Protokoll der Sitzung vom 15.12.2010

Dass Frau Merkel nun uns - und Herr von Boetticher tut es auch - als Lieblingsgegner auserkoren hat, macht mich geradezu stolz. Es zeigt doch, wie wenig prinzipientreu Frau Merkel ist und wie sehr dies von strategischem Kalkül geprägt ist. Erst „Greenwashing“, jetzt „Greenbashing“. Und wenn Herr Kollege von Boetticher sich über meine Partei - ausdrücklich den Landesverband Schleswig-Holstein meinend - so zitieren lässt - ich lese das, mit Verlaub, einmal vor -:

„Es gibt Gestalten im feinen Zwirn, die durch die Republik laufen“

- wahrscheinlich meint er mich, oder was?

(Heiterkeit bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

„und so tun, als ob sie bürgerliche Werte verkaufen. Dabei sind... die Grünen der Wolf im Schafspelz. … Doch im Wahlkampf werden wir sie entlarven und … zeigen, aus welcher Ecke sie kommen.“,

dann sage ich, Herr von Boetticher: Dann kommen Sie doch aus der Ecke, der Ring ist frei! Lassen Sie es uns austragen, hier im Parlament oder draußen vor der Tür!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD - Christopher Vogt [FDP]: Ich denke, Sie sind Pazifisten! - Weitere Zurufe von CDU und FDP)

Dann lassen Sie uns über die beiden gesellschaftlichen Konzepte, die wir hier verhandeln, abstimmen. Da ist das rückwärtsgewandte der CDU, und da ist das der Grünen, das die Gegenwart verteidigen und die Zukunft erobern will.

Ja, das ist der Konflikt. Es ist der Konflikt zwischen dem alten und dem neuen Schleswig-Holstein, zwischen Oligopolen in der Energiewirtschaft einerseits

(Lachen des Abgeordneten Christopher Vogt [FDP])

und dezentraler, bürgernaher, mittelständischer Energiestruktur andererseits, zwischen der systematischen Auslese von Kindern nach der vierten Klasse und einem neuen, besseren, binnendifferenzierteren Lernen,

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Die Chancen haben Sie doch alle schon gehabt! - Weitere Zurufe von CDU und FDP)

zwischen der Verkrustung in der Verwaltung und Mauscheleien und dem Zusammenbringen von Aufgaben und Menschen. - Ja, sage ich, tragen wir es aus.

(Zurufe von CDU und FDP)

- Es wird leider noch schlimmer - für Sie.

Und da Sie sich jetzt ja so gern mit konservativen Phrasen schmücken, zu denen, wie wir seit der letzten Sitzung wissen, auch das Fingerzeigen auf Migrantinnen und Migranten und das Pochen auf ihre mangelnde Integrationswilligkeit gehört: Die Integrationskurse im Land sind voll, und das schon seit geraumer Zeit. Und es gibt keine Gelder, den Migrantinnen und Migranten den Wunsch nach Integration und dem Erlernen deutscher Sprache zu erfüllen. Mit anderen Worten: Integrationsverweigerer sind nicht die Migrantinnen und Migranten und Ausländer, es ist Ihre Regierung. Auch das gehört zur Haushaltswahrheit und -klarheit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Machen Sie weiter! Das ist hervorragend! Das ist sehr gut!)

Sie werfen uns vor, „Dagegen-Partei“ zu sein, dabei igelt sich die CDU jeden Tag mehr mit Schaum vorm Mund und Klischees im Kopf in der Vergan

(Dr. Robert Habeck)

genheit ein. Nein, wir sind für gesellschaftlichen Fortschritt und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und auch bereit, dafür Zumutungen - wie bei der Bürgerversicherung - vor der Wahl anzusprechen. Und wir sind für Steuererhöhungen und haben das gesagt, während Sie Ihren Wahlkampf unter der Vortäuschung falscher Tatsachen geführt - ich sage ausdrücklich „geführt“, nicht „gewonnen“ - haben; die Debatte bekommen wir ja morgen.

Und die FDP hat immer noch nicht kapiert, dass ein niedriges Steuersystem einfach nicht gerecht ist, weil jeder Euro, der fehlt, Kürzungen und Einschnitte andernorts bedeutet. Sie haben es doch hier im Land jetzt ein Jahr lang erlebt und erleben es täglich: Wo bitte ist unser Gemeinwesen zu fett? Wir machen eine gesellschaftliche Hungerkur durch, ohne dass das Gemeinwesen Speck auf den Rippen hätte,

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Sie wissen gar nicht, was eine Hungerkur ist!)

während die Ungleichheit in Deutschland jeden Tag größer wird. Dies vor Augen, sollten Sie ganz vorsichtig sein, wen Sie als „Dagegen-Partei“ beschimpfen. Die Finger an der Hand, sie weisen nämlich auf Sie selbst zurück.

Oh, ich sagte: Wo ist der Staat zu fett?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Bei der HSH Nordbank beispielsweise!)

- Ja, bei Herrn Nonnenmachers Abfindung könnte es auch sein, dass da zu großzügig zugelangt wird, aber gemeint habe ich etwas anderes.

Da fällt mir noch etwas ein: Wir sind nämlich tatsächlich dagegen, dass Fraktionen sich Urteile von Verfassungsgerichten uminterpretieren, wie es ihnen gut dünkt,

(Beifall der Abgeordneten Dr. Christian von Boetticher [CDU] und Wolfgang Kubicki [FDP] - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Wer macht das denn? Sehr gut!)

um die Anzahl ihrer Funktionsträgerinnen und -träger hochzuhalten. Wir sind für Neuwahlen in 2011, haben sie im Haushalt vorgesehen und sparen dadurch 3 Millionen € ein.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Entlarven und zeigen, aus welcher Ecke sie kommen. - Dazu sage ich nur: Bring it on CDU, bring it

on. Wir warten auf Sie in jeder Ecke und bei jeder Debatte.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Ich la- che mich tot darüber!)

Was unsere Änderungsanträge weiterhin angeht: Wir akzeptieren Einsparziel und -volumen des Haushalts. Und wir waren bereit, auch unbequeme Entscheidungen mitzutragen.

Aber wissen Sie was? - Ich habe - ehrlich gesagt keinen Bock mehr.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Und tschüs!)

Man muss inzwischen davon ausgehen, dass man, wenn man für eine schwierige Maßnahme ist, letztlich der Dumme ist und der Einzige, der noch aufrecht steht. Meinen Sie nicht, dass auch Grüne gern das Füllhorn der Geschenke über das Land ausschütten wollten?

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Tun Sie doch!)

- Das tun wir nicht, Herr von Boetticher. Das tun wir nicht, in keinem einzigen Antrag. Wir diskutieren und ringen um verantwortungsvolle Positionen, und dann kommt diese Regierung und verkauft den Satz mit X auch noch als Erfolg, und wir stehen im Regen.

(Peter Lehnert [CDU]: Was war denn beim Gastschulabkommen?)

Ja, wir tragen die Küstenschutzabgabe mit, aber nicht das Gewusel drum herum, das Sie aufgebaut haben, und auch nicht die Art, wie sie konstruiert wird. Wir wären auch bereit, über Strukturreformen in der Justiz mitzudiskutieren, wenn denn die Berechnung auf einer vernünftigen Grundlage erstellt wäre. Aber so, wie hier gearbeitet wird - wissen Sie -, machen Sie Ihren Krempel doch lieber allein!

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Machen wir auch! - Christopher Vogt [FDP]: Machen wir auch! - Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Null Bock!)

Im Gegensatz zu Ihnen erhöhen wir die Grunderwerbsteuer schon ab 2011, denn, Herr Kubicki, Sie haben recht: Die Wirtschaft zieht an, aber das auch nach allen Prognosen schon 2011. Allerdings finanzieren wir mit der Grunderwerbsteuer Mehrausgaben im Bildungsbereich.

(Zuruf des Abgeordneten Tobias Koch [CDU])

(Dr. Robert Habeck)

Das haben wir immer angemahnt. Das haben wir immer vorgemacht. Das finanzieren wir so lange, bis die von Ihnen und Herrn Carstensen versprochenen 100 Millionen € aus Berlin kommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So lange machen wir das. Wir haben eine Antwort auf eine Kleine Anfrage, in der steht, dass die Bundesregierung dem Land Schleswig-Holstein jedes Jahr 100 Millionen € für Bildungsausgaben zusichert. Nichts davon ist da. Da können Sie uns doch nicht sagen, wir hätten keine Gegenfinanzierung. Sie haben die doch schon längst gebracht, wenn die 100 Millionen € da sind, haben wir alle kein Problem mehr.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Oder stellen Sie sich hier hin und sagen: „Alles Quatsch, was ich erzählt habe, ich entschuldige mich dafür, ich habe dieses Parlament falsch informiert!“?

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])