Protokoll der Sitzung vom 28.01.2011

Wir jedenfalls - das sage ich Ihnen für die Liberalen - werden unsere Verfassung gegen ihre Feinde wirksam verteidigen.

(Beifall bei FDP, CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Kollegin Luise Amtsberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich fällt es mir schwer, diese Rede hier angemessen zu beginnen, denn der Antrag kommt von einer Partei, die nicht einmal eine Stunde Arbeitszeit in der Woche dafür aufbietet, um sich mit der real existierenden Bedrohung von Neonazis und Rechtsextremen in unserem Land auseinanderzusetzen.

(Zurufe von CDU und FDP: Wie bitte?)

Meiner Fraktion und mir zeigt das nur zu offensichtlich, dass dieser Antrag in Geist und Rhetorik machtstrategisch um die Ecke schielt.

Das ist auch nicht verwunderlich. Ich habe neulich ein Buch über Cicero gelesen und festgestellt, dass es im Alten Rom ganz genauso war: Wenn der Laden nach innen auseinanderfliegt, führt man einfach Krieg in Gallien. Genauso scheint es auch hier zu sein.

(Beifall bei der LINKEN - Werner Kalinka [CDU]: Das ist ja ungeheuerlich! - Weitere Zurufe von CDU und FDP - Glocke des Prä- sidenten)

(Wolfgang Kubicki)

Wir reden über Kommunismus. - Das war es schon, ich konzentriere mich gleich auf das Ziel Ihres Antrags.

(Zuruf von der CDU: Das ist ja ungeheuer- lich!)

Wir reden über Kommunismus, aber vorweg will ich klarstellen: Im Namen des Antikommunismus wurden ebenfalls große und furchtbare Verbrechen begangen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der LINKEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Das Nicht- oder Ungesagte darf auf der anderen Seite kein Grund für Mitleid sein, denn die Irritation meiner Fraktion über die Debattenlage in der Linkspartei ist ebenfalls sehr groß. Denn Gesine Lötzsch ist nicht böswillig falsch verstanden worden, Gesine Lötzsch wurde von uns auch nicht bewusst missinterpretiert oder falsch zitiert. Bei ihren Überlegungen geht es nicht um ein unschuldiges, gedankliches Projekt, wie Thierse es formuliert hat, sondern Gesine Lötzschs Aussagen lassen klare Rückschlüsse auf die Demokratietauglichkeit des Politikverständnisses der Linken zu.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Lötzsch kennt die DDR, und man kann zweifelsohne davon ausgehen, dass der Hintergrund ihrer Überlegungen alles andere als philosophischer Natur ist. Das können diese Überlegungen auch nicht sein, denn die Vergangenheit hat uns gelehrt, dass der Kommunismus kein Ideal, kein Denkmodell und auch kein erstrebenswertes Ziel ist. Der Kommunismus war und ist in vielen Ländern totalitäre Realität. Er ist eine grausame Realität, in dessen Namen abscheuliche Verbrechen begangen wurden und werden.

Bei all diesen Abscheulichkeiten brauchen wir überhaupt nicht weit in die Vergangenheit oder in andere Kontinente zu blicken. Denn die Deutschen haben sehr wohl eine Vorstellung davon, wo der Weg zum Kommunismus entlangführt. Viele in dieser Republik haben nämlich erlebt, was es heißt, in einem real existierenden Sozialismus zu leben.

All das spielt in dem politischen Denken der Linken derzeit kaum eine Rolle. Von einer Sarah Wagenknecht, die den Mittelpunkt der kommunistischen Plattform bildet, kennen wir das schon. Gesine Lötzsch aber ist Parteivorsitzende, da bekommt das Ganze schon einen anderen Geschmack und auch eine ganz andere Dimension.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Kai Dolgner [SPD])

Kaum eine Sekunde wird daran gedacht, dass das, was Lötzsch und Co. sagen, den Opfern der DDRDiktatur wie eine Verhöhnung vorkommen muss. Eine unfassbare Ignoranz gegenüber all jenen, für die unsere Demokratie zu einer neuen Hoffnung wurde.

Ich kann Ihnen an dieser Stelle sagen: Das macht uns wütend, uns, die ehemaligen DDR-Bürgerinnen und -Bürger, die den Fall der Mauer als Befreiung verstanden haben. Es macht uns wütend, wenn eine Sarah Wagenknecht behauptet, dass die DDR „eines der friedfertigsten und menschenfreundlichsten Gemeinwesen in der deutschen Geschichte“ war und sich die Parteiführung der LINKEN nicht ausreichend davon distanziert.

Ich kann Ihnen sagen, was an der Aussage von Wagenknecht dran ist. Denn ich bin in der DDR geboren und Mitglieder meiner Familie haben die Realität von Bautzen und Berlin-Hohenschönhausen kennengelernt. Sie haben erlebt, was die totale Überwachung bedeutet, das Leben in Unfreiheit, Unterdrückung, mit Schießbefehlen, Mauern und Stacheldraht. Daran war rein gar nichts menschenfreundlich und friedfertig. Die DDR ist ein Unrechtsstaat gewesen. In der DDR wurden Leben zerstört, Leben getrennt, Geister kleingehalten und Lebenswege verbaut. Wer das durch abstrakte Phrasen und Relativierungen der kommunistischen Geschichte wegreden will, der will auch die Grundlagen von Freiheit wegreden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei, hier und heute ist der richtige Ort, sich von diesen Äußerungen einmal klar und deutlich zu distanzieren. Ich würde mich freuen, wenn Sie dies auch täten, Ihr Antrag tut dies nicht ausreichend.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der SPD - Zuruf des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Schippels das Wort.

(Luise Amtsberg)

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Wir finden es richtig, dass der Landtag heute über die notwendigen Lehren aus der Geschichte diskutiert, anders als die SPD es meint, auch wenn wir alle und vor allem die Menschen in unserem Land aktuell andere Sorgen und Nöte haben. Wir finden es trotzdem richtig, weil es wichtig ist, dass geschichtliche Erfahrungen nicht verschüttet werden. Das gilt auch für die Lehren aus diesen Erfahrungen. Wir finden es auch wichtig, heute hier über dieses Thema zu diskutieren, weil wir als Fraktion einmal mehr auch unsere Einschätzung zur angesprochenen Problematik klarstellen können. Denn es gibt uns gegenüber noch das eine oder andere, wir würden sagen: Vorurteil, andere würden sagen: Urteil.

Deshalb möchte ich zu Anfang ganz klar und deutlich - ohne Wenn und Aber - im Namen meiner Fraktion klarstellen, dass wir selbstverständlich Verbrechen verurteilen. Wir verurteilen aufs Schärfste Verbrechen, die im Namen von Ideen oder Ideologien begangen worden sind, und das gilt selbstverständlich auch für Verbrechen, die im Namen des Kommunismus begangen worden sind.

Millionen Menschen wurden unter Stalin ermordet und versklavt, übrigens auch unzählige, die sich als Kommunistinnen und Kommunisten verstanden. Selbstverständlich verurteilen wir auch die Verbrechen, die von der Obrigkeit in der ehemaligen DDR begangen worden sind. Nichts rechtfertigt Arbeitslager, die Abschottung der Grenzen nach innen oder außen. Nichts rechtfertigt Schauprozesse. Für uns ist ganz klar: Die Freiheit ist immer an die Freiheit der Andersdenkenden gebunden.

(Beifall bei der LINKEN)

Demokratie und Partizipation, freie, gleiche und geheime Wahlen, basisdemokratische Elemente wie Bürgerbeteiligung, Volksbegehren und Volksabstimmung sind für uns untrennbar mit unseren demokratischen Grundsätzen verbunden.

Die schrecklichen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts lehren uns, dass die individuellen Menschenrechte nie wieder angetastet werden dürfen. Ein unabhängiges Rechtssystem mit gleichen, unveräußerlichen Grundrechten für alle ist Grundlage unserer Gesellschaft. Die Unfähigkeit - Entschuldigung, die Unabhängigkeit - der Medien und die uneingeschränkte Möglichkeit der politischen Betätigung sind Grundpfeiler unseres Gemeinwesens.

Meine Parteivorsitzende definiert sich - und sie ist es auch, ich kenne sie - als demokratische Sozialistin. Übrigens grenzt sie sich auch in dem von den Medien und Vertretern anderer Parteien - auch heute wieder hier - kritisierten Artikel von autoritären Sozialismusvorstellungen ab. Das Ziel ihres umstrittenen Artikels ist es ja gerade, zu argumentieren, dass Freiheit und Gleichheit zusammengehören. Das ist die Position der LINKEN und nicht die Interpretation, die der „Spiegel“ und andere Medien zeichnen.

Das Ziel einer Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist, wurde in den damaligen sozialistischen Staaten pervertiert und ins Gegenteil verkehrt. Unsere Lehren daraus sind, dass Mittel und Ziele, dass Mittel und Zweck identisch sein müssen. Die Emanzipation der Menschen wird durch gute selbstbestimmte Bildung, durch soziale Sicherheit, Demokratisierung der Demokratie, durch mehr Selbstbestimmung, durch mehr Mitbestimmung, durch die Selbstermächtigung der Menschen erreicht. Der Zweck heiligt nie die Mittel.

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Lars Harms [SSW])

Gleichwohl - und das findet wahrscheinlich nicht Ihre ungeteilte Zustimmung - finden wir uns nicht mit den herrschenden Verhältnissen ab. Mit Verlaub möchte ich aus den programmatischen Grundsätzen meiner Partei zitieren. Dort heißt es:

„Demokratie, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Internationalismus und Solidarität sind unsere grundlegenden Wertorientierungen. Sie sind untrennbar mit Frieden, Bewahrung der Natur und Emanzipation verbunden. Die Ideen des demokratischen Sozialismus stellen zentrale Leitvorstellungen für die Entwicklung der politischen Ziele der Linken dar.“

Soweit das Zitat.

Das ist auch unser Kompass. Genau das wollen wir. Daran lassen wir uns auch messen. Wir wollen eine Welt ohne Kriege, ohne Waffen, ohne Hunger, ohne Obdachlosigkeit. Diese Hoffnung auf eine Gesellschaft der Gleichen und Freien, in der sich die Menschen gegenseitig helfen und unterstützen, diese Hoffnung, dieses Ziel lassen wir uns nicht nehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kalinka, unsere Sprache ist manchmal eine verschiedene. Wir verstehen uns nicht immer. Un

ser Demokratieverständnis ist ein anderes, als Sie es in Ihrem Antrag formuliert haben. Ich habe inzwischen gehört, dass dieser Antrag auch woanders gestellt werden soll.

(Zuruf)

- Nein? Dann nehme ich das wieder zurück. Ich hatte gehört, es seien gleichlautende Anträge.

(Johannes Callsen [CDU]: Das ist ein Uni- kat!)

- Okay, das ist ein Unikat. - Unser Demokratieverständnis, Herr Kalinka, reduziert sich nicht auf den Parlamentarismus in der jetzigen Form. Wir meinen, Volksentscheide, andere Formen der Partizipation, auch Mitbestimmung im Arbeitsumfeld und andere Formen der Demokratie wie beispielsweise das Instrument des Bürgerhaushaltes würden den demokratischen Diskurs im Land bereichern. Das sehen Sie offensichtlich leider nicht so. Zumindest wird das aus Ihrem Antrag nicht deutlich.

Zum Schluss möchte ich sagen: Auch in unserem Antrag haben wir gesagt: Wir distanzieren uns von den Verbrechen, die im Namen sozialistischer Staaten begangen worden sind und begangen werden. Das müsste Ihre Frage von vorhin beantworten.

(Beifall bei der LINKEN - Jens-Uwe Dankert [FDP]: Die Frage war eine andere!)

Das Wort hat die Vorsitzende der SSW-Fraktion, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 1945 schrieb der dänische Historiker Hal Koch ein Buch mit dem Titel: „Was ist Demokratie?“ Das Buch wurde 1989 neu aufgelegt und meines Wissens auch in eine Reihe von osteuropäischen Sprachen übersetzt.