Protokoll der Sitzung vom 20.11.2009

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

(Monika Heinold)

Wir brauchen das Geld cash. Und lassen Sie die schwer gebeutelten Kommunen nicht wieder im Regen stehen. Sie drohen doch schon damit, denen die Gewerbesteuer als Haupteinnahmequelle wegzunehmen!

Meine Damen und Herren, unser Antrag ist unmissverständlich formuliert: Die Landesregierung wird aufgefordert, im Bundesrat die nicht gegenfinanzierten Steuersenkungspläne der Koalition abzulehnen. Geben Sie sich einen Ruck! Stimmen Sie unserem Antrag im Interesse des Landes Schleswig-Holstein zu! Wir brauchen ein klares Signal.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Tobias Koch.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Konjunktur in Deutschland erholt sich schneller als erwartet. Konnte im zweiten Quartal bereits wieder ein Wachstum von 0,4 % verzeichnet werden, stieg das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal sogar um 0,7 % gegenüber dem Vorquartal. Während Länder wie Spanien und Großbritannien noch tief in der Krise stecken, gehört Deutschland damit wieder zu den Wachstumslokomotiven in Europa.

Für das kommende Jahr konnte die Bundesregierung ihre Prognose von 0,5 % auf 1,2 % anheben. Der Sachverständigenrat geht mittlerweile sogar von 1,7 % aus. Dass es in Deutschland gelungen ist, die Krise besser als in anderen Ländern zu bewältigten, kann durchaus als Ergebnis der im Laufe dieses Jahres beschlossenen Konjunkturpakete angesehen werden. Die enthaltenen Maßnahmen von Abwrackprämie über kommunale Investitionen und Kinderbonus bis hin zur steuerlichen Entlastung der Bürgerinnen und Bürger haben damit die angestrebte Wirkung entwickelt. Nur durch die Rückkehr unserer Volkswirtschaft auf einen stetigen Wachstumspfad wird es uns gelingen, die Einnahmen von Bund, Land und Kommunen wieder nachhaltig zu verbessern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe diese Seite der Medaille bewusst an den Anfang meiner Rede gestellt, weil sie in der gegenwärtigen Debatte über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz oft unberücksichtigt bleibt. Das hat auch der

Redebeitrag der Kollegin Heinold gezeigt. Die andere Seite der Medaille ist aber - darin sind wir uns einig -, dass sich Schleswig-Holstein und unsere Kommunen in der gegenwärtigen Situation und angesichts der bekannten Haushaltslage Steuerausfälle nicht leisten können.

Dem notwendigen Konsolidierungspfad zur Einhaltung der Schuldenbremse in unserem Land würde die Grundlage entzogen, wenn wir gleich zu Beginn des Weges durch zusätzliche Steuerausfälle belastet würden.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Schleswig-Holstein ist glücklicherweise durch den Ausgang der Landtagswahl in der günstigen Position, dass nur mit unseren Stimmen im Bundesrat die notwendigen Wachstumsimpulse gesetzt werden können. Dies gibt uns die Möglichkeit, hier eine Quadratur des Kreises zu erreichen, nämlich Wachstumsimpulse für unser Land mit einem Ausgleich für unsere besondere Haushaltslage in Schleswig-Holstein zu verbinden. Eine Zustimmung kann es daher nur geben, wenn ein ausgeglichener Haushalt im Jahr 2020 durch Steuersenkungen nicht beeinträchtigt wird und wir die erforderliche Unterstützung bekommen, um dieses Ziel zu erreichen.

(Beifall bei der CDU - Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also cash!)

Alle diesbezüglichen Äußerungen der Landesregierung, aber auch der Partei- und Fraktionsvorsitzenden zeigen, dass die Interessen Schleswig-Holsteins in guten Händen sind.

(Beifall bei der CDU - Zuruf der Abgeordne- ten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Jetzt kommt es darauf an, für die anstehenden Beratungen im Bundesrat unserer Landesregierung den Rücken zu stärken. Dies erreichen wir aber nicht, Frau Kollegin Heinold, indem wir sie bereits heute auf ein bestimmtes Abstimmungsverhalten im Bundesrat festlegen.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Machen Sie sich doch nicht lächer- lich!)

- Tue ich auch nicht, Frau Kollegin Heinold, keine Sorge. - Wenn ich für den vorliegenden Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN deshalb die Ausschussüberweisung beantrage -

(Monika Heinold)

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Als hätten wir die Zeit!)

- Ja, die Zeit haben wir, Frau Kollegin.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Die haben wir nicht!)

- Doch, die haben wir.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die Zeit haben wir! - Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Glocke des Präsidenten)

Das Wort hat der Herr Kollege Tobias Koch.

Der Zwischenruf des Kollegen Kubicki war gleichwohl richtig. Denn wir haben die Zeit, und die Terminplanung passt perfekt zur Wahrnehmung unserer Interessen. Wenn wir an den Ausschuss überweisen, kann der Finanzausschuss in seiner nächsten Sitzung am 10. Dezember 2009 über diesen Antrag beraten. Eine Beschlussfassung kann dann in der nächsten Tagung des Landtags am 16. Dezember 2009 erfolgen und damit unmittelbar vor der entscheidenden Sitzung des Bundesrats am 18. Dezember 2009.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Sie wollen das doch gar nicht!)

Das ist der richtige Zeitpunkt, um ein Urteil über den Stand der Verhandlungen zu fällen und die Verhandlungsposition unserer Landesregierung auf den letzten Metern – wichtige Entscheidungen werden oft am letzten Abend getroffen; das wissen wir alle – durch einen Beschluss des Landtags zu unterstützen. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung zur Überweisung an den Finanzausschuss.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Olaf Schulze das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Es bleibt der schwerste Einbruch bei den Einnahmen in der Geschichte des Landes“, sagte Minister Wiegard zur Steuerschätzung. Von 2009 bis 2013 wird Schleswig-Holstein rund 4 Milliarden € weniger Steuern einnehmen als ursprünglich geplant.

„Wir werden Verzicht üben müssen“, sagte Ministerpräsident Carstensen am Mittwoch in seiner Regierungserklärung. Nun hat der Ministerpräsident seine Vorstellungen vom Sparen in einem ZehnPunkte-Plan vage vorgestellt. 5.600 Stellen sollen bis 2020 abgebaut werden – wie, ist aber noch offen –, bei den Vereinen und Verbänden sollen die Zuwendungen deutlich reduziert werden, das Land stellt den Kommunen keine zusätzlichen Mittel zu Verfügung, die Schuldenbremse soll in der Verfassung verankert werden, und bis 2020 soll es einen ausgeglichenen Haushalt geben.

Dies stellt das Land Schleswig-Holstein vor schwierige Aufgaben, und weitere Steuerausfälle können wir uns nicht leisten.

(Beifall bei der SPD, vereinzelt bei BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall des Abge- ordneten Lars Harms [SSW])

Jetzt will die neue schwarz-gelbe Bundesregierung ein Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums beschließen. Was sich aber auf den ersten Blick vernünftig anhört, ist bei näherer Betrachtung eine Mogelpackung, die den Ländern erhebliche Einnahmeverluste beschert. Für Schleswig-Holstein würden sich die Steuerausfälle auf rund 130 Millionen € belaufen, 60 Millionen € für das Land und 70 Millionen € für die Kommunen.

Der Wahlkampf ist vorbei. Die SPD hat klar gesagt, dass der Staat mehr leisten muss, und sie hat Einnahmesenkungen, also Steuersenkungen, deutlich widersprochen. CDU und FDP haben sich dagegen mit Versprechen überboten.

(Beifall bei der SPD)

Es ist zu befürchten, dass viele Menschen Ihnen geglaubt haben und – noch schlimmer – dass sie daran glauben, dass sie selbst davon profitieren werden. Der Sachverständigenrat – keineswegs im Verdacht, ein sozialdemokratisches Kampforgan zu sein – hat am letzten Freitag – übrigens einem 13. – klare Worte gefunden:

„Auch wenn es die neue Bundesregierung nicht wahrhaben will: Ohne harte Einschnitte bei den öffentlichen Ausgaben oder ohne Erhöhungen von Steuern oder anderen Abgaben kann eine Konsolidierung der staatlichen Haushalte nicht gelingen.“

Dem können wir nur beipflichten. Steuersenkungen nützen einigen Glücklichen für kurze Zeit. Sie bringen aber all diejenigen, die auf eine niedrigschwellige und verlässliche öffentliche Infrastruktur bitter angewiesen sind, hart in die Bredouille,

(Tobias Koch)

also die Menschen, die kostengünstige öffentliche Verkehrsmittel brauchen, die dringend auf die mit Steuertransfers gestützten und paritätisch finanzierten Sozialkassen angewiesen sind, die es sich nicht leisten können, ihre Kinder in kostenpflichtige Kindertagesstätten, Schulen und Universitäten zu schicken, oder die öffentlich geförderte Beratungsangebote, Verbraucherberatung, intakte Straßen, öffentliche Hilfeangebote und vieles mehr benötigen.

Es ist kein Wunder, dass die Koalition in Berlin über diejenigen, die für ihre leeren Versprechungen die Zeche zu zahlen haben, lieber schweigt. Ein ideologisches Rezept, das wie weiland Ronald Reagan ein kurzschlüssiges „Steuern runter, Wachstum rauf, Staatseinnahmen rauf“ – das ist die berühmte Laffer-Kurve – verspricht, ist mit Blick auf die tatsächlich zu erwartenden gesamtwirtschaftlichen Effekte nur mit äußerster Vorsicht zu genießen. Die praktische Erfahrung mit diesem Rezept in den letzten 30 Jahren lautete eher: Steuern runter, Schulden rauf. – Das war das einzig sichere Ergebnis, während sich das Wachstum, je nach den sonstigen Umständen, unterschiedlich entwickelt hat. Wir brauchen gerade in der Finanz- und Wirtschaftskrise öffentliche Investitionen in den sozialen und ökologischen Umbau der Gesellschaft. Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Die angekündigte Steuerpolitik von Schwarz-Gelb im Bund trifft – falls sie denn umgesetzt wird – in jeder Hinsicht die Falschen. Daher unterstützen wir den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Zustimmung Schleswig-Holsteins zu den Steuersenkungsplänen des Bundes! Wir unterstützen außerdem den Ministerpräsidenten bei dem Versuch, die finanzpolitische Geisterfahrt der Bundesregierung zu beenden.

(Beifall bei SPD, der LINKEN und des Ab- geordneten Lars Harms [SSW])

Beim Autofahren ist es üblich, dass Geisterfahrer mit dem Entzug der Fahrerlaubnis bestraft werden.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Gerade weil es sich noch um Fahranfänger handelt, sollten Sie helfen, die Bundesregierung auf den richtigen Weg zu führen. Stimmen Sie deshalb im Bundesrat gegen diese Steuererhöhung.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW – Wolfgang Kubicki [FDP]: Steuersenkung! – Heiterkeit bei CDU und FDP)