Protokoll der Sitzung vom 08.09.2010

Wir haben einen Vorschlag gemacht, über den man mit uns reden kann. Wir sagen: Die Kommunen müssen auch Anreize bekommen. Die Ämterreform, bei der wir ja genau dieses Prinzip angewandt haben, hat doch gezeigt, dass im Durchschnitt ungefähr 13 Millionen € pro Jahr weniger ausgegeben werden können, ohne dass es irgendeinen Bürger trifft. Die Bürger bekommen immer noch Pässe, sie können immer noch heiraten, sie können immer noch umziehen und all diese Dinge tun. Das ist gar kein Problem. Aber damit verblieben 13 Millionen € mehr in den kommunalen Kassen.

Was in diesen Fällen gilt, das gilt doch in anderen Bereichen auch. Da gibt es viele Möglichkeiten, etwa bei der Katasterverwaltung, bei den Kragenämtern und in vielen anderen Bereichen. Wir brauchen eine Verwaltungsreform.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Unglaublich!)

Wir wollen nur nicht privatisieren. Man kann jedoch zu Reformen kommen. Ich sehe hier jedoch nur Mutlosigkeit, und ich glaube übrigens, dass diese Mutlosigkeit auch etwas mit Ihren Parteifunktionären vor Ort zu tun hat, vor denen Sie ein bisschen Angst haben, weil Sie glauben, dass diese Themen unpopulär sind.

(Zurufe)

Bei uns ist dieses Thema auch nicht populär. Aber wir wissen trotzdem, dass wir das tun müssen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das zweite Feld der Strukturreform ist -

(Unruhe)

- Ich verstehe ja, dass Sie nicht die Ruhe haben zuzuhören. Sie merken, dass Ihre Zeit abläuft, und deswegen rufen Sie andauernd dazwischen. Es ist ja auch verständlich, dass Sie nervös sind. Aber Sie werden

(Zurufe von der CDU - Herlich Marie Tod- sen-Reese [CDU]: Das müssen gerade Sie sa- gen! - Demonstrativer Beifall bei der CDU)

sich das anhören müssen.

Ich möchte zur norddeutschen Kooperation kommen. Dankenswerterweise haben wir gemeinsam mit den Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Enquetekommission eingerichtet, weil wir wissen, dass bei der Zusammenarbeit in Norddeutschland, der Zusammenarbeit mit Hamburg, aber auch mit Mecklenburg-Vorpommern, erheblich mehr Tempo gemacht werden muss. Wir werden das auch tun und es nicht in Kommissionen verweisen, so, wie die Regierungskoalitionen das tun. Dabei kommt nichts heraus, zumal ja, wie wir sehen, die Regierungen in Hamburg und in Kiel im Augenblick ganz andere Sorgen haben als die Sorgen um die norddeutsche Kooperation.

Wir haben Beispiele genannt, bei denen das vorangehen kann: Den Datenschutz, die Gerichte, den Verfassungsschutz, die Labore, die Kartellbehörden, die Landesrechnungshöfe. Ist es nicht ein Anachronismus, dass wir immer noch über Schüler und Gastschulabkommen ernsthaft verhandeln, anstatt

(Dr. Ralf Stegner)

dafür zu sorgen, dass das so geregelt wird wie innerhalb von Schleswig-Holsteins auch und dass wir nicht so komplizierte Abkommen zwischen den Ländern haben?

(Beifall bei der SPD)

All dies erfordert Mut, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der gerade aus dem Amt geschiedene Bürgermeister Ole von Beust hat gesagt, seiner Meinung nach seien 100 Millionen € zu holen. Wir glauben das auch, allerdings denken wir, das wird nicht so schnell möglich sein. Er hat gesagt: Wir machen das vielleicht noch in der Regierungszeit. Das hat sich ja nun erledigt. Aber wir glauben, dass man das ab 2015 schaffen kann, wenn man denn beherzt und übrigens auch ergebnisoffen herangeht. Sie wissen: In unserer Fraktion haben auch nicht gleich alle Hurra geschrien, als Jürgen Weber gesagt hat, das sollten wir tun. Aber wir sind inzwischen an einem Punkt angekommen, an dem wir sagen: Wir müssen mehr Mut haben, was das Thema der norddeutschen Kooperation angeht, und wir werden das mindestens mit den Grünen gemeinsam – ich glaube, auch mit anderen gemeinsam – schaffen, übrigens, liebe Anke Spoorendonk, ohne zu einem Ergebnis zu kommen, das die nördlichen Landesteile abhängt oder benachteiligt. Das kann nicht der Sinn solcher Unternehmungen sein. Das muss gewährleistet werden. Wir müssen die Wachstumskräfte ins ganze Land hineinziehen.

(Beifall bei der SPD)

Zu den Strukturveränderungen gehört übrigens auch, dass wir bei Sparkassen und Banken etwas tun müssen. Dieses unheilvolle Sparkassengesetz wird keinen Tag länger leben als die Koalition in diesem Haus, das will ich Ihnen sagen!

(Beifall bei SPD und der LINKEN – Zurufe von CDU und FDP)

Wir werden auch hier bei Ihrem Privatisierungswahn in die Parade fahren.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Was die HSH Nordbank angeht, habe ich heute mit großer Freude gelesen, dass der Fraktionsvorsitzende der FDP jetzt auch der Auffassung ist, dass Herr Nonnenmacher der falsche Mann ist. Das sagen wir schon ziemlich lange.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Sie ha- ben ihn doch eingestellt!)

- Die Sozialdemokraten haben der Bestellung von Herrn Nonnenmacher nicht zugestimmt. Das darf

ich hier ganz deutlich sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Zurufe von CDU und FDP)

Wir haben ihn nicht ausgewählt, wir haben auch Herrn Kopper nicht ausgewählt. Aber darum geht es gar nicht. Eine Bank, die weitgehend auf den Schmuddelseiten der Illustrierten auftaucht und uns gehört, kann nicht richtig geführt sein, und das muss sich ändern.

(Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordne- ten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Das ist eine Minimalvoraussetzung dafür, dass wir zu anderen Dingen kommen.

Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden im Hinblick auf die Strukturveränderungen auch noch manch andere Frage anzusprechen haben. Ich sage nur: Neben den Investitionen in Schwerpunktbereichen und den Kürzungen in den Bereichen, die ich genannt habe, gehören beherzte Strukturreformen dazu. Dazu braucht man Mut. Dazu muss man ab und zu einmal seine Meinung revidieren, um mit anderen gemeinsam zu Veränderungen zu kommen. Das werden wir tun.

Drittens. Das Wort „Einnahmeverbesserung“ kommt in der Rede des Finanzministers in der Tat vor. Aber wenn man sich dann anschaut, wie es ausgefüllt wird, muss man sagen: gähnende Leere, selbst bei den Dingen, die man im Land selbst tun kann. Der Vorschlag, die Grunderwerbsteuer von 3,5 % auf 4,5 % zu erhöhen, bringt jährlich 70 Millionen € zusätzlich. An wie viele Häuslebauer denken Sie eigentlich, die Sie jetzt behindern würden, täten wir das - nur im Nachbarschaftsvergleich -, anstatt den Ärmsten der Armen hier im Lande etwas wegzunehmen? Es ist sträflicher Umgang mit den Landesfinanzen, wenn man diese Maßnahme in einer solchen Situation nicht ergreift. Wir sind der Meinung, das muss man tun, und das muss man auch sofort tun.

(Beifall bei der SPD)

Oder: Wo bleibt die Initiative für die Bundessteuerverwaltung? Auch dazu haben wir uns ja durchgerungen. Allein das bringt 67 Millionen € jährlich zusätzlich für das Land. Das bedeutet ein Stück Aufgabe eigener Zuständigkeiten, aber es hilft, und es schadet eigentlich niemandem im Land.

Oder wie gehen wir mit allein 200 Millionen € an jährlichem Umsatzsteuerbetrug um? Das Geld gehört eigentlich in die öffentlichen Kassen. Ich kann überhaupt nicht verstehen, dass sich die Kollegen

(Dr. Ralf Stegner)

von der FDP in der Debatte um die Steuer-CD so verhalten, wie sie das tun.

(Zurufe von der FDP)

Wichtig ist jeder Euro, der in die Staatskasse kommt. Ich sage Ihnen: Weiße-Kragen-Kriminialität ist mindestens so schlimm, wie Sie den Leuten erzählen, dass es ist, wenn ein Jugendlicher einmal einen Fehltritt macht.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Über das hinaus höre ich immer, das andere sei ja Bundessache. Ich habe gelernt, die Länder waren vor dem Bund da, und der Bundesrat ist ein Bundesorgan, und die Länder wirken mit. Wo ist eigentlich Ihr Antrag, dieses eigenartige Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit den 60 Millionen € und 70 Millionen € für Hoteliers und reiche Erben zurückzunehmen?

(Zurufe von der FDP)

Sie lehnen das in unseren Ausschüssen ab, Sie lehnen es im Finanzausschuss ab. Das ist nicht zu glauben. Die Bürgerinnen und Bürger in SchleswigHolstein fühlen sich doch verkohlt, dass Sie nicht einmal diese Fehlleistung korrigieren können.

(Beifall bei SPD und SSW)

Das ist ein sehr einfacher Weg, Geld in die Kassen zu bringen, das Sie den Ärmsten der Armen wegnehmen wollen.

Oder wie ist es damit, jene mit den höchsten Einkommen und Vermögen stärker zu belasten, und zwar aus Solidarität für jene, für die wir mehr Kinderbetreuung, für die wir bessere Bildung brauchen? Wenn man das ordentlich macht, bringt es 16 Milliarden € in die Kassen. Das ist Solidarität, die wir in einer sozialen Marktwirtschaft brauchen.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Oder: Warum machen wir nichts, was die Themen Umweltverbrauch, Kapitalbesteuerung, Finanztransaktionen und Spekulationen angeht? Das sind alles Felder, von denen man sagen muss, dass sie in vielerlei Hinsicht unserem Gemeinwesen schaden. Warum besteuern wir diese Dinge nicht entsprechend, damit jene, die so etwas machen, wenigstens stärker dafür zur Kasse gebeten werden, damit dieses Gemeinwesen floriert?

Das alles könnte man tun. Dazu gibt es von uns konkrete Vorschläge. Das wären dann Einnahmeverbesserungen, die nicht nur auf dem Papier ste

hen, sondern die tatsächlich die Handlungsfähigkeit unseres Staates, unseres Gemeinwesens verbessern.