Protokoll der Sitzung vom 24.02.2011

(Beifall des Abgeordneten Jens-Christian Magnussen [CDU])

Um dem steigenden internationalen Schienengüterverkehr gerecht zu werden und um ihn zu stärken, wurde von der EU eine Verordnung erlassen. Darin wird die DB Netz AG verpflichtet, sich innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre an der Errichtung international besetzter Leitungsstrukturen zu beteiligen, um den grenzüberschreitenden Güterverkehr besser zu koordinieren.

Für Deutschland sind drei Korridore vorgesehen. Diese Trassen sind für den internationalen Güterverkehr freizuhalten. Es ist daher zu befürchten, dass es zu Engpässen im Schienenpersonenverkehr führt, denn für die Personbeförderung stehen in den Korridoren dann weniger Trassen zur Verfügung.

Einer dieser Korridore ist die Verbindung von Stockholm über Kopenhagen und Hamburg nach Palermo. Damit bekommt die feste FehmarnbeltQuerung ihren europäischen Anstrich. Inwieweit diese Verordnung überhaupt auf dieser Strecke umsetzbar sein wird, ohne den Schienenpersonenverkehr zu beeinträchtigen, bleibt für mich ein Rätsel. Die Pläne in Bezug auf die Hinterlandanbindung berücksichtigen eine solche Verordnung nämlich nicht. Die Eisenbahnstrecke wird in Abhängigkeit von den zur Verfügung stehenden Bundesmitteln elektrifiziert und mit Ausnahme der FehmarnsundBrücke zweigleisig ausgebaut. Damit haben wir ein Nadelöhr auf dieser Strecke, und das heißt Fehmarnsund. Mit dem Vorrang für Güterverkehr wird die geplante Hinterlandanbindung ad absurdum geführt.

Ein weiteres Problem hierbei dürfte dann auch die fehlende Ortsostumgehung bei Hamburg werden. Wie haben wir uns also die Umsetzung der Verordnung vorzustellen? Wie wird sich dies auf den Schienenpersonennahverkehr von Hamburg bis Ostholstein auswirken? Das war übrigens auch ein Thema im Wirtschaftsausschuss, als wir vor Kurzem Frau Plambeck da hatten. Sie hat ganz deutlich gesagt, dass das ein Riesenproblem ist. Es ist schön, etwas zu beschließen, schwierig ist es, wenn man das nicht umsetzen könne, weil entweder die finanziellen Mittel fehlten beziehungsweise wie die Pla

nung nicht so ausgerichtet sei, dass man den Schienenpersonennahverkehr dort entsprechend ableiten kann.

Die Verordnung ist kurz- bis mittelfristig in nationales Recht umzusetzen, und Deutschland ist verpflichtet, innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre die Güterverkehrskorridore einzurichten. Aber ändert sich nichts an den Ausbauplänen zur Hinterlandanbindung, ist das Chaos vorprogrammiert, und es wird zu massiven Einschränkungen beim Personenverkehr auf den betroffenen Strecken kommen.

Insbesondere die Deutsche Bahn AG hat diese Verordnung auch kritisiert, weil sie einen Eingriff in die Entscheidungsbefugnis über ihre Netze sieht, und sie befürchtet dadurch den Einstieg in eine europäisch gesteuerte Netzbewirtschaftung. Weiter hat sie vor den negativen Auswirkungen auf den Schienenpersonennahverkehr in Deutschland gewarnt. Die Bahn hat den Gesetzgebungsprozess ständig begleitet und auf die deutsche Politik dahin gehend Einfluss nehmen können, dass weitergehende Forderungen - zumindest aus den europäischen Verordnungen - herausgenommen wurden. Die Verordnung wurde aber gegen den Widerstand der Bundesregierung, des Bundestages und des Bundesrates vom Rat und Parlament der EU im Juni verabschiedet. Daher stellt sich die Frage, wie erfolgreich die Forderungen des vorliegenden Antrages sein können.

Wir können den Antrag unterstützen. Wichtiger wäre es aber, wenn wir die Ostumgehung Hamburgs möglichst schnell bekämen und das Nadelöhr Rendsburger Hochbrücke beseitigen würden.

(Zuruf des Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU])

- Lieber Kollege Arp, wenn die Fehmarnbelt-Querung gebaut wird, dann muss auch die Hinterlandanbindung entsprechend ausgebaut sein. Das ist derzeit überhaupt noch nicht durchfinanziert. Wenn man das aber nicht machen kann, nämlich das durchzufinanzieren, dann muss man möglicherweise auch entsprechend auf die Fehmarnbelt-Querung verzichten.

(Zuruf des Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU])

Um zum Schluss zu kommen - lieber Kollege Arp, die gute Nachricht kommt ja noch -: Wir werden beiden Anträgen zustimmen, weil sie genau das Richtige anstreben. Das wollen wir dann natürlich auch unterstützen. Dabei sind wir wieder fest an Ihrer Seite.

(Lars Harms)

(Beifall bei SSW, CDU und FDP)

Das Wort für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landesregierung geht es um zwei Ziele. Erstens: Die steigenden Güterströme müssen im zunehmenden Maße über die Schiene abgewickelt werden. Deshalb unterstützen wir die Absicht der europäischen Verkehrspolitik, die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs zu stärken. Zweitens muss das effiziente Taktsystem des Nahverkehrs, das wir Schritt für Schritt ausgebaut haben, erhalten bleiben. Dieses System würde zerschlagen, wenn internationale Güterzüge Vorrang bekämen. Das darf nicht geschehen, und deshalb bin ich den Antragstellern des vorliegenden Antrags für die klarstellenden Formulierungen dankbar.

Wir müssen eine vernünftige Balance zwischen beiden Interessen finden, einerseits einem Nahverkehr, der zuverlässig, pünktlich und häufig verkehrt, und andererseits einem Güterverkehr, der nicht durch technische Bedingungen oder nationalstaatliche Grenzen ausgebremst wird. Ich glaube, bei vielem, das in der Debatte besprochen wird, muss man immer wieder darauf hinweisen, dass die nationalstaatlichen Grenzen im Schienenverkehr immer noch eine sehr, sehr große Hürde sind, und zwar nicht de iure, sondern de facto, wie man beispielsweise auch am Verhalten der französischen Staatsbahn in dem Zusammenhang sieht.

(Beifall des Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU])

- Ein echter Wettbewerbspolitiker. Der qualitativ hochwertige und vertaktete sowie von den Ländern langfristig über Verkehrsverträge bestellte Nahverkehr muss gleichberechtigt neben internationalen Güterzügen fahren können, die oftmals viel kurzfristiger organisiert werden. Das wurde auf der europäischen Ebene auch bereits erkannt. In einer Reihe von Klauseln und Bestimmungen in den maßgeblichen Verordnungen und Gesetzen finden sich Spielregeln, die den vertakteten Personennahverkehren weiterhin Vorrangrechte einräumen.

Für den Nahverkehr besteht die Möglichkeit, vertaktete Fahrpläne über sogenannte Rahmenverträge

mit der DB Netz AG langfristig abzusichern. Dazu hat die landesweite Verkehrsservicegesellschaft den Abschluss solcher Verträge zwischen den Verkehrsunternehmen und der Netz AG veranlasst. Die sogenannte Rahmenvertragsperiode reicht zunächst bis zum Jahr 2015 und schützt bis dahin unseren SPNV-Takt.

Zur Frage der Wettbewerbsfähigkeit der Schiene gehört auch das Thema Schienenbonus. Wenn wir mehr Güter auf die Schiene bringen wollen, müssen wir uns auch um den Lärmschutz kümmern. Der Schienenbonus unterstellt, dass die Menschen Bahnlärm ein bisschen besser ertragen als zum Beispiel Straßenlärm und dass ihnen deshalb von der Schiene etwas mehr zuzumuten ist. Das halte ich nicht mehr für zeitgemäß, und das muss überdacht werden. Wir brauchen Akzeptanz für Güterzüge, und dafür brauchen wir auch einen wirksamen Lärmschutz. Das geht allerdings nicht über Nacht. Es braucht viel Zeit und sehr viel Geld, die europäische Güterwagenflotte umzurüsten. Nicht jede Gemeinde ist auch froh, wenn meterhohe Schneisen nackter Mauern durch ihr Ortsbild geschlagen werden.

Schleswig-Holstein unterstützt die laufenden Bemühungen auf europäischer und nationaler Ebene in Sachen Schienenlärmreduzierung mit Nachdruck. Es geht dabei vor allem darum, lärmarme Bremstechnik einzuführen. Dazu läuft gegenwärtig ein Pilotprogramm. Es geht auch darum, im Trassenpreissystem der DB Netz AG lärmreduzierte Fahrzeuge zu begünstigen, wie es auf Flughäfen übrigens längst üblich ist.

Ich bin zuversichtlich, dass wir dabei vorankommen werden. Ich sehe übrigens auch die Ausschlusskonkurrenz, die hier beschrieben wurde, zwischen dem Großprojekt Fehmarnbelt-Querung und dem Nahverkehr nicht. Die Diskussion über das dritte und vierte Gleis im Hamburger Umland bis Ahrensburg erklärt sich eben als eine Reaktion auf die Fehmarnbelt-Querung. Insofern geht es nicht darum, dass man diese Dinge eindimensional gegenüberstellt, sondern es geht darum, dass wir hier im Land die richtigen Strategien finden, das eine zu machen, nämlich die feste Fehmarnbelt-Querung, ohne das andere zu lassen, nämlich die Nahverkehre zu stärken.

(Beifall bei CDU und FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, die

(Lars Harms)

Anträge an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Für den ersten Antrag gibt es dazu keine Einigkeit, deshalb lasse ich einzeln darüber abstimmen.

Ich lasse zunächst über die Überweisung des Antrags in der Drucksache 17/998 abstimmen. Wer diesen Antrag an den Wirtschaftsausschuss überweisen will, den bitte um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, dass es keine Ausschussüberweisung geben wird, sondern dass wir in der Sache über diesen Antrag abstimmen werden.

(Zurufe)

- Herr Kollege, ich versuche, das gerade zu erklären, wir befinden uns mitten im Abstimmungsverfahren.

Wir haben eben abgelehnt, dass dieser Antrag überwiesen wird, von daher kommen wir jetzt zur Abstimmung in der Sache über den Antrag Güter- und Schienenpersonenverkehr in Europa, Drucksache 17/998. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW. - Wer stimmt dagegen? Dagegen stimmen die Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE. - Damit ist der Antrag in der Drucksache 17/998 angenommen worden.

Wir kommen dann zu dem zweiten vorliegenden Antrag. Für ihn ist ebenfalls Überweisung in den Wirtschaftsausschuss beantragt worden, das ist der Antrag in der Drucksache 17/1274. Wer der Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag in den Ausschuss überwiesen worden.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine Anmerkung zur Geschäftsordnung. Am gestrigen Tag ist es bei einem Geschäftsordnungsantrag nicht zu einer Abstimmung gekommen. Das war ein Antrag des Kollegen Werner Kalinka. Das war ein Fehler des Präsidiums. Ich bitte, ihn zu entschuldigen, und wir werden uns darum kümmern, dass wir in Zukunft anders verfahren.

Auf der Zuschauertribüne begrüße ich unsere Gäste. Es sind Schülerinnen und Schüler sowie deren Lehrkräfte von der Gemeinschaftsschule Kellinghusen. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Verordnungen zum Selbstbestimmungsstärkungsgesetz umgehend vorlegen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/1226

Gründlichkeit vor Schnelligkeit bei der Umsetzung der Durchführungsverordnung zum Selbstbestimmungsstärkungsgesetz

Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/1328

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Birte Pauls das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das Selbstbestimmungsstärkungsgesetz ist am 18. Juni 2009 in diesem Haus nach hervorragender Vorarbeit des damaligen SPD-geführten Sozialministeriums und im Ausschuss unter Beteiligung der Fachverbände einstimmig beschlossen worden. Es ist am 1. August 2009 in Kraft getreten. Dieses Gesetz dient der Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung auf Wahrung und Förderung ihrer Selbständigkeit, ihrer Selbstbestimmung, der Selbstverantwortung und der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Dürfte ich bitte reden, Herr Kubicki?

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] - Glocke des Präsidenten)

Das Wort hat Frau Kollegin Pauls.

Ich finde diesen Punkt wichtig genug, um den pflegebedürftigen Menschen ein bisschen Respekt entgegenbringen zu können.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zurufe von der FDP - Wolfgang Baasch [SPD]: Keine Inhalte, aber kaspern!)

(Präsident Torsten Geerdts)