- Muss es nicht, dazu kommen wir. Waren die Auswirkungen des Dioxinskandals wirklich so gravierend, oder waren sie überzeichnet?
- Ich fange noch einmal an, das macht nichts. Also zu der Frage, ob es einen Skandal gibt oder nicht: Waren die Auswirkungen des Dioxinskandals wirklich so gravierend, oder waren sie überzeichnet? Kann man zurückblickend Entwarnung geben? - Das sind die zentralen Fragen, über die wir heute Morgen diskutieren wollen. Diese zentrale Frage haben nicht nur uns als Politiker, sondern alle, die sich mit der Produktion von Futter- und Lebensmitteln beschäftigten, insbesondere aber die Verbraucher in den letzten Wochen umgetrieben.
Für alle heißt das, dass eine möglichst objektive Aufarbeitung des Falles Harles und Jentzsch insbesondere im Hinblick auf eine etwaige Gesundheitsgefährdung der Verbraucher geschehen muss und dass Lösungsansätze entwickelt werden müssen, um noch mehr Sicherheit bei der Futter- und Lebensmittelproduktion zu gewährleisten.
Das in Uetersen ansässige Unternehmen Harles und Jentzsch hat sich in den letzten Jahren auf die Herstellung und auf den Vertrieb sowohl von Fettsäuremustern für technische Verwendungen als auch zur Herstellung von Futtermitteln spezialisiert. Futterfett bereitzustellen, ist wesentlich lukrativer als die Herstellung der technischen Variante. Es unterliegt aber auch höheren Anforderungen, die im Rahmen des nach BSE unter Frau Künast eingeführten Systems der Selbstkontrolle überwacht werden; das vorweg.
Die Firma Harles und Jentzsch hat am 23. Dezember 2010 im Landwirtschaftsministerium in Kiel eine Grenzwertüberschreitung bei einer Futtermittelcharge aus dem November 2010 gemeldet. Dies geschah zunächst per E-Mail und ohne konkretes Analyseergebnis. Nachdem das dann am 27. Dezember 2010 konkret vorlag, wurde unter der Verantwortung von Frau Ministerin Dr. Juliane Rumpf umgehend der vorgesehene Aktionsplan angeschoben. Dazu gehören die Schnellmeldungen an die anderen Bundesländer, an den Bund und an die EU. Gleichzeitig wurden die Warenströme nach Sichtung der Unterlagen zurückverfolgt. Vorsorglich wurden daraufhin in Schleswig-Holstein über 80 und in Niedersachsen sogar über 4.500 landwirtschaftliche Betriebe der Bereiche Schweinemast,
Die 112 Rückstellproben aus einer Charge von 180 t Futterfett der Firma Harles und Jentzsch, hergestellt vom 11. November bis 20. Dezember 2010, haben aufgrund von Berechnungen glücklicherweise für die dann daraus entstandenen 120.000 t Futter für Hühner und Schweine ergeben, dass in diesen Futtermitteln keinerlei Grenzwertüberschreitungen vorlagen. Die Grundsubstanz von Harles und Jentzsch war in den Endmastfuttern leider so weit verdünnt, dass keinerlei Gefährdung für die Verbraucher vorlag. Das ist kriminell.
Auch die bis in den März 2010 rückwirkend untersuchten Stichproben der 1.400 Rückstellproben bei Harles und Jentzsch ergaben gleiche Ergebnisse mit dem Resultat, dass keine Gefährdung für die Verbraucher bestand. Diese zügige und objektive Aufarbeitung verdanken wir insbesondere unserer Ministerin und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, denen ich im Namen der CDU-Fraktion und aller hier Anwesenden noch einmal recht herzlich meinen Dank aussprechen möchte.
Auch ich komme zu der Bewertung, dass es natürlich ein Skandal war, weil ein Unternehmen mit krimineller Energie und aus Profitsucht eine gewaltige Welle der Verbraucherverunsicherung produziert hat, weil daraufhin die Märkte für die Schweineund Geflügelwirtschaft zusammengebrochen sind und Verluste im dreistelligen Millionenbereich auf die deutsche Landwirtschaft zukommen, die ohne eigenes Verschulden getroffen wird, weil die Verunsicherung über deutsche und europäische Grenzen hinausging und weil für eine derart nachhaltige Verunsicherung gesorgt wurde, dass der Schaden noch gar nicht abzusehen ist.
Das System der freiwilligen Selbstkontrolle hat nachweisbar keine Gefährdung der Verbraucher durch Dioxine in Futtermitteln festgestellt. Zehn Jahre nach BSE war das starke Medieninteresse verständlich. Eine Panikmache war aber - zumindest im Nachhinein - absolut fehl am Platz. So waren auch gestern in den Medien vom Bundesinstitut für Risikobewertung Formulierungen wie „es bestanden keine Risiken für die Verbraucher“ und „es gab keine akute Gesundheitsgefährdung“ zu hören. Die im Verhältnis zur täglichen Dioxinaufnahme stehenden Konzentrationen wurden als sehr gering bezeichnet. Es muss jedoch aufgrund der Toxizität gerade in Lebensmitteln jede Dioxinmenge vermieden werden. Eine gemeinsame Erklärung
der Sonderkonferenz der Verbraucherschutz- und Agrarminister vom 10. Januar 2011 sieht als erste Konsequenz aus den Ergebnisse des Dioxinskandals in einem 14-Punkte-Plan Verbesserungen im Bereich Futtermittel- und Lebensmittelsicherheit vor.
Es gibt unter anderem folgende Schwerpunkte: die strikte Abgrenzung von Futtermittel- und Lebensmittelherstellung von anderen wirtschaftlichen Nutzungen, unerlaubte Stoffe haben in der Lebensmittelkette nichts zu suchen, strenge Zulassungsverfahren für die Anerkennung als Futtermittelbetrieb, genau definierte Positivlisten, verbindliche Eigenkontrollen mit der Verpflichtung zur Untersuchung und Meldung von Grenzwertüberschreitungen, eine bessere Kontrolle am sogenannten Flaschenhals in der Produktion, die Einrichtung einer Haftpflichtversicherung für Schäden in der Produktionskette und die Etablierung einer für Bund, Länder und EU vergleichbaren Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung. Das sind nur die wichtigsten Punkte des gemeinsamen Aktionsplans.
Eine intensive Befassung mit den Vorschlägen, die in den Anträgen der Oppositionsfraktionen dargestellt sind, sollten wir im Agrarausschuss vornehmen. Eine pauschale Verunglimpfung unserer heimischen Landwirtschaft, wie sie im Antrag der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unter Punkt III. des Antrags und auch wörtlich von Herrn Voß wiedergegeben wurde, weise ich entschieden zurück, das kann ich für meine Fraktion vorwegnehmen.
Ich komme noch einmal zu dem Zitat. Herr Voß, Ihre Aussage, dass das immer größer werdende Ausmaß der Belastung und die monatelang unbemerkte Vergiftung von Verbraucherinnen und Verbrauchern mit Produkten aus der Massentierhaltung zeigen, dass die Agrarindustrie ihre selbst produzierten Risiken nicht in den Griff bekommt, entbehrt aus meiner Sicht jeglicher Grundlage. Herr Voß, hier die Gelegenheit zu nutzen, unsere heimische Landwirtschaft wieder einmal pauschal in Misskredit zu bringen, gehört nicht in die Debatte um Dioxin.
Das gehört zum Thema Agrarpolitik. Ich denke, wir werden uns im Laufe des Tages mit dem Thema befassen. Zum Thema Agrarpolitik müssen Sie insofern einen gesonderten Antrag stellen.
Zum Schluss ein positiver Satz aus der Sicht der Agrarerzeuger: Die Schweinepreise steigen. Das, was wir als Skandal und als absoluten Marktzusammenbruch bezeichnet haben, scheint sich aus Sicht der Erzeuger und auch der Verbraucher zu entspannen. Die Schweinepreise steigen, wir können wieder in den Stall gehen und die Schweine füttern. Die Schlachter können die Schweine wieder schlachten; immer im Vertrauen darauf, dass gesunde Lebensmittel in der Theke landen. Ich danke für Ihr Vertrauen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer Vorbemerkung anfangen: Wie eine neue Agrarpolitik auszusehen hat, werden wir beim übernächsten Tagesordnungspunkt diskutieren, um dort auch deutlich zu machen, wo die Sozialdemokraten stehen. Bei diesem Tagesordnungspunkt werde ich mich mit dem Dioxinskandal beschäftigen. Es ist gesagt worden: Zugrunde liegt das rechtswidrige Handeln eines Futtermittelherstellers aus Uetersen, Harles und Jentzsch. Dieser Skandal ist noch nicht in allen Facetten aufgeklärt. In einem Rechtsstaat ist dies aber die Aufgabe der Staatsanwaltschaft und später der Gerichte. Neben dem noch nicht zu beziffernden Schaden für die vielen landwirtschaftlichen Betriebe ist das Vertrauen der Verbraucher schwer erschüttert.
Nun ist es nicht der erste Skandal in den letzten Jahren. Ich kann mich an die Jahre 1998 bis 2010 erinnern. In diesen Jahren hatten wir regelmäßig Skandale. Wenn man sieht, wer auf Bundesebene die Zuständigkeit hatte, so waren das ein roter
Landwirtschaftsminister, eine grüne Ministerin und zwei schwarze Minister. Insofern wehre ich mich etwas dagegen, dies parteipolitisch in eine bestimmte Richtung zu drücken.
Nach jedem Skandal wurden von der Bundesregierung Konsequenzen und strengere Vorschriften angekündigt. Leider muss man feststellen: Verändert hat sich wenig. Wenn in Zukunft weitere Skandale vermieden werden sollen, dann reicht es nicht aus, 10- oder 14-Punkte-Pläne zu verabschieden. Erforderlich sind schnelle Änderungen des nationalen Rechts.
Frau Ministerin Dr. Rumpf hat darauf hingewiesen, dass es bei der Positivliste, auf die ich noch eingehen werde, auch einer europäischen Einigung bedarf. Wollen wir wirklich darauf warten, bis sich 27 Mitgliedstaaten auf eine Positivliste geeinigt haben, oder machen wir nicht lieber selbst erst einmal Vorschläge, damit das bei uns sicher wird?
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass offensichtlich das freiwillige und amtliche Lebensmittelkontrollsystem den jetzigen Dioxinskandal nicht hat verhindern können. Also bedarf es nicht nur einer Überprüfung, sondern wir müssen auch verbessern. Wenn nötig, müssen wir mehr Kontrolleure einstellen.
So weit besteht sicherlich Einigkeit. Selbst die Verbraucherschutzministerin Aigner hat dies nach längerem Zögern eingestanden und ihre Politik des Schwarze-Peter-Spiels mit Vorwürfen an andere Stellen, auch in Richtung Niedersachsen und Schleswig-Holstein, aufgegeben.
Was wir allerdings nicht brauchen können - da teile ich die Auffassung von Ihnen, Herr Voß -, ist das, was der ehemalige Landwirtschaftsminister, Herr von Boetticher, laut „Schenefelder Zeitung“ auf einem Neujahrsempfang gesagt hat. Das ist nicht hilfreich, wenn man davon spricht, der Fall sei von den Medien aufgepuscht. Außerdem sei es ein Irrglaube anzunehmen, dass man so etwas in Zukunft verhindern könne. - Herr von Boetticher, damit haben Sie,
Ich wiederhole an dieser Stelle gern meine Bewertung, die ich bereits im Agrar- und Umweltausschuss zu diesem Thema zum Ausdruck gebracht habe: Die Futtermittelaufsichtsbehörden in Schleswig-Holstein haben mit Frau Ministerin Dr. Rumpf an der Spitze in der Handhabung des Skandals und insbesondere mit der offenen Informationspolitik gegenüber dem Landtag gut gearbeitet. Dafür ausdrücklich auch der Dank der SPDFraktion.
Es geht aus meiner Sicht um eine einfache Sache, nämlich weg von Ankündigungen hin zu Maßnahmen zu kommen. Dafür sind die vorgeschlagenen 14 Punkte der Verbraucherministerkonferenz durchaus eine geeignete Grundlage. Das entspricht ja auch in weiten Teilen dem vorgelegten Antrag von SPD, der LINKEN und SSW. Für mich stehen vier Punkte dabei besonders im Fokus.
Erstens. Die Risikominimierung in den Futtermittelbetrieben durch geänderte Zulassungsverfahren, die Trennung von Produktströmen nach industrieller und futtermitteltechnischer Weiterverarbeitung sowie eine transparente Kennzeichnung der Inhalte von Futtermitteln zum Beispiel über eine Positivliste. Positivliste heißt, nur das, was in dieser Liste steht, darf in Futtermittel hinein, alles andere nicht. Dann sind wir endlich auf der sicheren Seite, zumindest wenn es auch noch kontrolliert wird.
Zweitens. Verbesserung der eigenen und amtlichen Kontrolle mit vollständiger und leicht zugänglicher Darstellung aller gemessenen Ergebnisse - jetzt kommt es - auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Hierzu bedarf es einer Stärkung der staatlichen Infrastruktur bei der Beprobung und bei Laboruntersuchungen. Frau Ministerin Dr. Rumpf hat gesagt, sie brauche eigentlich die doppelte Anzahl von Kontrolleuren. Das heißt, das wären dann nicht fünf, sondern zehn. Wir werden das als Sozialdemokraten unterstützen.