Protokoll der Sitzung vom 24.03.2011

Herr Kollege Dr. Tietze!

Herr Kalinka, habe ich Sie richtig verstanden - ich habe das bei Herrn Arp anders verstanden -, dass Ihre Fraktion generell gegen die StadtRegionalBahn ist?

- Nein, Herr Kollege Dr. Tietze. Ich will mich bemühen, dass wir uns gegenseitig zuhören. Dafür werbe ich gerade.

(Beifall der Abgeordneten Hartmut Hamerich [CDU] und Christopher Vogt [FDP])

Ich habe gesagt, es gibt einen tief differenzierten, unterschiedlichen Meinungsprozess bei uns in der Region. Ich glaube, ich habe ihn korrekt dargestellt. Man kann ihn nicht anders darstellen. Ich habe dafür geworben, dass es nicht allein vom Kreis abhängig sein kann, wer ein Votum in einem verdichteten Raum abgibt. Sie müssen beispielsweise sehen, dass Sie heute von Schönberg nach Kiel in zehn Minuten fahren. Aus der Gemeinde Dobersdorf, aus der ich komme, bin ich nach 6 km in Kiel. Da frage ich mich, was ich mit einer StadtRegionalBahn in der Ecke von Dobersdorf soll. Das wäre eine Verschlechterung der Situation in eklatanter Weise. Das könnte ich für alle anderen Dörfer sagen, die woanders sind. Deswegen hat die CDU-Landtagsfraktion keine prinzipiell negative Meinung, aber sie sagt sicherlich auch nicht, dass das schon geklärt ist. Es ist doch eine Selbstverständlichkeit wir sind bei uns eine basisdemokratisch orientierte Fraktion -,

(Lachen und Beifall der Abgeordneten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Antje Jansen [DIE LINKE])

dass die Abgeordneten aus den Wahlkreisen ihre Meinung dazu sagen. Das werden Sie doch wohl erwarten. Gerade aus Ihrem Selbstverständnis heraus würden Sie doch betroffen sein, wenn ich hier schweigen würde. Es ist doch ganz selbstverständlich, dass ich dies nicht nur im stillen Kämmerlein bei der Sitzung mit vier Mann sage, sondern im Hohen Haus, damit alle gleich Bescheid wissen. Das wollte ich zum Ausdruck gebracht haben.

(Werner Kalinka)

(Beifall bei CDU, FDP sowie der Abgeord- neten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Peter Sönnichsen das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Tietze, eines hat mich gleich am Anfang betroffen gemacht: Bevor Sie überhaupt Argumente gebracht haben, haben Sie gleich all denjenigen, die gegen die StadtRegionalBahn sind oder sich dagegen entscheiden, Wirtschafts- und Klimafeindlichkeit unterstellt und jede Handlungsfähigkeit abgesprochen.

(Beifall des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Ich frage mich wirklich, wo Sie beim ersten Tagesordnungspunkt waren, als wir ein bisschen über die Achtung vor den Abgeordneten gesprochen haben. Dazu gehören die kommunalen Abgeordneten genauso wie die Kolleginnen und Kollegen hier in diesem Haus.

(Beifall bei der CDU sowie der Abgeordne- ten Katharina Loedige [FDP] und Christo- pher Vogt [FDP])

Ich sage Ihnen in aller Deutlichkeit: Dafür habe ich nicht das geringste Verständnis.

Die Gesamtkosten, das Investitionsvolumen, das in Ihrem Beitrag nicht vorgekommen ist, ist von einigen Kollegen dankenswerterweise genannt worden. Als Finanzpolitiker will ich Ihnen ganz deutlich sagen: Das ist der Betrag, den wir im Jahr 2013 - und zwar nur im Jahr 2013 - in unserem Haushalt einsparen wollen. Bei dem darauf folgenden müssen wir noch etwas drauflegen. Wer überhaupt auf die Idee kommen kann, so etwas in den Raum zu stellen, ist weltfremd und nichts anderes.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zwei Punkte noch: Sie sprechen davon, Takte zu verkürzen. Noch einmal in aller Deutlichkeit: Wenn wir auf der Strecke Kiel-Schwentinental-Preetz die Takte verkürzen wollen, muss das zweite Gleis daneben gebaut werden. All das ist in den Zahlen, die genannt worden sind, noch nicht berücksichtigt worden. Herzlichen Glückwunsch! Ich frage mich, wie Sie das lösen wollen.

Was die eingesparten Pkw-Kilometer betrifft: Rechnen Sie doch einmal die dagegen, die zusätzlich gebraucht werden, wenn jemand aus Heikendorf, der bisher nach Kiel gefahren ist, zukünftig nach Probsteierhagen fahren muss, um dort die Einstiegsstelle zu erreichen. Lieber Herr Dr. Tietze, ich lade Sie einmal in meinen Kreis ein.

(Beifall des Abgeordneten Jens-Christian Magnussen [CDU])

Da zeige ich Ihnen einmal die Situation.

(Zuruf)

- Touristische Nutzung kann ich mir gut vorstellen, wenn wir das Geld dafür haben. Aber für den täglichen Pendlerverkehr ist das schlichtweg nicht durchführbar.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Buskilometer haben Sie nicht erwähnt, die will ich auch noch hinzufügen. Dafür gilt das Gleiche. Bei den bisher gut ausgebauten Schnellbusstrecken müssen Sie zukünftig überall Haken schlagen, um die Einstiegsstellen zu erreichen.

Ein letzter Punkt: Wenn Sie hier auf Herrn Albig setzen, wie Sie das zum Abschluss gemacht haben, dann vergessen Sie nicht: Der wird auch zukünftig Nachbarn haben, und zwar besonnene und realistische.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für diejenigen Abgeordneten, die nicht aus der unmittelbaren Umgebung Kiels kommen, vielleicht noch einmal kurz die Erläuterung, worum es sich bei der StadtRegionalBahn handelt: Die StadtRegionalBahn soll von Preetz, Schönberg, Neumünster, Rendsburg und Eckernförde nach Kiel die vorhandenen Eisenbahnschienen nutzen und soll dann in Kiel auf eigenen Straßenbahngleisen, die es - wie es schon gesagt wurde - nicht mehr gibt, durch die Stadt fahren. Diese Beschreibung ist deshalb wichtig, weil sie nämlich die Zuständigkeiten in diesem Zusammenhang klärt. Die Zuständigkeiten

(Werner Kalinka)

sind geklärt und festgelegt im ÖPNV-Gesetz des Landes Schleswig-Holstein. Dort ist das Land für den Schienenpersonennahverkehr zuständig. Für den übrigen ÖPNV - wie es dort heißt - sind die Kreise und kreisfreien Städte zuständig. Das ist wichtig zu wissen, wenn man bewerten will, wer nun was an Hausaufgaben zu erledigen hat, und wann die Verantwortung des Landes tatsächlich greift.

Die Landesregierung hat bereits 2007 beschlossen, das StadtRegionalBahn-Projekt zu unterstützen, wenn die beteiligten Kommunen - das gilt immer noch -, die Städte Kiel und Neumünster sowie die Kreise Plön und Rendsburg-Eckernförde, dieses Projekt tatsächlich wollen. Wir haben zugesagt, mit dem Bund 75 % der förderfähigen Investitionen zu übernehmen, 60 % aus dem Gemeindeverkehrswegefinanzierungsgesetz des Bundes und 15 % Mittel aus dem GVFG des Landes, in der Summe rund 160 Millionen €. Die Landesmittel sind übrigens gebunden; deswegen würden sie nicht dem allgemeinen Haushalt anheimfallen. Das heißt, auch wenn man dieses Projekt nicht verwirklichen würde, würde das Geld für andere Projekte solcher Art eingesetzt werden. Darüber hinaus hat das Land zugesagt, die bisherigen jährlichen Defizitzahlungen für den Schienenpersonennahverkehr in der Region auch für die StadtRegionalBahn zu übernehmen.

Was dieser Anteil ausmachen würde, ist nun endlich in einem Gutachten ermittelt worden. Die Kosten und Erlöse sind den beteiligten Aufgabenträgern zugeordnet worden. Da kommen wir wieder zur Zuständigkeit für den Schienenpersonennahverkehr und den übrigen ÖPNV. Danach würde das Land 6,1 Millionen € pro Jahr für die StadtRegionalBahn bezahlen. Das haben wir 2007 unter den genannten Bedingungen zugesagt. Insofern kann man sagen, dass das Land seine Hausaufgaben dazu gemacht hat.

Was nun aussteht, sind die verbindlichen Entscheidungen der Kommunen. Ich sage bewusst: verbindliche Entscheidungen der Kommunen. Seit Jahren wird gerechnet und gerechnet. Man kann es so sagen: Alle spitzen den Mund, aber ich habe noch niemanden pfeifen hören. Ich kann das auch sehr gut verstehen. Denn wir haben ja auch durch die beiden letzten Dreiminutenbeiträge Einblicke in die kommunale Diskussion bekommen, zumindest im Kreis Plön. Wir wissen, dass die Kommunen natürlich unter einem ganz erheblichen Druck stehen.

Auch die Stadt Kiel hat übrigens noch nicht entschieden, dass sie das Projekt will. Die Stadt Kiel

hat entschieden, eine Planungsgesellschaft auf den Weg zu bringen, aber die Finanzierungsanteile hat die Stadt Kiel noch nicht entschieden. Insofern ist es absolut legitim, dass sich in den kommunalen Gremien jetzt eine intensive Diskussion entfacht über die Frage, ob man das Geld hat, und über die Frage - auch der Zusatz sei zulässig -: Cui bono? Wem nützt es? Dass all diese Fragestellungen in den kommunalen Gremien im Moment eine Rolle spielen, liegt auf der Hand, denn wir reden über richtig viel Geld.

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kalinka zu?

Ja, klar.

Herr Minister, sind Sie der Auffassung, dass man derzeit auf der Schiene von Neumünster, Rendsburg und Eckernförde schnell genug nach Kiel kommt?

- Davon würde ich ausgehen. Wenn dem nicht so wäre, hätten wir dringenden Handlungsbedarf. Ich erkenne allerdings auch an, dass die StadtRegionalBahn nicht allein die Fahrzeit von A nach B misst, sondern ein integriertes Konzept haben will.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich verweise darauf, dass die StadtRegionalBahn vor allem auch beinhaltet, dass die vor, glaube ich, 25 Jahren abgebauten Straßenbahnschienen in Kiel wieder aufgebaut werden.

Lassen Sie eine zweite Frage zu?

Ja, gern.

Wäre in den Planungen enthalten, dass die StadtRegionalBahn auf den jetzigen Schienensträngen fahren soll, oder soll noch ein Gleis parallel gebaut werden zu den von mir genannten drei Städten?

(Minister Jost de Jager)

- Überwiegend geht das Konzept davon aus, dass die vorhandenen Schienentrassen genutzt werden außerhalb der Stadt Kiel.

Gleichwohl darf ich fortfahren, dass es bei der Beratung in den Kreisen und Städten um Geld geht, und zwar um Summen, die kein Pappenstiel sind. Wir reden nach dem Kostengutachten darüber, dass die Stadt Kiel 8,3 Millionen € zahlen müsste, dass der Kreis Rendsburg-Eckernförde 3,6 Millionen € zahlen müsste, der Kreis Plön 2,7 Millionen € und die Stadt Neumünster 0,6 Millionen €. Das sind jährliche Summen über 30 Jahre gerechnet. Dass deshalb jetzt diese Diskussion stattfindet, halte ich für absolut richtig. Ich sage aber auch: Solange diese Beschlüsse nicht vorliegen, und solange wir nicht wissen, dass dieses Projekt auf kommunaler Seite überhaupt realisiert wird, gibt es keine Veranlassung, dass sich das Land an den Kosten der Planungsgesellschaft beteiligt und weitere Kosten entstehen, bevor wir wissen, ob dieses Projekt etwas wird. Das ist der Grund dafür, dass wir abgelehnt haben, in die Planungsgesellschaft reinzugehen.

Ich höre auch - ich glaube, Sie sagten es, Frau Langner -, dass damit etwas anderes erwartet wird, nämlich ein Signal des Landes. Auch das kennen wir von anderen strittigen Großprojekten. Wenn sich die kommunalen Träger nicht einig sind, ob sie es wollen, dann soll das Land reingehen, damit die kommunalen Träger überzeugt werden, das Projekt doch zu machen, das sie eigentlich selber machen sollen. Ich würde eine solche Instrumentalisierung zumindest aus dem Schreiben von Herrn Albig nicht unterstellen und auch Ihnen nicht unterstellen wollen, aber es gibt auch zusätzlich keinen Grund, weshalb wir dort reingehen sollten. Das wusste die Stadt Kiel.

Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Tietze zu?

Nein, ich komme zu meinem letzten Satz, der bestimmt die Frage von Herrn Tietze beantwortet. Das wusste die Stadt Kiel nämlich. In zwei Briefen haben wir der Stadt Kiel diese Haltung des Landes signalisiert, bevor die Beschlüsse gefasst wurden, die Planungsgesellschaft gleichwohl einzurichten. Insofern gibt es weder eine rechtliche noch eine moralische Verpflichtung des Landes Schleswig