Schleswig-Holstein hat wie Deutschland ein völlig anderes Standing in der Weltökonomie, ganz anders als Irland oder Griechenland. Wir haben eine viel geringere Verschuldung, und auch die Art der Verschuldung ist eine völlig andere als in Griechenland. Es ist durch nichts, aber auch gar nichts zu rechtfertigen, Herr Habeck.
Herr Habeck, es ist wirklich nicht passend, eine Analogie mit Griechenland herbeizuführen, ganz davon abgesehen, das Schleswig-Holstein kein eigenständiger Staat, sondern eingebunden in eine der wichtigsten Weltökonomien ist. Sie reden unser Land schlecht, indem Sie diese Vergleiche heranziehen. Sie stellen Schleswig-Holstein in eine Reihe mit den PIIGS- Staaten, Sie verbreiten Furcht und Schrecken, damit die Menschen in unserem Land endlich akzeptieren, was Sie ihnen an Sozialkahlschlag zumuten. Herr Koch von der CDU, Ihnen glaube ich sogar, dass Sie daran glauben. Sie haben ja heute auch davon geredet, dass wir in die Pleite geraten. Aber Herr Wiegard, Herr Carstensen, Sie wissen, was Sie sagen, und Sie wissen, warum Sie solche Bilder benutzen und warum Sie das Land schlechtreden. Wenn Sie so, wie Sie über das Land
reden, in den letzten Jahren über die HSH Nordbank geredet hätten, dann weiß ich, was die HSH Nordbank gemacht hätte. Sie hätte Ihnen einige Mitarbeiter ihrer damaligen Sicherheitsfirma hinterhergeschickt.
Gestern haben noch einmal die Wohlfahrtsverbände, die Interessenvertreter der Blinden und die GEW, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, eindringlich vor Ihren Kürzungsplänen gewarnt. Günter Ernst-Basten, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft freier Wohlfahrtsverbände, sei hier genannt. Er redet zu Recht von einem - ich zitiere - „richtigen Kahlschlag“. Wir geben ihm recht. Die Kürzungen werden - ich zitiere noch einmal - „ohne Sinn und Verstand“ beschlossen.
Dabei geht es bei den Sozialverbänden um so wenig Geld. Das, was Sie dort wegkürzen, 1,2 Millionen €, Sozialvertrag I und II, das hat für den sozialen Zusammenhalt in Schleswig-Holstein so unendlich dramatische Folgen: Die Kürzungen bei den Blinden. Das ist nicht nur meiner und unserer Meinung nach ein riesiger Skandal. Ich schäme mich. Ich schäme mich dafür, dass den Blinden in Schleswig-Holstein die geringste Unterstützung zukommt. Kein anderes Bundesland unterstützt die Blinden zukünftig mit weniger Geld als Schleswig-Holstein. Das ist unfassbar, und mit christlichen Werten, meine Damen und Herren von der Christlich-Demokratischen Union, auf die Sie sich ja immer wieder berufen, hat das gar nichts zu tun.
Entgegen Ihren schönen Bildern, die Sie ja auch im Bereich Bildung malen, möchte ich Ihnen auch einmal ein Zitat von Matthias Heidn, dem GEW-Landesvorsitzenden vorhalten; ich zitiere: „Morgen, Kinder, wird’s nichts geben“, das hat er gestern in Bezug auf Ihre Vorstellungen zum Haushalt gesagt. Genauso wird es leider sein. Die Kinder fallen hinten herunter.
Herr Wiegard, eigentlich wissen Sie es besser. Auf dem Tiefpunkt der Finanz- und Wirtschaftskrise haben Sie einmal gesagt: Wir können jetzt nicht knausern. Wir müssen neue Schulden machen, damit wir hier einigermaßen durchkommen und die Ökonomie nicht ganz daniederliegt. Das ist das gleiche Problem, das wir jetzt haben. Wenn wir jetzt knausern, bedeutet das, dass wir immer weiter eine Spirale in das Abwärts kriegen. Die jetzigen Kürzungen sind die Einnahmeverluste von morgen. Das
bedeutet, dass neue Kürzungen gemacht werden müssen und so weiter und so fort, bis das Land in den Staatsbankrott von Herrn Habeck gelandet ist.
Sie reduzieren die Ausgaben, ohne die ökonomischen Auswirkungen zu berücksichtigen. Wir, die Fraktion DIE LINKE, haben einen Änderungsantrag gestellt. Mir rennt leider meine Zeit weg. Ich möchte nur ein Missverständnis ausräumen, das leider auch über die Medien verbreitet worden ist, nämlich, dass unsere Vorschläge zum Doppelhaushalt nicht finanzierbar seien, sondern dass wir darauf rekurrieren, dass wir bundespolitisch mehr Steuereinnahmen haben wollen. Nein, unser Haushalt ist durchgerechnet. Er erfüllt die Schuldenbremse. Sie müssen nur noch zustimmen, und dann geht es uns allen besser.
Ich erteile dem finanzpolitischen Sprecher der Fraktion des SSW, Herrn Abgeordneten Lars Harms, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der SSW hat eine Vielzahl von Vorschlägen in die Beratungen zum Haushalt eingebracht, die deutlich machen sollen, dass es eine politische Alternative zum Entwurf der Regierungsfraktionen gibt. Das ist an sich nicht unbedingt etwas Besonderes, weil dies natürlich auch von den anderen Oppositionsparteien so gemacht wird. Gleichwohl ist es eben schon besonders, weil wir bisher immer gesagt haben, dass wir mit wenigen, aber kompromissfähigen Vorschlägen einen an sich zustimmungsfähigen Haushalt ergänzen wollen.
Diese Sichtweise haben wir in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten angewandt und den Haushalten dann in der Gesamtabstimmung immer zugestimmt - auch, wenn wir mit einzelnen Teilen des Gesamthaushaltes manchmal unzufrieden waren. Unsere Maxime war: Das Land braucht einen Haushalt, und hierfür müssen auch wir bereitstehen, wenn wir uns im Haushalt einigermaßen wiederfinden können. Dieses skandinavische Prinzip führte dazu, dass wir Haushalten der Regierungen der Ministerpräsidenten Barschel, Engholm, Simonis und auch Carstensen in der Vergangenheit zugestimmt haben. Dass wir dieses heute nicht tun können und mit umfassenden Änderungsvorschlägen kommen müssen, ist somit schon ein bemerkenswerter Vorgang.
Der Haushalt, der heute durch die Regierungsfraktionen abgesegnet werden soll, ist eine Katastrophe für unser Land. Er ist geprägt von sozialer Schieflage,
kultureller Verarmung und von einer minderheitenpolitischen Geisterfahrt. Einem solchen Haushalt können wir nicht zustimmen.
Unser Vorschlag zeigt, lieber Kollege Kubicki, dass Sparen und einen gerechten Haushalt aufstellen keine Gegensätze sind. Wir haben bewusst darauf verzichtet, jedes einzelne politische Ziel in Zahlen zu gießen und uns dann die Zahlen so hinzubiegen, dass es irgendwie passt. Wir machen mit unseren Haushaltsvorschlägen deutlich, dass auch wir es ernst meinen mit der Schuldenbremse. Es geht auch gar nicht anders. Wir sind nämlich laut Verfassung verpflichtet, die Schuldenbremse einzuhalten. Das ist auch gut so. Der SSW steht dazu.
Wir sind bewusst einen anderen Weg gegangen. Folgt man unseren Vorschlägen, werden wir wesentlich weniger Schulden machen als die schwarzgelbe Landesregierung, und gleichzeitig werden wir trotzdem die soziale und kulturelle Infrastruktur in ihrem Kern erhalten können. Unsere Vorschläge führen dazu, dass wir in 2011 etwas mehr als 183 Millionen € und in 2012 rund 24 Millionen € weniger Schulden machen als Schwarz-Gelb.
Unser Ziel ist es, schon jetzt Finanzmittel einzusparen, damit die Sprünge in den Folgejahren nicht allzu hart werden. Gleichzeitig wollen wir den betroffenen Institutionen und Organisationen Planungssicherheit geben.
Schwarz-Gelb verfängt sich aber in gnadenlosen Kürzungsorgien, die auch 2013 und 2014 nicht abgeschlossen sein werden, wenn man sie weiter gewähren lässt. Wir setzen da andere Prioritäten. Ich hoffe, die Bürgerinnen und Bürger werden Schwarz-Gelb nicht weiter gewähren lassen.
(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Schauen wir mal!)
Im Gegensatz zu den derzeit noch Regierenden wollen wir erst einmal die Einnahmen verbessern und verstetigen und nicht eine solch erfolgreiche Einrichtung wie die Innovationsstiftung unwiederbringlich vernichten, um kurzfristig Geld zu ma
chen. Die Grunderwerbsteuer muss deshalb nach unserer Auffassung sofort erhöht werden. 2011 könnten wir so 87 Millionen € mehr einnehmen. Auf dieses Geld können wir aufgrund der derzeitigen Haushaltslage nicht verzichten. Gleiches gilt für die Spielbankabgabe. Würden wir weiterhin die bisherige Höhe vereinnahmen, würden 2 Millionen € mehr in die Kassen des Landes fließen, eine vergleichsweise kleine Summe, aber trotzdem unverzichtbar.
Merkwürdig mutet es außerdem an, dass die vom Bund zugesagte Konsolidierungshilfe im Haushalt nicht eingeplant ist. Bisher findet sich nur ein Leertitel im Haushalt, wo eigentlich 80 Millionen € stehen müssten. Damit der Haushalt ausgeglichen wird, plant die Landesregierung erst einmal eine entsprechende Kreditaufnahme ein. Das hat mit Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit rein gar nichts zu tun. Hier wird getrickst, um sich etwas Flexibilität zu erhalten, schließlich ist ja Wahlkampf, und da braucht es auch einige Ecken im Haushalt, die man dann für Wahlkampfgeschenke ausfegen kann. Das können und werden wir nicht akzeptieren.
Aber auch wenn es um das Ausgeben von Geld geht, haben die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen anscheinend völlig das Maß verloren. Da werden Kredite aufgenommen, um Rücklagen zu bilden. Das heißt, es werden hohe Kreditzinsen gezahlt, damit man Rücklagen bildet, die nur geringe Guthabenzinsen erwirtschaften. Ein schlechteres Geschäft ist wohl kaum denkbar, und der Finanzberater Peter Zwegat aus dem Fernsehen würde wahrscheinlich jedem Normalbürger den Kopf waschen. Ob das allerdings beim Ministerpräsidenten und seiner Regierung etwas nützen würde, wage ich zu bezweifeln.
2011 werden in Höhe von 117 Millionen € und 2012 in Höhe von 36 Millionen € kreditfinanzierte Rücklagen gebildet. Gehen wir von einem Zinsverlust von 2 % aus, kostet uns dieser Spaß rund 3 Millionen €. Da kann man schon einmal mit dem Kopf schütteln.
Im Übrigen kann man uns als SSW nicht vorwerfen, mit der Einnahmeseite zu sorglos umgegangen zu sein. Die Landesregierung hat die Steuermehreinnahmen geringer eingeschätzt als die Arbeitsgruppe Steuerschätzung. Im November wurde ermittelt, dass die Steuereinnahmen voraussichtlich 2011 um 8,5 % und 2012 um 8,9 % höher liegen werden als in der Mai-Steuerschätzung, die dem Ursprungsentwurf zugrunde gelegen hat. Die Landesregierung hat aber in ihrer Nachschiebeliste die
Ansätze insgesamt nur um rund 4,15 % erhöht. Hier ist also noch Spielraum nach oben, und trotzdem haben wir dies nicht in unseren Haushaltsvorschlägen eingeplant -
Meine Damen und Herren, hier ist also noch Spielraum nach oben, und trotzdem haben wir dies nicht in unseren Haushaltsvorschlägen eingeplant, lieber Kollege Koch, weil die Mehreinnahmen ohnehin für den Ausgleich der konjunkturellen Neuverschuldung einzusetzen sind. Das heißt, wir gehen davon aus, dass wir 200 bis 300 Millionen € mehr einnehmen als bisher veranschlagt und sind der Auffassung, dass dieses Geld gemäß der Bestimmung in unserer Landesverfassung zur Schuldenbremse für die Senkung der konjunkturell bedingten Neuverschuldung einzusetzen ist. Das würde das konjunkturell bedingte Defizit nahezu auf null fahren. Als vorsichtige Kaufleute haben wir hier aber bewusst nicht die Haushaltsansätze schon jetzt erhöht, sondern dies in unserem Entschließungsantrag mit eingearbeitet.
In diesem Antrag gehen wir noch auf weitere mögliche Steuermehreinnahmen ein. Nach unserer Auffassung ist derzeit vieles in Bewegung, und dies erfordert die Aufstellung eines Nachtragshaushalts im Juni 2011. Neben den konjunkturell bedingten Mehreinnahmen, die jetzt schon vorhersehbar sind, wird es auch möglicherweise Steuerrechtsänderungen geben, die sich ebenfalls positiv auf den Landeshaushalt auswirken werden. Dieses wären Einnahmen, die laut Verfassung nicht zwingend in den Abbau des konjunkturellen Defizits zu stecken wären.
Ich will hier zwei Beispiele nennen. Es ist wieder in der Diskussion, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf das unbedingte Mindestmaß zu begrenzen. Sollte dies geschehen, könnten wir mit Mehreinnahmen für die Länder von bis zu 600 Millionen € rechnen. Selbst marginale Änderungen würden hier mit Millionenbeträgen zu Buche schlagen.
Ähnliches gilt für die Einnahmen aufgrund der Einführung der Brennelementesteuer. Sollte sich die Landesregierung mit ihrem Wunsch nach einer Beteiligung an den entsprechenden Einnahmen des
Bundes durchsetzen - woran ich natürlich keinen Zweifel habe –, dann sind auch hier Millionen-Einnahmen zu erwarten. Insgesamt wird der zu verteilende Länderanteil auf bundesweit 500 Millionen € geschätzt. Wenn wir davon ausgehen, dass das Land Schleswig-Holstein mit seinem 19 %-Anteil an der Kernkraftkapazität nur 10 % dieses Länderanteils erhält, wären dies 50 Millionen €. Bei 5 %, falls die Anlagen etwas länger ausgeschaltet sind, was wir ja alle hoffen, wären es immer noch 25 Millionen €. Ich finde, diese Einnahmen muss man einplanen.
Solcherlei Mehreinnahmen geben genug Spielraum, um das dritte Kindergartenjahr wieder dauerhaft beitragsfrei zu stellen und über das bisherige Maß hinaus einen erhöhten Sparbeitrag für den Landeshaushalt zu leisten.
Meine Damen und Herren, Sie sehen also, so schlecht steht es nicht um unser Land. Es ist immer noch eine Frage des politischen Willens, welche Prioritäten man setzt.
Setzt man die falschen Prioritäten wie die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen, dann kommt eben ein Abbruchhaushalt dabei heraus. Wir wollen aber lieber in unserem Land etwas aufbauen, und deshalb werden wir den Weg von SchwarzGelb nicht mitgehen.
Bevor wir aber nun zu den Dingen kommen, die für uns wichtig sind, will ich deutlich machen, dass auch wir durchaus Einsparpotenzial sehen. Es ist gut, dass der Landtag schon in der Vergangenheit immer wieder bereit war, auf Diätenerhöhungen zu verzichten. In diesem Jahr sind darüber hinaus die Zulagen für die Abgeordneten mit hervorgehobenen Funktionen gesenkt worden, und wir beschließen heute eine Senkung der Fraktionsgelder.