Protokoll der Sitzung vom 19.11.2009

Herr Abgeordneter Sönnichsen von der CDU hat als nächstes das Wort. - Herr Dr. von Boetticher hat vorher noch das Wort zur Geschäftsordnung.

Wenn ich das richtig gelesen habe, war das ein Berichtsantrag an die Landesregierung. Das läuft wie folgt ab: Der Berichtsantrag wird gestellt, es wird darüber abgestimmt. Dann wird als Erstes die Landesregierung aufgerufen. Die gibt ihren Bericht ab. Dann geht es in der Reihenfolge weiter, die wir jetzt etwas durcheinander gebracht haben. Vielleicht können wir das so heilen, dass wir jetzt über den Berichtsantrag abstimmen. Dann berichtet die Landesregierung, und dann hält der Kollege Harms entweder seine Rede noch einmal oder macht noch einige Anmerkungen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und SPD - Jürgen Weber [SPD]: Wir stimmen dem An- trag von Herrn von Boetticher zu! - Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Da es in diesem Haus viele neue Abgeordnete gibt, denke ich, dass solche Fehler verzeihlich sind.

(Beifall)

(Lars Harms)

Die Irritation ist dadurch entstanden, dass das Wort zur Begründung nicht gewünscht wurde. Das war auf meinem Plan noch vorgesehen.

Ich bitte, dem Vorschlag von Herrn Dr. von Boetticher zu folgen.

Mit dem Antrag wird ein Bericht vom Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr Jost de Jager in dieser Tagung erbeten. Wer dem Berichtsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle fest, dass der Berichtsantrag angenommen worden ist und bitte Herrn Minister Jost de Jager um den Bericht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich komme der Aufforderung sehr gern nach und habe die Erwartung, dass die Mehrheit für den Bericht nach dem Bericht genauso groß sein wird wie vorher.

In der schriftlichen Begründung des Antrags ist auf Presseberichte vom 10. September 2009 Bezug genommen worden. Zu lesen war: Sparkurs bei der Bundesbank, Filiale Lübeck macht dicht. Im „Hamburger Abendblatt“ vom selben Tag hieß es: Die Bundesbank schließt drei Filialen im Norden. Danach - und das ist in der Tat so - beabsichtigt die Deutsche Bank, bis Ende 2012 Filialen zu schließen. Nach Auffassung der Bundesbank sollen diese Maßnahmen dazu dienen, sich effizient und modern im Rahmen des europäischen Systems der Zentralbanken aufzustellen.

Die Landesregierung hat die Presseberichte mit großem Befremden zur Kenntnis genommen, denn dies bedeutet, dass mit der Schließung der drei verbleibenden Filialen in Flensburg, Lübeck und Kiel alle Filialen in Schleswig-Holstein geschlossen würden. Das ist eine Situation, die sonst in keinem Bundesland eintreten wird. Wenn dies eintreten würde, dann gäbe es drei Bundesländer, die keine Bundesbankfiliale mehr hätten. Neben uns als Flächenland wäre dies das Land Brandenburg, ansonsten die Stadt Bremen. Alle anderen Bundesländer würden weiter über Bundesbankfilialen verfügen. In Mecklenburg-Vorpommern zum Beispiel sind keine Filialschließungen vorgesehen. Im Raum Niedersachsen ist nur eine Schließung vorgesehen, und das ist die Schließung in Bremen.

Der Ministerpräsident hat sofort nach Bekanntwerden der Schließungsabsichten mit einem Schreiben vom 11. September 2009 an den Bundesbankprä

sidenten, Herrn Professor Weber, appelliert, die Schließungspläne zu überdenken sowie eine für alle Länder ausgewogene Lösung zu erarbeiten. Diese Forderung hat er in einem Telefonat vom 14. Oktober diesen Jahres mit dem Bundesbankpräsidenten Herrn Weber nochmals bekräftigt. Es wurde dabei darauf hingewiesen, dass für die Wahrung der Interessen der schleswig-holsteinischen Wirtschaft, der Kreditwirtschaft und die Beschäftigten der Bundesbankfilialen in der Tat ein Umdenken nötig ist.

Eine vollständige Abkehr des Bundesbankvorstandes von den Schließungsplänen konnte bisher leider nicht erreicht werden. Die Bundesbank zeigt sich aber nunmehr bereit, die Schließung der Filialen in Lübeck, in Kiel und in Flensburg um drei Jahre zu verschieben. Ich habe mir das gestern noch einmal bestätigen lassen. Nach dem jüngsten Vorstandsbeschluss der Deutschen Bundesbank bedeutet dies für Schleswig-Holstein, dass die Filiale in Flensburg zum 30. September 2012 geschlossen werden soll. Die Filiale in Lübeck soll zum 31. März 2015 und die Filiale in Kiel zum 30. September 2015 geschlossen werden.

Nach unserem Kenntnisstand sind von dieser Schließung circa 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Schleswig-Holstein betroffen. Es sind etwa 40 Mitarbeiter in Flensburg, etwa 55 in Lübeck und etwa 85 in Kiel betroffen. Nach Aussage der Bundesbank werde jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter eine Weiterbeschäftigung angeboten. Betriebsbedingte Kündigungen seien ausgeschlossen. Ferner soll es für Tarifbeschäftigte Vorruhestandslösungen geben. Mit der zeitlichen Verschiebung ist vielleicht ein bisschen Zeit gewonnen worden, um die eine oder andere Härte abzuwenden. Unter dem Strich bleibt aber festzustellen, dass diese 180 Arbeitsplätze für Schleswig-Holstein verloren sein werden.

Ein Aufgabenschwerpunkt der Bundesbankfilialen ist die Versorgung der Wirtschaft mit Eurobargeld. Laut Bundesbank wird die Bargeldversorgung nach wie vor in gewohnter Qualität gewährleistet bleiben. Dies könne mit einer Effizienzsteigerung bei der Geldbearbeitung durch einen stärkeren Einsatz von vertrauenswürdigen und zuverlässigen Privatunternehmen - so die Bundesbank - erreicht werden.

Es ist in der Tat so, dass die Bundesbank jahrzehntelange Erfahrungen mit der Bargeldversorgung durch private Geldtransporte gemacht hat. Insofern gibt es keinen Grund anzunehmen, dass die Bargeldversorgung durch Privatleute nicht gewährleistet werden kann. Ich bleibe aber ebenso wie die

(Vizepräsidentin Anita Klahn)

Landesregierung bei meiner kritischen Haltung, denn der kritische Punkt ist ein anderer. Wenn diese Schließungspläne tatsächlich Wirklichkeit werden sollten, dann würde die Bargeldversorgung künftig für ganz Schleswig-Holstein allein aus Hamburg erfolgen. Dies bedeutet für die privaten Unternehmen längere Anfahrtswege. Es ist zu befürchten, dass dies zu Kostensteigerungen führt, die sich mittelbar und unmittelbar auf die Unternehmen und die Endverbraucher auswirken würden. Ich werde daher auch nach dieser Debatte erneut das Gespräch mit dem Bundesbankpräsidenten suchen und ihm verdeutlichen, dass eine Kostenverlagerung der Deutschen Bundesbank zulasten der Wirtschaft und der Endverbraucher in Schleswig-Holstein nicht zu akzeptieren ist.

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

Im Übrigen sind weitere regionalwirtschaftliche Folgen der Filialschließungen nur schwer abzuschätzen. Ich möchte darauf hinweisen, dass ich die Einschätzung von Herrn Harms teile, dass wir durch diese Entscheidung - und wir kennen das aus anderen Entscheidungen auch - neben einem OstWest-Gefälle zunehmend auch ein Nord-Süd-Gefälle bekommen. Ich kann die Information bestätigen, dass die Filiale Augsburg nicht geschlossen werden soll. Man fragt sich, was Augsburg hat, das Flensburg, Kiel oder Lübeck nicht haben. Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund, bei einer Schließung von Filialen, die in der Tat angedacht wird, unterschiedliche Bundesländer mit zweierlei Maß zu messen. Es gibt keinen Grund, warum der Norden eine bundesbankfreie Zone werden soll, während andere Flächenländer es nicht sind. Aus diesem Grund würde ich mich freuen, wenn es uns möglich sein sollte, mit Unterstützung des Landtags weiter dafür zu kämpfen, dass möglichst alle Filialen - mindestens aber eine Filiale - der Bundesbank in Schleswig-Holstein erhalten bleiben.

(Beifall bei CDU, FDP und SSW)

Damit wir nach den Formalien wieder in die richtige Reihenfolge der Redner kommen, frage ich Herrn Harms sicherheitshalber, ob er noch einmal das Wort haben möchte.

(Lars Harms [SSW]: Frau Präsidentin, Nein. Herr Minister de Jager ist auf meine Rede eingegangen. Mehr kann ich nicht erwarten.)

- Vielen Dank. Dann hat Herr Sönnichsen von der CDU das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Es ist bereits alles gesagt, aber noch nicht von allen. Sehr geehrter Herr Kollege Harms, daher werde ich einige Punkte wiederholen, damit die Reihenfolge passt.

Im Namen der CDU-Fraktion danke ich Ihnen, Herr Minister, an dieser Stelle zunächst für Ihren Bericht. In der Tat, die Überlegungen der Deutschen Bundesbank sind - jedenfalls nach dem jetzigen Informationsstand - indiskutabel. Wenn Änderungen erfolgen, dann bedürfen diese einer ausgewogenen Länderlösung.

Meinen Ausführungen bewusst voranstellen will ich die Feststellungen, dass auch wir über Strukturreformen, Privatisierung und Konzentrierung von Aufgaben beraten haben und auch weiterhin beraten müssen; hoffentlich mit konkreteren Ergebnissen als bisher. Auch wir werden an der einen oder anderen Stelle Einsicht verlangen müssen und auch an uns gerichtete Einsichtsverlangen gelten lassen müssen. In diesem Sinne ist moderat, aber nachdrücklich zu verhandeln.

Meinen anfänglichen Dank für den Bericht will ich gern um den Dank an Sie, Herr Ministerpräsident, ergänzen. Sie haben unverzüglich nach Bekanntgabe der Überlegungen - wieder einmal waren es nur Pressemeldungen - den direkten Draht zur Bundesbank gesucht. Herr Minister de Jager, Ihnen danke ich für die veranlassten und angekündigten Maßnahmen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Status wurde hier zweimal bekanntgegeben: Während die drei Standorte in Schleswig-Holstein geschlossen werden sollen, ist in Niedersachsen und in Mecklenburg-Vorpommern das Schließen von Filialen nicht geplant. Das Nord-Süd-Gefälle, das wir an sich schon der Vergangenheit zugeordnet hatten und das auch nicht mehr der Entwicklung in Deutschland gerecht wird, wird hier wieder deutlich sichtbar. Selbst wenn man einer Verringerung der Zahl der Filialen in der Sache zustimmen würde, ist nicht einzusehen, weshalb in Schleswig-Holstein alle, in anderen Ländern dagegen keine Zweigniederlassungen geschlossen werden sollen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU, FDP, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Auch der Deutschen Bundesbank sollte bekannt sein: Wir arbeiten gut mit Hamburg zusammen, wir sind aber nicht das nördliche Anhängsel.

(Minister Jost de Jager)

Das Thema der Bundesbankfilialen ist unter folgenden Stichworten zu betrachten: Föderalismus. Die Chancengleichheit der Bundesländer muss gewahrt bleiben. Es ist unter dem Stichwort der Arbeitsplätze zu betrachten. Übergangsfristen, Altersteilzeit und Vorruhestandsregelungen sind nur bedingt geeignet, die Nachteile auszugleichen. Es ist auch unter dem Stichwort Kostenverlagerung zu betrachten, denn es hilft nicht, wenn die Institution Bundesbank Kosten spart, der Kunde diese aber über die Servicekosten der Kreditinstitute und der privaten Dienstleister zusätzlich bezahlen muss. Und es ist unter dem Stichwort Entfernungen zu betrachten. Die spielen in Schleswig-Holstein die gleiche Rolle wie in Bayern oder in Baden-Württemberg.

(Vereinzelter Beifall bei FDP und SSW)

Den Überlegungen hinsichtlich der Übertragung von Aufgaben der BaFin an die Bundesbank oder auch der Konzentration der Aufgaben der BaFin will ich mich hier im Moment nicht anschließen.

Ich sage vielmehr: Das Wichtigste in dieser ganzen Angelegenheit ist die Bargeldversorgung für unsere Wirtschaft. Denn Bargeld kann man immer noch nicht mailen oder faxen.

Die Wirtschaft in Schleswig-Holstein hat sich gerade in der Krise als robuster erwiesen als anderswo, weil sie mittelständischer geprägt, weil sie kleinteiliger ist. Dieser Kleinteiligkeit muss aber auch durch kurze Wege und schnelle Geldversorgung Rechnung getragen werden.

Verehrter Kollege Harms, ich kann der Vorlage keinen Antrag oder Resolutionsentwurf entnehmen. Insofern ist der Berichtsantrag, wenn wir alle geredet haben, erledigt. Es sei denn, es werden noch andere Anträge gestellt.

Mein Resumee: Die Entscheidung liegt nicht in unserem Ermessen. Wir haben uns für eine Regelung einzusetzen, die unserem Land gerecht wird. Es kann nicht sein, das Schleswig-Holstein einziges Bundesland im Norden ohne Bundesbankfiliale wird.

(Beifall bei CDU und FDP sowie vereinzelt bei SPD und SSW)

Die Bearbeitung dieses unseres berechtigten Anliegens liegt in guten Händen. Herr Minister, bleiben Sie so forsch, moderat und hartnäckig, wie wir Sie kennengelernt haben, dann werden Sie erfolgreich sein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Abgeordneter Rother von der SPD hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Berichtsantrag hat der SSW nicht nur die Situation an den von einer Schließung bedrohten Filialstandorten der Deutschen Bundesbank in Flensburg 2012 und in Kiel und in Lübeck 2015 aufgegriffen, eben nicht nur ein regionales Problem, sondern ein Problem, das für das gesamte Bundesland Schleswig-Holstein besteht, benannt. Die Terminverschiebung bei den Schließungen mag zwar bei dem Übergang von Mitarbeitern behilflich sein, macht es aber nicht besser und löst auch nicht das Problem, das wir haben.

Durch die beabsichtigte Schließung der Filialen sind erhebliche Nachteile nicht nur für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch für die Bargeldversorgung und andere damit im Zusammenhang stehenden Serviceleistungen wie die Bestückung von Geldausgabeautomaten; das macht die Bank im Wesentlichen nicht mehr selber - für die Wirtschaftsunternehmen, insbesondere für die Kreditwirtschaft und den Einzelhandel, in ganz Schleswig-Holstein zu erwarten.

Der SSW hat in seiner Antragsbegründung recht auch Minister de Jager hat darauf hingewiesen -, ein Rückzug der Bundesbank aus der Fläche und damit auch aus bislang öffentlichen Aufgabenfeldern würde wahrscheinlich zu Kostenverlagerungen zu Lasten der örtlichen Wirtschaft und damit indirekt der Verbraucher führen, denn die Transport- und Versicherungskosten für solche Transporte sind sehr hoch.

Die Schließung aller verbliebenen Bundesbankfilialen in Schleswig-Holstein würde zudem - es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden - zu einem erheblichen Ungleichgewicht bei der regionalen Präsenz der Bundesbank innerhalb der Bundesrepublik führen. So wäre die Bundesbank beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern mit nur 1,7 Millionen Einwohnern weiterhin an zwei Standorten vertreten, in Rostock und in Neubrandenburg, während im wesentlich bevölkerungsstärkeren Schleswig-Holstein - wir haben gut 2,8 Millionen. Einwohner - überhaupt keine Bundesbankfiliale mehr zu finden wäre. Und es ist kaum zu glauben, dass die Wirtschaftskraft und damit auch der Bedarf

(Peter Sönnichsen)