Protokoll der Sitzung vom 25.03.2011

- Was hört ihr denn nicht gern? - Hört doch einmal zu. Ein Beispiel ist das Projekt Bunte Kuh in Lübeck. Dieses hat der Herr Innenminister seit 2008 gefördert, und zwar mit 410.000 € an Bundes- und Landesmitteln. Laut der Antwort auf eine Kleine Anfrage im Januar mit der Frage, inwieweit eine Projektfortsetzung zur weiteren Stabilisierung des Stadtteils Bunte Kuh erforderlich ist, lautete: Das kann zurzeit noch nicht beurteilt werden. Das ist nach zweieinhalb Jahren in der Tat auch eine Bilanz. Ich will Sie daran erinnern, dass die Landesregierung Mitte der 80er-Jahre den Stadtteil Gaarden saniert hat. Ich möchte kurz zitieren, was der

(Bernd Schröder)

Herr Oberbürgermeister Albig im Januar bei einer Veranstaltung im Kreis Plön gesagt hat:

„Jedes Jahr muss die Stadt Kiel nur für den Stadtteil Gaarden Transferleistungen in Höhe von 100 Millionen € aufbringen.“

100 Millionen € - da frage ich Sie: Was haben diese Maßnahmen allein durch das Geld gebracht?

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Henning Höpp- ner [SPD])

- Keine Sorge, ich kenne das Ostufer. Ich kenne auch Dietrichsdorf und andere Stadtteile. Gehen Sie einmal tagsüber dorthin, wenn dort zum Teil herumgestanden und herumgesessen wird mit Heidewitzka und anderem mehr. Auch das gehört zu dieser Diskussion. Darüber will ich nicht schweigen. Nehmen Sie ein anderes Beispiel, die Kieler Innenstadt.

(Zurufe)

- Ich meine den Sophienhof in der Innenstadt. Mitte der 80er-Jahre gab es dort total kaputte Häuser: Dort musste alles unter Polizeischutz freigeräumt werden, um alles neu zu bauen; ein jetzt prosperierendes Gebiet.

(Zurufe von der SPD)

- Da musst du nicht „Oh!“ sagen, da musst du dabei gewesen sein. Das ist der Unterschied. Wenn investiert wird, dann muss auch mit einem Ergebnis gerechnet werden. Hier gibt es Unterschiede. Lassen Sie mich hier einen weiteren Punkt hinzufügen.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

- Herr Kollege, das geht alles von meiner Zeit ab. Hören Sie lieber zu. Sozialorientierte Dinge und soziale Initiativen sind nur Schlagworte. Mehr ist das zurzeit nicht. Wir brauchen aber nicht mehr Geld für das Verwalten, wir brauchen zielgerichtete und effektivere Maßnahmen. Ich will diese kurz in Stichworten nennen: Mehr Investitionen in Bildung, aber das ist nicht das Thema, über das wir uns hier unterhalten. Wir brauchen mehr Bereitschaft zum Ehrenamt und zur Hilfe für die Gemeinschaft.

(Zurufe von der LINKEN)

- Wissen Sie was? - Ich finde das ganz großartig. Einer der Gründe, warum der ländliche Raum weniger kostet, liegt darin, dass dort viel mehr Menschen bereit sind, sich ehrenamtlich zu engagieren und einen Beitrag zu leisten. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wer zum Beispiel sagt, er wolle sich engagieren, der muss das auch im ehrenamtlichen Miteinander tun.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

- Herr Kollege Fischer, wir brauchen drittens eine zielgerichtete und passgenauere soziale Begleitung. Wir brauchen viertens weniger Spielhallen, um ein Beispiel dafür zu nennen, was auch in Stadtbereichen nötig ist. Wir brauchen mehr Engagement von Menschen. Wir brauchen - wie ich es gesagt habe vielleicht auch mehr Bereitschaft, sich einzubringen.

Ein weiterer Punkt ist die innere Sicherheit. Das ist bei diesen Problembereichen ein ganz großes Thema, und zwar gerade in der Stadt Kiel, wie wir gehört haben.

Wir brauchen auch mehr generationen- und behindertengerechten Wohnungsbau, und zwar gerade für Ältere, für Singles und für Alleinerziehende. All dies sind Mittel, die aus der Städtebauförderung kommen. Diese wollen Sie bei diesem Thema wieder umlenken. All das auf einmal geht nach meinem Dafürhalten nur schwer.

Wir brauchen ein Fördern und ein Fordern in sozial schwierigen Stadtteilen wie in der Arbeitsmarktpolitik. Das ist mein Ansatz auch hier. Wir brauchen ein Fördern, aber auch ein Fordern. Nur beides zusammen kann zu einem Ziel kommen. Kiel und Lübeck sind in Teilen unterfinanziert, so wird es gesagt. Ich denke, dass das Problem in Stadtteilen ist, dass die Ausgaben nicht mit den Einnahmen in Einklang stehen, und zwar aufgrund der eigenen Struktur. Das ist das tatsächliche Problem, was wir hier haben. Deshalb habe ich mit der alleinigen Forderung, mehr Geld hineinzupumpen, meine Probleme.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Stegner?

Herr Kollege Kalinka, nachdem ich Ihre Ausführungen gehört habe, möchte ich Sie konkreter fragen: Könnte der Hinweis darauf, dass es in einem Stadtteil wie Gaarden so hohe Transferzahlungen gibt, nicht ein Indiz dafür sein, dass

(Werner Kalinka)

man solche Anstrengungen verstärken muss, damit die Transferleistungen geringer werden? - Könnte es nicht auch sein, dass gerade in den städtischen Bereichen, in denen das mit dem Ehrenamt nicht so ohne Weiteres funktionieren kann wie in kleineren Strukturen, der Grund dafür liegen kann, die sozialen Strukturen dort stärker durch solche Programme auszustatten, die so gut funktionieren?

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Ganz genau, Herr Kollege Stegner. Wir brauchen mehr Anstrengungen in dieser Richtung, aber nicht allein mit dem Fokus von Geldzuwendungen für bestimmte projektbezogene Dinge.

(Zurufe von der SPD)

- Das Mindeste ist, dass Sie mir die Chance geben, Ihrem verehrten Herrn Vorsitzenden eine Antwort zu geben. - Wir brauchen einen Gesamtansatz, der weiter geht als diese sektoralen Maßnahmen. Ich versuche, dafür zu werben und mich dafür zu engagieren. Es soll nicht das Gefühl aufkommen, dies sei ein einzelnes Projekt, das für sich auch ganz gut laufen mag. Dafür hätten wir dann unser Alibi dafür, dass alles in Ordnung ist. Das kann nicht der richtige Ansatz sein. Ich bin davon überzeugt, dass wir in der Städtebau- und Wohnungsbauförderung zu einem Umdenken kommen müssen. Das ist der Unterschied, den ich versuche darzulegen.

Aufgrund Ihrer Frage möchte ich einen weiteren Punkt darlegen. Ich denke, dass bestimmte Förderungen kritisch unter die Lupe genommen werden müssen. Wenn wir 410.000 € an Fördermitteln für ein Projekt in Lübeck ausgeben und das Ergebnis nach zwei bis drei Jahren ist, dass wir keine positive Bilanz ziehen können, dann ist das für mich eine Aussage, mit der man sich beschäftigen muss.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich deshalb abschließend sagen: Nötig sind ein veränderter Politikansatz und ein sozialer Begleitungsansatz. Das ist das, was ich eben versucht habe, dem Kollegen Stegner zu vermitteln. Ich halte es für notwendig, darüber zu sprechen und den Dialog darüber miteinander zu führen. Denn, wie gesagt: Soziale Ausgaben müssen in den Städten mittel- und langfristig mit den Einnahmen in Einklang stehen. Sonst werden wir es nicht hinbekommen. Darüber können wir gern im Ausschuss diskutieren, und das sollten wir auch tun.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der FDP erteile ich Frau Kollegin Anita Klahn das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Opposition möchte uns heute dazu bewegen, über den Bundesrat die Finanzierung des Projekts „Soziale Stadt” nach der Kürzung wieder anzuheben und die Beschränkung auf bauliche Ausgaben aufzuheben.

(Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau! - Beifall von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der LINKEN und SSW)

- Schön. Das habe ich also richtig verstanden. Klatschen Sie ruhig weiter. Sie haben 4 Minuten und 36 Sekunden dafür Zeit.

Der Titel des Antrags suggeriert aber bereits die These, die Bundesregierung wolle das Projekt ohne eine Intervention einstampfen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Falsch, meine Damen und Herren! Auch der FDP liegen gesunde Stadtteile am Herzen. Dennoch hatte die Reduktion der Mittel für dieses Projekt ihre guten Gründe.

(Zuruf von der SPD: Sparen Sie doch bei den Zahnärzten!)

Dem Bundesministerium für Verkehr und Stadt stehen im Haushalt circa 2 Milliarden € für Wohnungsbau, Gebäudesanierung und Stadtentwicklung zur Verfügung. Aus diesem Topf wird das genannte Programm finanziert. Diese Zahl mag zwar zunächst beeindruckend klingen, sie ist aber gegenüber den 180 Milliarden €, die jährlich für soziale Ausgaben bereitstehen, eher klein.

Nun gilt es, Kosten und Nutzen von Investitionen sorgsam abzuwägen. Deshalb sollten die knappen Mittel dafür verwendet werden, in betroffenen Stadteilen Infrastrukturen zu schaffen, welche als Grundlage für die Erneuerung eines Stadtteils zu sehen sind. Dieser Etat ist damit die einzige Möglichkeit des Bundes, den Kommunen investiv unter die Arme zu greifen. Ein „All-inclusive-Paket“ kann es aus Berlin nicht mehr geben. Die Verantwortung zum Betrieb und Unterhalt von Einrich

(Werner Kalinka)

tungen liegt bei kommunalen Institutionen sowie bei den Menschen in den Stadtteilen.

Herr Kalinka hat es bereits angeführt; ich führe noch ein Beispiel aus dem Flensburger Stadtteil Nordstadt an: Hier hat sich gezeigt, dass das Einbeziehen und die Mitarbeit der Menschen vor Ort die ganz entscheidenden Bausteine sind. Hierauf sollten wir in Zukunft auch unser Augenmerk richten.

(Zurufe von der SPD)

Die Koalition in Berlin steht genauso wie die Koalition in Kiel vor der Herausforderung der Haushaltskonsolidierung. Somit ist es auch im Bereich der Städtebauförderung notwendig, Prioritäten zu setzen. Unsere Priorität lautet hier: investive Maßnahmen. Durch das Ausklammern der nicht investiven Maßnahmen steht mehr Geld für das Schaffen von nachhaltigen Strukturen in den Stadtteilen zur Verfügung.

Der Bericht „Soziale Stadt“ von 2004 zeigt auf, dass bauliche Defizite, Arbeitslosigkeit, aber auch Sozialhilfeabhängigkeit die herausragenden Probleme sind. Da, denke ich, helfen auch nur andere Maßnahmen. Eine dieser Maßnahmen hat Herr Kalinka bereits genannt: Bildung ist einer dieser Bausteine.