Protokoll der Sitzung vom 08.07.2010

Auf der Tribüne begrüße ich jetzt Schülerinnen und Schüler des Kaiser-Karl-Gymnasiums aus Itzehoe mit ihren Lehrerinnen und Lehrern und Soldaten des 7. Spezialpionierbataillons 164 aus Husum. Seien Sie uns herzlich willkommen im SchleswigHolsteinischen Landtag, und haben Sie lebhafte Eindrücke!

(Beifall)

Jetzt erteile ich für die Landesregierung der Frau Ministerin für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Dr. Juliane Rumpf, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorrangiges Ziel der Lebensmittelüberwachung ist der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdung und Täuschung. Die hierzu erlassenen rechtlichen Vorgaben weisen den Lebensmittelunternehmen die Verantwortung für die Einhaltung der Vorschriften und den Überwachungsbehörden eine Kontrollfunktion auf Risikobasis zu. Zur Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen und zur Sicherstellung der einheitlichen Anwendung in der Bundesrepublik wurden eine Reihe von ergänzenden nationalen Vorschriften erlassen, die unter anderem eine einheitliche Durchführung der Betriebskontrollen und Probenuntersuchungen sicherstellen sollen. Die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an die Lebensmittelüberwachung werden in Schleswig-Holstein grundsätzlich erfüllt. Dies wurde auch mehrfach bei Inspektionen der Kommission bestätigt.

Ich begrüße den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP, der es uns ermöglichen wird, dies im Fachausschuss im Einzelnen darzustellen. Herr Voß, dabei gehe ich auch sehr gern auf den Verbraucherschutzindex ein und darauf, ob die gewählten Indikatoren für diesen Index geeignet sind. Ich habe den Ausschuss schon einmal darüber informiert, dass aus unserer Sicht hier erhebliche Zweifel bestehen. Mit Ihrer Kritik würde ich übrigens vorsichtig sein, denn auch unter rot-grüner Verantwortung lag Schleswig-Holstein beim Ranking auf Platz 16.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Axel Bern- stein [CDU])

Wie der Landesrechnungshof festgestellt hat, wird die erforderliche Anzahl von Betriebskontrollen

(Ellen Streitbörger)

und Probenahmen aber aufgrund von Personalmangel nicht immer erreicht. Wir haben feststellen müssen, dass die Kreise hier in der Vergangenheit unterschiedlich vorgegangen sind, und haben uns deshalb darauf verständigt, bei der Ermittlung der Kontrollhäufigkeit für Lebensmittelbetriebe ein System zur Dokumentation der behördlichen Tätigkeiten einzusetzen, mit dem es seit Ende 2009 möglich ist, die Ermittlung der Kontrollhäufigkeiten entsprechend den Anforderungen einheitlich vorzunehmen.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Habersaat?

Ja, gern.

Frau Ministerin, könnten Sie mir grob skizzieren, welches die wesentlichen Unterschiede bei der Vorgehensweise der Kreise waren?

- Die Häufigkeiten der Probenahme sind bei den Kreisen unterschiedlich. Daher dieses System, mit dem wir jetzt eine einheitliche Vorgehensweise sicherstellen wollen.

Herr Beran, wenn alle zu überwachenden 33.000 Betriebe nach diesem neuen System eingestuft worden sind, dann können die Standards überprüft werden.

Herr Harms, Sie fordern, eine ordnungsgemäße Lebensmittelüberwachung dadurch zu gewährleisten, dass alle amtlichen Kontrollen in der Lebensmittelüberwachung gebührenpflichtig werden. Es gibt einige allgemeine Gebührentatbestände, zum Beispiel Gebühren für die allgemeine Lebensmittelüberwachung bis zum Urproduzenten und Einzelhandel, die bisher noch nicht durch die Länder erhoben werden.

Herr Voß, auch hier hat die Landesregierung nicht geschlafen. Eine Initiative des Landes SchleswigHolstein, auch hier bundeseinheitlich den gesetzlich eingeräumten Rahmen in voller Höhe auszuschöpfen, fand keine Mehrheit beim Bund und bei den Ländern, sodass eine einheitliche Einführung solcher Gebührentatbestände bisher nicht durchsetzbar war. Schleswig-Holstein hat diese bisher auch nicht im Alleingang durchgeführt, um eine Wettbewerbsverzerrung für die Gewerbetreibenden in Schleswig-Holstein im Marktvergleich mit den Wirt

schaftsbetrieben der übrigen Bundesländer zu vermeiden.

Aus der Sicht der Betroffenen sind die Gegenargumente durchaus nachzuvollziehen. Neben der Gefahr von Wettbewerbsverzerrung, wenn die Gebühren nicht bundeseinheitlich erhoben werden, geht es auch um die Frage der gerechten Lastenverteilung, denn nicht alle Betriebe werden gleichzeitig und gleich häufig kontrolliert.

Auch kann eingewendet werden, dass es bei der Lebensmittelüberwachung um Daseinsvorsorge geht, für die der Staat eine besondere Verantwortung hat. Auf der anderen Seite können Gebühreneinnahmen aber den Mittelbedarf von Einrichtungen des Landes wie des Landeslabors und der Kreise im Falle einer notwendigen Haushaltssanierung natürlich senken.

Wenn der Fachausschuss es wünscht, sehe ich es vor diesem Hintergrund hinsichtlich dieses Themas als Aufgabe der Landesregierung, zunächst einmal zu prüfen und darüber zu berichten, welche Auswirkungen eine erweiterte Gebührenerhebung auf die betroffene Wirtschaft hätte, damit Sie dann auf der Grundlage konkreter Daten gegebenenfalls im Rahmen der Beratungen des Haushaltsentwurfs auch Ihre politische Entscheidung treffen können.

(Beifall bei CDU und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Anträge. Es ist beantragt worden, über den Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 17/732, in der Sache abzustimmen. Der Antrag der Fraktion des SSW, Drucksache 17/684, soll federführend an den Umwelt- und Agrarausschuss, mitberatend an den Finanzausschuss überwiesen werden. Ich schlage deshalb vor, dass wir zunächst die beiden Anträge zu selbstständigen Anträgen erklären. - Ich erkenne keinen Widerspruch. Dann ist das damit so beschlossen.

Ich lasse nun zunächst über den Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 17/732, in der Sache abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 17/732, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann erkenne ich, dass mit den Stimmen von CDU, FDP und SSW und vereinzelten Stimmen der Grünen und der SPD bei Enthaltung der

(Ministerin Dr. Juliane Rumpf)

Fraktion DIE LINKE dieser Antrag angenommen ist.

(Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Frau Präsidentin, wir haben den An- trag abgelehnt!)

- Es haben aber nicht alle, Frau Kollegin Fritzen, entsprechend den Arm gehoben, sondern nur Einzelne. Ich denke, wir müssen das jetzt so stehen lassen. Die Abstimmung ist gelaufen.

Ich lasse jetzt abstimmen über den Antrag der Fraktion des SSW, Drucksache 17/684. Es ist Überweisung beantragt an den Umwelt- und Agrarausschuss, mitberatend an den Finanzausschuss. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist dieser Antrag einstimmig an den Umwelt- und Agrarausschuss, mitberatend an den Finanzausschuss überwiesen worden.

Damit ist der Tagesordnungspunkt 28 erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 34 auf:

Sicherungsverwahrung

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/691

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse deshalb zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich erteile für die Landesregierung dem Minister für Justiz, Gleichstellung und Integration, Herrn Emil Schmalfuß, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat nunmehr mit entgültigem Urteil am 17. Dezember 2009 entschieden, dass die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung über die in § 67 d Strafgesetzbuch ursprünglich vorgesehene Höchstfrist von zehn Jahren hinaus gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Dieser Fall, nämlich eine nachträglich verlängerte Dauer der erstmalig angeordneten Unterbringung der Sicherungsverwahrung, betrifft ins

gesamt sieben Personen in Schleswig-Holstein. In drei Fällen ist die ursprünglich geltende Höchstfrist von zehn Jahren bereits abgelaufen. Bei den anderen vier Personen wird diese Höchstfrist im Zeitraum von Ende des Jahres 2010 bis ins Jahr 2012 erreicht sein.

Welche Auswirkungen dieses Urteil konkret auf diese Fälle hat, das heißt, ob die Personen tatsächlich nach Ablauf der zehn Jahre aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen sind, ist noch offen. Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entfalten nämlich zunächst nur Wirkung inter parles, das heißt nur für den entschiedenen Fall. Welche konkrete mittelbare Bedeutung das Urteil des EGMR auf gleichgelagerte Fälle hat, wird derzeit bundesweit durch die letztinstanzlich zuständigen Oberlandesgerichte geklärt. Dabei zeichnet sich eine Tendenz dahin gehend ab, dass die nachträglich verlängerte Unterbringung in der Sicherungsverwahrung trotz der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht für erledigt erklärt anzusehen ist.

Die Entscheidung des schleswig-holsteinischen Oberlandesgerichts zu den Auswirkungen auf die konkreten Einzelfälle in Schleswig-Holstein steht allerdings noch aus, ist aber zeitnah zu erwarten.

Unabhängig von der Frage, ob das Urteil tatsächlich die Entlassung zur Folge hat, müssen wir aber die konkrete Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung weiterentwickeln.

Das Abstandsgebot zwischen repressiver Strafe und präventiv ausgerichteter Unterbringung in der Sicherungsverwahrung muss deutlicher hervorgehoben werden. Welche Schritte dazu notwendig sind, muss auch in Abstimmung mit den anderen Bundesländern noch im Einzelnen geprüft werden.

Das Urteil hat zudem deutlich gemacht, dass die bestehenden gesetzlichen Regelungen über die Anordnung einer Sicherungsverwahrung dringend reformbedürftig sind. Diese beiden Aspekte waren auch Thema auf der Justizministerkonferenz vor zwei Wochen in Hamburg. Die Bundesjustizministerin hat dort erste Eckpunkte zur Reform der Sicherungsverwahrung vorgelegt.

Wie erwähnt, steht die Entscheidung des schleswigholsteinischen Oberlandesgerichtes noch aus. Doch eventuell stehen zeitnah drei Entlassungen an. Für die Zukunft sind es weitere vier. Darauf sind wir vorbereitet. Wir haben bereits zu Beginn des Jahres präventive Maßnahmen für den Fall von Entlassungen getroffen. Die betroffenen Ressorts der Landes

(Vizepräsidentin Herlich Marie Todsen-Reese)

regierung haben sich frühzeitig untereinander abgestimmt.

Konkrete Maßnahmen werden insbesondere über das im Oktober 2008 begonnene Kieler Sicherheitskonzept Sexualstraftäter - kurz: KSKS - gewährleistet. Es bindet die Polizei in die Überwachung rückfallgefährdeter Sexualstraftäter ein. Diese werden in einem mehrstufigen Verfahren zunächst in drei Gefährlichkeitskategorien eingeteilt. Die KSKS-Zentralstelle koordiniert dann die nach dem Gefahrenabwehrrecht notwendigen polizeilichen konkreten Maßnahmen.

Von diesem Verfahren nach dem KSKS werden auch die drei derzeit in Schleswig-Holstein relevanten Fälle erfasst. Sollte es aufgrund richterlicher Entscheidungen zu Entlassungen kommen, ist aufseiten der Polizei zwar mit ganz erheblichem Aufwand zu rechnen, es ist aber gewährleistet, dass die abgestimmten Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung oder auch für Einzelne ergriffen werden können. Die zuständigen Dienststellen der Justiz, des Maßregelvollzuges und der Polizei arbeiten diesbezüglich ausgesprochen eng und verantwortungsvoll zusammen.

Auch zu anderen Bundesländern bestehen Kontakte für den Fall, dass ein in Schleswig-Holstein Entlassener in ein anderes Bundesland umzieht.

Im Zusammenhang mit der Entlassung von Sexualstraftätern wird auch über eine elektronische Überwachung diskutiert. Wir haben auf der Justizministerkonferenz mit der Stimme Schleswig-Holsteins und insgesamt ohne Gegenstimme beschlossen, dass die Führungsaufsicht, die Eignung einer elektronischen Überwachung und die etwaige Nutzungsmöglichkeit sowie rechtliche und verfassungsmäßige Fragen zu prüfen sind. Es wäre leichtfertig, von vornherein auf bestimmte Maßnahmen und Möglichkeiten zum Schutz der Bevölkerung zu verzichten.

Ob eine elektronische Überwachung zu befürworten ist, hängt im Ergebnis davon ab, wie diese Prüfungen ausgehen und wie die Überwachung konkret ausgestaltet ist. Hier wird es insbesondere auf die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ankommen.