Allerdings gehört es durchaus zu den Gepflogenheiten von Verfassungsgerichten, Hinweise für Verbesserungen zu geben. Diese werden wir dann in das entsprechende Verfahren und in die Diskussion einbringen. Was nicht passieren darf, ist Folgendes: Es darf nicht zu einem Wettbewerb kommen „Wer fordert die wenigsten Wahlkreise?“. In einem Flächenland wie Schleswig-Holstein ist die Frage der regionalen Vertretung besonders wichtig und darf nicht allein von der Entscheidung der Parteien abhängen.
Denn bei der Listenbesetzung spielen regionale Belange nicht unbedingt eine entscheidende Rolle. Daraus resultieren gewisse Ungleichgewichte. Ich will das nicht kritisieren, aber ein Beispiel nennen. Wir haben hier allein 12 Abgeordnete, die als Wohnort Kiel angegeben haben.
Deshalb möchte ich keineswegs künftig zu einer reinen Mehrheitswahl kommen. Es geht lediglich darum, deutlich zu machen, welchen Hintergrund die Mischung von Mehrheits- und Verhältniswahl hat, mit der wir bisher gut gefahren sind.
Die öffentliche Diskussion ist demgegenüber in eine Schieflage gekommen, so als sei der vor Ort von den Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählte Abgeordnete ein Abgeordneter zweiter Klasse. Das ist ein Demokratieverständnis, das ich nicht nachvollziehen kann.
In der bisherigen Diskussion ging es hauptsächlich um die Zusammensetzung aufgrund des Zweitstimmenergebnisses. Nein, wir müssen uns schon das ganze Ergebnis anschauen. Meine 39 direkt gewählten Kollegen und ich müssen jedenfalls wegen ihres direkt im Wahlkreis errungenen Mandats kein schlechtes Gewissen haben.
Ich verwahre mich in aller Deutlichkeit gegen die Behauptung, dass die Zusammensetzung des Landtags sowie die Landesregierung nicht demokratisch legitimiert seien. Wir müssen uns darüber einig sein, dass die Mehrheitswahl in den Wahlkreisen vor Ort ein wichtiges Bindeglied zwischen Bürger und Parlament ist. Das sollten wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
Wenn wir uns darüber einig sind, dass es nicht darum gehen kann, die regionale Vertretung im Parlament auf ein möglichst niedriges Maß herunterzufahren, ist zunächst einmal Rechnen angesagt. Die Schwierigkeit dabei ist, dass es nicht reicht, bisherige Mehrheitsverhältnisse einfach umzurechnen. Es geht um Entscheidungen für die Zukunft. Die Unbekannte in der Rechnung ist: Wie werden die Wähler künftig entscheiden?
Wir können auch nicht nach jeder Wahl, die für eine Gruppierung ein nicht zufriedenstellendes Ergebnis hervorgebracht hat, so lange am Wahlgesetz herumdoktern, bis uns das Ergebnis passt.
Eines möchte ich klar herausstellen: Selten haben die Menschen in diesem Land ihre Stimme so bewusst abgegeben wie bei der letzten Landtagswahl.
Das führte zu einem deutlichen Stimmensplitting, die Erststimme in vielen Fällen für die CDU-Direktkandidaten, und die Zweitstimme in vielen Fällen für die FDP.
Die Parteienlandschaft hat sich verändert. Auch dies müssen wir in der Diskussion um die Änderung des Wahlgesetzes einbeziehen.
Für mich stellt das Ergebnis dieser Wahl mit seinen Auswirkungen auf die Anzahl der Abgeordneten insofern etwas Außergewöhnliches dar. Erst wenn wir uns darüber klar sind, von welchen Annahmen wir für die Zukunft ausgehen können, können Modellrechnungen angestellt werden, auf deren Grundlage errechnet wird, wie viele Wahlkreise es zukünftig geben soll.
Sollte man zu dem Ergebnis kommen, dass es in Zukunft weniger Wahlkreise geben soll, wenn wir mit 69 Abgeordneten auskommen wollen, muss in einem nächsten Schritt über den Zuschnitt der einzelnen Wahlkreise unter Berücksichtigung der historischen Grenzen und der wirtschaftlichen Räume gesprochen werden. Dies sollten wir mit der gebotenen Gründlichkeit tun.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich betrachte den Prozess zur Änderung des Wahlrechts ergebnisoffen, weil das auch sachlich so geboten ist. Ich erwarte von allen Fraktionen dieses Hauses, dass sie sich mit gleicher Offenheit an dieser Diskussion beteiligen.
Das Wahlrecht ist zu wichtig, als dass es zum Spielfeld parteipolitischer Auseinandersetzungen in diesem Haus werden dürfte.
Insofern freue ich mich auf eine konstruktive und nachhaltige Arbeit im Innen- und Rechtsausschuss und stimme dem Antrag auf Überweisung dorthin zu.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorgelegte Entwurf zur Änderung des Wahlrechts für den Landtag von Schleswig-Holstein zieht Konsequenzen aus dem Ergebnis der letzten Wahl, bei der durch Überhangmandate Mehrheitsverhältnisse im Parlament entstanden sind, die durch den Wählerwillen nicht legitimiert sind.
Zum Ersten heißt dies, dass eine Regierung von zwei Fraktionen gebildet wurde, die ihre dafür erforderliche Stärke nur erlangen konnten, weil kein vollständiger Ausgleich der Überhangmandate der CDU erfolgte. Dadurch entspricht die Sitzverteilung im Parlament nicht der von den Wählern den einzelnen Parteien gegebenen Stimmen.
Zum Zweiten ist im Gesetzentwurf der Grünen eine Regelung enthalten, die sicherstellen soll, dass zukünftig keine oder nur noch wenige Überhangmandate entstehen können. Dazu soll die Anzahl der direkt gewählten Abgeordneten auf 30 reduziert werden, wobei dann in Zukunft 39 Abgeordnete über die Landeslisten der jeweiligen Parteien in den Landtag einrücken würden. Dieser Vorschlag hat zwar mathematischen Charme; bei genauerer Betrachtung der Konsequenzen für die Arbeit des Parlaments stellen sich hier aber Fragen, auf die ich später eingehe.
Zum Dritten regt der Antrag an, die Zusammensetzung des Parlaments nicht - wie in der Vergangenheit - nach den Grundsätzen des d’hondtschen Zählverfahrens, sondern nach Saint Laguë/Schepers ich sage es nur einmal in meiner Rede - zu ermitteln.
Die Frage des richtigen Höchstzahlenverfahrens ist in der Vergangenheit noch in jedem Landtag diskutiert worden - viele werden sich daran erinnern -, wobei kleinere Fraktionen eher der jetzt vorgeschlagenen Regelung zuneigten, größere hingegen einen Veränderungsdruck nicht so sehr verspürten.
Interessanterweise findet sich im Koalitionsvertrag, der ja von einer sogenannten großen und einer et
was kleineren Fraktion vereinbart wurde, kein Hinweis auf die sonst von der FDP immer geforderte Umstellung des Meiststimmenverfahrens. Nur den kommunalen Vertretungen wollen Sie interessanterweise gemäß Koalitionsvertrag die Änderung verordnen, nicht dem Landtag. Ich bin sehr gespannt auf die Diskussion zu diesem Thema.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion hält es für erforderlich, das Landeswahlgesetz so zu ändern, dass in Zukunft ein voller Ausgleich von Überhangmandaten erfolgt und dass darüber nachgedacht wird, wie das Verhältnis zwischen der Anzahl der Wahlkreise und der Anzahl der über die Landeslisten in das Parlament einrückenden Abgeordneten abgestimmt wird, um die Zahl der Überhangmandate möglichst gering zu halten. Ziel muss es sein, die in der Verfassung festgelegte Größe des Parlaments möglichst einzuhalten.
Hierzu gibt es eine Notwendigkeit, allerdings gibt es dazu keinen Zeitdruck. Die Landtagswahl wird, wenn die CDU nicht zwischenzeitlich wieder Lust auf Neuwahlen verspürt - man konnte gestern den Eindruck gewinnen, dass das so ist -, im Januar 2014 stattfinden, was uns hier im Parlament Gelegenheit gibt, die anstehenden Fragen in aller Gründlichkeit zu erörtern.
(Die Abgeordneten Dr. Axel Bernstein [CDU], Dr. Christian von Boetticher [CDU] und Wolfgang Kubicki [FDP] unterhalten sich)
Lassen Sie mich dazu einige Anmerkungen machen. - Sicher will auch Herr Kubicki zuhören. Scheinbar doch nicht. Sollen wir einen Augenblick rausgehen, bis Sie das geklärt haben?
Unzweifelhaft ist zumindest für uns, dass die bisherige gesetzliche Regelung in wesentlichen Punkten unklar ist. Überhangmandate müssen nach unserer Auffassung voll ausgeglichen werden. Es ist nach allgemeinem Demokratieverständnis und dem Verständnis von Gerechtigkeit vieler Menschen in unserem Land nicht zu vermitteln, dass wir durch den fehlenden Ausgleich jetzt eine Regierung haben, die über keine Mehrheit in der Bevölkerung, son
dern nur über eine Mehrheit im Parlament verfügt. Das ist für die Demokratie bedrohlich, weil es dem fest verankerten Grundsatz „Wer die meisten Stimmen hat, bildet die Regierung“ unterläuft und damit der Demokratie selbst Schaden zufügt.