Protokoll der Sitzung vom 20.11.2009

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen, der wichtig ist. Strukturen haben in der Arbeitsmarktpolitik ihre Bedeutung. Genauso wichtig sind aber Ergebnisse und Ziele. Die Inhalte, um die es geht, dürfen bei dieser Diskussion nicht zu kurz kommen. Sie lauten: weiter fördern und fordern. Arbeit und Leistung müssen sich lohnen. Dies ist nicht vorrangig von Organisationsstrukturen abhängig.

(Beifall bei der CDU)

Gottlob hat die neue schwarz-gelbe Koalition in Berlin mit Ungerechtigkeiten bei Hartz IV aufgeräumt. Ich nenne hier das Thema Schonvermögen.

(Zurufe von der SPD)

- Wollen Sie dazu Buhen, dass die Leute, die 40 Jahre gearbeitet haben, ihr Geld endlich nicht mehr innerhalb von einem Jahr aufgeben müssen?

Das war das Unsozialste, was es in diesem Land je gegeben hat.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich finde es ausgesprochen lobenswert, dass auch die FDP die Zuverdienstmöglichkeiten mit hineingebracht hat. Das ist genau die richtige Richtung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sozialdefinition heißt, den Menschen zu helfen, die Hilfe nötig haben. Dazu zählt auch Arbeit. Für mich setze ich hinzu: Eine Entlohnung, die den Menschen eine wirkliche Lebensperspektive gewährleistet, ist die beste Sozialpolitik.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine abschließende Bemerkung machen: Wir werden in dieser Frage auf eine gute Zusammenarbeit mit Berlin angewiesen sein, denn dort fallen die Entscheidungen. Diese Chancen sollten wir nutzen. Der Arbeits- und Sozialminister Franz Josef Jung ist ein außerordentlich pragmatischer und kommunal und regional verankerter Mann. Ich bin sicher, dass er diese praktischen Dinge in seine Regelungen mit einbezieht, transparente Gesetzgebungsverfahren macht und auch im Gespräch ist. Wir sollten in Ruhe und Sorgfalt mitarbeiten. Wir sollten in der Tat im Sozialausschuss über die Anträge beraten. Manche Antworten auf Probleme brauchen etwas mehr als drei bis vier Sätze auf einem Stück Papier.

(Beifall bei der CDU)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Christopher Vogt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2007 zur Verfassungswidrigkeit der nicht eindeutigen Zuständigkeit bei den Arbeitsgemeinschaften stehen wir unbestritten vor einer sehr großen Herausforderung. Es geht um nicht mehr und um nicht weniger als um die mögliche Rückabwicklung der wohl größten Reform des Sozialwesens in der Bundesrepublik Deutschland. Hier müssen wir uns als Land Schleswig-Holstein für die Kommunen, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und natürlich für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein einsetzen. Für die FDP ist dabei stets oberstes Ziel, dass der Fokus

auf die Wiedereingliederung der Hilfeempfängerinnen und -empfänger in den Arbeitsmarkt gerichtet wird.

Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger müssen im Mittelpunkt aller Überlegungen stehen. Die FDP-Fraktion hat am 23. April 2008 gemeinsam mit den Fraktionen von CDU und SPD hier im Haus einen Antrag eingebracht und beschlossen, in dem wir uns unter anderem dafür ausgesprochen haben, dass die Hilfe für den Bürger aus einer Hand erhalten bleibt, die Zusammenarbeit zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen als Regelmodell fortgeführt wird und das Modell Optionskommunen entfristet und gegebenenfalls auch für weitere Kommunen ermöglicht werden soll.

(Wolfgang Baasch [SPD]: Alles richtig, wun- derbar!)

- Vielen Dank. Die Kommunen sowie die betroffenen Bürgerinnen und Bürger sollten vor dem gefürchteten Chaos im Falle einer kompletten Rückabwicklung bewahrt werden. Es darf nicht sein, dass es Anfang 2011 zu Problemen bei der Auszahlung an bundesweit über sieben Millionen Menschen kommt.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Die Zeit bei der Neuordnung der Trägerschaft im Sozialgesetzbuch II drängt. Da gebe ich Ihnen recht. Wir als FDP-Fraktion setzen uns dafür ein, dass aus dem zuständigen Bundesministerium zeitnah eine geeignete Vorlage kommt, die dazu beiträgt, im engen zeitlichen Rahmen - der unbestritten besteht - eine für alle Beteiligten sinnvolle, das heißt möglichst unbürokratische und flexible Lösung zu finden.

Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz in der kommenden Woche am 25. und 26. November hat unserer Meinung nach die Aufgabe, auch Druck auf das Bundesministerium auszuüben und zu einer grundsätzlichen Einigung beizutragen, damit keine weitere Zeit verloren geht und schnell für alle Beteiligten Klarheit herrscht.

Nun gibt es - wie schon angesprochen - leider noch unterschiedliche Auffassungen. Gegen die nachträgliche Legalisierung der bestehenden Arbeitsgemeinschaften durch die Schaffung sogenannter Zentren für Arbeit und Grundsicherung - das ist das Modell Scholz -, die als Anstalten öffentlichen Rechts gegründet werden könnten, gibt es auf Bundesebene große Vorbehalte, was die Sache sicherlich nicht einfach macht.

(Werner Kalinka)

(Wolfgang Baasch [SPD]: Nur in der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion!)

Kritik wird vor allem an der noch engeren Verknüpfung der Behörden, den hohen Kosten und der Bürokratie geübt. Wir sind der Auffassung, dass es mehr Aufwand für alle Beteiligten bedeuten würde, wenn man Arbeitsagentur und Sozialbehörden wieder komplett getrennt arbeiten lassen würde. Rund 350 Jobcenter müssten bundesweit innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums entflochten werden. Es wurden schon die IT-Systeme angesprochen. Das Kopieren der Aktenbestände würde sicherlich einen hohen Aufwand und hohe Kosten bedeuten. Das ist auf jeden Fall problematisch, das sehen wir genauso. Dabei sollte man auch im Blick haben, dass durch das Auslaufen der Kurzarbeit in den nächsten Monaten im schlimmsten Fall neue Arbeitslose hinzukommen werden.

Für uns ist auf jeden Fall klar, dass das Bundesministerium sehr zeitnah einen geeigneten Gesetzentwurf vorlegen muss, in dem der betroffene Bürger im Mittelpunkt steht und Hilfe aus einer Hand gewährleistet ist. Ich bin zuversichtlich, dass es gelingt, eine akzeptable Lösung zu finden.

Ich möchte, dass wir die beiden Anträge von der SPD und den Grünen im Sozialausschuss beraten. Wir werden der Überweisung an den Ausschuss zustimmen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Abgeordnete Antje Jansen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die sogenannten Reformen, die unter dem Namen Hartz IV im ganzen Land Angst und Schrecken verbreiten, gehören abgeschafft. - Klatschen!

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist die Position der LINKEN. Unter dem irreführenden Slogan „Fördern und fordern“ - das wurde von der CDU hier auch ausführlich benannt und erklärt, was sie darunter versteht - wurde bei vielen Menschen im Land die Hoffnung geweckt, dass es für sie einen Weg zurück in die Arbeitswelt und in die Gesellschaft gibt. Endlich wieder auf eigenen Beinen stehen, endlich wieder weniger abhängig von staatlichen Leistungen sein, diese Hoffnungen

wurden durch das Gesetz und gerade auch von den Ausführenden in den ARGEn bitter enttäuscht.

Statt zu fördern, wurden den Arbeitslosen und den Arbeitsuchenden sinnlose Weiterund Fortbildungsmaßnahmen - das sei hier noch einmal gesagt: entwürdigende -, Ein-Euro-Jobs aufgenötigt. Aus Fordern wurde Gängelung, unnötige Sanktionen, wenn die Arbeitslosen und Arbeitssuchenden nicht mitzogen, und meist wurden ihnen auch ihre finanziellen Leistungen vorenthalten.

Frau Abgeordnete Jansen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Werner Kalinka?

Ja, das kann ich machen.

Dann erteile ich Herrn Abgeordneten Kalinka das Wort.

Herr Kalinka!

Frau Kollegin, ist Ihnen bekannt, dass die Zahl der Arbeitslosen in Schleswig-Holstein seit 2005 von 180.000 auf etwa 105.000 gesunken ist?

- Das ist mir bekannt. Aber glauben Sie mir, diejenigen, die die Ein-Euro-Jobs machen, sind aus der Arbeitslosenstatistik herausgestrichen worden. Die Ein-Euro-Jobs hier in Schleswig-Holstein, gerade auch in den Städten, haben sich meiner Meinung nach auch erhöht. Das ist meine Information, und so ist es auch. Sicherlich ist die Arbeitslosenzahl gesunken, Herr Kalinka, auch durch die Verschiebebahnhöfe. Wenn die Leute Weiterbildungsund Fortbildungsmaßnahmen machen, sind sie nicht in der Statistik der Arbeitslosen erfasst. Solche Tricks werden hier angewandt, um die Arbeitslosenzahlen zu beschönigen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abgeord- neten Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Rasmus Andresen [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Hartz IV hat nach unserer Meinung bewirkt, dass hier in Schleswig-Holstein die Armut drastisch zugenommen hat. Selbst die schleswig-holsteinische Bürgerbeauftragte beklagte in den letzten Jahren

(Christopher Vogt)

seit es dieses Gesetz gibt - in ihrem Abschlussbericht, dass das größte Problem der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner das Problem mit dem Gesetz Hartz IV ist.

Die LINKEN, die im Bundestag sitzen, konnten dieses Gesetz leider noch nicht abschaffen. Also müssen wir hier dafür sorgen, dass es den von Hartz IV Betroffenen besser geht und sie letztlich ihre Lebenssituation verbessern können.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu zählt auch die neue Regelung der Trägerschaft. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2007 die jetzige Konstruktion für verfassungswidrig erklärt. Wir brauchen also andere Möglichkeiten.

Für uns würde es drei Möglichkeiten geben. Es gibt zum einen die Möglichkeit, die Trägerschaft ohne Änderung der Verfassung neu zu regeln. Die neue Bundesregierung - ich weiß nicht, ob das nur einfach ein Gerücht ist; ich denke aber, ich habe das so im Koalitionsvertrag gelesen - hat sich auf die denkbar schlechteste Lösung festgelegt. Ihr Konzept sieht die Trennung der Aufgaben zwischen Agentur für Arbeit und den Kommunen vor. Damit gibt sie den einzigen Gedanken der sogenannten Hartz-IV-Reform auf, der in der bisherigen Diskussion auch für uns unstrittig ist, nämlich die Gewährung von Leistung und Hilfen für Arbeitsuchende und Arbeitslose aus einer Hand. Damit würde sich die Situation der Menschen, die diese Leistungen beziehen, weiter verschlechtern. Sie wären gezwungen, ihre Anträge weiter bei zwei getrennten Anlaufstellen einzureichen: Getrennte Zuständigkeiten, dafür doppelte Prüfung der Bedürftigkeit und Warten auf zwei Bescheide. Hilfesuchende Bürgerinnen und Bürger werden in einer Situation, in der die Gefahr besteht, auf das Leistungsniveau von Arbeitslosengeld II abzurutschen, dazu gezwungen, ihre Zeit und ihre Kraft darauf zu verwenden, unüberschaubare Formularberge rechtsverbindlich auszufüllen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die öffentlichen Verwaltungen müssen endlich aufhören, die Verantwortung für die mangelnde interne Zusammenarbeit auf die Bürgerinnen und Bürger abzuwälzen. Außerdem muss ihnen gerade im Fall von Leistungen zum Lebensunterhalt die Möglichkeit genommen werden, die Zahlungen mit dem Verweis auf andere öffentliche Stellen hinauszuzögern.