Sehr geehrter Herr Präsident! Nachdem ich vorhin mitbekommen habe, dass Sie inzwischen zum Tagungspräsidenten geworden sind - vorher waren Sie, glaube ich, von meinem Kollegen als „sehr geehrter Herr Kreispräsident“ angesprochen worden -, kann man daran sehen, wie viele Missverständnisse es allein hier im Landtag geben kann.
Dem vorliegenden Antrag von SPD und Grünen kann man nur zustimmen. Da Integrationskurse seit 2005 die wichtigste integrationspolitische Maßnahme des Bundes sind, brauchen wir selbstverständlich ein ausreichendes und qualitativ gutes Angebot ebenso wie die zeitnahe Teilnahme und eine angemessene Entlohnung der Lehrkräfte. Integration gibt es nämlich nicht zum Nulltarif. Trotzdem stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob Integrationskurse halten, was sie versprechen.
Es ist bekannt, dass es einige Schwierigkeiten mit diesen Kursen gibt. Eine Schwierigkeit grundlegender Art ist die Verordnung von Integrationskursen. Zum einen dürfte die Zielsetzung, dass mit einer erfolgreichen Teilnahme an einem Kurs die jeweilige Person integriert ist, einmal dahingestellt sein. Das reine Bestehen einer Prüfung sagt darüber ja noch
nichts aus. Zum anderen ist der Wesenskern der Erwachsenen- und Weiterbildung gerade die Freiwilligkeit. Erwachsene Menschen haben auch ein Recht auf Nichtlernen, sodass bereits 2005 heftig diskutiert wurde, ob es nicht dem demokratischen Menschenbild widerspricht, die Bürger zum Erlangen ihrer Fähigkeiten zu zwingen und ihnen die Entscheidung darüber abzunehmen. Weitere Probleme sind eher praktischer Natur. Dazu gehören bei den Trägern die dumpinglohnartigen Zustände, die allerdings in der Erwachsenen- und Weiterbildung durchaus keine Ausnahme sind. Auch der große administrative Aufwand für die Träger ist schon früher beklagt worden.
Das größte Problem liegt aber wohl bei den Personen, die einen Kurs abbrechen oder ihn erst gar nicht beginnen. Justizminister Schmalfuß hat ja bereits früher in der Presse mitgeteilt, dass die angebliche Integrationsverweigerung weitestgehend eine Mär ist. Ich bin sehr dankbar für diese Aussage und ebenso für den sehr ausgewogenen und kritischen Bericht der Landesregierung zum Stand der Integration im Land.
Die Vorstellung vom faulen und ungebildeten Ausländer, dem man nur mit Zwang begegnen kann, ist ein medial vermittelter Eindruck, der mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun hat. Leider findet sich ein Teil dieses Eindrucks auch in dem Antrag von CDU und FDP wieder.
Wenn man sich die Teilnahmestatistiken für Schleswig-Holstein ansieht, stellt man fest, dass rund 57 % der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufgrund von Eigeninitiative und freiwillig einen Integrationskurs besuchen. Der Bericht schlüsselt außerdem auf, dass die wenigen Kursabbrecher im Land meistens sehr gute Gründe dafür haben. Dies kann zum Beispiel sein Eintritt in den Arbeitsmarkt, Krankheit oder Wegzug ins Ausland. Zwar schätzt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Abbrecherquote auf 8 %. Dies hilft uns allerdings nicht besonders viel weiter, wenn wir nicht wissen, warum die Personen einen Kurs abgebrochen oder erst gar nicht begonnen haben oder welche Sanktionen gegen diese Personen verhängt wurden. Darüber hinaus geht es dann aber auch noch um das fehlende Angebot.
Ich möchte also davor warnen, die Nichtteilnahme an einem Integrationskurs als Ausdruck einer verweigerten Integration aufzufassen.
Danke. - Gerade in Schleswig-Holstein kann es durchaus auch sein, dass die Wartezeiten sehr lang sind, Kurse gar nicht zustande kommen oder für eine spezifische Zielgruppe nicht ausgerichtet sind. Die sehr negativ geführte Debatte um Integrationsverweigerer sollte einem also schon zu denken geben, wenn gleichzeitig die Nachfrage nach Integrationskursen so hoch wie nie ist.
Ich weise auch darauf hin, dass wir hier viele Menschen haben, die Analphabeten sind. Für diese Kurse gibt es eine Mindestteilnehmerzahl. Diese wird nicht immer erreicht, und das ist dann der Grund, warum der Kurs nicht zustande kommt. Da kann man diesen Menschen, die sich für den Kurs interessieren und ihn gerne mitmachen würden, doch nicht vorwerfen, sie würden sich verweigern. Sie brauchen spezielle Kurse.
Für den SSW möchte ich abschließend sagen, dass aus unserer Sicht die Integrationskurse als alleiniges Instrument der Integration nicht ausreichen. Diese Kurse sind aber ein guter Schritt, um die deutsche Sprache zu lernen und außerdem etwas über Kultur, Tradition und die deutsche Gesellschaft insgesamt zu erfahren. Diese Kurse sollten nicht verschlechtert, sondern verbessert werden, ebenso wie die Entlohnung für die Lehrenden.
Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Justiz, Gleichstellung und Integration, Herrn Emil Schmalfuß, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als erster Baustein eines Integrationsprozesses sind die Integrationskurse von essentieller Bedeutung. Seit deren Einführung mit dem Zuwanderungsgesetz erleben sie eine Erfolgsgeschichte. Bundesweit haben von 2005 bis Ende letzten Jahres rund 700.000 und in SchleswigHolstein haben etwa 19.000 Zugewanderte an ei
nem Integrationskursen teilgenommen. Und - was mir zu betonen wichtig ist -: Wenn von Integrationsverweigerung die Rede ist, so ist dies weitestgehend nicht richtig. Frau Hinrichsen, Sie haben das Wort gesagt. Ich brauche es nicht zu wiederholen. Das Gros der Teilnehmenden lernt freiwillig und auf Eigeninitiative hin in den Kursen. Auch drei Viertel der verpflichteten Ausländerinnen und Ausländer kommen rechnerisch ihrer Teilnahmeverpflichtung nach. Es ist gesagt worden: Das Bundesamt hat festgestellt, dass nur rund 8 % der zur Teilnahme Verpflichteten einen Kursbesuch endgültig abbrechen. Beim verbleibenden Rest kann nicht automatisch von Verweigerung ausgegangen werden. Da stimme ich Ihnen zu.
Die schleswig-holsteinischen Ausländerbehörden gehen mit dem vorhandenen rechtlichen Instrumentarium bedarfsgerecht um. Sie setzen auf frühzeitige und vollständige Aufklärung und Information, und zwar nicht erst bei Pflichtverletzungen. In der Praxis hat sich herausgestellt, dass es vielfach erfolgversprechender ist, die Vorteile eines Besuchs herauszustellen und nicht die Sanktionen in den Vordergrund zu rücken.
Meine Damen und Herren, selbstverständlich werde ich mich auch weiterhin für ein bedarfsgerechtes, flächendeckendes und qualitativ hochwertiges Angebot an Integrationskursen stark machen. So arbeitet Schleswig-Holstein im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung des Nationalen Integrationsplans im Handlungsfeld “Sprache und Integrationskurse” mit. Ebenso beschäftigt sich die Integrationsministerkonferenz mit der Frage, wie das Integrationskursmanagement auch durch eine verbesserte Zusammenarbeit der Akteure optimiert werden kann. Ich interpretiere die Aufforderung in dem von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegten Antrag als Bestätigung der Praxis unseres Ministeriums.
Das gilt auch für die anschließende Forderung, sich beim Bund für die Rücknahme der Einschränkungen bei den Integrationskursen einzusetzen.
Ich bin darüber seit Frühjahr letzten Jahres mit dem Bund im Gespräch, und auch in der Bewertungskommission hat sich Schleswig-Holstein für eine Rücknahme stark gemacht. Einen ersten Teilerfolg kann ich hier vermelden: Seit dem 1. Januar werden bereits hier lebende Ausländerinnen und Ausländer
Die anderen Restriktionen, die Schleswig-Holstein vor allem bei der Kinderbetreuung und der Verschlechterung im Teilzeitangebot betreffen, sind leider weiter in Kraft. Das macht mir Sorge, da dadurch vor allen Dingen Frauen mit Kindern und Berufstätigen der Besuch eines Integrationskurses nicht gerade erleichtert wird.
Deshalb wird Schleswig-Holstein zur kommenden Integrationsministerkonferenz einen Beschlussvorschlag einbringen. In diesem wird der Bund aufgefordert, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, damit alle berechtigten Zugewanderten auch tatsächlich einen Integrationskurs besuchen können.
Die Forderung nach einer Rücknahme der Personalumschichtungen innerhalb der Außenstellen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge kann ich nachvollziehen. Sie werden nach meinen Informationen teilweise zurückgenommen, allerdings habe ich angesichts des starken Anstiegs der Zahl der Asylbewerber auch Verständnis für diese befristeten - Personalumschichtungen.
Soweit Sie, Frau Amtsberg, die Reduzierung der Mittel für die Migrationssozialberatung in Schleswig-Holstein angesprochen haben, will ich nur Folgendes sagen: Unser Ministerium hat die Integrationsmittel auf die Migrationssozialberatung konzentriert und nach all der Diskussion des letzten Jahres moderat von 1,58 Millionen € auf 1,51 Millionen €, also um 5 % statt um 15 % reduziert. Dabei kommt es zu einer Kürzung von 1,5 Stellen und einer Bewilligung von 33,75 Stellen. Ich will nur so viel sagen: Bei der Entscheidung darüber, wo und bei welchem Träger die 1,5 Stellen gekürzt wurden, waren für das Land der Auslastungsgrad und die Qualität der Arbeit der Beratungsstellen entscheidend. Das kann ich an dieser Stelle nicht weiter ausführen, bin aber gern bereit, Ihnen das an anderer Stelle im Einzelnen zu begründen.
Hinsichtlich der letzten Forderung, sich beim Bund für noch stärkere Anstrengungen für ergänzende Sprach- und Staatsbürgerkurse einzusetzen, sehe ich hingegen zurzeit wenig Aussicht auf Erfolg. Die
Bundeskanzlerin hat im Dezember 2010 angekündigt, dass in fünf bis sieben Jahren alle Interessierten Menschen mit Migrationshintergrund die Möglichkeit haben sollen, einen solchen Kurs zu besuchen. Dies ist eine gewaltige finanzielle Kraftanstrengung, da die Bundesregieurng von insgesamt 1,8 Millionen interessierten Zugewanderten ausgeht, von denen erst rund 700.000 einen Kurs beginnen konnten. Wenn dann, wie gefordert, auch noch die Rahmenbedingungen verbessert werden sollen, sehe ich wenig Spielraum für ergänzende Sprach- und Staatsbürgerkurse. Für die Letztgenannten sehe ich im Übrigen auch keinen Bedarf. So wird der Einbürgerungstest zu fast 100 %, in Schleswig-Holstein zu 97,1 % bestanden, und dies ohne den vorherigen Besuch eines Einbürgerungskurses.
Meine Damen und Herren, über die Ergebnisse der Integrationsministerkonferenz, bezogen auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen, werde ich dem Innen- und Rechtsausschuss gern berichten. Für die Empfehlung, mit den Integrationskursakteuren in einen regelmäßigen Austausch einzutreten, danke ich Ihnen; seien Sie aber versichert, dass das bereits Praxis ist.
Ich schlage Ihnen vor, den Änderungsantrag Drucksache 17/1228 zu einem selbstständigen Antrag zu erklären und alternativ abzustimmen. Gibt es dagegen Widerspruch? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.
Wer dem Antrag der Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 17/1228, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer dem Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 17/1173, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 17/1228 mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP angenommen worden ist. Ich stelle weiter fest, dass damit der Antrag Drucksache 17/1173 abgelehnt worden ist.