Protokoll der Sitzung vom 27.01.2011

Ihr Minister ist da deutlich weiter. Ich will mich einmal mit dem von Herrn Minister de Jager eingebrachten Gesetzentwurf befassen. Zunächst könnte man meinen, dass das, was lange währt, endlich gut wird. Ich will auch sagen: In mehreren Punkten teilt die SPD-Landtagsfraktion die Vorstellungen, die Minister de Jager in Sachen Mittelstandsförderung, Vergabe und Tariftreue heute vorgestellt hat.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

So finden wir den Grundsatz einer Auftragsaufteilung in Teillose richtig. Wir hatten seinerzeit unter Rot-Grün - 2003 war das - in das damalige Mittelstandsförderungsgesetz -

(Die Abgeordnete Regina Poersch [SPD] hu- stet)

- Entschuldigung.

Hier ist ein Glas Wasser!

Entschuldigung.

Kaum lobt man die Regierung, hat man einen Frosch im Hals!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie der Abgeordneten Torsten Geerdts [CDU] und Petra Nicolaisen [CDU])

Ich bitte um Entschuldigung. Ich will mit dem Lob fortfahren. Wir finden es richtig, dass das, was wir in Sachen Teillose 2003 geregelt hatten, jetzt sogar einen höheren Stellenwert erhalten soll. Davon haben aber leider die Kleinbetriebe und Unternehmen relativ wenig, wenn die Landesregierung gemeinsam mit den sie tragenden Fraktionen jetzt die Wertgrenzen für die Auftragsvergabe so hoch festlegt, dass die Betriebe im Zweifelsfall nicht einmal etwas von einer Ausschreibung erfahren.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Richtig wäre es, nicht nur Teillose zu verlangen, sondern auch realistische Wertgrenzen als Instru

ment der Handwerks- und Mittelstandsförderung zu begreifen. Wir brauchen Transparenz, Nachvollziehbarkeit und gerechte und faire Wettbewerbschancen für die Betriebe in Stadt und Land.

Die SPD hat sich im Wirtschaftsausschuss gegen CDU, FDP und überraschenderweise auch DIE LINKE mit ihrem Vorschlag für deutlich niedrigere Wertgrenzen nicht durchsetzen können. Das ist nach unserer Überzeugung schädlich für kleine und mittlere Betriebe, und wir appellieren an Sie, diese falsche Weichenstellung unter Tagesordnungspunkt 43 nicht auch noch mit einem Jubelbeschluss des Landtags zu krönen.

Richtig finden wir an Ihrem Gesetz die Zusammenführung von Einzelvorschriften in einem Gesetz. Es ist gut, dass Wert darauf gelegt wird, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu fördern. Wir finden es gut, dass Ausbildung Teil des Mittelstandsförderungsgesetzes wird und dass das neue Gesetz die Verantwortung der Kommunen betont. Ich finde, diese Betonung der kommunalen Verantwortung ließe sich bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit vielleicht noch ein bisschen deutlicher herausstellen.

Wir finden es auch richtig, dass Frauen bei der Existenzgründung explizit als Gruppe genannt werden. Ich ärgere mich aber darüber, dass wieder einmal von spezifischen Problemlagen die Rede ist. Ich finde, es sind eher spezifische Interessen, die sich von den Problemlagen der Männer unterscheiden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Ziel muss es doch sein, nicht nur die durchgängige Berücksichtigung von Männern und Frauen bei der Existenzgründung zu formulieren, sondern auch in Fragen der Ausbildung und Berufswahl.

Noch etwas fehlt uns in Ihrem Entwurf: Das Handwerk muss explizit genannt werden. In weiten Teilen - das ist so - decken sich die Interessen von Handwerk und Mittelstand. In anderen Bereichen reklamiert das Handwerk andere Rahmenbedingungen und Notwendigkeiten. Dem sollte das Gesetz gerecht werden.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Arp?

(Regina Poersch)

Können Sie einmal definieren, weshalb Handwerk kein Mittelstand ist?

(Zuruf: Das hat sie doch gesagt!)

- Nein, das habe ich gar nicht gesagt. Ich habe nicht gesagt, dass Handwerk kein Mittelstand ist. Ich habe sogar gesagt, dass sich die Interessen in weiten Teilen decken. Es gibt aber doch den einen oder anderen Blickwinkel, aus dem sich ein familiengeführter Handwerksbetrieb von einem mittelständischen Unternehmen unterscheidet, das mit einem Geschäftsführer oder ähnlichem arbeitet oder anders strukturiert ist. Ich finde, dass wir das als weiteren Gesichtspunkt reinbringen sollten. Ich sage nicht, dass die Interessen auseinandergehen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich habe gesagt: Mir fehlt eine Aussage zum Thema Handwerk. Mir fehlt auch eine explizite Verpflichtung zur Einhaltung der Kernarbeitsnorm, wie sie die internationale Arbeitsorganisation ILO formuliert. Uns ist wichtig, dass in so einem Gesetz deren Einhaltung festgeschrieben wird: das Verbot von Zwangs- und Pflichtarbeit, Vereinigungsfreiheit, Entgeltgleichheit für die Männer und Frauen und die Abschaffung von Diskriminierung und anderes. Sie ziehen im Übrigen das Hamburgische Vergabegesetz zu rate. Dort stehen diese ILO-Kernarbeitsnormen drin. Ich finde, daran sollten Sie sich ein Beispiel nehmen und nicht dahinter zurückbleiben.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und SSW)

Über die Frage der Einbeziehung einer ÖPNV in die Tariftreue hat die Anhörung zum Gesetzentwurf der Kollegen vom SSW eindeutige Erkenntnisse gebracht: Es ist möglich, man muss nur wollen.

(Beifall beim SSW)

Noch etwas: Tariftreue muss von Anfang an gelten und nicht erst ab 10.000 € aufwärts. Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten den besseren Gesetzentwurf vorgelegt haben. Wir sollten jetzt aber auch mit Blick auf den Gesetzentwurf der Kolleginnen und Kollegen von den Grünen das tun, was ich schon angeregt habe: Lassen Sie uns alle Vorschläge auf den Tisch legen und gemeinsam gucken, mit

welchen Regelungen wir unserem Mittelstand und unserem Handwerk hier in Schleswig-Holstein weiterhelfen können.

Ich beantrage für meine Fraktion die Überweisung an den Wirtschaftsausschuss, und zwar federführend, aber bitte mitberatend auch an den Finanzausschuss und den Innen- und Rechtsausschuss.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Vogt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie im Dezember angekündigt, wo wir - wie ich sagen muss - unnötigerweise wieder einmal darüber debattiert haben, hat die die Landesregierung jetzt den Entwurf für die Novelle des Mittelstandsförderungsgesetzes vorgelegt. Die Diskussion um das Tariftreuegesetz hat in diesem Hause mittlerweile schon Tradition. Ich glaube, ich rede bereits das fünfte Mal zu diesem Thema. Die Koalition hat sich in der Diskussion in den letzten Monaten dafür entschieden, eine Novelle des Mittelstandsförderungsgesetzes vorzulegen und eine neue Tariftreueregelung in das Gesetz einzubinden. Das entscheidende Kriterium für uns war dabei, dass diese sinnvoll und nachhaltig ausgestaltet und europarechtskonform ist.

Durch die vorliegende Gesetzesnovelle wird die Wettbewerbssituation der kleinen und mittleren Unternehmen vor allem bei der Vergabe deutlich verbessert. Die Novelle verbindet Anpassungen an verändertes Bundes- und Europarecht mit der Aufnahme der Tariftreueregelung.

Die aufgenommene Tariftreueregelung ist an die in Hamburg angelehnt und eben nicht an jene in Bremen. Die SPD hat uns schon einen Vorschlag gemacht. Das war „Bremen light“, wenn man so will. DIE LINKE will uns mit „Bremen pur“ beglücken und meint, dass sei das Beste für unser Land.

(Beifall des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

- Sie freuen sich, ich merke das. - Wir haben uns an Hamburg angelehnt, weil es zum einen Sinn macht, dass wir unsere Wirtschaftsgesetzgebung mit der in Hamburg zunehmend harmonisieren, und weil die

Regelung zum anderen europarechtskonform ist, was ja bei den Vorschlägen der Opposition nicht immer der Fall ist.

(Beifall bei FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, mit der Gesetzesnovelle regeln wir auch im Bereich der Tariftreue das, was wir regeln können und dürfen. Das ist ja eigentlich ein bewährtes Prinzip der Gesetzgebung. Das ist in den letzten Jahren ein bisschen aus der Mode gekommen. Ich bin der Meinung, wir sollten uns wieder mehr daran orientieren, dass wir das regeln, was wir regeln können. Frau Kollegin Poersch, Sie haben einige Punkte aufgezählt, die noch mit rein sollten. Diese Fragen sind alle gesetzlich geregelt.

(Beifall der Abgeordneten Ingrid Brand- Hückstädt [FDP])

Wir müssen nicht alles, was irgendwie mit dem Bereich zu tun hat, in das Gesetz reinschreiben. Das macht keinen Sinn. Gesetze sollten sinnvoll ausgestaltet und möglichst schlank sein und nachhaltig wirken und nicht ständig von Gerichten wieder abgeräumt werden. Das können die Leute mittlerweile nicht mehr nachvollziehen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Meine Damen und Herren, mit der jetzigen Regelung verstoßen wir nicht mehr gegen den Grundsatz des freien Dienstleistungsgesetzes nach Artikel 49 des EG-Vertrags, wie es beim alten Tariftreuegesetz der Fall war. Das ist ein wichtiges Signal an den Mittelstand und an das Handwerk. Im Gegensatz zur SPD zählen wir das Handwerk zum Mittelstand. Die Novellierung ist ein Beitrag dazu, dass wir als absolut klassisches Mittelstandsland unserem Ziel näherkommen, in den nächsten Jahren das mittelstandsfreundlichste Bundesland in Deutschland zu werden. Das ist ein weiterer Schritt dazu, und wir sind da auf einem guten Weg.

Meine Damen und Herren, wir wollen für nachhaltiges Wachstum sorgen und Arbeitsplätze schaffen und erhalten. Der Kollege Callsen hat es schon beschrieben, wir sind da auf einem hervorragenden Weg, glücklicherweise, trotz der Wirtschafts- und Finanzkrise. Der Mittelstand steht nicht nur im Mittelpunkt unserer Wirtschaftspolitik, er ist mehr als nur das Rückgrat unserer Wirtschaft. Deswegen ist Wirtschaftspolitik in Schleswig-Holstein immer Mittelstandspolitik.

Es freut mich, dass die SPD-Fraktion es ähnlich wie wir sieht, dass die Zusammenführung von Tariftreuegesetz und Mittelstandförderungsgesetz Sinn macht. Das ist ein Beitrag zum Bürokratieab

bau. Natürlich gehört der Bereich der Tariftreue auch in das Vergabegesetz. Wir haben mit dem Mittelstandsförderungsgesetz schon seit vielen Jahren ein Vergabegesetz. Die Zusammenführung war aus unserer Sicht überfällig. Sie ist sinnvoll. Das unterstützt die heimische Wirtschaft. Es ist wichtig für den Mittelstand, dass die gesetzlichen Regelungen nicht in mehreren Gesetzen sind, sondern zusammengeführt werden und damit übersichtlich sind.

(Beifall bei FDP und CDU)