Protokoll der Sitzung vom 24.03.2011

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für den SSW ist und bleibt das oberste Kriterium Wahlrechtsgleichheit. Diese wird es jetzt wieder geben. Das war allerdings auch ein Diktat des Landesverfassungsgerichts, und insofern besteht für CDU, SPD und FDP jetzt wenig Grund, sich für dieses Wahlgesetz feiern zu lassen. Umso mehr verwundert es auch, dass der CDU-Landes- und -Fraktionsvorsitzende quasi in letzter Sekunde noch bereit war, den vollen Ausgleich von Überhangmandaten zu opfern und somit das Verfassungsgerichtsurteil zu ignorieren.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Das ist Unsinn!)

Es ist aber symptomatisch für die gesamte Debatte gewesen, in der die Öffentlichkeit abermals den Eindruck gewann, dass das Wahlrecht für die Parteien nur eine Frage von Besitzständen ist. Nicht umsonst hat die Große Koalition in dieser Frage wieder gut funktioniert.

(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Das ist unverschämt! Wer hat denn den größten Be- sitzstand? Sagen Sie das doch einmal!)

Die CDU und die SPD haben in den vergangenen Monaten ganz offen ihre Schäfchen ins Trockene gebracht und den Kleinen im Gegenzug vorgeworfen, uns gehe es schließlich auch nur um Parteiinteressen. Dabei wird aber eines verschwiegen: Wenn sich die Mehrheit zu einer deutlichen Verkleinerung des Landtags durchgerungen hätte, dann

(Anke Spoorendonk)

wären vor allem die kleinen Fraktionen in ihrer Arbeitsfähigkeit betroffen. Ich denke, alle können sich vorstellen, was es bedeutet, wenn eine kleine Fraktion auch nur eine Abgeordnete oder einen Abgeordneten verliert. Dazu wären wir aber bereit gewesen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist von Anfang an klar gewesen, dass es in dieser Runde keine Debatte über eine grundlegende Reform des Wahlrechts geben konnte. Dabei waren durchaus interessante Alternativen im Gespräch. Sowohl das Modell von Mehr Demokratie e. V. als auch der FDPVorschlag für offene Listen waren gute Ansätze. Nur wäre es in der aktuellen Situation nicht gelungen, so schnell ein mehrheitsfähiges, neu strukturiertes Wahlrecht zusammenzustellen. Trotzdem hätte man durchaus die Chance nutzen können, um kleine Bausteine zu erneuern. Wir hätten es vor allem begrüßt, wenn die Mehrheit sich dazu durchgerungen hätte, das aktive Wahlalter zu Landtagswahlen auf 16 Jahre herabzusenken.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Das wäre zur Stärkung des demokratischen Bewusstseins und nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ein gutes Signal gewesen. Wir werden weiterhin dafür kämpfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Fazit bleibt: Der Landtag hat die Hausaufgaben des Landesverfassungsgerichts so erledigt, dass es allenfalls für ein Genügend reicht. Die großen Parteien haben beflissentlich eine entscheidende Prämisse des Landesverfassungsgerichts ignoriert, nämlich dass das Wahlrecht an den gesellschaftlichen Wandel hin zu einer Fünf- oder Sechsparteienlandschaft und die abnehmende Bindungskraft der beiden herkömmlichen Volksparteien angepasst werden muss.

(Johannes Callsen [CDU]: Wer behauptet das?)

Das Wahlrecht leidet schon seit jeher darunter, dass am Ende Parteiinteressen am höchsten gewichtet werden. Das ist vielleicht menschlich, aber es ist nicht gut, denn es hat immer wieder dazu geführt, dass diese demokratischen Spielregeln nur mangelhaft funktionieren. Es bleibt zu hoffen, dass unter dem Einfluss des Verfassungsgerichts nun ein Wahlgesetz entstanden ist, das zwar Mängel auf

weist, aber hoffentlich trotzdem einwandfrei zu handhaben ist und wenig Nebenwirkungen zeitigt.

Ein Nebeneffekt ist aber jetzt schon klar: Angesichts der neuen Parteienlandschaft in SchleswigHolstein wird es regelmäßig nicht gelingen, die Zahl von 69 Abgeordneten einzuhalten. Trotzdem besteht auch ein Anlass zur Freude, wenn das Wahlgesetz gleich beschlossen wird, denn damit ist die erste Hürde auf dem Weg zu einem Parlament übersprungen, das wieder die Mehrheiten in der Bevölkerung widerspiegelt.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Denn jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Bahn frei für die Landtagswahl, und das ist für unser Land ein gutes Signal, das ist ein Segen.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat noch eine Restredezeit von vier Minuten. Das Wort erteile ich dem Herrn Kollegen Werner Kalinka.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht die Zahl der Abgeordneten entscheidet über das Ansehen eines Parlaments, sondern die Qualität der Arbeit.

(Beifall bei CDU und FDP - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Richtig!)

Herr Kollege Fürter, Sie sollten an sich arbeiten.

(Heiterkeit und Beifall bei CDU und FDP)

Das ständige Rufen nach weniger Abgeordneten und das ständige Nörgeln mag populistisch sein, aber es löst kein Problem, und es wird dem Thema heute mitnichten und nicht im Geringsten gerecht.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Die Kollegen von Boetticher, Kubicki und Stegner haben beeindruckende Ausführungen gemacht.

(Lachen bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Eigentlich hätte man dies als einen Appell nehmen können, in sich zu gehen.

Ich habe nicht viel Redezeit; deswegen muss ich es kurz machen. Zehn der 16 Landesparlamente in

(Anke Spoorendonk)

Deutschland haben mehr als 100 Abgeordnete. Die Durchschnittszahl beträgt 108, und in den Ländern, in denen gerade gewählt wurde, liegt die Zahl über 100. Keiner regt sich dort auch nur annähernd darüber auf, wie dies hier bei uns versucht wird.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Irgendetwas kann bei Ihnen, Herr Fürter, nicht stimmen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Wähler entscheidet, und sein Votum ist zu respektieren. Wenn er für Schleswig-Holstein im Ergebnis wählt, dass er mehr als 67 Abgeordnete haben will, dann haben wir dies zu respektieren. Darüber zu lachen, Herr Fürter, zeigt für mich eigentlich eine sehr bedenkliche Tendenz.

(Beifall bei CDU und FDP - Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist ein Gebot des Respekts gegenüber dem Wähler, dass man auch akzeptiert, wenn das Ergebnis nicht so ist, wie man es selbst haben möchte.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Vorwurf, den Sie erhoben haben, wir würden ein Abweichen von der Zahl von 69 Abgeordneten vorsätzlich in Kauf nehmen, ist besonders übel.

(Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Bedingter Vorsatz!)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Kollege Habeck, ja.

Herr Kalinka, stimmen Sie mit mir überein, dass die Wähler und Wählerinnen der schwarz-gelben Regierung rund 30.000 Stimmen weniger gegeben haben als den Oppositionsparteien, und was folgt daraus für Sie politisch?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Gar nichts! Wenn der SSW keine Sonderregelung hätte, hätten wir das Problem nicht! - Widerspruch)

Das Wort hat jetzt zur Beantwortung der Herr Kollege Werner Kalinka.

Herr Kollege Habeck, wir haben bei der Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss auch über dieses Thema gesprochen. Eine solche Rechnung lässt sich nicht eins zu eins umsetzen. Das ist das Ergebnis einer Zahl von 1991 gewesen. Das mag im Einzelfall für Sie ärgerlich sein, aber eine solche Umsetzung eins zu eins ist nicht immer logisch. Oder würden Sie zum Beispiel sagen wollen, Herr Kollege Dr. Habeck, dass eine Koalition von vier Fraktionen mitsamt der Linken pauschal als eine Regierungsfähigkeit in Schleswig-Holstein zu verstehen wäre?

(Zuruf der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

- Das war ja ein aufschlussreicher Satz gerade eben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Den muss man sich einmal merken. Dann hat die Debatte auch hier für Klarheit gesorgt.

(Beifall bei CDU und FDP - Wortmeldung des Abgeordneten Peter Eichstädt [SPD])

- Herr Präsident, Sie dürfen die Uhr nicht weiterlaufen lassen. Ich habe noch 6 Sekunden.