Protokoll der Sitzung vom 25.05.2011

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Robert Habeck?

Sehr gern.

Herr Kollege Koch, habe ich Sie so verstanden, dass die Haushaltsstrukturkommission alles in Bezug auf Sparmaßnahmen geprüft hat? - Also Universitäten, Kulturmaßnahmen und das Blindengeld abzubauen und so weiter, nur nicht Infrastrukturprojekte? Wie erklären Sie das bitte?

- Ich würde nie behaupten, dass wir wirklich alles geprüft haben. Niemand ist perfekt. Wir haben sehr vieles geprüft. Das muss nicht alles gewesen sein. Wir haben auch Verkehrsprojekte geprüft. Wir haben im Bereich des Landesstraßenbaus Kürzungen vorgenommen. Sie aber stellen jetzt Projekte infrage, die weiterhin Bestandteil des Haushalts sind,

(Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und zwar aus guten Gründen, die wir abgewogen haben. Diese Projekte sind weiterhin Bestandteil. Wir bekennen uns weiterhin zum Ausbau der A 20. Wir bekennen uns weiterhin zur festen Fehmarnbelt-Querung. Es war offensichtlich Ihr Anliegen zu sagen: Wir als Grüne sanieren den Haushalt, indem wir dann, wenn wir an die Regierung kommen sollten, diese Verkehrsprojekte streichen. Frau von Kalben sammelt das jetzt schon wieder ein. Wir warten daher auf neue Vorschläge von Ihnen.

Jetzt gibt es keine weiteren Fragen mehr, Sie können fortfahren.

Ich hätte auch weitere Fragen beantwortet. Ich glaube, dass diese Große Anfrage ebenso wie jede weitere Zwischenfrage hier im Plenum nur helfen kann. Sie alle führen zu einem fortgesetzten Erkenntnisgewinn bei der Opposition.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Ich prophezeie Ihnen: Wenn Sie sich weiter damit beschäftigen, dann werden Sie auch die Kritik, die Sie in den vergangenen Monaten so vehement gegen unseren Doppelhaushalt vorgetragen haben, nicht mehr vortragen. Je länger und je intensiver sich die Opposition mit der Finanzsituation Schleswig-Holsteins beschäftigt, umso eher werden Sie erkennen, dass an diesen Kürzungen kein Weg vorbeiführt.

Wenn wir das gesetzte Ziel erreichen und die Neuverschuldung auf null reduzieren wollen, dann hilft es nicht, immer nur nach Bundesratsinitiativen zu schreien und zu sagen: Die anderen in Berlin müssen das machen, sie müssen das für uns regeln! Wir müssen unsere Hausaufgaben selbst machen. Es ist anzuerkennen, dass sich die Grünen dieser Herausforderung stellen. Insofern war der Arbeitsaufwand für die Beantwortung der Großen Anfrage sicherlich nicht umsonst, schließlich ist die Haushaltskonsolidierung mit dem beschlossenen Doppelhaushalt keineswegs abgeschlossen. Auch in den nächsten Haushalten wird es um weitere Kürzungen gehen. Ich sehe deshalb mit Freude einem weiteren Erkenntnisgewinn bei den Grünen entgegen.

(Beifall bei CDU und FDP)

(Tobias Koch)

Meine Damen und Herren, ich erlaube mir den Hinweis, dass wir den Dringlichkeitsantrag heute um 15:35 Uhr aufrufen werden.

Zum aktuellen Tagesordnungspunkt erteile ich nun für die SPD-Fraktion der Frau Abgeordneten Birgit Herdejürgen das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Erkenntnisgewinn ist das so eine Sache. Manchmal habe ich Probleme, der inneren Logik von Tobias Koch zu folgen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben vorgestern erfahren, dass die schleswigholsteinischen Sparanstrengungen nicht ausreichen und dass wir - wie auch Berlin, Bremen und das Saarland - künftig ein sehr eng gestaltetes Sanierungskonzept einhalten müssen, auf das auch der Bund und die anderen Länder schauen werden. Bund und Länder haben sich - das wissen wir alle - 2009 auf eine Grundgesetzänderung verständigt, um ihre Haushaltswirtschaft von einem gemeinsamen Stabilitätsrat überwachen zu lassen. Dieser hat nun festgestellt, dass Schleswig-Holstein eine Haushaltsnotlage droht.

Ich glaube, dass allen Fraktionen, die der Schuldenbremse in der Landesverfassung zugestimmt haben, bewusst war, dass die notwendigen Kürzungen Schleswig-Holstein im besonderen Maße treffen werden. Genau das war der Grund dafür, weshalb wir so sehr auf einen Altschuldenfonds gedrängt haben. Die Bundesländer sollten unter vergleichbaren Voraussetzungen in einen fairen Wettbewerb treten. Wir haben die Umsetzung der Schuldenbremse ohne Altschuldenregelung für sehr schwierig gehalten.

Der Hinweis in der Antwort auf die Anfrage der Grünen, dass nun rechtzeitig Schritte für den Doppelhaushalt 2013/2014 einzuleiten sind, reicht dem Stabilitätsrat offenbar nicht. Dieser kritisiert, dass die Finanzplanung für 2013 und 2014 nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form vorgelegt wurde, sondern „deutlich weniger detailliert und spezifiziert“. Sie ist also mitnichten eine Basis für eine seriöse und nachvollziehbare Lösung für den Abbau des Defizits. Auch das ist ein Zitat aus der Antwort auf die Anfrage.

Es fehlen auch grundlegende strukturelle Veränderungen. Zwar ist das Defizit zurzeit geringer als

der festgelegte Schwellenwert, aber das ist auf die gute Konjunktur zurückzuführen. Das ist positiv. Es ist sicherlich auch richtig, dass wir uns die Frage stellen müssen, was wir tun können, um in Schleswig-Holstein mehr Wachstum zu generieren. Auch da erwarte ich von der Landesregierung einen kritischen Blick auf die Unterstützung von Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Hier haben wir Gespräche geführt. Der Blick in andere Bundesländer, die an dieser Stelle Standards setzen, hinter denen wir in Schleswig-Holstein noch zurück sind, wäre hilfreich.

Von dem umfangreichen Aufgabenabbau als Voraussetzung für den Personalabbau in Budget I, der auch angesprochen wurde, hat noch nichts das Licht der Öffentlichkeit erreicht. Insofern sind wir an der Stelle ebenfalls noch nicht weiter. Das macht die Einsparungen im Budget I sehr undurchsichtig.

Fazit, bezogen auf die Antwort, aber auch auf die Finanzplanung, ist: Die Finanzplanung ist sicherlich ein hilfreiches, aber zurzeit auch ein eher theoretisches rechnerisches Konstrukt. Aufschluss darüber, wohin die Reise für die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein geht, gibt sie mit Sicherheit nicht. Angesichts der Tatsache, dass der Stabilitätsrat in das Verfahren eingebunden ist, enthält diese mangelnde Transparenz eine neue Bedeutung, weil die Planungen zukünftige Landtage binden werden. Bürgernahe Politik sieht anders aus, und die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, dass mit ihnen Klartext geredet wird, wenn es um künftige Leistungen des Landes geht.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das gehört aber nicht zu den Steckenpferden der Landesregierung. Das haben wir schon festgestellt. Wenn ein schon verabschiedeter Haushalt ins Netz gestellt wird, dann hat das mit Beteiligung wirklich nichts zu tun.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Herr Wiegard, was mich bei der Durchsicht der Pressemitteilungen in der letzten Zeit ein bisschen gewundert hat, ist das doch eher absurde Bekenntnis zum Thema beitragsfreies Kindergartenjahr. Die 35 Millionen €, die uns ironischerweise durch eine Steuermehreinnahme verlustig gehen, hätten Sie gern für die Beitragsfreiheit ausgegeben? - Von diesem Verlustgeschäft wussten Sie noch nichts, als Sie die Beitragsfreiheit eingestampft haben. Bitte streuen Sie den Menschen keinen Sand in die Augen.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Auch das ist in der letzten Zeit in der Presse hochgekommen: Deutlich wehren sollten wir uns gegen eine Steuerautonomie des Landes, denn dabei werden wir als Schleswig-Holsteiner verlieren. Wenn wir besonders niedrige Steuersätze erheben, um wettbewerbsfähig im Vergleich zu anderen Ländern zu bleiben, dann fehlen uns die öffentlichen Mittel. Wenn wir hohe Steuern erheben, dann setzen wir damit Anreize für Unternehmen und für Gutverdienende, ihr Geld in steuerfreundliche Länder abzuführen. Wie man es auch macht, für Schleswig-Holstein ist die Steuerhoheit genauso schlecht wie für andere arme Länder.

Daher fordern wir - es wurde schon angesprochen -: Verhandeln Sie noch einmal, wenn nötig, mehrmals über eine faire Altenschuldenregelung! Denn davon profitieren alle Länder, wenn man das richtig eintütet. Lassen Sie die Finger von der Steuerautonomie, sagen Sie den Menschen in Schleswig-Holstein endlich, wohin der Sparkurs sie führt!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Katharina Loedige das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein umfangreicher Fragenkatalog der Grünen wurde von der Landesregierung ebenso umfangreich und erschöpfend beantwortet. Dafür sage ich herzlichen Dank.

Viele der Fragen hätten die Grünen sich allerdings auch selbst beantworten können. Wie sich aus der Anlage 4 der Antwort ergibt, wurden viele Fragen schon in anderen Drucksachen beantwortet. In der Frage nach den Auswirkungen einer Zinssteigerung am Kreditmarkt um 1 % hätten die Grünen beispielsweise auch einfach den Taschenrechner nehmen können, statt die Landesbeamten zu bemühen.

Zur Beantwortung der Frage nach den Einnahmeverbesserungen durch die geplante Änderung beim Glücksspielwesen: Diese Frage hätte sich Frau Heinold mit ihrem gesunden Menschenverstand ganz schnell selbst beantworten können. Was heute noch auf dem Schwarzmarkt ohne Steuern verspielt wird, soll ab dem 1. Januar 2012 in Schleswig-Holstein auf einem liberalisierten Markt versteuert werden.

Das bringt nun einmal Einnahmen, darüber braucht man gar keine Fragen zu stellen.

An der Beantwortung der umfangreichen Frage nach einer Mindestausstattung der Kommunen haben die Grünen vor einem Jahr, als es bezüglich der Schuldenbremse um die Änderung der Landesverfassung ging, selbst mitgewirkt. Der Formulierung, dass die Gewährung eines kommunalen Finanzausgleichs ausdrücklich in den Rahmen der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes gestellt wird, haben die Grünen zugestimmt. Ich weiß nicht, was diese Frage soll.

Während Sie die Landesbeamten mit Fragen beschäftigt haben, haben sich die Grünen aber auch selbst aktiv betätigt. Sie haben einen Mitmachhaushalt ins Netz gestellt.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Furchtbar, nicht?)

- Nein, super, das finde ich gut. Ich begrüße das. Sie erklären allerdings auf Ihrer Internetseite, dass beschlossene Sparmaßnahmen nicht zur Abstimmung stehen. Noch im Dezember haben Sie allerdings von unsozialen, ungerechten und unvernünftigen Maßnahmen geredet. Jetzt wollen Sie diese allerdings nicht mehr zur Disposition stellen. Ihre Handlungen und Ihre Aussagen haben eine kürzere Haltbarkeitszeit als unbehandelte Milch.

(Beifall bei der FDP)

Sie sagen, dass unsere Maßnahmen für Unmut bei den Bürgern, bei den Vereinen und Verbänden geführt haben. Das ist richtig. Warum stellen Sie diese Maßnahmen dann aber nicht konsequenterweise zur Internetabstimmung? Denn nur dann macht der von Ihnen beschriebene Weg, die Menschen mitzunehmen, wirklich Sinn.

(Beifall bei der FDP)

Frau Abgeordnete Loedige, lassen Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Heinold zu?

Frau Loedige, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass unser Mitmachhaushalt so funktioniert, dass wir 35 Fragen zur Abstimmung gestellt haben, jede Bürgerin und jeder Bürger selbst Fragen formulieren und einstel

(Birgit Herdejürgen)

len kann und bereits über 20 Vorschläge von Bürgerinnen und Bürgern eingegangen sind, sodass jeder über seine Maßnahmen abstimmen lassen kann, die er vorschlägt?

- Das habe ich zur Kenntnis genommen. Ich komme gleich dazu; das ist mein nächster Satz. Ich werde Ihnen das mit Ihrem Mitmachhaushalt erläutern.

Sie suggerieren den Bürgerinnen und Bürgern, dass Sie sie an der Gestaltung der Zukunft unseres Landes aktiv beteiligen wollen. Wenn sie es ehrlich meinen, bedeutet das in der Konsequenz, dass Sie sich die Mehrheit der Internetmeinungen zu eigen machen, sie also zu ihrer grünen Politik machen. Alles andere wäre Augenwischerei. Ansonsten würden Sie die Bürger hinter den Busch führen.