Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

(Luise Amtsberg)

sondern das kommt - das können wir alle für uns in Anspruch nehmen - aus vollem Herzen und ist durchaus mit tatkräftiger Unterstützung verbunden. Selbstverständlich werden wir Flüchtlinge aus diesen Regionen aufnehmen, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, in Abstimmung mit Bund, Ländern und EU.

Schleswig-Holstein ist allein nicht in der Lage, die Flüchtlingsproblematik in dieser Region zu lösen, und zwar im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten. Ich finde es nicht unlauter, darauf hinzuweisen, dass finanzielle Möglichkeiten einen gewissen Rahmen setzen. Wir können das Geld ja nicht einfach irgendwo herholen. All diese Dinge müssen bezahlt und geleistet werden, was im Übrigen auch bereits getan wird.

Natürlich hoffen auch wir, dass die europäische Staatengemeinschaft schnell zu Lösungen kommt. Die Zeit drängt. Wir konnten es heute den „Kieler Nachrichten“ entnehmen: In den Flüchtlingslagern nimmt die Unruhe zu, und es wird immer schwieriger, hier wirklichen helfen zu können. Die Mitarbeiter von UNHCR wurden abgezogen. All das ist äußerst besorgniserregend.

Meine Damen und Herren, selbstverständlich leisten wir humanitäre Hilfe. Wir tun das bereits in Zusammenarbeit mit dem UNHCR, mit dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes, mit dem DRK, mit dem THW. Wir geben hier sowohl Personal als auch Geld hinein und haben in der Vergangenheit, in den letzten Monaten der einheimischen Bevölkerung humanitäre Unterstützung geboten, haben Gastarbeiter aus Libyen evakuiert. All dies wird getan. Sie erwecken hier immer den Eindruck, als würde die Bundesrepublik überhaupt gar nichts unternehmen. Dies ist falsch.

(Beifall bei der CDU)

Wir tun das allerdings in Zusammenarbeit mit der EU, mit der Staatengemeinschaft. Der G-8-Gipfel in Deauville wird sich auch heute beziehungsweise morgen mit diesem Thema erneut auseinandersetzen und - ich habe es schon ein mal gesagt, ich hoffe - möglichst bald zu tragfähigen Lösungen kommen.

Natürlich wäre es schön, wenn die Beratungen innerhalb der EU um das Resettlement-Programm schon weitergekommen wären. Wir haben das hier im Landtag verschiedentlich schon angesprochen. Wir sind uns einig darin, dass wir das ausgesprochen positiv begleiten. Wir sind sehr gespannt auf den Bericht des Ministers, der uns, denke ich, in der nächsten Zeit zugeleitet werden wird. Selbstver

ständlich werden wir uns dann, wenn die Bundesregierung entschieden hat, an diesem ResettlementProgramm auch beteiligen.

Selbstverständlich, meine Damen und Herren, werden wir auch in Zukunft für Frontex Personal und Ressourcen zur Verfügung stellen. Sie tun gerade so, als handle es sich hier um irgendeine obskure Söldnertruppe. Und wenn die Linke hier von Festung Europas spricht, halte ich das schon für recht zynisch.

(Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Zynisch ist, dass vor den Grenzen Europas täglich Flüchtlinge ertrinken!)

- Möchten Sie mir eine Zwischenfrage stellen? Ich schlage Ihnen vor: Unterhalten Sie sich mal mit der griechischen, mit der spanischen, mit der italienischen Regierung über die Sinnhaftigkeit! Es kann doch nicht die Lösung sein, dass wir die Grenzen alle aufmachen und jeder kann hineinkommen. Wie sollen wir die Probleme, die dann entstehen, eigentlich noch lösen?

(Beifall bei CDU und FDP)

Auch wir haben eine Verpflichtung unseren Bürgern gegenüber. Wir haben auch die Verpflichtung, illegale Einwanderung zu unterbinden. Wir haben die Verpflichtung, organisierte Kriminalität in diesem Bereich zu verhindern, und dabei hilft uns Frontex. Selbstverständlich hat sich Frontex an Menschenrechtsrichtlinien zu halten und die Menschenrechte einzuhalten. Das ist eine Selbstverständlichkeit.

(Beifall bei der CDU)

Was die Dublin-II-Richtlinie anbelangt, sehr geehrte Damen und Herren, haben wir hier sicherlich noch Weiterentwicklungsbedarf. Wir haben das häufig in den Ausschüssen diskutiert. Nun einfach zu sagen, Dublin II wird komplett abgeschafft, alles ist in Ordnung, ist zu einfach. Wir brauchen eine Vergleichbarkeit der Verhältnisse in der Flüchtlingspolitik in ganz Europa. Dazu ist dies ein Baustein. Und ein Baustein kann auch verändert werden.

Ich möchte abschließend bemerken: Wir werden selbstverständlich alle unsere Aufgaben und unsere Pflichten in der Region zu diesem Thema erfüllen gemeinsam mit Bund, Ländern und Europäischer Union.

Ich möchte hier auch einmal betonen: Das Mittelmeer ist keine Grenze. Das Mittelmeer ist auch Verbindung. Das Mittelmeer hat weitere Anrainer

(Astrid Damerow)

staaten, die ebenfalls betroffen sind. Es gab einmal einen Barcelona-Prozess. Über die erfolgreiche Arbeit der Mittelmeerunion kann man durchaus streiten. Aber all diese Einrichtungen sind da und müssen mit herangezogen werden.

(Rolf Fischer [SPD]: Es sind die Regierun- gen, die das verhindern!)

- Das ist nicht richtig. Lesen Sie die Anträge der Bundestagsfraktionen! Da können Sie deutlich erkennen, dass dem nicht so ist. Im Übrigen sind wir in diesen Regionen bereits tätig. Die Bundesregierung ist beteiligt an Transformationsgesellschaften für Tunesien, für Ägypten. Es gibt eine Kontaktgruppe Libyen, an der wir mitarbeiten. All diese Dinge werden getan.

(Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

- Natürlich kann man immer alles noch besser machen, Herr Fischer. Das streite ich gar nicht ab. Aber Sie können auch nicht so tun, als würde überhaupt nichts passieren. Ich finde, wir sind hier auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Gerrit Koch [FDP])

Hinsichtlich des Abschiebestopps nach Syrien möchte ich bemerken: Wir begrüßen außerordentlich, dass die Landesregierung hier bereits reagiert hat und die Aussetzung der Abschiebungen verfügt hat, zeitlich unbegrenzt. Ich weiß gar nicht, warum wir so scharf darauf sein sollen, das auf ein halbes Jahr zu begrenzen. Die Aussetzung ist unbegrenzt und bietet die Möglichkeit, hier flexibel zu reagieren.

Im Übrigen, meine Damen und Herren, glaube ich, dass wir alle weiteren Diskussionen über Syrien dann führen sollten, wenn wir mehr Klarheit haben, wie sich die Dinge dort entwickeln werden. Es mag auch einmal die Möglichkeit geben, dass sich in diesem Staat etwas zum Besseren entwickelt. Sie setzen immer voraus, dass alles so bleibt, wie es ist. Dem ist nicht so.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja, letzter Satz, bitte. - Infolgedessen halten wir auch die Diskussion um das Bleiberecht und um das Rücknahmeabkommen zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht. Wir werden die Lage in Syrien

beobachten. Wir haben deshalb die Landesregierung auch gebeten, uns im Ausschuss darüber Bericht zu erstatten. Dies gibt uns als Landtag die Möglichkeit, uns fortlaufend mit diesem Thema zu beschäftigen.

Im Übrigen bin ich sehr der Ansicht, dass wir uns in unseren Ausschüssen insgesamt mit dem Thema Flüchtlingspolitik, Flüchtlingsströme aus Nordafrika intensiv auseinandersetzen müssen. Da bin ich ausnahmsweise einig mit Herrn Jezewski.

Ich bitte darum, unsere Anträge zu eigenständigen Anträgen zu erklären, und bitte um ihre Zustimmung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden Dr. Ralf Stegner das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben das Glück, viele positive Umbrüche zu erleben - hin zu mehr Demokratie. Wenn man sich daran erinnert, wie das war, als man gebangt hat, wie die Machthaber in Moskau, Berlin oder Warschau damit umgehen würden, dann kann man heute nur voller Freude nach Tunesien oder Ägypten schauen und voller Sorge auf Syrien, Libyen und die anderen Länder, wo man das noch nicht abschätzen kann wie in Bahrain und Jordanien.

Was kann es Erfreulicheres geben, als wenn friedliche Demonstrantinnen und Demonstranten, getragen von der Mehrheit der Bevölkerung, einen Umsturz undemokratischer Regime in Richtung mehr Demokratie herbeiführen, meine sehr verehrten Damen und Herren?

(Beifall bei SPD und CDU)

Aber, solche Wandel sind mit enormen Gefahren verbunden. Wir sollten es denjenigen, die in den Ländern leben, nicht verübeln, wenn nicht alle dort bleiben und für ihre Rechte kämpfen, sondern auch manche flüchten, und zwar deswegen, weil sie vor bürgerkriegsähnlichen Zuständen oder auch nur vor einer sehr ungewissen Zukunft fliehen müssen. Da muss ich ehrlich sagen, wenn wir unseren Blick wieder nach Europa wenden, dass natürlich auch die massive Ausreise Druck und Wandel erzeugt hat.

Die Solidarität in der Region mit den Flüchtlingen ist übrigens überwältigend. Selbst in Tunesien - die

(Astrid Damerow)

haben, weiß Gott, genug mit sich selbst zu tun werden Hunderttausende Flüchtlinge aus Libyen aufgenommen, 20.000 libysche Familien privat aufgenommen. Statt die junge Demokratie tatkräftig zu unterstützen, das heißt wirtschaftlich und finanziell, reagiert bei uns die Angst. Die Angst geht sogar so weit, dass sie bis nach Dänemark reicht.

Die Gründe können den Flüchtenden wirklich egal sein. Aber die Konsequenz ist die gleiche: viel zu zaghafte Unterstützung wirtschaftlicher und finanzieller Hilfe. Bei Militär oder Frontex geht das ganz flott. Eine abschottende und menschenverachtende Haltung: Herr Bossi, der immerhin die konservative Regierung in Italien stützt, sagt: „Wenn ich die Flüchtlingsboote sehe, möchte ich Kanonendonner hören“. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Damerow, das ist das Problem, und nicht, dass wir uns vor Kriminalität zu schützen haben.

(Beifall von der SPD - Zuruf des Abgeordne- ten Dr. Christian von Boetticher [CDU])

Ich fand das sehr beschämend, dass Sie das ausgeblendet haben. Das ist nämlich eine menschliche Tragödie, da sind wir in der Pflicht. Im Übrigen ist das eine Verweigerung auf breiter Front, an einer europäischen Lösung mitzuarbeiten. Trauriges Beispiel ist der neue Innenminister Friedrich, der wirklich jedes Fettnäpfchen in den ersten Amtstagen getroffen hat und der die Meinung vertritt, die Flüchtlinge auf Lampedusa seien ein regionales Problem. Wo bitte, sehr verehrter Herr Minister Schmalfuß, ist Ihre tatkräftige Initiative für Resettlement - nicht immer nur Papiere und neue Kommissionen?

(Beifall bei der SPD)

Wir werden beim nächsten Tagesordnungspunkt darüber reden. Auch zu meinen, man könne Rechtspopulismus dadurch zurückdrängen, dass man sich ihm allmählich anschließt, wie zum Beispiel bei den Kommentaren zu den Grenzkontrollen in Dänemark, ist nur peinlich. Was der Ministerpräsident dieses Landes dazu gesagt hat, war wirklich an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Das ist Provinzialität, und das ist überhaupt nicht das Richtige.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Rechtsextremismus und Populismus kann man nur durch entschiedenen Widerstand zurückdrängen.

Frau Damerow, eines möchte ich Ihnen auch noch einmal sagen: Wir werden die Probleme in der Welt, die dazu führen, dass Menschen flüchten müssen, nicht lösen und Frieden und Stabilität brin

gen können, wenn wir nicht die sozialen Probleme lösen.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und der LIN- KEN)