Herr Habeck, ich verwahre mich gegen Ihre Anmaßung, dass nur das, was die Grünen denken, richtig und gesellschaftlich akzeptiert und alles andere rückwärtsgewandt sei.
Wir diskutieren hier ein rechtliches Problem, bei dem wir wahrscheinlich näher beieinander sind, als Sie ahnen. Aber es gibt einen Unterschied zwischen politischem Wollen und dem, was Recht ist. Vielleicht kann Herr Fürter Ihnen diesen Unterschied erklären. Solange Recht besteht, müssen wir es akzeptieren. Wenn wir es nicht mehr akzeptieren, müssen wir es ändern. Aber man kann nicht so tun, als könne man das bestehende Recht nach seinem politischen Willen beugen. Das unterscheidet uns beide. Ich bin nicht bereit, ein Gesetz, das ich für reformbedürftig halte und schon immer gehalten habe, nicht mehr zu akzeptieren, weil es nicht meinem politischen Willen entspricht.
Wir sind völlig offen gegenüber dem, was das Verfassungsgericht macht. Ich bin mir sicher, dass es die Rechtmäßigkeit der bestehenden Norm bestätigen wird, obwohl ich sie politisch nicht will. Ich weise noch einmal darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht überhaupt keine Zweifel im Hinblick auf die Tatsache hat, dass es bei der für den Bundestag geltenden Mischform von Mehrheitsund Verhältniswahlrecht überhaupt keine Ausgleichsmandate gibt.
(Heinz-Werner Jezewski [DIE LINKE]: Aber es geht hier um die Landesverfassung! - Zu- ruf von BÜNDIS 90/DIE GRÜNEN)
- Vielleicht holen Sie sich einmal einen Juristen, der Sie ein bisschen berät. Das wäre sicherlich hilfreich.
Lesen Sie sich nur einmal die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur großen Freiheit des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung des Wahlrechts durch. Noch einmal: Wenn wir einen Ausgleich vorsehen, bin auch ich dafür, dass es ein vollständiger Ausgleich ist. Aber die gegenwärtige Rechtslage sieht das nicht vor, und nach meiner Auffassung ist sie verfassungsfest.
Allein der dilettantische Versuch, im Normenkontrollverfahren eine einzelne Anhörung zu erreichen, spricht gegen die Solidität des Antragstellers. Aber wenn wir ein neues Wahlrecht schaffen, bevor das Landesverfassungsgericht im Normenkontrollverfahren entscheiden kann, überholt sich das Verfahren. Dann gibt es keine hilfreichen Hinweise mehr, sondern es wird zur Erledigung der Sache kommen. Deshalb sollte es doch auch in eurem Interesse liegen, diese Fragen solider zu beraten, als es bei diesem einseitigen Vorschlag der Fall gewesen ist.
Die Koalition wird einen vernünftigen Vorschlag einbringen, und darüber werden wir diskutieren. Denn Wahlrechtsänderungen sollten von einem möglichst breiten Konsens im Parlament getragen werden. Warten Sie es doch einfach ab! Noch ein letzter Hinweis an die Grünen: Sie müssen nicht sofort jeden Punkt aus der Koalitionsvereinbarung im Rahmen eines Antrages einbringen. Geben Sie doch CDU und FDP die Gelegenheit, die entsprechenden Anträge selbst einzubringen.
Sie hatten mich als Kronzeugen juristischer Argumentation zitiert. Sagt Ihnen als Jurist das Stichwort „Normenhierarchie“ etwas? Danach geht die Verfassung einfachen Gesetzen vor, und Aussagen der Verfassung müssen sich in den einfachen Gesetzen widerspiegeln.
- Das sagt mir etwas. Aber die Kommentatoren der Landesverfassung wie Professor Ewer sowie die Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Dienstes des Landtages sind auch keine Idioten. Wenn sie erklären, dass es verfassungsgemäß ist, den Mehrheitsausgleich zu begrenzen, dann sollten auch Sie einmal darüber nachdenken.
Herr Kubicki, bedauerlicherweise werden tatsächlich Überhangmandate im Bundestag nicht ausgeglichen. Aber wir sind hier nicht im Bundestag, sondern im Landtag von Schleswig-Holstein. Für den Landtag von Schleswig-Holstein gilt die Landesverfassung. In der Landesverfassung ist geregelt - das wissen Sie -, dass Überhangmandate ausgeglichen werden. Die Frage ist jetzt, wie sie ausgeglichen werden. Das wird diskutiert werden. Da werden wir schauen, wie das Landesverfassungsgericht letztlich entscheidet.
Die Argumentation, es werde in den Kommunen laut Gerichtsurteil die kleine Lösung angewendet, ist nicht zutreffend, weil das Landesverfassungsgericht natürlich überhaupt nichts zum Wahlrecht in den Kommunen sagt. Es sagt aber etwas zum Wahlrecht im Landtag. Übrigens finde ich es eine sehr paradoxe Situation, dass wir hier in Kiel zwei Parlamente haben - das eine zusammengesetzt nach der großen Lösung und das andere zusammengesetzt nach der kleinen Lösung. Das sollten Sie einmal Ihren Wählerinnen und Wählern erklären, dass erschließt sich nicht wirklich von selbst.
Das Zweite, worauf ich hinweisen möchte, ist, dass wir alle - Herr Kubicki, Sie waren vielleicht bei der Wahl - den Wahlzettel gesehen haben. Was stand dort drauf? Auf dem Wahlzettel stand: Die Zweitstimme ist entscheidend für die Sitzverteilung im Landtag. Offensichtlich ist dem nicht so. Deshalb ist es sinnvoll, dem Folge zu leisten, was die Grünen hier gesagt haben.
- Ich habe auch gewählt Wir gucken uns gemeinsam mal einen Stimmzettel an. Das steht dort drauf. Deswegen sind wir natürlich dafür, dass die Gesetzeslage dem Stimmzettel entspricht
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 17/10 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesbank will aus Kostengründen in den nächsten Jahren in Deutschland 13 ihrer derzeit 47 Filialen aufgeben oder zusammenlegen. Das hat an fast allen Standorten erheblichen Protest ausgelöst.
Die angeblich umfangreichen Untersuchungen jedes einzelnen Standorts erweisen sich als wenig stichhaltig. So wurden in Hessen kurzerhand sogenannte andere Wirtschaftlichkeitsüberlegungen aus dem Hut gezaubert, um die Schließung der Filiale in Gießen zu rechtfertigen. Dabei ist in fast allen betroffenen Filialen das Einzahlungs- und Bearbeitungsvolumen durchaus ausreichend.
Dagegen gefährdet die Schließung massiv die Bargeldversorgung der Wirtschaft, weil entsprechende andere Möglichkeiten noch nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Privatkunden können nicht mehr den gebührenfreien und unbefristeten Umtausch von D-Mark-Banknoten und -münzen nutzen. In Lübeck fehlt beispielsweise die Stadtkasse. Bürger, die an die Stadt Lübeck Geld überweisen oder einzahlen wollen, können das gebührenfrei nur über wenige Banken - oder eben die Bundesbankfiliale - tun. Wer überhaupt kein Konto
hat, kann Rechnungen und Ähnliches gebührenfrei nur via Bundesbank erledigen. Das ist für viele Arme und Überschuldete die letzte Rettung.
Darum setzt sich der SSW für den Erhalt der Bundesbankfilialen in Schleswig-Holstein ein. Es liegen keine Gründe vor, die Filialen zu schließen.
Die Bremer Finanzsenatorin sieht in der Schließung der norddeutschen Bundesbankstandorte eine Fortsetzung der langjährigen Tradition, nach der der reiche Süden gegenüber dem Norden bevorzugt wird. Gestützt wird diese Vermutung - die im Übrigen auch die ostdeutschen Filialen betrifft, die überproportional von der Schließungswelle betroffen sind - durch Bankinterna. So meldet das Nachrichtenmagazin „Focus“ aus internen Papieren, dass Bremen bei der Bargeldeinzahlung auf Platz 23 von insgesamt 48 Standorten liege, Meiningen in Thüringen auf Platz 31. Trotzdem sollen beide aufgegeben werden. Die Filiale im bayerischen Augsburg bleibt bestehen, obwohl sie beim Bargeldverkehr nur auf dem 41. Rang liegt. Allerdings muss man sagen, dass der Bundesbankvizepräsident aus Augsburg kommt. Die Wirtschaftlichkeitsüberlegungen sind also beileibe nicht so objektiv, wie es uns die Frankfurter Zentrale weismachen will.
Warum sollen dann die Filialen geschlossen werden? Oder anders gefragt: Warum riskiert die Bundesbank massive Kritik, zu der es auch tatsächlich an fast allen Filialstandorten gekommen ist? Über die Gründe kann man nur spekulieren. Der wahrscheinlichste Grund liegt wohl in der geplanten Neuorganisation der Bundesbank. Die Berliner Koalition will die Bundesbank nämlich zentralisieren und in eine alleinige Banken- und Finanzaufsicht umbauen. Dabei soll die Bundesbank auch die Arbeit der BaFin erledigen. Zur Zentralisierung müssen die Frankfurter möglichst schnell möglichst viele Filialen schließen, schließlich wollen sie nicht mehr länger als Dienstleister agieren, sondern als politisch gesteuerte Behörde, und die Bankenaufsicht bei sich zentralisieren. Dafür braucht man natürlich auch Personal - auch aus den entlegeneren Regionen. Das heißt, Geldgeschäfte sind in Zukunft passé, und Nähe zum Kunden ist dann nicht mehr notwendig. Deshalb ist unsere Kritik an den Schließungsplänen auch eine Kritik an der Umstrukturierung und der Neupositionierung der Bundesbank.
Unabhängig von den Beweggründen bedeutet die Schließung der Filialen für Schleswig-Holstein, dass der Norden einen wichtigen Standortfaktor
verliert. Kein Unternehmen mit umfangreichem Bargeldverkehr wird im Norden Schleswig-Holsteins noch problemlos Geschäfte tätigen können, weil ergänzende und sichere Wege der Bargeldversorgung nicht mehr bestehen. Somit ist die Schließung der Bundesbankfilialen ein eindeutiger Standortnachteil, der zu den bereits bestehenden, wie der schlechten Verkehrsanbindung, hinzugezählt werden muss.
Darum müssen die Bundesbankfilialen erhalten bleiben. Die Kreistage in Nordfriesland und Schleswig-Flensburg unterstützen diese Initiative. Auch in der Stadt Flensburg steht dieses Thema auf der Tagesordnung. Ich weiß, auch in anderen Regionen sprich Kiel und Lübeck - debattiert man genauso wie bei uns im Norden. Der SSW bittet alle Fraktionen, sich seinem Antrag anzuschließen, um eine deutliche Position zum Erhalt der Bundesbankfilialen einzunehmen.
Herr Abgeordneter Sönnichsen von der CDU hat als nächstes das Wort. - Herr Dr. von Boetticher hat vorher noch das Wort zur Geschäftsordnung.