Auf dieser Grundlage belassen wir die Hilfebedürftigen in der Armutsfalle. Damit setzen wir eine Politik der sozialen Kälte fort. Außerdem können wir damit nicht die unveränderte Spaltung in unserer Gesellschaft ändern.
Ich denke, dass in diesem Zusammenhang die Kassenlage offensichtlich wichtiger war als objektive Kriterien. Am besten lässt sich das an konkreten Beispielen zeigen. Der Zeitrahmen lässt das aber nicht so ganz zu. Schauen wir uns das aber einmal genau an. Für Erwachsene sind 1,39 € pro Monat für Bildung vorgesehen. Rechnen Sie doch einmal aus, wie viel das pro Tag sind! Erklären Sie mir dann einmal, was dabei die objektive Grundlage ist!
Schauen wir uns einmal an, wie viele Mittel bei den Kindern vorgesehen sind. Für Null- bis Sechsjährige sind 15,75 € für die Nachrichtenübermittlung vorgesehen. Für Acht- bis 14-Jährige sind 15,35 € vorgesehen. Für diese ist weniger Geld vorgesehen. Für 15- bis 18-Jährige sind 15,79 € vorgesehen.
Meine Damen und Herren, wie setzt sich so etwas zusammen? Wo ist da die Transparenz? - Das ist doch nicht nachzuvollziehen. Ich denke, es wird deutlich, dass hierbei von Transparenz nicht die Rede sein kann.
Schauen wir uns einmal das Bildungspaket für die Kinder an. Schauen wir uns einmal an, unter welchen Voraussetzungen Mittel für die Lernförderung ausgegeben werden. Zuschüsse dürfen nicht gewährt werden, wenn die Gesamtzensuren schlecht sind. Wenn eine Versetzung gefährdet ist, dann darf keine Lernförderung bezuschusst werden. Eine Bezuschussung darf nur erfolgen, wenn man in einem einzelnen Fach schlecht steht. Mittel dürfen nicht gewährt werden, wenn damit der Besuch
einer weiterführenden Schule gefördert werden soll. Wie bricht man hier den bösen Zirkel? Ich meine, das ist wirklich nicht durchdacht.
Ich weise zwischendurch noch einmal darauf hin, dass den Rednerinnen und Rednern jeweils fünf Minuten Redezeit zustehen. Jetzt erteile ich dem Minister für Arbeit, Soziales und Gesundheit, Herrn Dr. Heiner Garg, das Wort, und dann gehen wir in die nächste Runde der Fraktionen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, dass es eine nächste Runde gibt. Ich gehe fest davon aus, dass insbesondere die Rednerinnen und Redner der Opposition, die in der nächsten Runde das Wort ergreifen, von dieser Stelle aus erklären, was sie eigentlich mehr wollen, und zwar präzisieren, in welchen Bereichen sie mehr wollen, und ganz konkret sagen, was sie mehr wollen.
Ich finde es erstaunlich, dass der Kollege Meyer hier vorrechnet, was alles nicht geht. Er sagt aber nicht, wie er es sich vorstellt, wie es denn in Zukunft gehen soll.
In der zweiten Runde wünsche ich mir auch eine etwas ernsthaftere Befassung mit denjenigen, die diese Transferleistungen durch harte Arbeit – jeden Tag acht bis zehn Stunden lang - mit ihren Steuermitteln finanzieren.
Diesen gegenüber sind wir genauso Rechenschaft schuldig, wie denjenigen gegenüber, die auf Transferleistungen angewiesen sind, um eine Zeit der Notlage zu überbrücken, um in den Arbeitsmarkt zurückzukommen. Dazu haben Sie kein Wort gesagt bei Ihrem Geschrei, das Sie hier angestimmt haben. Nicht ein einziges Wort haben Sie dazu gesagt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe im Moment ein Lieblingsmantra des neuen Bundesvorsitzenden der Sozialdemokraten. Sigmar Gabriel sagt, er wolle nicht über Schnaps und Zigaretten reden, sondern über das zweite Paar Schuhe. Das ist ganz offensichtlich das zweite Paar Schuhe, das die SPD fünf Jahre lang den ALG-II-Empfängern vorenthalten hat.
Ich darf Sie einmal daran erinnern - dabei werden wir Sie auch nicht davonkommen lassen -, dass die zuständigen Sozial- und Arbeitsminister Müntefering und Scholz hießen. Sie hätten die Gelegenheit gehabt, wenn Ihnen das eine Herzensangelegenheit gewesen wäre, das zu verändern. Sie haben das aber nicht getan. Ich will Ihnen sagen, warum Sie das nicht getan haben. Ich gehe nämlich davon aus, dass sich sowohl die SPD-Bundestagsfraktion als auch die SPD-Regierungsmitglieder sowohl einer rot-grünen Koalition als auch einer schwarz-gelben Koalition etwas dabei gedacht haben, als sie die Regelsätze festgesetzt haben, und das nicht einfach nur aus dem Blauen heraus gemacht haben.
Dass das, was sie sich dabei gedacht haben, offensichtlich nicht ganz richtig war, das hat das Bundesverfassungsgericht am 9. Februar 2010 festgestellt. Nun wird der Vorwurf erhoben, das, was die Bundesarbeits- und Bundessozialministerin vorgelegt haben, sei völlig intransparent. Der Gipfel war, das sei eine geheime Kommandosache gewesen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Berechnung war mitnichten eine geheime Kommandosache. Frau Jansen, ich frage Sie überhaupt nicht, ob Sie sich den Stapel Papier ernsthaft auch nur ein einziges Mal angeschaut haben.
Sie hätten zumindest einmal einen Blick von außen auf den Stapel des Statistischen Bundesamts werfen sollen. Ich erwarte gar nicht, dass Sie sich jede einzelne Zahl anschauen. Was Sie als geheime Kommandosache bezeichnen, geht auf eine Sonderaus
wertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe für das Jahr 2008 des Statistischen Bundesamts zurück. Die Bundesregierung hat - genau wie es das Bundesverfassungsgericht gefordert hat - die erst seit Mitte September vorliegenden Zahlen ausgewertet. Herr Kollege Baasch, ich will hinzufügen: Sie hat sie auch veröffentlicht. Wenn Sie auf der einen Seite sagen, die Zahlen seien nicht veröffentlicht worden, und auf der anderen Seite sagen, Sie hätten die Zahlen nachgerechnet und nachgeprüft, dann stimmt doch irgendetwas nicht. Welche Zahlen haben Sie denn nachgerechnet und nachgeprüft?
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat nach einer Besprechung mit den Amtschefs aller Länder und den kommunalen Spitzenverbänden sowie der Bundesagentur für Arbeit am vergangenen Donnerstag - das war der 30. September - auch noch die letzten detaillierten Berechnungsblätter vorgelegt. Somit ist die von mir geforderte Transparenz und Nachvollziehbarkeit in vollem Umfang gegeben. Frau von der Leyen hat das im Bundestag dankenswerterweise auch zurechtgerückt.
Ich sage Ihnen eines: Der Vorwurf der Intransparenz richtet sich gegen diejenigen, die die Neuberechnung erforderlich gemacht und das Bundesverfassungsgericht zu seinem Urteil vom 9. Februar erst herausgefordert haben. Der Vorwurf der Intransparenz richtet sich gegen Sie, meine Damen und Herren, aber nicht gegen das neu Vorgelegte.
Ich bitte sehr darum, das, was im Rahmen der SGBII-Reformen angepackt wurde, in einen Gesamtzusammenhang zu stellen, in den es nämlich gehört. Mit den Arbeitsmarktreformen, die ich nach wie vor nicht infrage stelle und die nicht von uns stammen, haben wir es gemeinsam mit der SPD geschafft, die verfassungswidrige Mischverwaltung in Ordnung zu bringen. Das gehört aber unmittelbar dazu; denn ordentliche Beratungseinrichtungen gehören dazu, um Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Mit dem ALG-II-Bezug wird nicht die Absicht verfolgt, Menschen dauerhaft zu Transferemp
fängern zu machen, sondern das soll eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt sein. Dazu brauchen wir ordentliche und arbeitsfähige Arbeitsverwaltungen, die wir damit hergestellt haben.
Die Neugestaltung des Regelsatzes nach allen Maßgaben der Transparenz ist erfolgt. Meine Damen und Herren, man kann sich auch über das Bildungspaket mit seinem Gesamtvolumen von 620 Millionen € trefflich aufregen und bemängeln, dass das alles nicht genug sei. Ich fordere Sie dann aber auf zu sagen, was Ihnen konkret im Bildungspaket fehlt. Was wollen Sie denn mehr haben? Wenn hier beklagt wird, in Zukunft gebe es das Programm „Kein Kind ohne Mahlzeit“ nicht mehr, dann sage ich Ihnen, Frau Jansen: In Zukunft werden wir - das ist ausdrücklich im Teilhabepaket enthalten - viel mehr Kinder aus Bedarfsgemeinschaften erreichen, als das Programm „Kein Kind ohne Mahlzeit“ jemals Kinder erreicht hat.
Sagen Sie doch bitte in einer zweiten Runde, ob die im Regelsatz enthaltenen rund 40 € pro Monat für Freizeit, Unterhaltung und Kultur zu wenig sind, was Sie mehr wollen, und für welchen Zweck Sie mehr wollen. Der Posten entspricht übrigens ungekürzt - das ist neu, meine Damen und Herren - dem Betrag, den die Vergleichshaushalte mit niedrigem Einkommen genau dafür ausgeben.
Ich sage Ihnen noch einmal: Den Menschen, die acht Stunden am Tag arbeiten und die die ganze Veranstaltung bezahlen, sind Sie Rechenschaft schuldig, wenn Sie sagen, 40 € pro Monat für Freizeit, Unterhaltung und Kultur seien für ALG-IIEmpfänger zu wenig, während denjenigen, die über ein Einkommen der Vollerwerbstätigkeit verfügen, 40 € reichen müssen. Ich finde, an dieser Stelle sollten Sie an Ihrer Argumentation noch einmal arbeiten.
Meine Damen und Herren, für 70.000 Kinder in Schleswig-Holstein stehen ab nächstem Jahr knapp 30 Millionen € an Sachleistungen mehr zur Verfügung. Ich bin der Letzte, der hier als Riesenerfolg verkauft, dass Regelsätze nicht abgesenkt wurden. Aber es gehört schlicht und ergreifend zur politischen Ehrlichkeit dazu, zu sagen, dass die etwa 32 € zusätzlich an Sachleistungen auf die Geldleistungen oben draufkommen. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sagen, an welcher Stelle Ihnen das zu wenig ist und an welcher Stelle Sie ganz konkret Nachbesserungen fordern.
- Sie haben doch die Möglichkeit, Herr Kollege Habeck, gleich zu inszenieren und ganz deutlich zu machen, was Sie eigentlich wollen.