Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, Sie stimmen mir alle zu, wenn ich sage, dass Hektik kein guter Ratgeber in komplizierten Situationen ist. So wie der Haushaltsentwurf der Landesregierung allerdings gestrickt wurde, kann man sehen, dass die Landesregierung genau diese allgemeingültige Erkenntnis nicht beachtet hat. Das, was hier hektisch zusammengestrickt wurde, ist für uns als SSW kein politisch zukunftsweisender Haushalt, sondern eine Aneinanderreihung von Grausamkeiten, die in keinster Weise mit politisch nachhaltigen Argumenten unterfüttert ist.
Ich mache der Landesregierung keinen Vorwurf daraus, sparen zu wollen. Ich mache der Regierung aber den Vorwurf, dass sie dabei weder über die Konsequenzen nachgedacht, noch die weiteren offensichtlichen Alternativen ins Auge gefasst hat.
Lieber Kollege, will man den Haushaltsentwurf bewerten, so muss man erst einmal betrachten, was die Grundlage für den Haushaltsentwurf ist. Wir stehen in der Tat vor großen Herausforderungen, die bewältigt werden müssen. Dabei sage ich ausdrücklich nicht, dass wir über unsere Verhältnisse gelebt haben. Soziale Errungenschaften, ökologisch nachhaltiges Wirken und eine gute Bildungspolitik sind kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.
Vielmehr ist es so, dass es uns in den vergangenen Jahrzehnten nur teilweise gelungen ist, SchleswigHolstein wirtschaftlich fit für die Zukunft zu machen. Das aber ist die Voraussetzung dafür, dass hier bei uns die Steuereinnahmen und -abgaben sprudeln können, damit wir die notwendigen Ausgaben gegenfinanzieren können. In den letzten 20 Jahren ist dabei schon viel geschehen - wie zum Beispiel in der Windenergiebranche, im Tourismus und in der maritimen Wirtschaft -, aber trotzdem konnten die Versäumnisse der Vorgängerjahrzehnte nicht aufgearbeitet werden. Wir haben den Strukturwandel bis heute nicht bewältigen können, und
das führt zur schlechten Finanzsituation, wie wir sie heute haben. Das hat auch die Politik in den 70er- und 80er-Jahren zu verantworten.
Am Jahresende werden wir 26 Milliarden € Schulden haben, die uns jährlich rund 1 Milliarde € an Zinszahlungen kosten. Dies ist wie gesagt kein Ausfluss ausufernder Ausgaben, die sich markant von denen anderer Länder unterschieden haben, sondern liegt begründet in der Strukturschwäche des Landes Schleswig-Holstein. Mit der Schuldenbremse haben wir festgelegt, dass wir diese Schulden zwar noch nicht abbauen können, aber wir wollen die Neuverschuldung bis 2020 auf null setzen.
Dies ist eine sehr verantwortungsvolle Bremse, da man nicht sofort eine Vollbremsung macht, sondern das Fahrzeug quasi langsam aber sicher zum Stehen bringen will. Wenn wir dies aber so vor Augen haben, dann verstehe ich nicht, warum die Landesregierung nun so konzeptlos mit Kürzungen um sich wirft. Der SSW hat in der Debatte zur Schuldenbremse deutlich gemacht - das haben andere Parteien auch getan -, dass wir am Abbaupfad mitwirken wollen. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst. Deshalb haben wir für die Schuldenbremse gestimmt. Wir sind der Auffassung, dass nur gemeinsames Handeln zu einer nachhaltigen Entwicklung des Landes führen kann.
Wie ist aber eigentlich die Lage? - Zuerst einmal: Sie ist nicht hoffnungslos, aber wir müssen tatsächlich auch zu Einsparungen kommen. Warum, erklärt sich aus dem Finanzplan des Landes. Hier können wir natürlich einzelne Zahlen infrage stellen, aber die Grundaussage des Zahlenwerkes stimmt. Deshalb gestatten Sie mir, dass ich nicht in den Reflex verfalle, jede einzelne Zahl auseinandernehmen zu wollen, denn das bringt uns nicht wirklich weiter. Betrachten wir zum Beispiel die Pensionsausgaben: Seit 1997 steigen die Zahlen hier markant an. In den Jahren 2011 bis 2020 werden diejenigen in Pension gehen, die grob gesehen in den 70er- und 80er-Jahren in den Landesdienst gekommen sind. Nimmt man an, dass die Pensionslasten in Zukunft ähnlich stark steigen wie in der Vergangenheit, dann werden wir am Ende wohl eher bei 1,5 Milliarden € Pensionslasten liegen. Zählen wir dann die bis 2020 ständig steigenden Schulden und Zinsen hinzu, liegen wir - je nach Zinsniveau möglicherweise bei 3 bis 3,5 Milliarden € für Zinsen und Pensionen. Das ist die Ausgangslage. Um es unumwunden zu sagen: Die Lage ist tatsächlich nicht rosig.
nichts Gravierendes ändert, steigen die Einnahmen laut Finanzplanung um rund 1,5 Milliarden €. Das wird nicht reichen, um die Zins- und Pensionslast bewältigen zu können. Allerdings würden Einsparungen in den freiwilligen Leistungen die restlichen 2 Milliarden € auch nicht erbringen können. Insofern haben die Grünen recht damit, dass wir eigenständig aus eigener Kraft nicht weiterkommen können. Wir werden tatsächlich auch auf Bundesebene aktiv werden müssen. Das ist die erste Feststellung.
Die zweite ist aber nicht, dass dann Sozialabbau und Umweltverschmutzung die Folge sein müssen. Zuerst einmal geht es einer solchen Situation darum, die Einnahmen zu verbessern. Das würde jeder auch in seinem privaten Haushalt versuchen.
Nun wird man natürlich die Einnahmen für 2020 nicht schon heute abschließend beeinflussen können. Aber wenn man ehrlich Politik macht, wird man nicht umhinkommen, deutlich zu machen, dass Steuern und auch Abgaben erhöht werden müssen, wenn man das Ziel „Neuverschuldung null“ wirklich erreichen will. Diesen Willen vermissen wir aber bei der Landesregierung. Es reicht nicht, nur bei denjenigen sparen zu wollen, die einem vielleicht politisch nicht ins Konzept passen. Es ist vielmehr Aufgabe der Politik, funktionierende Strukturen zu erhalten und - wenn möglich - auszubauen.
Ich stelle aber fest: Es geht der Landesregierung nicht in erster Linie um die Haushaltssanierung, wie sie immer vorgibt, sondern sie kürzt bewusst und besonders massiv bei denjenigen, die ihr nicht ins politische Konzept passen. Wäre dies nicht so, würde sie sich völlig anders verhalten und hätte beispielsweise in den letzten drei Jahren keinen Steueränderungen zugestimmt, die den Landeshaushalt 400 Millionen € kosten.
Mit diesem Geld hätte jeder Zuschuss und jede Investition rechnerisch gegenfinanziert werden können. Aber die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben dies bewusst unterlassen. Verfolgt man aber das Ziel der Haushaltskonsolidierung mit allem Ernst, dann muss man diese Beschlüsse wieder rückgängig machen.
Nehmen wir die 400 Millionen €, die uns in den letzten drei Jahren verloren gegangen sind und rechnen dies mit einem unterstellten jährlichen Wirtschaftswachstum von 2,5 % - 1 % reales
Wachstum und 1,5 % Inflation - hoch, und das ist wirklich nicht hoch geschätzt, dann kommen wir 2020 auf eine Summe von 512 Millionen €. Kumuliert reden wir über knapp 4,6 Milliarden € in zehn Jahren. Dieses Rechenbeispiel soll nur kurz illustrieren, dass auf der Einnahmeseite viel Luft ist und dass wir auch selbst viel dazu beitragen können, dass es der Landeskasse besser geht und wir die uns gestellten Aufgaben immer noch bewältigen können.
Bisher habe ich aber nur über das gesprochen, was wieder an Fehlentscheidungen der letzten zwölf Monate eingesammelt werden könnte.
In den Jahren zuvor ist die größte Steuerentlastung für Unternehmen und Vielverdiener beschlossen worden. Auch diese Fehlentscheidung kann man und muss man zurücknehmen. Wir können feststellen, dass wir als Gesellschaft weder etwas davon hatten, dass Unternehmen steuerlich extrem entlastet wurden, noch von der Bevorzugung von Großverdienern. Im Gegenteil: Das Geld ist weg, und der Staat musste für seine Aufgaben, die er immer noch hatte, Kredite aufnehmen. Mit diesen Krediten sind aber nicht die staatlichen Aufgaben finanziert worden, wie man immer behauptet, sondern hiermit sind Steuergeschenke finanziert worden. Man darf Ursache und Wirkung nicht voneinander trennen.
(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] und Antje Jansen [DIE LINKE])
Hätte es diese Steuerreform nicht gegeben, so hätte der Staat - und damit auch das Land SchleswigHolstein - wesentlich mehr Finanzmittel zur Verfügung gehabt. Sozialabbau lässt sich zumindest hierdurch moralisch nicht begründen.
Nun mag man aber auch bei den schlimmen Entscheidungen der Vergangenheit einwenden, dass das Zurückdrehen dieser Fehlentscheidungen Zeit bräuchte. Ich wollte mit diesen Beispielen jedoch zeigen, dass wir durchaus Milliardenspielräume hatten und auch wieder haben können. Ich bin sogar der Auffassung, dass wir diese Spielräume auf Bundesebene auch wieder durchsetzen müssen. Ich glaube, hier liegt auch der eigentliche Wert der Schuldenbremse. Die Aufgabe, vor der wir stehen, ist nämlich nicht zu rechtfertigen, wie man phantasielos drauf zu spart. Vielmehr wird die Schuldenbremse die jetzigen und auch die kommenden Landesregierungen dazu zwingen, ihr konzeptloses Zustimmen zu Steuergeschenken auf Bundesebene einzustellen.
Ein weiter so in dieser Frage wird automatisch dazu führen, dass die verfassungsmäßigen Ziele und Vorschriften nicht eingehalten werden können. Damit wird durch die Schuldenbremse die eigenständige Position des Landes gestärkt, und wir können sogar hoffen, dass eines Tages eine verantwortungsvolle Landesregierung sich auch um Einnahmeverbesserungen bemühen wird. Das ist der eigentliche politische Wert der Schuldenbremse.
Nun mag man einwenden, dass diese Prozesse lange laufen und uns in der heutigen Situation kurzfristig nicht weiterhelfen. Das mag in Teilen richtig sein. Wenn wir aber betrachten, was die Grünen heute vorschlagen und was die Landesregierung möglicherweise erst in zwei Jahren umsetzen will, dann haben wir ein konkretes Beispiel dafür, wie wir vieles von dem retten können, was wir zu verlieren drohen. Eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer auf 5 %, wie sie die Landesregierung für nach 2012 plant, würde nach vorsichtigen Schätzungen jährliche Mehreinnahmen von rund 80 Millionen € bedeuten.
Das sind beispielsweise umgerechnet drei beitragsfreie Kindergartenjahre. Wir könnten allen Kindern ab dem dritten Lebensjahr kostenlose Betreuung und einen niederschwelligen Eintritt in das Bildungssystem ermöglichen.
Wir könnten also konkret etwas für die Bildung und die Chancengleichheit in unserem Land tun. Betrachtet man die losgetretene Integrationsdebatte in unserem Land, so könnten wir auch hier einen Meilenstein setzen, weil dann viele Migrantenkinder eben nicht mehr aus Kostengründen von den Kindergärten fern gehalten werden. Dies wäre ein konkreter und vor allem sinnvoller Beitrag dazu, wie man vonseiten der Landespolitik auf die Integrationsdebatte reagieren könnte. Das blendet die Landesregierung allerdings völlig aus.
Anstatt mit den Mehreinnahmen aus der Grunderwerbsteuer ein neues Ziel anzustreben, denn es wird mit Sicherheit kritisiert und gesagt, wir könnten das Geld auch ausgeben, könnte man auch die geplanten Streichungen im Kultur-, Bildungs-, Umwelt- und Sozialbereich zurücknehmen. All das, gegen das die Menschen vor unserer Tür zum Landeshaus demonstrieren, wäre dann nicht mehr notwendig. Dabei meine ich nicht, dass Sparmaßnahmen
gänzlich wegfallen müssten. Wir könnten den Organisationen aber Zeit geben, sich auf Sparmaßnahmen einzustellen. Die Organisationen und wir hätten Luft zum Planen und Luft, um sich neu zu organisieren. Meine Damen und Herren, das wäre eine nachhaltige Politik, aber bei der Landesregierung ist auch hier Fehlanzeige.
Selbst wenn man dies nicht wollte, so könnte man Mehreinnahmen aus einer erhöhten Grunderwerbsteuer sinnvoll nutzen. Wie wäre es, wenn wir schon jetzt die Neuverschuldung jährlich um genau diese 80 Millionen € verringern würden? - Das würde uns jährlich Zinszahlungen von rund 2 Millionen € an Zinszahlungen ersparen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, alle Ziele - drei beitragsfreie Kindergartenjahre, der Verzicht auf Kahlschlag im Landeshaushalt oder auch nur die Verringerung der Neuverschuldung sind Ziele, für die es sich lohnt, die Grunderwerbsteuer zu erhöhen. Es ist den Betroffenen draußen vor unserer Tür nicht zu erklären, dass man auf diese Einnahmen verzichten will und lieber mutwillig sinnvolle Strukturen zerstört. Eine solche Politik ist katastrophal!
Trotzdem sehen auch wir die Notwendigkeit, in den nächsten 10 Jahren so zu sparen, dass das Ziel Neuverschuldung null erreicht werden kann. Im Gegensatz zur Landesregierung sind wir aber der Auffassung, dass hier eher Strukturänderungen vonnöten sind. Nur so können wir dem strukturellen Defizit - wie der Name sagt - richtig beikommen. Die Landesregierung hat angekündigt, im Landesdienst über 5.000 Stellen einsparen zu wollen. Das ist ein ambitioniertes Ziel. Wie dies konkret geschehen soll, ist sie aber nicht in der Lage zu sagen. Eine Analyse der Zeitschrift „Wirtschaftswoche“ und der arbeitgeberfinanzierten Initiative Soziale Marktwirtschaft hat festgestellt, dass kein anderes Bundesland so wenig Staatsdiener pro 1.000 Einwohner beschäftigt wie Schleswig-Holstein. Im Schnitt sind es 29,4 Mitarbeiter. Bei uns sind es 25,9 Mitarbeiter. Das sind knapp 12 % weniger Mitarbeiter als im Bundesdurchschnitt, was eine Menge ist. Erst einmal können wir also feststellen, dass wir im Bundesvergleich nicht überverwaltet sind. Diese Feststellung mag manchen überraschen, aber trotzdem muss man sich dies zu Gemüte führen.
Wir können also nicht planlos Stellen streichen, weil wir dann sicherlich nicht mehr unsere Aufgaben erfüllen können. Wir müssen vielmehr dazu kommen, eine umfassende Aufgabenkritik durch
zuführen und dann die Verwaltungsstrukturen in unserem Land ändern. Dann mag es möglich sein, Stellen in nennenswertem Umfang abzubauen. Ohne den Strukturansatz und den Angriff auf das strukturelle Defizit wird dies allerdings kaum möglich sein. Hinzu kommt, dass natürlich auch darüber nachgedacht werden muss, welche Aufgaben künftig wegfallen können und welche möglicherweise auch von anderen Ebenen erledigt werden können. Dies ist dann nicht nur eine Einbahnstraße.
Es ist nicht nur das Ziel, Personal bei uns auf der Landesebene abzubauen. Es kann auch sinnvoll sein, gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben wieder selbst zu erledigen, wenn man damit Geld sparen kann. Muss es beispielsweise sein, dass die Landwirtschaftskammer gesetzliche Aufgaben für uns erledigt? - Oder kann es auch sein, dass wir, nachdem das Personal im Ministerium aufgrund von einer umfassenden Aufgabenkritik von Aufgaben befreit worden ist, die gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben wieder von der Landesverwaltung übernehmen lassen?
Betrachten wir die Struktur, so sieht man insbesondere im Schulbereich, wie negativ sich Planlosigkeit auswirkt. Ich gehe nicht darauf ein, welches Bildungssystem das Beste ist. Wenn man aber unsere verschiedenen Schulformen - Regionalschule, Gemeinschaftsschule, Gymnasium und vieles mehr - betrachtet, so stellt man finanzpolitisch fest, dass hier Ressourcen verschwendet werden. An vielen Orten gibt es Schulformen, die am unteren Rand der zulässigen Größe sind und nicht die ganze Palette des möglichen schulischen Angebots bieten können. Warum ist das so? - Es ist so, weil durch die Aufteilung in verschiedene Schulformen Ressourcen mehrfach verteilt werden. Das heißt, dass alle Schulformen sozusagen Fixkosten haben und dass der Anteil der variablen Kosten vergleichsweise gering ist. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten - und nur diese betrachte ich hier - ist dies unverantwortlich.
Eine Änderung der Schulstruktur kann zu massiven Einsparungen führen, die einerseits in eine bessere Bildung investiert werden und andererseits auch zu finanziellen Einsparungen führen können. Wer allerdings am überkommenen geteilten Schulsystem festhält, der versündigt sich an den kommenden Generationen - egal ob man das bildungspolitisch oder finanzpolitisch betrachtet.
Ein weiterer wichtiger Bereich, der dringend einer Strukturreform bedarf, ist der kommunale Bereich.