Protokoll der Sitzung vom 27.01.2011

„Selbst wenn in den letzten Monaten Eier und Schweinefleisch mit Gehalten im Bereich der höchsten gemessenen Werte über einen längeren Zeitraum verzehrt wurden, ist eine Gefährdung der Gesundheit nicht zu erwarten.“

Ich finde, die Verbraucherinnen und Verbraucher haben ein Recht, über Risiken und Gefährdung ehrlich aufgeklärt zu werden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dann muss man sagen: Wir tun alles, um diejenigen, die Straftaten begangen haben, zu fassen und solche Straftaten auch zu verhindern. Aber auf der anderen Seite müssen wir auch deutlich machen, dass es hier eine solche Gefährdung nicht gegeben hat. Darum war einiges - das habe ich auch gesagt in der Berichterstattung übertrieben.

Kommen Sie bitte zum Ende.

Das war jetzt keine Medienschelte, weil genug Personen aus der Wissenschaft, aus der Wirtschaft, aber auch aus der Politik immer dann auftreten, wenn Medien da sind. Seriöse Verbraucherschutzpolitik kümmert sich um die Belange, auch wenn die Kameras wieder weg sind. Wir tun das.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich der Frau Abgeordneten Marlies Fritzen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich es nicht in Ordnung finde, dass wir sozusagen verordnet bekommen sollen zu sagen: Wir reden klar über Aktionspläne, die jedes Jahr wieder neu aufgerollt werden, wir reden aber nicht darüber, was in unserer Agrarpolitik grundlegend falsch ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Natürlich geht es nicht darum, Systeme gegeneinander zu stellen. Aber Sie haben doch selber eingestehen müssen, dass Fehler gemacht werden. - Herr Hay hat es in Bezug auf die Schweinepreise angesprochen und es wurde auch in Bezug auf die Exportorientierung der Agrarpolitik angesprochen. Warum fangen wir heute nicht damit an, einmal grundlegend darüber nachzudenken, was an dieser Stelle falsch ist?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Warum sagen Sie immer, kriminelle Energie könne niemand verhindern? Das ist gar nicht der Punkt. Da sind wir ja bei Ihnen. Selbstverständlich kann sie keiner verhindern. Aber warum denken wir nicht einmal grundlegend darüber nach, was in dieser Form industrieller Nahrungsmittelproduktion fehlläuft, was in Bezug auf Umweltverschmutzung fehlläuft, was in Bezug auf artgerechte Tierhaltung und was auch in Bezug darauf fehlläuft, gesunde Nahrungsmittel zu produzieren?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Einen weiteren Punkt, der mir ganz wichtig ist, hat Herr Hay ebenfalls angesprochen: Es geht auch um die Frage der Preise. Wenn wir immer weiter so billig Nahrungsmittel produzieren, dann ist, wenn auch noch kriminelle Energie vorhanden ist, die Versuchung groß, durch solche Panschereien die Lebensmittel noch mehr zu verbilligen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Zusammenhänge muss man doch einmal aufzeigen. Ich finde es nicht gut, wenn Sie, Frau Ministerin sich hier hinstellen und sagen: Wir möchten, bitte schön, darüber überhaupt nicht reden. Das finde ich auch schade, weil zu Beginn Ihrer Amtszeit andere Töne von Ihnen zu hören waren. Ich bin dagegen, das gegeneinander auszuspielen, aber ich bin sehr dafür, dass wir uns alle gemeinsam auf den Weg machen, um zu schauen, wie wir aus diesem Dilemma sowohl für die Landwirtschaft als auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher als auch für die Umwelt herauskommen, anstatt immer wieder diese alten Gräben aufzumachen, die hier in Schleswig-Holstein offensichtlich besonders tief sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Dr. Christian von Boetticher)

Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage des Fraktionsvorsitzenden der CDU, Herrn von Boetticher, zu?

Ja.

Frau Kollegin Fritzen, sind Sie bereit, mit mir durch das Land Schleswig-Holstein zu fahren, um mir einen landwirtschaftlichen Produktionsbetrieb zu zeigen, der in Industrieform arbeitet? Besser gesagt: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass alle landwirtschaftlichen Betriebe in Schleswig-Holstein von Familien betrieben werden und damit kleine oder mittelständische Unternehmen sind und keine Industrien?

- Ich bin selbstverständlich gern bereit, mit Ihnen durch Schleswig-Holstein zu fahren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Baasch [SPD]: Es kommt darauf an, was für ein Auto du hast!)

- Ich fahre auch mit dem Fahrrad. - Ich bin selbstverständlich gern bereit, mit Ihnen durch unser schönes Land Schleswig-Holstein zu fahren und die landwirtschaftlichen Betriebe anzuschauen, und ich bin vor allen Dingen gern bereit, mich mit Ihnen und auch mit allen anderen Kolleginnen und Kollegen hinzusetzen und darüber nachzudenken, was industrielle Landwirtschaft und was kleine bäuerliche Landwirtschaft bedeutet. Darüber haben wir, glaube ich, noch nicht dasselbe Verständnis.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte einen weiteren Punkt nennen, der für mich ebenfalls zentral ist, weil es immer wieder darum geht zu sagen: Wir haben jetzt einen Aktionsplan - schön und gut -, aber wir müssen warten und zunächst mit der EU und mit den anderen Ländern Einvernehmen herstellen. Zwei Dinge sind in diesem Zusammenhang angesprochen worden. Zum einen ist dies die Positivliste. Ich fände es absolut richtig und ich finde, es wäre ein starkes Signal, würde man sagen: Wir gehen dabei voran. Ich weiß um den Konkurrenzdruck und so weiter. Diese Debatte kenne ich seit 30 Jahren; denn ich komme ja selbst ein Stück weit aus dieser Ecke. Aber warum machen wir hier nicht wirklich einmal Nägel mit Köpfen? Warum sagen wir nicht: Es muss eine Haftpflicht geben? Herr Kollege Hay hat darauf hingewiesen. Es gibt diese Möglichkeit. Ich finde,

Sie sollten nicht nur sagen, dass Sie darüber nachdenken, sondern Sie sollten sagen: Wir führen sie ein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Was das System der Eigenkontrolle angeht, so weiß ich, dass nicht jedes Ei beprobt werden kann. So etwas zu fordern, ist natürlich völlig unsinnig. Aber das System der Eigenkontrolle hat nachweislich nicht funktioniert. Deshalb brauchen wir meiner Meinung nach ein Signal an diejenigen, die sich vielleicht immer noch wegducken wollen, dass wir auch staatlich stärker kontrollieren. Für diesen Bereich brauchen wir dann natürlich auch Geld. Aber ich finde, das sollten wir sagen. Frau Ministerin, meine Unterstützung hätten Sie.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Michael von Abercron von der CDU das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Fritzen, Sie haben eben gesagt, Sie wollten nicht, dass Gräben zwischen den Verbrauchern und den landwirtschaftlichen Produktionsarten aufgerissen werden. Ich will Ihnen einmal einen Satz vorlesen, der aus Ihrem Antrag stammt:

„Das immer größer werdende Ausmaß der Belastung und die monatelang unbemerkte Vergiftung von Verbraucherinnen und Verbrauchern mit Produkten aus der Massentierhaltung zeigen, dass die Agrarindustrie ihre selbstproduzierten Risiken nicht in den Griff bekommt.“

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Daran, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist fast alles falsch. Das vergiftet nicht nur das Klima zwischen den landwirtschaftlichen Produktionsarten untereinander, sondern auch im Verhältnis zu den Verbrauchern. Hier von „Vergiftung“ zu reden, ist in Wahrheit eine maßlose Übertreibung. Natürlich besteht hierdurch eine Belastung. Das, was hier fälschlicherweise passiert ist, ist völlig unbestritten. Aber Sie alle wissen oder müssten eigentlich wissen, dass wir damit um Zehnerpotenzen - ich sage einmal: um 10-6 - vom No-effect-level entfernt sind. Eine Vergiftung läge bei Warmblütern vor, wenn

diese reines Dioxin im Milligrammbereich äßen. Hier von Vergiftung zu reden, ist eine unerträgliche Skandalisierung.

(Lebhafter Beifall bei CDU und FDP)

Viele der Punkte, die Sie hier aufgeführt haben, sind in dem Programm der Frau Ministerin enthalten. Wir halten sie für richtig und werden sie - da sind wir an Ihrer Seite - auch durchsetzen. Das, nicht aber die Skandalisierung auf dem Rücken der Verbraucher und auf dem Rücken der Landwirte, die Sie auch mit vertreten wollen, hilft, Vertrauen zu schaffen. Das, was Sie tun, ist vergleichbar damit, dass wir bei einem nächsten Skandal, beispielsweise, wenn Mutterkorn oder Mykotoxine in Biobetrieben festgestellt wurden, sagen würden, die gesamte biologische Landwirtschaft befinde sich auf einem Irrweg. Das wäre genauso unsinnig.

Kommen wir also zu einer sachlichen Debatte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag hat Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

(Unruhe bei der CDU - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Wenn du geschwiegen hättest!)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege von Abercron, Sie haben es in Ihrer an Herrn Voß gerichteten Zwischenfrage und auch jetzt in Ihrem Redebeitrag schon angedeutet, dass alles, was das Dioxin betrifft, harmlos sei. Richtig ist - das hat Herr Voß auch richtig beantwortet -, dass die Hintergrundbelastung mit Dioxin zurückgegangen ist. Ich frage Sie aber: Woran liegt das? Das liegt doch an der nach großen Skandalen erfolgten Einführung der Müllverbrennung nach der 17. BImSchV. Diese Technik, mit der wir mehr Dioxin hineinschieben, als hinten herauskommt, ist inzwischen einer unserer Exportschlager. Das hat zur Absenkung der allgemeinen Hintergrundbelastung geführt. Wenn wir das schon statistisch auswerten und Sie so großen Wert darauf legen, ist aber zu sagen, dass wir - das Ihnen vielleicht nicht bekannt - gleichzeitig wieder einen Anstieg der Dioxine in der Muttermilch beobachten.

Es ist also auf grünen Druck hin zu dieser Technik für Müllverbrennungsanlagen nach der 17. BImSchV gekommen. Die CDU - das haben wir heute in Ihrem Beitrag, Herr von Boetticher, wieder wunderbar erleben können - sieht keine Gefährdung der Verbraucher, und das, als hätten Sie vom Minimierungsgebot des BImSchG noch nie etwas gehört.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Haben Sie denn zugehört?)

Frau Ministerin, warum lassen sich Ihre Kontrolleure nicht die Ergebnisse der Eigenuntersuchungen der Betriebe vorlegen? Ich sage Ihnen, was die Funktion dieser Eigenuntersuchungen ist: Sie beproben ihre Wareneingänge. Auf Dioxin wird gemessen, um es hinterher so zurechtzumischen, dass Werte unterschritten werden. Das ist auch ein eklatanter Verstoß gegen das Minimierungsverbot. Warum lassen sich Ihre Kontrolleure diese „Eigenuntersuchungsberichte“ bei ihren Kontrollen nicht vorlegen?

Die CDU steht in einer Traditionsrolle des Verharmlosens, des Schönredens.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Ralf Stegner [SPD])

Herr Kollege Voß hat das schon angeführt. Das betrifft zum Beispiel auch die Futtermitteldeklaration, die verdeckte Deklaration. Warum wehren Sie sich so dagegen, dass anstatt Rohasche und Rohprotein in der Deklaration nicht in Zukunft steht: 6 % Kokosfett, 70 % Importsojaschrot und so weiter? Das wäre die offene Deklaration, die wir Grünen seit Jahrzehnten fordern und die die CDU seit Jahrzehnten verhindert.

Herr Matthiessen, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?