Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir im Oktober unsere Vorstellungen zur Tariftreue hier im Landtag einbrachten, war der Entwurf des Wirtschaftsministeriums ein paar Tage alt. Ich hatte seinerzeit für meine Fraktion angeregt, diesen Entwurf und unseren zusammen mit dem schon im Verfahren befindlichen Gesetzentwurf des SSW im Wirtschaftsausschuss zu beraten, also alle drei Entwürfe nebeneinander zu legen, um dann einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, der auf eine breite Zustimmung im Landtag trifft.
Das war auch Konsens im Wirtschaftsausschuss. Wir haben das so miteinander besprochen. Nach der Oktober-Tagung des Landtags wurden wir dann zwar offiziell über den Entwurf der Landesregierung unterrichtet. Den Weg ins Parlament über eine erste Lesung hat der Regierungsentwurf allerdings noch nicht gefunden. Ich bedaure das.
Es drängt sich mir der Eindruck auf, dass das alles nur Show war, dass so getan werden sollte, als ob der Regierung und den Regierungsfraktionen Tariftreue am Herzen läge. Herr Minister, es tut mir leid, und ich bedaure es, dass ich Ihnen offenbar auf den Leim gegangen bin. Ich habe wirklich gedacht, es gehe Ihnen und den Fraktionen, die die Regierung tragen, um die Sache, und wir könnten gemeinsam eine tragfähige Tariftreuelösung für unser Land entwickeln. Pustekuchen.
Nichts ist passiert, wir haben es heute wiederum ausschließlich mit dem Gesetzentwurf der Kolleginnen und Kollegen vom SSW zu tun. Dieser Gesetzentwurf weist aus unserer Sicht ganz klar in die richtige Richtung. Wir würden allerdings gern noch mehr regeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und insbesondere von der FDP, ich frage mich, wovor Sie eigentlich so viel Angst haben.
Herr Kollege Callsen, Sie sagen, Ihr Seelenheil hänge nicht von einem Tariftreuegesetz ab. Wovor haben Sie dann aber so viel Angst, dass Sie nicht mit uns gemeinsam alle drei Entwürfe diskutieren? Verschleppen, verdösen und warten auf Silvester. Außerdem gibt es das böse Tariftreuegesetz aus der Zeit der Großen Koalition. Herr Kollege Callsen, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Sie das mitbeschlossen haben. Dann ist dieses böse Gesetz endlich außer Kraft. Das kann doch nicht das sein, was Sie wollen. Ich glaube, dass die Anhörung, die wir zum SSW-Gesetzentwurf gemacht haben, eindeutig geholfen hat und juristische Zweifel, Unsicherheiten und Unklarheiten beseitigt hat.
Mein heutiger Appell lautet: Hören Sie auf Baugewerbe und Handwerk! Hören Sie ausnahmsweise auf die berechtigten Interessen der Beschäftigten! Hören Sie auf Ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen Bundesländern, und lassen Sie es sich gesagt sein: Tariftreue ist das geeignete Regelungsinstrument für fairen Wettbewerb,
für Wettbewerb, in dem die Qualität der Leistung zählt und der nicht über Dumpinglöhne geführt wird.
Heute, am 16. Dezember 2010, ist alles besser als kein Tariftreuegesetz. Wenn wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten dem Gesetzentwurf des SSW heute zustimmen und damit die Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses ablehnen, dann tun wir das, weil endlich der tariftreuelose Zustand in Schleswig-Holstein ein Ende haben muss.
Wir gehen nach wie vor davon aus, dass unser Gesetzentwurf der bessere ist. Das würden wir gern im Wirtschaftsausschuss weiter diskutieren. Wir haben die bessere, die umfassendere, die wirtschaftspolitisch richtige und die gesellschaftspolitische notwendige Lösung vorgeschlagen. Wir haben klare Regeln zur Vergabe, klare Regeln zur Tariftreue sowie EU-konforme Tariftreueregelungen vorgeschlagen. Dabei geht es nicht nur um deklaratorische Wirkung. Dabei geht es darum, die Welt materiellrechtlich ein kleines bisschen gerechter zu machen. Es geht weiter mit den internationalen Kernarbeits
Wir stehen zu unserem Antrag und unseren Zielen. Tariftreue ist durch Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein durchgesetzt worden. Sie ist ein Erfolgsmodell, und sie braucht sehr viel mehr Unterstützung, als sie aktuell von der Landesregierung und von den Regierungsfraktionen erhält. Heute stimmen wir dem SSW-Gesetzentwurf zu und lehnen damit die Beschlussempfehlung des Wirtschaftausschusses ab.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir führen diese Debatte in dieser Legislaturperiode schon zum wiederholten Male. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass den Kollegen des SSW das alles ein bisschen zu lange dauert. Das mag man noch nachvollziehen. Aufgrund unserer Ankündigung habe ich aber wenig Verständnis dafür, dass Sie heute darüber abstimmen lassen wollen. Ich unterstütze jedoch die Kollegin der SPD, die gesagt hat, wir wollen über alle drei Vorschläge gemeinsam beraten.
Wir haben im Oktober einen Gesetzentwurf der SPD und einen Änderungsantrag der LINKEN diskutiert, also quasi einmal „Bremen light“ und einmal „Bremen pur“. Bei der Gelegenheit hatte die Koalition angekündigt, dass man eine umfassende Tariftreue- und Vergaberegelung in ein überarbeitetes Mittelstandsförderungsgesetz einbinden möchte. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass eine solche Regelung dort an der richtigen Stelle ist und man also nicht unbedingt ein eigenes Tariftreue- und Vergabegesetz in Schleswig-Holstein benötigt.
Den SSW-Entwurf haben wir im Ausschuss abgelehnt und werden das auch heute tun. Ich bin etwas verwundert, dass sich die SPD heute anders verhält, als sie sich im Ausschuss verhalten hat. Wenn ich mich richtig erinnere, haben Sie sich im Wirtschaftsausschuss der Stimme enthalten. Nur Grüne und SSW haben dem zugestimmt. Ich bin verwundert, dass Sie sich heute anders verhalten. Sei es aber drum.
Wir werden den SSW-Entwurf heute wieder ablehnen, weil wir der Meinung sind, dass wir kein eigenständiges Gesetz brauchen. Wir können das sehr gut in das Mittelstandsförderungsgesetz einbinden. Zum anderen gibt es europarechtliche Bedenken, die Herr Kollege Callsen bereits völlig zu Recht benannt hat. Uns geht es um eine europarechtskonforme Neuregelung, um eine mittelstandsfreundliche Vergabe, um fairen Wettbewerb und um eine faire Entlohnung. Eine Überregulierung wie in Bremen lehnen wir jedoch ab.
Den Zeitdruck, den der SSW nun sieht, weil das alte schleswig-holsteinische Tariftreuegesetz zum Jahresende auslaufe, sehen wir in der Form nicht, weil dieses Gesetz gar nicht angewendet wird, Herr Kollege Harms. Das ist ein Faktum, das man nicht einfach ignorieren kann.
Die Landesregierung hat gesagt, im Januar werde sie den neuen Entwurf eines Mittelstandsförderungsgesetzes im Kabinett beraten und dann noch im Januar in den Landtag einbringen. Insofern halten wir es für unnötig, dass der SSW heute darüber abstimmen möchte. Sei es drum. Wir werden dann im Januar wieder im Plenum über das Mittelstandsförderungsgesetz und über die Tariftreue reden. Dann werden wir alle Sachen nebeneinanderlegen. Ich bin sicher, dass wir gemeinsam zu einer guten Neuregelung kommen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf des SSW schmort seit über einem Jahr im Wirtschaftsausschuss. Zwischendurch haben wir im Februar eine hochkarätige und - wie ich finde - spannende Anhörung zur Tariftreue im Wirtschaftsauschuss erlebt. Alle Argumente wurden auf den Tisch des Hauses gelegt und ausgetauscht. Es gibt allerdings immer noch kein konkretes Ergebnis.
Die Verfahrensqualität - ich bin neu im Parlament -, mit der man mit dem Gesetzentwurf einer Fraktion umgeht, kann ich aber nicht nachvollziehen. Ich habe auch sehr viel Verständnis für den
Frust des Kollegen Harms, den dieser in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses deutlich gemacht hat.
Vielen Dank, lieber Kollege Tietze, dass Sie eine Zwischenfrage erlauben. Die Präsidentin ist schließlich dafür da, Sie darauf hinzuweisen, dass es diese Frage gibt.
Haben Sie auch noch in Erinnerung, dass das Verfahren deshalb so lange gedauert hat, weil der SSW seinen Gesetzentwurf noch einmal ändern wollte,
dass es deshalb so lange gedauert hat, dass das Verfahren also auch wegen des Verhaltens des SSW einige Monate länger gedauert hat? Haben Sie das noch in Erinnerung?
- Also, so wie Sie es in Erinnerung haben, habe ich es nicht in Erinnerung. Der SSW hat tatsächlich im April sehr konkrete Vorschläge gemacht. Bis jetzt ist nichts geschehen. Die einzigen, die verzögern, sind Ihre Fraktion und die Fraktion der CDU. Das habe ich in Erinnerung, tatsächlich.
Wenn man einmal über den Tellerrand schaut, Herr Vogt: Wie regieren eigentlich die schwarz-gelben Bundesländer in Deutschland? Schauen wir uns einmal Bayern an, schauen wir uns Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen und auch Schleswig-Holstein an, dann stellen wir fest: Alle diese Länder, die Schwarz-Gelb regiert werden, haben kein Tariftreuegesetz.
Daran entdeckt man einen klaren roten Faden: Sie wollen kein Tariftreuegesetz! Insofern ist das, was Sie hier vortragen, weiße Salbe. Tatsächlich blockieren Sie. Sie wollen keine Geschwindigkeit
für ein Tariftreuegesetz in Schleswig-Holstein haben. Das, was Sie zum Mittelstandsgesetz angekündigt haben, haben Sie bislang nicht vorgelegt. Der Gesetzentwurf lässt auf sich warten. Sagen Sie es doch klipp und klar in diesem Hause: Sie wollen das nicht. Dann ist das eine klare Regelung, dann können wir das abstimmen. Aber hören Sie mit diesem Eiertanz auf.
Schauen wir uns einmal an, was Herr Kollege Callsen hier heute gesagt hat. Der Gesetzentwurf des SSW hat die Drucksachennummer 17/39. Er ist also sehr früh eingebracht worden. Ich erinnere nur an das ÖPP-Projekt zur Grundinstanzsetzung der L 192. Da ging es um Beton. Ruckzuck! Beim Straßenbau geben Sie Gas, bei Arbeitnehmerrechten treten Sie auf die Bremse.
Ich sage Ihnen: Wir kommen nicht nur juristisch auf keinen Nenner, wir kommen auch politisch auf keinen Nenner.
Lieber Herr Kollege Callsen, Sie sind die DafürPartei, wenn es um Beton geht, aber Sie sind die Dagegen-Partei, wenn es um sozial gerechte Arbeitsmarktpolitik in Schleswig-Holstein geht.
Meine grüne Partei und auch Fraktion haben sich immer in Kontinuität für eine gesetzliche Regelung der Tariftreue ausgesprochen. Man muss an dieser Stelle auch deutlich sagen: Es war der SSW, der das in diesem Hause vorangebracht hat, der sich immer für diese Thematik engagiert hat. Insofern liegt die Tatsache, dass wir hier heute nicht weiterkommen, ganz klar daran, dass Sie blockiert haben.