Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als eines der wichtigsten Regierungsvorhaben für die 17. Wahlperiode hat Sozialminister Dr. Garg die Weiterentwicklung der Pflegestruktur und die Verbesserung der Pflegequalität angekündigt. Bereits im Mai 2010 hat die Landesregierung einen Bericht zur Ausbildung in der Pflege vorgelegt, der deutlich gemacht hat, dass noch viele Anstrengungen notwendig sind, um eine bedarfsgerechte und qualifizierte Ausbildung der Pflegekräfte zu gewährleisten. Die Pflegekräfteausbildung darf nicht an hohen finanziellen Belastungen der Ausbildungswilligen scheitern.
Darüber hinaus ist auch die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Pflegekräfte unumgänglich, um die Ausbildungs- und Umschulungsbereitschaft zu fördern. Auch dies ist ein Anliegen der Landesregierung.
Der Mangel an Fachpersonal in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen wird eine immer größere Belastung für die entsprechenden Häuser hinsichtlich der Qualitätssicherung. Wir brauchen transparente und durchlässige Strukturen, um dem wachsenden Bedarf gerecht zu werden.
Der SPD-Antrag zur Berufsordnung für Pflegeberufe fordert, dass die Landesregierung in enger Zusammenarbeit mit den entsprechenden Fachverbänden eine Berufsordnung für die Pflegeberufe erarbeitet und verabschiedet. Der Deutsche Pflegerat e.V., die Bundesarbeitsgemeinschaft der Pflegeorganisationen und des Hebammenwesens, hat am 4. Januar 2004 eine eigene Rahmenberufsordnung für professionell Pflegende vom Deutschen Pflegerat erarbeiten lassen.
Im April 2008 hat die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus in einer Kleinen Anfrage nachgefragt, warum es in Berlin noch keine Berufsordnung für Pflegekräfte gebe, wie dies zum Beispiel im Saarland oder in Bremen der Fall sei. Dabei hat die CDU folgende Antwort erhalten:
„Der Senat sieht derzeit keine Notwendigkeit für den Erlass einer Berufsordnung. Die beiden bisher erlassenen Berufsordnungen in Bremen und dem Saarland enthalten keine Regelungen, die aus Sicht des Senats von zu
sätzlichem Nutzen für die Erbringung der Pflege in Berlin wären. Angesichts der Bestrebungen zum Bürokratieabbau wird daher von einer Regelung Abstand genommen.“
Soweit die Aussage des SPD-geführten Senats in Berlin. Das macht aber nichts. Wir können trotzdem etwas anderes tun.
Wir haben diesbezüglich keinen eigenen Antrag formuliert und werden den SPD-Antrag auch nicht grundsätzlich ablehnen, da wir im Zuge der Kronkretisierung der Weiterentwicklung in der Pflege bereit sind, zu gegebener Zeit im Sozialausschuss darüber zu diskutieren. Sollten sich Erkenntnisse ergeben, die darauf hindeuten, dass die Qualität der Pflege in Krankenhäusern, vollstationären Pflegeeinrichtungen oder ambulanten Diensten durch eine Berufsordnung verbessert oder günstig beeinflusst wird und die Folgekosten zu verkraften sind, werden wir eine solche Diskussion positiv begleiten.
Eine Berufsordnung kann nur unter breiter und engagierter Beteiligung der Fachöffentlichkeit erarbeitet werden. Auch die Vertreterinnen und Vertreter von Institutionen, in denen Pflege stattfindet, müssen sich aktiv in den Gestaltungsprozess der Berufsordnung einbringen.
Es stellt sich auch die Frage, ob die Hauptbetroffenen, die Pflegekräfte selbst, eine staatliche Berufsordnung wollen oder vermissen. Die Erfahrungen der Länder mit Berufsordnungen für Angehörige der Pflegeberufe sollten wir zum gegebenen Zeitpunkt erfahren, um uns über Notwendigkeit, Nutzen und Umsetzung eine Meinung bilden zu können.
Die Landesarbeitsgemeinschaft Heimmitwirkung Schleswig-Holstein, Interessenvertretung der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, hat beim 22. Altenparlament am 24. Oktober dieses Jahres den Antrag eingebracht, eine Pflegekammer für die Pflegeberufe einzurichten. Dieser Antrag wurde angenommen und sollte auch in unsere Diskussionen mit einbezogen werden.
Die Notwendigkeit, in der Pflege Verbesserungen herbeizuführen, wird bundesweit diskutiert. So fand am 10. und 11. November in Berlin das 7. Forum zur Zukunft in der Pflege statt, dessen Ergebnisse sicherlich auch eine Bereicherung für unsere Beratungen in den Fachgremien sein werden. Ich konnte selbst nicht dort sein, aber die Ergebnisse werden sicherlich öffentlich gemacht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Uns allen ist die Ausgangslage bekannt. In den nächsten Jahren wird es zu einem erhöhten Bedarf an qualifizierten Fachkräften in der Pflege kommen. Auf dem Arbeitsmarkt fehlen bereits heute Fachkräfte in den Pflegeberufen, und dies wird sich in den nächsten Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung auch noch verschärfen.
All diese Erkenntnisse sind nichts Neues. Parteiübergreifend ist anerkannt, dass hier Handlungsbedarf, wenn nicht sogar dringlicher Handlungsbedarf besteht. Die Förderung der Attraktivität der Pflegeberufe ist übergreifendes politisches Ziel.
Deswegen hat die Landesregierung, deswegen hat Minister Dr. Garg einen ganz klaren Schwerpunkt im Bereich der Pflege gesetzt, trotz der schwierigen finanzpolitischen Lage. Eine landesweite Aktionswoche zum Thema Pflege läuft.
Frau Kollegin Pauls, wie ich Ihrer jüngsten Pressemitteilung entnehmen konnte, ist das für Sie immer alles zu spät und natürlich auch viel zu wenig. Das ist Ihr Recht als Opposition. Ich frage nur: Wenn Sie die Einführung einer Berufsordnung für den richtigen Weg halten, warum haben Sie das nicht in Ihrer jahrzehntelangen Regierungszeit umgesetzt?
Warum hat Ihre Kollegin, die Abgeordnete Trauernicht, nicht gehandelt, als sie die dafür zuständige Ministerin nicht nur in diesem Land, sondern auch in Niedersachsen war? Ich möchte noch einmal nachfassen, ob ich Sie richtig verstanden habe, dass Sie nun doch eher die Einführung einer Pflegekammer fordern. Ihr Antrag sagt eigentlich etwas anderes aus.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Im Grundsatz bin ich ja bei Ihnen. Ich denke, der Antrag zielt darauf ab -
- Eigentlich ja. Das finde ich schön. - Ich denke, dass Sie an einer weiteren Stellschraube drehen wollen. Sie wollen die Attraktivität des Pflegeberufes erhöhen, wenn ich das richtig verstehe. Sie wollen die Qualität der Pflege verbessern, und Sie wollen mehr Schutz vor unsachgemäßer Pflege bieten. Ist das richtig? Dem stimmen wir ja auch alle zu.
Ich möchte das Feld noch einmal ganz klar eröffnen. Eine Berufsordnung - korrigieren Sie mich, wenn ich das falsch rüberbringe - definiert die Pflichten der Berufsangehörigen. Sie soll der Sicherstellung der Qualität der beruflichen Tätigkeit dienen und ist somit Ausdruck einer zunehmenden Professionalisierung. Pflichten lassen sich abstrakt durch Abhandlung darstellen, aber die Pflegenden müssen immer unter den Auswirkungen konkreter Bedingungen handeln. Wir alle wissen doch, wie die Bedingungen in der Praxis aussehen.
Birgt eine mögliche Berufsordnung nicht die Gefahr, den Pflegenden individuell die Verantwortung für die Qualität in der Pflege zuzuweisen? Wollen wir das? Das würde ich gern von Ihnen hören.
Die Frage ist auch: Welche Vorteile bringt ein Alleingang Schleswig-Holsteins, eine gesonderte Berufsordnung zu veranlassen? Wie wäre dann die Anerkennung in anderen Bundesländern? Was läuft auf Bundesebene, meine Damen und Herren? Müssen wir in Konkurrenz zum Bund handeln?
Der Koalitionsvertrag auf Bundesebene sieht vor, die Pflegeausbildungen in einem Berufsgesetz zusammenzuführen, die Ausbildung in das staatliche Bildungssystem zu integrieren und die horizontale und vertikale Durchlässigkeit der Bildungsangebote - das heißt, mit jedem Abschluss den Zugang zur nächsten Bildungsebene zu öffnen - zu verbessern. Es geht also um Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung im Ausbildungsbereich. Die Verhandlungen laufen; mit Ergebnissen ist wohl Mitte nächsten Jahres zu rechnen.
Auf Bundesebene wird noch auf einem weiteren Feld gearbeitet. Im Gemeinsamen Bundesausschuss werden derzeit die Grundlagen dafür erarbeitet, wie Kompetenzen im Pflegebereich neu geordnet werden können. Es geht hier um Modell
vorhaben nach § 63 Absatz 3 c SGB V. Im Kern geht es hier um die Übertragung von ärztlichen Aufgaben. Ganz einfach gesagt: Wer darf zukünftig was? Auch hier erwarten wir demnächst Ergebnisse.
Wenn man sich das alles vor Augen führt, kann man sich doch die Frage stellen: Brauchen wir die Berufsordnung? Was soll dort noch geregelt werden?
Für mich bleiben viele Fragen offen: die Frage, ob die Einführung einer Berufsordnung das taugliche Instrument ist, die Frage, ob der Aufwand dem Nutzen entspricht, die Frage, ob die sicherlich damit einhergehenden Kosten und der Aufwuchs an Bürokratie wirklich zielführend sind, gerade vor dem Hintergrund der geplanten Haushaltskonsolidierung. Aus meiner bisherigen Perspektive bin ich ehrlicherweise nicht davon überzeugt, dass die Einführung einer Berufsordnung der richtige Weg ist. Aufgrund der Komplexität des Themas stimme ich aber einer weitergehenden Befassung im Ausschuss zu und würde mich freuen, wenn wir uns dann dort auch ernsthaft austauschen könnten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum brauchen wir eine Berufsordnung für Pflegeberufe? - Die Zahl der Pflegebedürftigen in Schleswig-Holstein wird bis zum Jahr 2020 von derzeit 78.000 auf 104.000 steigen. Schon jetzt sind allerdings fast 700 Stellen bei den Arbeitsagenturen als unbesetzt registriert. Prognosen gehen von einem zusätzlichen Bedarf von 4.000 examinierten Pflegekräften allein in der Altenpflege aus. Gleichzeitig verschärft sich die Situation durch den demografiebedingten Rückgang der vorhandenen Pflegekräfte. Die Qualitätsdebatte in der Pflege, die Sorge um eine menschenwürdige Pflege und die Angst vor gefährlicher Pflege nehmen kein Ende. Wir stehen also vor einer Herausforderung, was die Pflege angeht.
Was hilft uns denn da eine Berufsordnung? - Ich hatte den Eindruck, die Kollegin Pauls hat das hier dargestellt, wie sie sich damit auseinandergesetzt hat und warum das aus ihrer Einschätzung ein Vorteil sein könnte. Eine Berufsordnung kann zur Qua
litätssicherung beitragen, indem sie Berufsaufgaben und -pflichten festschreibt. Sie gibt damit den Berufsangehörigen eine Orientierung und einen verbindlichen Rahmen für ihr professionelles Handeln.
In Bremen wurde 2004 die erste Berufsordnung für Pflegeberufe bundesweit verabschiedet. Sie umfasst die Gesundheits-, Kranken- und Kinderkrankenpflegerinnen, lässt die Altenpflege aber außen vor. 2009 wurde in Hamburg ebenfalls eine Berufsordnung für die Pflege verabschiedet, hier unter Einbezug der Altenpflege.