Jeder qualifizierte Arbeitsplatz, der heute oder zukünftig nicht besetzt werden kann, bedeutet den Verlust weiterer Jobs, geringeren Wohlstand und auch geringere Steuereinnahmen. Frau Heinold, unser Antrag geht vielseitig an das Problem heran. Wir begrüßen und unterstützen entsprechende Maßnahmen der Mittelstandsoffensive sowie des „Bündnisses für Fachkräfte“. Wir fordern Erstanlaufstellen für die Anerkennung ausländischer Abschlüsse sowie entsprechende Nachqualifizierungsmaßnahmen. Und es geht - ganz wichtig um die Intensivierung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen.
Darüber hinaus untermauern wir unsere Forderung nach einer schnellen Ausweitung der Arbeitnehmerfreizügigkeit auch auf Rumänien und Bulgarien. Ich habe Ihren Antrag da nicht so richtig verstanden. Ich habe daraus gelesen, dass Sie das nicht fordern. Das würde ich schade finden.
Meine Damen und Herren, abschließend fordern wir Lockerungen an drei Stellen im Aufenthaltsgesetz, damit die Zuwanderung von hochqualifizierten Fachkräften aus nicht EU-Staaten erleichtert und nicht weiter blockiert wird.
Zu Punkt sechs unseres Antrags, den Forderungen zum Aufenthaltsgesetz, möchte ich erwähnen, dass es hierzu im April eine Bundesratsinitiative aus Sachsen geben wird. Die Landesregierung sollte diese Initiative aus unserer Sicht unterstützen. Vielleicht lernt ja auch zeitnah die große Regionalpartei aus Bayern dazu und hört auf, entsprechende Initiativen auf Bundesebene zu blockieren.
Meine Damen und Herren, da sich meine Redezeit dem Ende zuneigt, möchte ich abschließend noch auf ein Problem hinweisen, das leider dazu beiträgt, dass gerade viele Frauen Probleme mit dem Wiedereinstieg in den Beruf haben. Ich meine den Steuer- und Abgabenbereich. Für viele Frauen, die wieder in den Beruf einsteigen wollen, lohnt es sich kaum, in Teilzeit wieder in den Beruf einzusteigen, weil sie trotz Arbeit kaum etwas davon haben. Das sollte ebenfalls angepackt werden.
Den Antrag der LINKEN können wir im Ausschuss weiter beraten; darin sind einige Punkte enthalten, die ganz interessant sind. Den SPD-Antrag werden wir ablehnen. Ich beantrage Abstimmung in der Sache über unseren Antrag und bitte um Zustimmung.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie ist die Situation bei der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen zurzeit? - Völlig unbefriedigend, wir haben es schon gehört. Es gibt einen wahren Anerkennungsdschungel, einen Dschungel, in dem man auch nach Durchquerung nicht unbedingt das Dickicht beiseite geschoben hat und mit brauchbaren Zeugnissen ausgestattet ist.
Laut Mikrozensus 2007 leben rund 2,8 Millionen Zuwanderer mit einem Berufsabschluss in Deutschland. Ungefähr 800.000 davon haben einen Studienabschluss und 1,8 Millionen eine andere be
rufsqualifizierende Ausbildung. Nach Schätzung der Universität Oldenburg sind bei den deutschen Arbeitsverwaltungen circa 500.000 Zuwanderer mit akademischen Abschlüssen als unqualifiziert gemeldet, das heißt, ihr Studienabschluss wird in Deutschland nicht anerkannt.
Viele von ihnen arbeiten aufgrund einer fehlenden Anerkennung ihres Berufsabschlusses in Deutschland unterhalb ihres Qualifikationsniveaus oder finden gar keine Arbeit. Für uns Grüne ist das völlig inakzeptabel.
Wir wollen, dass alle Menschen, egal ob mit deutschen oder mit ausländischen Qualifikationen und Berufsabschlüssen, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten am Arbeitsmarkt angemessen einsetzen können.
Gesellschaftlich und wirtschaftlich ist der Widerspruch zwischen demografisch bedingtem Fachkräftemangel einerseits und ungenutzten Potenzialen anderseits schon lange nicht mehr hinnehmbar. Wir fordern deshalb schon seit Langem, das brachliegende Potenzial mitgebrachter Bildungsressourcen zu heben und die Chancen, die sich daraus für die Wissensgesellschaft, den Arbeitsmarkt und nicht zuletzt integrationspolitisch ergeben, zu nutzen.
Im Moment sind Anerkennungsverfahren kompliziert, unübersichtlich und auf eine Vielzahl von Stellen verteilt. Die Bundesregierung will nun die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse erleichtern. Bundesbildungsministerin Annette Schavan hat vorgestern nach eineinhalb Jahren interner Beratung die Pläne vorgestellt. Wir begrüßen, dass es ein einheitliches Anerkennungsverfahren geben soll, zu dem jede und jeder einen Rechtsanspruch auf Durchführung eines Anerkennungsverfahrens erhält.
Auch die angestrebte dreimonatige Bearbeitungsfrist, binnen der nach Vorlage sämtlicher Unterlagen eine Entscheidung über die Anerkennung erfolgen soll, halten wir für den richtigen Weg. Problematisch ist, dass der Gesetzentwurf keinen Anspruch auf Beratung und Begleitung der Betroffenen im Verfahren enthält. Er fällt hier hinter das Eckpunktepapier der Bundesregierung aus dem Jahr 2009 zurück, in dem die Idee von Erstanlaufstellen erwogen wurde. So besteht die Gefahr der Beratungsangebote nach Kassenlage.
Positiv hervorzuheben ist, dass eine einmal erteilte Anerkennung für ganz Deutschland gelten soll. Wir fordern: Auch bei den Berufen in Länderzuständigkeit müssen die Anerkennungsbescheide in allen Bundesländern gelten.
Wir denken, dass wir einheitliche Ansprechpartner wie zum Beispiel das Bundesinstitut für Berufsbildung, brauchen. Die jetzige Zersplitterung der zuständigen Stellen muss möglichst überwunden und die Struktur muss transparent und schlank gehalten werden. Für die Fälle der Teilanerkennung brauchen wir eine finanziell gut ausgestattete und praktikable Anpassungsqualifizierung. Niemandem ist geholfen, wenn sich ein Ingenieur als Taxifahrer durchschlägt oder eine ausgebildete Ärztin als Putzfrau arbeiten muss, weil ihre Qualifikation bei uns nicht anerkannt wird.
Nun zu unserem Abstimmungsverhalten! Ich finde die Diskussion und die Anträge, die sich so aufschaukeln, etwas befremdlich. Wir haben es mit einem hochkomplexen Thema zu tun, allein schon bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Das hat der linke Antrag aufgenommen. Dieses Thema müssen wir schon allein im Ausschuss behandeln. Dann kommt die CDU und kann wohl nicht damit leben, dass das Thema allein ein wichtiger Aspekt ist, und kommt noch mit dem Fachkräfteaspekt. Schließlich kommt die SPD noch mit der Stärkung der Frauen, der Menschen mit Behinderung und dem Übergang von Schule und Beruf. Man sieht, dass die Sprecherinnen und Sprecher aus ganz unterschiedlichen Bereichen kommen - Wirtschaft bei CDU und FDP und eher bildungs- und integrationspolitischer Bereich bei uns. Wir müssen alle drei Anträge an den Ausschuss überweisen, um dann eine qualifizierte Debatte zu führen.
Das lohnt sich doch, auch wenn die FDP sagt, sie wolle den SPD-Antrag niederstimmen. Herr Callsen hat vorhin gesagt, darin stünden viele richtige Sachen. Ich finde, das wird der Debatte nicht gerecht.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN - Christopher Vogt [FDP]: Einfach mal behaupten! - Dr. Christi- an von Boetticher [CDU]: Aber ein Versuch war es wert! - Weitere Zurufe)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir die Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen diskutieren, müssen wir aus einer fachlichen Sicht heraus zwischen Fachkräftegewinnung und Integrationsdebatte unterscheiden. Nicht, dass diese Aufteilung sonderlich befriedigend ist, aber es muss trotzdem unterschieden werden zwischen den Menschen, um die politisch geworben wird, und den Menschen, die politisch nur akzeptiert werden. Mit anderen Worten: Bei der Anerkennung von beruflichen Qualifikationen wird mit zweierlei Maß gemessen.
Der Antrag von CDU und FDP zum Fachkräftepotenzial macht es deutlich. Dort geht es um die Gewinnung von hochqualifizierten Fachkräften für die Weiterentwicklung der Wirtschaft, was aus Sicht des SSW durchaus sinnvoll ist. Dies ist aber kein Antrag, der sich mit der Integration von Migrantinnen und Migranten auseinandersetzt. Genau hier liegen aber die größten Probleme und der dringendste politische Handlungsbedarf bei der Anerkennung von Qualifikationen.
Die Landesregierung hat 2010 in ihrem Bericht zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen bereits deutlich gemacht, mit welchen Problemfeldern wir es hier zu tun haben. Es gab bisher keine allgemeine Rechtsgrundlage und keinen allgemeinen Rechtsanspruch für die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse. Jeder Ausländer der nach Deutschland kam und in seinem erlernten Beruf arbeiten wollte, war ein Einzelfall, und genau hier liegt das Problem.
Für die 16 Bundesländer gibt es bisher keine einheitlichen Verfahren, keine einheitlichen Kriterien, keine einheitliche Beratung und keine einheitliche Zuständigkeitsstelle. Die Länder haben sich bisher davor gescheut, die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen bei der KMK finanziell besser auszustatten und damit eine zentrale Anlaufstelle für ganz Deutschland zu entwickeln. Dies bedeutet, dass jede Person, die ihre erworbenen Qualifikatio
nen anerkannt haben möchte, ein Sonderfall ist und ihren eigenen Weg durch das Labyrinth finden muss.
Unser Nachbarland Dänemark macht vor, dass es auch anders geht. Die dänische Agentur für Internationale Bildung ist die zentrale Anlaufstelle für alle Gymnasial-, Hochschulund Berufsabschlüsse. Hier werden Abschlüsse entweder direkt bewertet oder die zuständige Stelle benannt. Das Verfahren darf bis zu drei Monate dauern, im Durchschnitt werden aber nur 27 Tage gebraucht.
Mit dem vorgestern im Bundeskabinett beschlossenen Gesetz zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen macht die Bundesrepublik einen Schritt in die richtige Richtung. Sowohl die Verankerung des Rechtsanspruchs als auch die schnellere Bearbeitung des Verfahrens und das Aufzeigen von Qualifizierungsmaßnahmen sind wichtige Eckpunkte, um Anerkennungsverfahren zu erleichtern.
Für den SSW möchte ich aber auch deutlich sagen, dass dies nur die ersten Schritte sein können. Deutschland darf nicht das Land der begrenzten Möglichkeiten sein, in dem gut qualifizierte Menschen nicht erkannt werden. Um aus einem Bericht des „Spiegels“ aus dem letzten Jahr zu zitieren:
„Für jeden Betroffenen ist es ein persönliches Drama, schlimm genug, für den Staat aber summieren sich die Schicksale zu einer politischen Dummheit und einer volkswirtschaftlichen Verschwendung.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Sinn müssen wir ganz einfach lernen umzudenken und nicht nur danach fragen, welche Papiere jemand mitbringt. Vielmehr müssen wir danach fragen, was diese Person kann.
Angesichts des drohenden Fachkräftemangels müssen wir daher weitere Rahmenbedingungen schaffen, um die Anerkennung von Qualifikationen aus dem Ausland zu erleichtern. Die Bundesländer sollten hier wirklich an einem Strang ziehen und gemeinsam vorgehen, um Verfahren, Kriterien, Beratung und Zuständigkeiten transparent und einheitlich zu gestalten.
Jetzt noch ein paar Bemerkungen zu den vorliegenden Anträgen. Ich teile ausdrücklich auch die Einschätzung der Kollegin Strehlau. Ich finde, es wäre gut, wenn wir im Ausschuss diese Ansätze noch einmal miteinander beraten könnten, sodass wir dann auch einen Antrag aus einem Guss heraus for
Zu unserem Abstimmungsverhalten, falls das nicht klappen sollte - leider deutet vieles darauf hin -, dass in der Sache abgestimmt werden soll: Wir werden dem Antrag der LINKEN zustimmen. Wir können auch der Ausschussüberweisung zustimmen. Das ist gut, ich finde, das ist ein guter Anfang. Zum Antrag von CDU und FDP werden wir uns enthalten, weil der Antrag gute Ansätze hat, aber genau das nicht aufgreift, was aus unserer Sicht wichtig ist, nämlich die Frage, wie wir mit der neuen Freizügigkeit in der EU umzugehen haben. Das haben wir in der letzten Landtagstagung miteinander diskutiert. Es ist deshalb aus unserer Sicht zu wenig, das einfach zu begrüßen oder zu bejubeln. So einfach geht das nicht. Das muss in einem Antrag mit diskutiert und untergebracht werden. Wir können dem SPD-Antrag zustimmen, und wir werden uns bei dem Antrag der regierungstragenden Fraktionen enthalten.