnahmsweise erwarte ich das auch von der FDP.
Herr Kubicki, als Monika Heinold vorhin dazwischenrief und fragte, was mit den 120 Millionen aus dem kommunalen Finanzausgleich sei, wäre die Antwort fällig gewesen, wie Sie damit umgehen. Sie haben vor der Wahl immer gesagt, das würde zurückgenommen.
Die FDP hat sich oft über die sogenannte MerkelSteuer lustig gemacht. Sie erinnern sich: Was kriegt man, wenn man keine Mehrwertsteuererhöhung - so damals die SPD - und eine Mehrwertsteuererhöhung um 2 %, wie die CDU sie wollte, zusammentut? - Richtig, so sagte die FDP, man kriegt 3 %. Dass sich das nun hier wiederholt, ist schon fast mehr als ironisch. Die CDU wollte 4.800 Stellen streichen. Wolfgang Kubicki hielt das im Wahlkampf für nicht darstellbar und konnte sich maximal eine Ersparnis von 800 Stellen vorstellen. Wie einigt man sich? - Richtig, indem man beides zusammenpanscht und aus 4.800 plus 800 Stellen 5.600 Stellen macht.
Wenn das Erste die Merkel-Steuer war, dann ist das gerade Dargelegte eine Kubicki-Rechnung. Sie wird allein deshalb nicht aufgehen, weil es sich um Beamtenstellen handelt und Beamte bekanntlich Pension bekommen. Sie bleiben dem Haushalt erhalten. Für den Moment sei das aber geschenkt.
Reden wir von Wirklichkeit und Fadenscheinigkeit. Es geht also um 5.600 Stellen - ohne Lehrerinnen und Lehrer, Polizistinnen und Polizisten und den Justizbereich. Ich zitiere erneut aus der Regierungserklärung:
„Neue Aufgaben können nicht on top gesetzt werden. Wer neue Aufgaben und damit zusätzliche Ausgaben will, muss künftig sagen, was dafür an anderer Stelle gespart werden soll.“
- Die EU fordert eine einheitliche Anlaufstelle der Landesregierung. Sie ist mit fünf Stellen veranschlagt. Dagegen ist im Prinzip nichts zu sagen. Im Grunde sollte es stets so sein, und so sahen es auch unsere Pläne zur Verwaltungsstrukturreform stets
vor: Die Bürgerinnen und Bürger bekommen eine Anlaufstelle. Diese muss doch aber aus dem vorhandenen Personalbestand geschaffen werden. Das sind doch keine neuen Stellen. Wo Beratung gebündelt wird, muss sie anderenorts wegfallen. Diese Stellen sind doch alternativ statt additiv. Welche Stellen sollen denn wo wegfallen? Dazu schweigt man im Finanzministerium. 5.600 Stellenstreichungen ankündigen, und wenn es darum geht, fünf Stellen zu streichen, keinen Plan haben: Das ist wirklich große Politik.
Herr Ministerpräsident, bei den 20.000 Stellen, die bis 2020 wegfallen sollen, handelt es sich - ich habe heute Morgen noch einmal nachgeschaut - um 19.500 Stellen.
Sie haben das Jahr 2010 eingerechnet. Im Finanzausschuss habe ich die Aussagen Ihrer Parteifreunde so verstanden, dass gar nichts passieren soll. Wenn Sie das Jahr 2010, in dem es um 625 Stellen geht, wieder herausrechnen, verbleiben rund 18.900 Stellen. Von diesen Stellen sind nur 6.600 in der Landesverwaltung und den Ministerien. Der Rest steckt in Polizei, Justiz und Schulen, die ja ausgenommen werden sollen. Wie soll denn diese Rechnung bitte aufgehen? Wie wollen Sie denn 5.600 Stellen von 6.600 Stellen abbauen? - Diese Rechnung kann doch gar nicht aufgehen.
Statt hier so zu tun, als hätten Sie alles im Griff, hätte ich erwartet, dass Sie die Karten auf den Tisch legen und nicht immer nur Ankündigungsrhetorik betreiben, dass es bald ganz ernst wird. Das ist wie im Falle von jemandem, der eine Diät machen will und der auf die Frage, wann es losgehen solle, ein Leben lang sagt: ab morgen.
Herr Minister Klug, können Sie mir erklären, wieso ein Kulturminister eine Kulturbeauftragte braucht? - Das ist doch irgendwie merkwürdig. Ich finde es richtig, dass die Kulturabteilung wieder ins Bildungsministerium geht. Das wäre ein Beispiel für Aufgabenkritik, die Herr Kubicki ja anmahnt. Es wäre eine Chance für Stellenabbau. Stattdessen werden die Strukturen verdoppelt.
Ein anderes Beispiel ist der schon längst eingesparte Posten des Leiters der Landesvertretung. Jetzt gibt es ihn plötzlich wieder, besetzt von einem
FDP-Mann. Das gönne ich ihm persönlich, aber politisch ist es doch geradezu dreist, Wasser zu predigen und Wein zu saufen.
Es gibt einen neuen Mittelstandsbeauftragten und einen Integrationsbeauftragten. Mir klingt dabei noch das neoliberale Wort vom Beauftragtenunwesen im Ohr. Dieses Unwesen hat jetzt offensichtlich Einzug erhalten. Alles, was angekündigt wurde, ist Schnee von gestern, wenn es darum geht, die eigenen Leute unterzubringen.
Um noch einmal auf das offensichtlich doch sehr emotionale Thema zurückzukommen: Ich frage mich, was man anstellen muss, um nicht Minister in Ihrem Kabinett werden zu dürfen, Herr Carstensen.
Die Einzigen, die vor die Tür gesetzt wurden und für die es keine Gnade und kein Pardon gibt, sind die Frauen. Ich zitiere noch einmal aus der heutigen Regierungserklärung:
Das ist bitter. Noch bitterer aber ist es - hier spreche ich die FDP an -, wenn man gar keine findet.
- Herr Kubicki, Sie haben doch auch eine Frau gesucht - willkommen im Hause, Herr Schmalfuß! -, aber soweit ich weiß, ist Herr Schmalfuß keine Justizministerin.
Aufgabenkritik bedeutet, keine Angst vor Reformen der Verwaltung zu haben, auch nicht vor Strukturveränderungen. Deshalb braucht es eine Verwaltungsstrukturreform. Das wäre schon die Aufgabe der letzten Regierung gewesen.
Jetzt verrate ich Ihnen, warum sie gescheitert ist. Ihr Problem waren nämlich nicht persönliche Unverträglichkeiten. Sie hatten ein Erkenntnisproblem: Die CDU hätte sich mit ihrer Lobby, etwa
den Landräten, anlegen müssen. Die Sozis hätten sich mit der Ministerialbürokratie anlegen müssen, die sie letztlich aufgebaut haben. Ein Sozialdemokrat hätte Finanzminister und ein CDU-Politiker hätte Innenminister werden müssen. Sie haben es andersherum gemacht und sind in lächerlicher Parteilichkeit untergegangen. Das Unfassbare ist, dass Sie von der CDU daraus nichts gelernt haben. Im Gegenteil!