Protokoll der Sitzung vom 17.11.2010

Wir müssen auch dafür sorgen, dass sich dieser Markt entwickelt. Unsere Häfen können eine verlängerte Werkbank sein. Das schafft Arbeitsplätze in Brunsbüttel, auf Helgoland, in Büsum, Husum oder Hörnum.

Die Zeit des Nichtstuns ist vorbei. Niedersachsen und Bremen haben vorgemacht, wir man Arbeitsplätze mit regenerativen Energien und Entwicklungen in der Offshore-Technologie schafft. Wir bedauern es sehr, dass gerade die schleswigholsteinische Werftindustrie bei dem Thema Offshore nicht genügend vorangekommen ist. Hier gibt es eine Menge zu tun.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir fragen, was die Landesregierung macht, um hier gegenzusteuern. Wir werden das Thema Offshore hier im Landtag noch diskutieren. Wir brauchen Innovationen für unseren Arbeitsmarkt, um Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist die Aufgabe, und tatsächlich ist es unser aller Aufgabe.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Abgeordneter Thoroe.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss sagen: Für einen FDP-Minister war das gerade eben eine bemerkenswerte Rede. Ich hoffe, dass darauf Taten folgen werden.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Der Chef der Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit, Jürgen Goecke, eröffnete die Vorstellung des Monatsberichts zum Arbeitsmarkt

in Schleswig-Holstein mit einem Zitat aus dem Gutachten der Wirtschaftsinstitute vor zwei Jahren. Damals wurden 4,9 Millionen Arbeitslose für 2010 prognostiziert. Diese Vorhersage ist nicht eingetreten, weil die Bundesregierung die Wirtschaft massiv gestützt hat - zwar oft auf falsche Art und Weise, aber immerhin ist eine absolute Katastrophe auf dem Arbeitsmarkt ausgeblieben.

Wenn wir heute über den Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein sprechen, so muss ich zunächst feststellen, dass die Landesregierung Schleswig-Holsteins vorhat, über 5.000 Stellen im öffentlichen Dienst zu streichen. Damit wird der Verlust von zusätzlichen mindestens 5.000 Stellen im Privatsektor verursacht werden. Nehmen sie doch einfach einmal die empirischen Befunde zur Kenntnis: An jedem Arbeitsplatz in der Industrie hängen drei weitere Arbeitsplätze und an jedem Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst hängt einer. Jetzt Erfolge auf dem Arbeitsmarkt zu feiern, ist zynisch und wird der Situation nicht gerecht.

Sicherlich ist Ihnen auch unsere Kritik bekannt, dass das Wunder auf dem Arbeitsmarkt eigentlich ein statistischer Zaubertrick ist. Natürlich sind Sie auch so gut informiert, dass Sie ebenfalls wissen, dass die inoffizielle Statistik bundesweit nicht knapp 3 Millionen, sondern 4,1 Millionen Arbeitslose ausweist. Wenn zum Beispiel Herr Seehofer gegen Ausländer hetzt, gibt er das auch gern zu.

Für Schleswig-Holstein stellt sich dies im Detail so dar: Die offizielle Arbeitslosigkeit betrug im Oktober 2010 98.933 Menschen. Hinzu kommen die nicht gezählten Arbeitslosen, und das sind immerhin 24.948. Diese Gruppe besteht aus Menschen, die älter als 58 Jahre sind und Arbeitslosengeld II beziehen, Menschen, die älter als 58 Jahre sind und Arbeitslosengeld I beziehen, Menschen in EinEuro-Jobs, Menschen in Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung, Menschen in Aktivierung und beruflicher Eingliederung, Menschen mit einem Beschäftigungszuschuss, Menschen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und aus kranken Arbeitslosen. Sie fälschen die Statistik, um ihre Erfolgsmeldungen darauf aufzubauen.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf des Abge- ordneten Johannes Callsen [CDU])

Wichtiger für Schleswig-Holstein ist aber Folgendes: Erstens. In der „Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung“ war zu lesen, dass der Bundesrechnungshof die Ein-Euro-Jobs moniert hat. Ein-Euro-Jobs seien Job-Killer, weil sie oft reguläre Arbeitsplätze ersetzten.

(Dr. Andreas Tietze)

(Beifall bei der LINKEN und SSW)

Das heißt, Ein-Euro-Jobber zählen nicht in der Statistik und vernichten gleichzeitig reguläre Arbeitsverhältnisse. DIE LINKE nennt das einen Skandal und üble Täuschung.

(Beifall bei der LINKEN und SSW)

DIE LINKE will statt Ein-Euro-Jobs einen öffentlichen Beschäftigungssektor mit sozialversicherungspflichtigen, unbefristeten und vernünftig bezahlten Arbeitsplätzen schaffen. Nur so hat jeder Mensch die Chance auf ein Arbeiten in Würde.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ war zu lesen, dass Deutschland Fachkräfte verliert - schlimmer noch, das Land verliert laufend an Attraktivität. Das hat auch mit Ihrer Politik, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, zu tun. Eine der schlimmsten Wirkungen Ihrer Arbeitsmarktreformen war die Entmutigung der Arbeitenden.

Da rasch klar war, dass man aus dem ALG II gar nicht mehr rauskommt, wenn man einmal drin ist, waren und sind die Beschäftigten bereit, große Kompromisse einzugehen und Verzicht zu leisten, nur um ihre Stelle zu behalten. Das hat zur weltweit einmaligen Reallohnsenkung der letzten Jahre geführt. Das macht ein Land nicht gerade attraktiv.

Meine Damen und Herren der Regierungsparteien, Sie geben mit ihrem Kürzungshaushalt dem Land den Rest. Sie wissen genau, dass mehr gut ausgebildete Fachkräfte unerlässlich sind, um die Arbeitslosigkeit abzubauen. Gleichzeitig haben Sie damit gedroht, eine Hochschule zu schließen. Gleichzeitig sorgen Sie dafür, dass sich an der Kinderbetreuung und an Schulen nichts verbessert und es eher noch schlimmer wird. Das ist heute exemplarisch im „Pressespiegel“ zu lesen, in dem es einerseits heißt: „Fachkräftemangel als große Chance für Alleinerziehende“, andererseits titelt der „sh:z“: „Kollaps für Kommunen? Land zahlt nicht für Krippen“.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Können Sie schon lesen? - Heiterkeit bei der FDP - Unru- he)

Drittens. Wir wissen aus dem Institut für Weltwirtschaft, dass

,,... in Schleswig-Holstein... hochwertige Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe durch relativ geringwertige Beschäftigung in den Dienstleistungsbranchen ersetzt worden (ist). … Ein Zuwachs an höherwertigen

Dienstleistungen, der den Verlust hochwertiger Industriebeschäftigung hätte auffangen können, hat hier nicht in ausreichendem Maß stattgefunden. Eine gesamtwirtschaftliche Folge dieses Strukturwandels sind daher relative Einkommensverluste und eine Abkopplung von der allgemeinen Wohlstandsentwicklung in Deutschland.“

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

„Damit werden für Schleswig-Holstein die knapper gewordenen, hochwertigen Industriearbeitsplätze umso wertvoller. Eine weitergehende Deindustrialisierung des Landes würde nach dem bisherigen Verlauf des Strukturwandels ohne Kompensation durch hochwertige Dienstleistungsbeschäftigung zusätzliche Einkommensverluste nach sich ziehen.“

So steht es in den „Kieler Beiträgen zur Wirtschaftspolitik“ in Band 1 auf Seite 22 ff.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Das heißt im Klartext: In Schleswig-Holstein sind Arbeitsplätze fast ausschließlich im Niedriglohnsektor entstanden. Deshalb betont DIE LINKE ihre Forderung nach einem Mindestlohn von 10 €.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist nicht sozial, was Arbeit schafft, sondern sozial sind Löhne, von denen man leben kann und die nicht vom Staat subventioniert werden müssen.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf des Abge- ordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Oft erwähnt wurde die Arbeitslosigkeit von Menschen über 55 Jahre. Die Schlussfolgerung daraus kann doch nur lauten: Die Rente mit 67 muss endlich zurückgenommen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE hat recht: Die Rente mit 67 diente ausschließlich einer Rentenkürzung.

(Beifall bei der LINKEN)

Jubelmeldungen sind ein Hohn für alle Menschen ohne Arbeit und ein Hohn für alle Menschen mit einem Job, von dem diese Menschen nicht leben können. Es gibt noch viel zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

(Björn Thoroe)

Für die SSW-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Auch der SSW hält es zunächst einmal für positiv, dass die Zahl der Arbeitslosen in Schleswig-Holstein weiter zurückgegangen ist. Im Oktober waren 97.600 Menschen arbeitslos gemeldet, und die Arbeitslosenquote betrug damit rund 6,8 %. Natürlich sollten wir uns alle darüber im Klaren sein, dass die Zahlen aus den Arbeitsmarktstatistiken nicht ohne Vorsicht zu genießen sind. Aber zumindest der Vergleich mit den Daten aus den schwierigen Vorjahren belegt eine gewisse Entspannung der Lage. Dies nimmt selbstverständlich auch der SSW gern zur Kenntnis. Oberflächlich betrachtet scheint sich der Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein also als relativ „krisenfest“ zu erweisen. Dies hat zumindest der Chef der Regionaldirektion Nord der Bundesagentur in seinem Kommentar zu den aktuellen Zahlen so berichtet.

Aus Sicht des SSW muss bei all dem Jubel natürlich auch die Frage gestellt werden, worauf sich diese günstige Entwicklung denn eigentlich im Einzelnen gründet. Schaut man nämlich ein bisschen genauer hin, stellt man vor allem fest, dass von den politisch Verantwortlichen in der jetzigen Situation die Ausweitung des Niedriglohnsektors gefeiert wird. Die Zahl der Leiharbeiter hat sich in der jüngsten Vergangenheit rasant entwickelt. Der DGB Nord spricht allein für die Zeit nach dem Krisentiefpunkt von einer Zunahme um fast 20 %, während die Zahl der versicherungspflichtigen Vollzeitarbeitsplätze im gleichen Zeitraum um 1,2 % gewachsen ist.

Aufgrund dieser Entwicklung muss ich für den SSW wiederholen, dass wir das Instrument der Leiharbeit spätestens dann, wenn es von den Arbeitgebern langfristig genutzt wird, für sehr problematisch halten. Denn die Tarifverträge in dieser Branche eröffnen eindeutig die Möglichkeit des Missbrauchs und verhindern somit die ursprünglich gewollte Brückenfunktion in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis.

(Beifall beim SSW)

Der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ wird in dieser Situation dauerhaft missachtet. Eine solche Entwicklung halten wir ganz einfach für nicht hinnehmbar.

(Beifall bei SSW und der LINKEN sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)