Ich komme zum zweiten Beispiel. Gestern tagten bereits die Staatssekretäre und heute und morgen tagen die Agrarminister vom Bund und der Länder, morgen gemeinsam mit einem EU-Kommissar, un
ter Vorsitz der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung in Lübeck. Es ist zu befürchten, dass diese Ministerkonferenz wieder der Beharrung auf den alten Systemen der ländlichen Entwicklungspolitik, der Agrarpolitik, dienen wird. An den entscheidenden Stellen muss umgesteuert werden.
Als Schleswig-Holsteinischer Landtag haben wir uns im Rahmen der Ostseeparlamentarierarbeit intensiv eingebracht und vor kurzem auf der Konferenz in Marienhamn einige Eckpunkte setzen können. Ich nenne die zivile Sicherheit - hier besonders die Frage des Menschenhandels -, die maritime Sicherheit - hier besonders die obligatorische Lotsenpflicht in engen Meeresregionen, wie zum Beispiel der Kadetrinne -, die Meeresumweltpolitik, das Verbannen von Einhüllentankern und das Durchsetzen sauberer Schifftreibstoffe. Zusammenfassend kann man sagen: Es ist von allen Parlamentariern einhellig, auch aus den russischen Regionen, verabschiedet worden.
Ich fasse zusammen: Die Parlamentarier rund um die Ostsee herum sind politisch weit vorn und weit nach vorn gekommen, auch durch unser gemeinsames Mitwirken.
Ich möchte meine Anmerkungen zum Ostseebericht an dieser Stelle aber ein bisschen kritisch zusammenfassen. Herr Ministerpräsident, es ist richtig, in Sachen Ostseepolitik tuckert hier ein Motor im Land, aber man muss auch ein klares Ziel vor Augen haben, wohin man will. Sonst lässt man sich ohne Steuer nur von den Wellen der Ostsee treiben, und das ist nicht gut für unser Land, und das ist nicht gut für unsere Heimatregion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! DIE LINKE begrüßt ausdrücklich die Kooperation zwischen Schleswig-Holstein und den Ostsee-Anrainerstaaten. Die Analyse des Berichts über die derzeitige wirtschaftliche Situation im Ostseeraum löst bei uns ein wenig Verwunderung aus. Ich zitiere:
„Der Einbruch der Aktienmärkte und der erschwerte Zugang zu den Finanzmärkten traf die gesamte Region. Insbesondere die kleineren, von ausländischem Kapital abhängigen Staaten der Region wurden vor enorme Herausforderungen gestellt. Der massive Rückgang des BIP in den baltischen Staaten konnte auch durch harte und weitgehende Einsparmaßnahmen im Bereich der öffentlichen Ausgaben nicht ausgeglichen werden. Lettland und Island wurden am stärksten getroffen.“
Das Problem besteht doch darin, dass wir weltweit kein einziges Land kennen, in dem Haushaltskürzungen zu den gewünschten Erfolgen geführt hätten. Teilweise sind die Einnahmen so stark gefallen, dass dies die Ausgabekürzungen ad absurdum geführt hat. Manche Länder stehen in der Folge von Haushaltskürzungen unmittelbar vor der Zahlungsunfähigkeit. Anstatt ihren Haushaltsentwurf an diesen Erfahrungen zu justieren, das heißt, nicht zu kürzen, zeigen Sie sich vollständig erfahrungsresistent.
Daraus folgern wir, dass es Ihnen in der erster Linie um Ideologie und nicht um Wirklichkeit geht. Nicht wegen Einsparungen erholen sich einige Länder nicht, sondern weil sie sparen.
Durch Einsparungen haben die genannten Länder ihre Wirtschaft abgewürgt. Wir werden das in Schleswig-Holstein ebenfalls noch erleben.
Eine zweite Anmerkung zum Bericht! Es darf nicht nur geredet werden, es muss auch gehandelt werden. Ein Negativbeispiel ist die im Bericht erwähnte Jahreskonferenz 2009 zum Thema Klimawandel und Umwelt im Oktober in Ringsted/Dänemark. In der Abschlussresolution wurde an die Staatengemeinschaft appelliert, beim Klimagipfel in Kopenhagen konstruktiv zu arbeiten. Wir alle wissen: Daraus wurde nichts. Es sind also eigene Anstrengungen nötig.
Positiv in dem Zusammenhang ist der Einsatz der Landesregierung für Clean Baltic Shipping. Dies wurde von Schleswig-Holstein immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Das ist gut so.
Diskussionen, die Begrenzung des Schwefelgehalts in Kraftstoffen nicht schon 2015 auf 0,1 % zu begrenzen, sondern erst 2020, sind nicht angebracht. Auch die Landstromversorgung für Schiffe muss vorangetrieben werden.
Für die Ostseezusammenarbeit stehen EU-Mittel bereit. Die Landesregierung muss dafür sorgen, dass Schleswig-Holstein diese Mittel ausnutzt. Im Europaausschuss wurde deutlich, dass es Probleme bei der Kofinanzierung durch Land und Kommunen gibt. Durch die leeren öffentlichen Kassen bleiben EU-Mittel, die für Schleswig-Holstein vorgesehen sind, in Brüssel. Die Landesregierung sollte schnellstmöglich dafür sorgen, dass sich an dieser Situation etwas ändert.
Sparen tut hier gleich mehrfach weh: Für jeden eingesparten Euro verliert Schleswig-Holstein bis zu 4 € Zuschüsse aus Brüssel.
Die Ostseeregion versteht sich auch als Wissenschaftsraum. Wir vermissen im Bericht, Aktivitäten, Bildungsabschlüsse, die in anderen Ländern erworben worden sind, in Schleswig-Holstein anzuerkennen.
DIE LINKE wird sich weiter für eine gute soziale, ökologische und wissenschaftliche Zusammenarbeit im Ostseeraum einsetzen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie seine Vorgänger ist auch der diesjährige Ostseebericht der Landesregierung informativ und umfassend. Dafür ganz herzlichen Dank! Richtig ist auch, dass wir in der Ostseepolitik in diesem Haus häufig parteiübergreifend an einem Strang gezogen haben und hoffentlich auch weiter ziehen werden. Nur so wird es uns gelingen, uns Gehör zu verschaffen.
Dennoch muss ich zu diesem Bericht auch einige kritische Anmerkungen machen. So geht aus dem Bericht zum Beispiel nicht hervor, welche Strate
gie die Landesregierung angesichts der im Doppelhaushalt veranschlagten Kürzungen überhaupt verfolgt. Projekte werden gelobt, ohne dass Gedanken darüber verloren werden, welche Konsequenzen angedachte Einsparungen für die Ostseepolitik des Landes haben werden.
Die massive Reduzierung des Landeszuschusses für Academia Baltica muss zum Beispiel in Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Ostseestrategie und der Federführung Schleswig-Holsteins bei der Erarbeitung des Ostseegeschichtsbuchs gesehen werden, denn dies soll die Academia Baltica laut Bericht leisten.
Frau Kollegin, ist Ihnen bewusst, dass das ein Bericht zur Vorbereitung der Ostseeparlamentarierkonferenz mit Stand Mai dieses Jahres ist, sodass die von Ihnen geforderten Strategieentwicklungen gar nicht da reinpassen, insbesondere nicht zum Haushalt?
- Lieber Herr Kollege, meines Wissens hat dieser Bericht an für sich nichts mit der jährlich stattfindenden Ostseeparlamentarierkonferenz zu tun, weil die Landesregierung in zweijährigem Rhythmus so sagt es auch der Ministerpräsident, und das weiß auch ich aus Erfahrung - so einen Bericht abgibt. In den Vorbemerkungen steht, dass der Bericht natürlich auch Hilfestellung für die Parlamentarier leistet, die zur Ostseeparlamentarierkonferenz reisen. Es wäre auch unsinnig, das anders zu betrachten. Lieber Herr Kollege, gleichwohl kritisiere ich, dass ein Bericht, der im Mai angefertigt wurde, überhaupt nicht problematisiert, dass Kürzungen anstehen, und im Mai war die Landesregierung schon sehr weit hinsichtlich der Vorbereitung des kommenden Doppelhaushalts.
Zum Problem Academia Baltica ist auch schon im Rahmen der Beratungen des Europaausschusses einiges gesagt worden. Staatsekretär Maurus hat im Ausschuss die Konsequenzen der besagten Kürzungen zu relativieren versucht. Unterm Strich bleibt doch ein etwas komischer Nachgeschmack, weil genau dieses Projekt als etwas Besonderes und als „Made in Schleswig-Holstein“ hervorgehoben wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, hinzu kommt, dass der vorliegende Ostseebericht ein ganz anderes Problem deutlich macht, nämlich die Frage, wie die Landesverwaltung künftig aufgestellt sein soll, damit sie der Politik, sprich der Landesregierung, in qualifizierter Weise zuarbeiten kann. Dies ist nicht gegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Europaabteilung gerichtet. Sie sind fleißig und tun ihr Möglichstes. Das zeigt auch der Bericht. Was bleibt, ist die grundsätzliche Frage, wie die Landesverwaltung künftig aufgestellt sein muss. Ich gehe jede Wette ein, dass gerade die Europaabteilung nicht so stark ist, dass sie weitere Kürzungen im Personal hinnehmen kann.
Dass die Landesregierung die eigene Rolle in der Ostseekooperation laut Bericht eher so sieht, dass sie begleitet, als dass sie gestaltet und nach vorn gerichtet agiert, ist aus Sicht des SSW ein weiteres grundsätzliches Problem.
Im Ausschuss sollten wir vor diesem Hintergrund um einen Bericht über das Engagement der Landesregierung im BCCCS, in dem Organ der Subregionen, bitten. Die Jahreskonferenz dieses Gremiums findet vom 13. bis 15. Oktober in Tallinn statt. Es wäre schön, wenn wir erfahren, wie sich die Landesregierung dort einbringt beziehungsweise vorstellt, sich dort weiter einbringen zu können.
Richtig ist, dass Schleswig-Holstein ein großes Interesse daran hat, eine Vorreiterrolle in Sachen Schiffsicherheit und integrierter Meerespolitik zu spielen. Redlicherweise füge ich hinzu, dass die Landesregierung dies ähnlich sieht. Was ich vermisse, ist aber eine eigene Strategie, die sie in die verschiedenen Gremien einspeist. Insgesamt ist schwer erkennbar, ob nach der Landtagswahl im letzten Jahr vonseiten der Landesregierung überhaupt Eigenständiges gekommen ist. Ganz aktuell werden wir im Europaausschuss hoffentlich Näheres darüber erfahren, wie die Landesregierung gedenkt, mit dem neuen Vorstoß der Europäischen Kommission umzugehen. Denn beschlossen werden soll eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein gesondertes Unterstützungsprogramm zur Weiterentwicklung der integrierten Meerespolitik der EU.
Konkret stellt sich die Kommission für die Jahre 2011 bis 2013 eine Förderung von insgesamt 50 Millionen € vor, womit natürlich nicht alle Ziele einer integrierten Meerespolitik umgesetzt werden können. Die spannende Frage lautet also, ob es
Verteilungskämpfe geben wird und wie sich Schleswig-Holstein hier am besten aufstellen kann. Natürlich ist es in unser aller Interesse, wenn es der Landesregierung gelingt, weiterhin eine führende Rolle in Sachen integrierte Meerespolitik zu spielen.
- Ja, das ist ärgerlich, aber so ist es manchmal. Ich denke, dieser Bericht wirft einige Fragen zur künftigen Organisation der Arbeit des Ostseerates auf. Ich denke, Schleswig-Holstein hat in der Vergangenheit in der Frage der Menschenrechte und der Minderheitenrechte einiges einbringen können. Diese Aspekte sollen laut Bericht der Landesregierung aber künftig wegfallen. Das ist nicht die Schuld Schleswig-Holsteins. Dennoch bleibt die Frage, was wir dazu beitragen können, damit auch diese Aspekte der Ostseekooperation künftig eine Rolle spielen werden. Ich denke, Schleswig-Holstein hat in der Frage der Menschenrechte und der Minderheiten sehr viel beizutragen. So ist es in der Vergangenheit gewesen, und ich hoffe, dass wir uns darauf auch wieder verständigen können. Dies sollte im Ausschuss aufgegriffen werden.