Ich lasse schließlich über den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 17/1553, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist der Antrag Drucksache 17/1553 mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW angenommen worden.
Vielen Dank, dass Sie Ihr Abstimmungsverhalten so gestaltet haben, dass es für mich einfach nachvollziehbar war.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich gehe davon aus, dass der Antrag Drucksache 17/1556 alle anderen ursprünglich eingereichten Anträge ersetzt und nur über diesen abgestimmt werden soll. - Widerspruch höre ich nicht. Dann werden wir so verfahren.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Reisefreiheit ist ein sehr hohes Gut in der europäischen Politik. Für diejenigen, die alles in Heller und Pfennig ausdrücken wollen, haben wir heute Morgen schon gehört, wie wichtig es beispielsweise für das Logistikgewerbe ist, Zeit zu sparen, Bürokratiekosten zu sparen. Für diejenigen, die sich für Kultur interessieren - auch das haben wir beim ersten Tagesordnungspunkt grenzüberschreitend behandelt - mutet es schon ein bisschen grotesk an, dass wir, wenn wir uns gemeinsam für eine Kulturhauptstadt Europas einsetzen wollen, auf dem Weg dorthin kontrolliert werden. Für diejenigen, die über einen gemeinsamen Arbeitsmarkt diskutieren, die über gemeinsame Wissenschaftspolitik diskutieren, ist es schon sehr merkwürdig, dass Grenzkontrollen eingeführt werden sollen. Das passt nicht zusammen. Dagegen sollten wir uns gemeinsam wehren.
Was soll eigentlich passieren? Nüchtern betrachtet werden ein paar Grenzhäuschen aufgestellt, ziemlich teure Technik installiert. Man will - glaubt man der Presse - sogar Nummernschilder registrieren. Man muss kein großer Verbrechensbekämpfungsexperte sein, um zu sehen, dass das auf andere Art und Weise vielleicht kostengünstiger und effektiver organisiert werden könnte. Aber es sollte nicht unser Ansatzpunkt sein, anderen Ländern vorzuschreiben, wie sie das machen. Nichtsdestotrotz ist auch das für uns ein Problem, weil es nicht so sehr darum geht, was den Einzelnen betrifft, sondern darum, was dahintersteht. Das macht mir Sorge. Schengen soll nach den Worten der dänischen Regierung nicht betroffen sein. In der Tat erlaubt der Vertrag von Schengen anlassunabhängige Kontrollen. Wenn man die Europäische Kommission hört, scheint in Brüssel allerdings eine andere Bewertung vorzuliegen. Es wird interessant sein, zu verfolgen, wie es weitergeht. Ein Vertragsverletzungsverfahren wurde aus Brüssel schon angedroht. Das ist schon harter Tobak.
Was steht wirklich dahinter? Dahinter steht - das muss uns Sorge machen -, dass der Gedanke des Europas der offenen Grenzen verletzt wird. Auch dagegen sollten wir uns wehren.
Man mag der Meinung sein, dass man in Europa mit einem gewissen Maß an Rechtpopulismus leben muss und kann. Sorge muss uns aber machen, dass es so viele Menschen gibt, die dies scheinbar gar nicht so sehr interessiert. Sorge sollte uns machen, dass es so wenige Menschen gibt, die sich vor den Gedanken des freien Europas stellen. Auch die Opposition in Dänemark ist fast komplett hinter diesen Plänen versammelt. Das sollte uns Sorgen machen. Wir adressieren diesen Antrag zwar an die dänische Regierung, aber wir müssten die dänische Opposition mit adressieren. Es gibt leider sehr wenige, die sich dagegen wehren. In diesem Zusammenhang möchte ich die beiden Minderheitenparteien loben, die sich sehr schnell zusammengetan und deutliche Worte gefunden haben. Ich glaube, es war gut für die Debatte, dass gerade die Minderheitenparteien einen Schulterschluss geübt haben.
Das dahinter liegende Problem mit der Frage, warum sich so wenige Menschen für den europäischen Gedanken engagieren, bedarf einer intensiveren Debatte, als sie hier möglich ist. Es ist sicherlich so, dass berechtigte Kritik an der EU-Politik und an den EU-Institutionen manches Mal nicht ernst genommen wird und dass wir es nicht schaffen, die Vorteile des Gemeinschaftsprojekts ausreichend zu kommunizieren, sodass sich daraus Akzeptanzprobleme ergeben. Nicht stattfinden darf jedoch, dass wir eine Art der Renationalisierung verschiedener Politikfelder haben. Wir haben heute im Rahmen des ersten Tagesordnungspunkts und auch im Rahmen des zweiten Tagesordnungspunkts interessanterweise über Punkte gesprochen, die europäische Lösungen erfordern. Diese Renationalisierung der Politik behindert uns in unserem wirtschaftlichen Wachstum und in unserem Zusammenwachsen. Das müssen wir verhindern. Dabei dürfen wir uns auch manches Mal an die eigene Nase fassen.
Wir werden später noch über den europäischen Atomausstieg sprechen. Dabei müssen wir feststellen, dass wir das gesamte Thema bisher ziemlich brachial auf nationale Art und Weise behandelt haben. Ich habe in keiner Debatte gehört, dass wir
beispielsweise auf die Tschechische Republik, die Slowakei oder auf Belgien Rücksicht nähmen. Dort sind die Strompreise in den letzten Tagen erheblich gestiegen. Man fragt sich: Warum macht gerade Deutschland auf diesem wichtigen Feld eine Renationalisierung der Politik? - Es ist doch klar, dass wir das Thema der europäischen Energieversorgung nur gemeinsam lösen können. Unter dem Stichwort der Selbstkritik muss diese Bemerkung an dieser Stelle erlaubt sein.
Ein weiteres kleines Beispiel als Exkurs: Ich komme zum Antrag selbst zurück. Wenn Sie bei Google den Suchbegriff „Griechenland“ und „Diktatur“ eingeben, dann finden Sie überwiegend Einträge zu den Themen „Diktatur des IWF“, „Diktatur des Euro“, „Diktatur der EU-Bürokratie“. Dass von 1967 bis 1974 in Griechenland eine Militärdiktatur herrschte, wird oft vergessen. Das ist noch nicht lange her. Der dahinter liegende Gedanke darf stärker betont werden.
Der vorliegende Antrag ist in seiner Diktion moderat. Das ist auch gut so. Wir reden immer noch unter Freunden. Das muss betont werden. Unter Freunden darf man sich alles sagen, aber bitte im richtigen Ton. Wir wollen nicht den Falschen helfen, denn Muskelspiele und starke Aussagen in Richtung Dänemark würden - so glaube ich - eher das Gegenteil von dem bewirken, was wir wollen, und den Populisten in die Karten spielen. Wir wollen einer gefährlichen Entwicklung entgegenwirken. Wie sehen eine Gefahr für die Zusammenarbeit, deshalb gibt es diesen gemeinsamen Antrag. Ich freue mich, dass es gelungen ist, hier gemeinsam einen moderaten Antrag zu formulieren. Ich glaube, das ist der richtige Weg, um hier das Europa der offenen Grenzen zu verteidigen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Moderat zu sein, ist sicher manchmal gut. An dieser Stelle bin ich aber dafür, klar und deutlich zu sagen,
Schengen ist ein Symbol für Freizügigkeit, für Reisefreiheit, für Offenheit und für gegenseitiges Vertrauen sowie für gegenseitige Verantwortung. Von Beginn an erfuhr diese Regelung aber den Frontalangriff der Rechtspopulisten und Nationalisten Europas. „Eine Grenze muss sein“, so plakatierte die rechtspopulistische Dänische Volkspartei vor dem Schengen-Beitritt Dänemarks 1996. Die europäischen Rechtspopulisten ziehen überall Grenzen: zwischen Menschen, zwischen Völkern, Grenzen im Denken und Grenzen in der Politik. Rechtspopulismus ist das Gegenteil von Europa.
Auch deshalb führen wir heute diese Debatte. Es geht um mehr als nur um eine Entscheidung der dänischen Innenpolitik. Ob Kopenhagen 270 Millionen Kronen für die neuen Grenzkontrollen ausgibt, ist erst einmal nicht unsere Sache. Wenn aber durch diese Entscheidung die antieuropäischen Kräfte nicht nur gestärkt werden, sondern wenn es geradezu hoffähig wird, die europäischen Grundwerte infrage zu stellen, dann muss uns dies alarmieren. Das „Hamburger Abendblatt“ schreibt:
„Während die Gegner Europas stärker werden, sind seine Befürworter Leisetreter, die Bürger schweigen. Die europäische Einigung aber ist kein Selbstläufer, sondern kann zum Stillstand kommen, kann scheitern.“
Die Dänische Volkspartei zeigt, wie schnell europäische Werte infrage gestellt werden können und wie fast hilflos viele in Europa reagieren. Der deutsche Außenminister verspricht, dass es keine Rückschritte bei der Reisefreiheit geben solle, belässt es aber bei einer höflichen Anfrage in Kopenhagen. Bundesinnenminister Friedrich kritisiert Kopenhagen, bringt aber selbst neue Grenzkontrollen ins Spiel, um Flüchtlinge aus Afrika aufzuhalten. Unser Ministerpräsident fährt nach Kopenhagen, lässt aber nur erkennen, „dass man besorgt sei über gewisse Dinge“ und dass es da „eine Problematik“ gebe. Herr Ministerpräsident, verehrte Landesregierung, die ich bei diesem wichtigen Thema nicht verstärkt hier sitzen sehe, das ist zu wenig. Das ist sogar viel zu wenig.
Hier wären kritische Worte zur Dänischen Volkspartei, zur Europadistanz und zur traditionellen Fremdenfeindlichkeit dieser Partei nötig gewesen. Hier wäre ein deutliches Bekenntnis zur freien und ungehinderten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gefordert.
Stattdessen gibt es überraschenderweise Kritik an den deutschen Kritikern und sogar „aus unerfindlichen Gründen ein gewisses Verständnis“ für die dänische Regelung, wie es der FDP-Fraktionsvorsitzende interpretiert hat. Ist Verständnis für die dänische Regelung jetzt ein etwas hilfloser Versuch, um das angeschlagene Verhältnis zum nördlichen Nachbarn zu kitten? Ist das Wiedergutmachung für eine fatale Minderheitenpolitik und eine wenig überzeugende Dänemark-Strategie? Ein klares Bekenntnis zu Europa und zu Schengen wäre nötig gewesen.
Die Volksdänen-Partei ignoriert ganz bewusst die gute Kooperation im Grenzland. Sie tut alles, um diese einzuschränken und rückgängig zu machen. Der ultrarechte Politiker der Folkeparti, der Pastor Sören Kraarup, fordert - man höre und staune - die völlige Abschaffung der Grenzkontrollen, und zwar, indem man Flensburg und Schleswig wieder in den Schoß des dänischen Heimatlandes heimholt. Das wäre früher vielleicht noch skurril gewesen, es wäre vielleicht weltfremd und der krause Gedanke eines verirrten Schafes. Jetzt klingt es aber, wenn Sie mir gestatten, das so zu sagen, sehr ungemütlich. Diesen europafeindlichen Tönen muss laut widersprochen werden. Da ist mir die Landesregierung noch ein wenig zu still.
Die dänische Regelung erzeugt nämlich den Eindruck, in unserer Grenzregion gäbe es eine bedrohliche Sicherheitslage. Das ist nur vorgeschoben. Das ist rechtsradikale Strategie. Hier sollen Ängste geschürt werden, um sie politisch zu nutzen. Gegen organisierte Kriminalität hilft eben nicht nationale Abschirmung, sondern nur eine bessere europaweite Zusammenarbeit. Die deutsch-dänische Polizei- und Zoll-Bürogemeinschaft in Padborg muss endlich einen gesicherten Status erhalten. Dort macht man nämlich, wie wir das sehen konnten, eine gute Arbeit.