Protokoll der Sitzung vom 15.12.2010

(Wolfgang Kubicki)

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Ja, ja. Sie kommen zu uns. Das ist Ihr Antrag. Sie stellen sich hier hin und halten die Philippika von Kindern, die im Lande verhungern und nichts zu essen bekommen, aber weigern sich - wir kommen dem aus Achtung vor der Opposition nach -, diesen Sparbeitrag durch Ihre Fraktion mitzuleisten. Das nenne ich heuchlerisch.

(Beifall bei FDP und CDU)

Es war für den Kollegen von Boetticher und mich extrem schwierig, in unseren Fraktionen überhaupt dafür zu werben, Ihrem Ansinnen nachzukommen. Mit Ihrem Redebeitrag heute haben Sie nicht dazu beigetragen, dass in dieser Frage die Mehrheit sicher steht.

(Zuruf des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU] - Heiterkeit)

- Werner, bei diesem Punkt.

(Zuruf)

- Ja, auch ich habe eine Stimme.

Beim Mitbestimmungsgesetz werden wir die Grenze für die Freistellung von Personalräten nicht wie vorgesehen anheben. In dieser Umbruchphase innerhalb der öffentlichen Verwaltung wollen wir ein positives Signal an die Personalräte in Schulen, Polizei und Verwaltung senden. Wir sagen zu, dass wir den Bedenken der Arbeitsgemeinschaft der Personalräte, die uns erst gestern erreichte, in den kommenden Wochen Rechnung tragen werden.

Der Haushalt ist in Einzelpunkten schwierig. Da stimme ich Ihnen zu. Für jede einzelne Kürzung gibt es tausend Begründungen, diese Kürzungen nicht vorzunehmen. Im Gesamten aber ist das Haushaltspaket unverzichtbar. Wir waren gegenüber den Vorschlägen und der Kritik der Opposition, den Interessenvertretern und der Öffentlichkeit immer offen. Aber die Vorschläge aus den Oppositionsreihen sind ernüchternd. Vorsichtig formuliert. Außer einem Ruf nach unkonkreten Steuererhöhungen haben wir nichts vernommen.

Dass Steuererhöhungen aufkommenstechnisch ihre Grenze haben, hat wissenschaftlich Professor Laffer bewiesen. Die Laffer-Kurve zeigt, dass man durch Steuererhöhungen nur bis zu einer bestimmten Grenze Mehreinnahmen erzielen kann: Darüber hinaus sinken die Einnahmen.

(Zuruf der Abgeordneten Serpil Midyatli [SPD])

Einer Forderung der Opposition sind wir nachgekommen. Ich will ausdrücklich sagen - das ist auch nicht weiter verwunderlich -, dass ich Respekt vor Entscheidungen der Grünen habe, beispielsweise bei der Frage der Zustimmung zur Küstenschutzabgabe. Das ist mit Sicherheit für Sie kein einfaches Unterfangen gewesen, wie für uns alle - auch in unseren Parteien - übrigens auch nicht. Machen Sie sich da keine Gedanken. Die Angebote, das anders zu machen, kommen ja aus den gleichen Regionen.

Selbstverständlich ist auch die Anregung zur Erhöhung der Grunderwerbsteuer - darüber haben wir auch in der ersten Lesung schon gesprochen - eine sehr vernünftige. Wir kommen dieser Forderung, die Erhöhung der Grunderwerbsteuer vorzuziehen, nach - nicht, Herr Kollege Habeck, weil Sie so lautstark danach gerufen haben, sondern weil sich die wirtschaftliche Entwicklung in den letzten Monaten stark verbessert hat, im Gegensatz zu unserer Annahme noch im Mai dieses Jahres, als wir in der Haushaltsstrukturkommission darüber beraten haben.

Die Prognose der Bundesregierung zeigt, dass sich bereits Ende kommenden Jahres die wirtschaftliche Leistung auf dem Niveau von 2008 bewegen wird. Dadurch ist es möglich, die Erhöhung der Grunderwerbsteuer um ein Jahr vorzuziehen. Aber im Gegensatz zu Ihnen verarbeiten wir die dadurch entstehenden Mehreinnahmen nicht. Die dadurch entstehenden Mehreinnahmen in Höhe von 80 Millionen € gehören ohnehin zu 15 Millionen € der kommunalen Familie. Die Mehreinnahmen des Landes werden wir in Höhe von 65 Millionen € aber nicht verfrühstücken, sondern wir werden sie vollständig zur Senkung der Neuverschuldung verwenden

(Beifall bei FDP und CDU)

und die daraus erzielte Zinsersparnis zur Finanzierung von Ausgaben im Bildungsbereich.

Diese Maßnahmen bilden die Grundlage für das notwendige Wirtschaftswachstum und die steigenden Steuereinnahmen. Zur Konsolidierung unserer Landesfinanzen sind wir bis 2020 auf ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum angewiesen. Die Hinterlassenschaften der Vergangenheit sind katastrophal. Der Finanzplan hat eindrucksvoll dokumentiert, dass dieses Land seit 1998 bei der wirtschaftlichen Entwicklung den Gleichschritt zum Bundesdurchschnitt verloren hat.

Hätten wir als Land Schleswig-Holstein mit der Problemlösung zehn Jahre früher begonnen, dann

(Wolfgang Kubicki)

hätten wir heute nicht solche Schwierigkeiten. Wir steuern um, entschieden und erfolgreich.

Dass Einsparungen notwendig sind, möchte ich auch dadurch dokumentieren - und vielleicht auch an die Adresse der LINKEN -, dass ich aus einem Kommentar der „taz“ vom 19. November 2010 zitiere. Ich war völlig überrascht, dass ich in der „taz“ einen so wunderbaren Kommentar lesen durfte. Dort heißt es:

„Die Zinsen, die Schleswig-Holstein zu bezahlen hat, sagen alles: 1 Milliarde € bei einem Haushaltsvolumen von 7 Milliarden. Das ist absurd und unsozial und geht auf Kosten künftiger Generationen. Ganz gleich, wie man zu seiner Partei steht - Ministerpräsident Peter Harry Carstensen muss bei seinem Sparkurs unterstützt werden...

1 Milliarde € Zinsen sind unsozial, weil damit Geld von Steuerzahlern zu Kapitalbesitzern umverteilt wird. Auch Menschen, die kein Geld anlegen, zahlen Steuern, allein schon über Verbrauchssteuern. Was ihnen aus der Tasche gezogen wird, landet bei jenen, die dem Staat Geld leihen. Sogar wenn der Staat Sozialleistungen verteilt, vereinnahmt er einen Teil wieder als Steuern und reicht sie an Kapitalisten weiter.

Den bisherigen Kurs fortzuführen bedeutet, auf Kosten der Kinder zu leben. Das wird dadurch verschärft, dass - auch wenn dieses Argument in linken Kreisen verpönt ist - in Zukunft immer weniger Junge immer mehr Alte werden versorgen müssen. Schleswig-Holstein ist heute schon überaltert.“

Der Titel des Kommentars lautet:

„Kopf in den Sand stecken hilft nicht.“

(Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt doch noch einige wenige intelligente Linke. Wir stecken den Kopf nicht in den Sand. Es wäre ein Ausweis kluger Oppositionspolitik gewesen, es ebenfalls nicht zu tun.

Sie haben meinen Ausführungen entnommen: Die Weichen sind gestellt. Ich bin völlig entspannt. Ich habe großes Verständnis dafür, dass einzelne Abgeordnete unserer Koalition bei dem einen oder anderen Einzelpunkt Bauchschmerzen haben. Ich möchte an dieser Stelle im Hinblick auf unsere Freunde von der Opposition und vor allen Dingen die Presse etwas kundtun.

Man wird zu einem Wackelkandidaten, wenn man seine Bedenken in den parlamentarischen Prozess einbringt. Man fällt um, wenn man seine Meinung aufgrund anderer Tatsachenlagen revidiert. Man knickt ein, wenn man sich aufgrund von Bedenken, die vorgetragen werden, und alternativen Finanzierungsmöglichkeiten, die man gefunden hat, anders entscheidet als vorher. Wer das parlamentarische System darauf verkürzt, dass man bei einer einmal getätigten Aussage unabänderlich, unabdingbar bleiben muss, der versteht nicht, was Demokratie bedeutet, und der versteht auch nicht, was der Kollege Stegner angemahnt hat, aber selbst nicht praktiziert, nämlich die Menschen mitzunehmen und zu beteiligen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich finde, dass jeder Abgeordneter, der frei gewählt und nur seinem Gewissen unterworfen ist, das Recht hat, sich mit seiner Meinung in den Diskurs einzubringen und sich so zu verhalten, wie er es für richtig hält. Aber parlamentarische Demokratie lebt auch dadurch, dass man Mehrheiten findet und gemeinsam Mehrheiten organisiert und dazu auch steht.

Ich habe mich schon gewundert, dass der Kollege Robert the Patriot Habeck öffentlich hat verlauten lassen, er habe keine Sorge, dass die Mehrheit stehe, weil CDU und FDP ja autoritäre Parteien seien.

(Lachen des Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU] - Unruhe)

Ich wiederhole: weil CDU und FDP ja autoritäre Parteien seien! Ich wäre dankbar, wenn er mir in seiner Haushaltsrede erklären würde, was er damit meint und was es bedeutet. Herr Kollege Habeck, ich kann Ihnen sicher sagen, dass mein Bundesvorsitzender diese Frage völlig anders beurteilt.

(Beifall bei FDP und CDU - Heiterkeit)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich respektiere, dass Kollegen - wie übrigens auch ich - in vielen Fragen bei einzelnen Punkten Bauchschmerzen haben. Auch ich würde mir angenehmere finanzielle Rahmenbedingungen wünschen. Auch ich habe nicht alle Wahlversprechen einhalten können. Herr Kollege Stegner, im Gegensatz zu Ihnen habe ich mit den Betroffenen darüber rechtzeitig geredet. Es gibt nur einige wenige - wahrscheinlich Sozialdemokraten -, die noch bereit sind, mich in die Förde zu schieben, aber auf den Versuch will ich es gern ankommen lassen, weil die Wasserschutzpolizei mir erklärt hat, sie würden mich sofort retten.

(Heiterkeit bei FDP und CDU)

(Wolfgang Kubicki)

Ich habe den in den vergangenen Jahrzehnten aufgetürmten Schuldenberg nicht zu verantworten, aber meine Funktion - wie die Funktion des Kollegen von Boetticher - besteht darin, dass wir Verantwortung für die Zukunft unseres Landes übernehmen. Ich gehe fest davon aus, dass alle Abgeordneten unseres Koalitionspartners diese Verantwortung wahrnehmen, wie wir auch. Wir können und werden heute im Sinne aller nachfolgenden Generationen die letzte Abfahrt nehmen und den Konsolidierungskurs einleiten. Herr Kollege Stegner, in der Auseinandersetzung mit Ihnen -

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Das Boot ist schon da! - Zuruf: Das Rettungs- boot! - Weitere Zurufe)

- Das ist kein Boot der Wasserschutzpolizei, das sieht mehr aus wie die Fischereiaufsicht. Das ist auch völlig egal. Ich bin ja vom Sternzeichen her Fisch.

Herr Kollege Stegner, vor der Auseinandersetzung gerade mit Ihnen - wir hoffen ja, dass Sie es wirklich noch werden bei der SPD -, wenn es darum geht abzurechnen, wie erfolgreich diese Politik war und ob sie fortgesetzt werden soll, ist mir überhaupt nicht bange. Wie viel Angst Sie haben, haben Sie heute Morgen bei Twitter dokumentiert, indem Sie bereits beginnen, Ihre Mitwettbewerber zu diskreditieren.

(Anhaltender Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort hat der Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Dr. Robert Habeck.

Herr Präsident! Herr Ministerpräsident! Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem sich die Nebelschwaden der Selbstbeweihräucherung etwas verzogen haben, bleibt nüchtern festzustellen: Ja, es ist ein Sparhaushalt. Es ist ein Sparhaushalt, und dieser Haushalt soll exemplarisch für die schwarz-gelbe Politik stehen. Genau das ist das Problem. Sie haben sich ein Jahr lang auf Buchhaltung reduziert, und deshalb mussten Sie diesen Tag so fürchten. Denn scheitert der Haushalt, bleibt nichts mehr übrig, für das SchwarzGelb stehen könnte. Scheitert der Haushalt, ist nicht nur Ihre Regierung am Ende, sondern CDU und FDP mit ihrem Latein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Christopher Vogt [FDP]: Die Rede ist veral- tet!)

- Sie haben nicht zugehört. Herr Kubicki hat gerade angemahnt, die Abgeordneten könnten ihre Meinung ändern. Also ist sie nicht veraltet. Wir sind ja noch mitten in der Debatte, die Leute hören zu und werden mitdenken, auch in Ihren eigenen Reihen, sonst wäre das nämlich eine autoritär-strukturierte Veranstaltung.

(Zurufe)