Zur Beantwortung der Großen Anfrage erteile ich dem Minister für Bildung und Kultur, Herrn Dr. Ekkehard Klug, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Fremdsprachen erweitern in jeder Hinsicht den Horizont. Wer sie erlernt, gewinnt neue Perspektiven und steigert seine beruflichen Chancen im In- und
Ausland. Daher haben wir ein großes politisches Interesse an einer umfassenden Fremdsprachenbildung in Schleswig-Holstein auch im Sinne des lebenslangen Lernens. Über die Grundsätze der Fremdsprachenentwicklung, über Erfolge, Entwicklungsbedarf, aktuelle Tendenzen und Perspektiven gibt die Antwort auf die Große Anfrage der SPDFraktion Aufschluss. Daran mitgewirkt haben auch das Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr sowie das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit. Für deren Beiträge bedanke ich mich hiermit noch einmal herzlich. Sie helfen, den Umfang des gesamten Spektrums deutlich zu machen.
In meinem Redebeitrag werde ich mich auf den schulischen Bereich konzentrieren. Dort ist das Angebot in den vergangenen Jahren erkennbar ausgeweitet worden, nämlich mit Englisch in der Grundschule, mit der zweiten Fremdsprache in Regionalund Gemeinschaftsschulen sowie mit dem Angebot eines sprachlichen Profils in der gymnasialen Oberstufe. Damit ist die Herausforderung verbunden, ausreichend Fachkräfte - Fachlehrer - für Bedarfe bereitzustellen, die zum Teil regional unterschiedlich ausfallen - wie zum Beispiel für die Sprachen Dänisch und Friesisch - und die im Übrigen zeitlichen Schwankungen unterliegen.
Für die Gesamtbetrachtung im schulischen Bereich hilft es, zwischen der ersten Fremdsprache Englisch und allen weiteren Fremdspracheangeboten zu unterscheiden. Die herausragende Stellung des Englischen lässt sich zum Beispiel daran ablesen, dass wir fast 4.200 Lehrkräfte mit Lehrbefähigung für Englisch haben. In allen anderen Sprachen sind es zusammengenommen rund 2.300.
Die stabile Situation in der ersten Fremdsprache trägt dazu bei, den schleswig-holsteinischen Schulabgängern gute Startbedingungen auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen. Das belegte zuletzt auch der Ländervergleich, der 2009 zur Überprüfung der Bildungsstandards erhoben wurde. Die schleswig-holsteinischen Neuntklässler kamen bei den Englischkompetenzen bundesweit unter 16 Bundesländern auf den sechsten Rang.
Schaut man beispielsweise in den Stellenmarkt der „Kieler Nachrichten“ vom 14. Mai 2011, so stellt man fest, dass dort 10 % der Stellenangebote ausdrücklich Wert auf gute Fremdsprachenkenntnisse legen. Ausnahmslos wurden Kenntnisse im Englischen gefordert. Nun kann natürlich der regionale Arbeitsmarkt nicht allein ausschlaggebend für das sein, was wir unseren Kindern und Jugendlichen an den Schulen vermitteln. Insbesondere für das Erler
Das Wahlverhalten der Schülerinnen und Schüler ist auch nicht konstant, sondern verändert sich. Die Sprache Latein ist dafür ein gutes Beispiel. Galt sie früher als „tote“ Sprache, so kann man sich heute an den Gymnasien, aber auch an den Gemeinschaftsschulen davon überzeugen, dass die Nachfrage nach Lateinangeboten in den Schulen weiter sehr lebendig ist.
Die starke Nachfrage nach dem Unterrichtsfach Spanisch ist seit mehreren Jahren, wie Sie wissen, ein aktueller Trend, von dem niemand genau weiß, wie lange er anhalten wird. Mit einer langfristig angelegten Personalplanung lassen sich solche Veränderungen der Nachfrage zum Teil nicht ganz einfach in Einklang bringen.
Erfreulicherweise werden wir in den nächsten Jahren wieder mehr Nachwuchskräfte im Fach Latein einstellen können, weil die Absolventenzahlen dort steigen; ich blicke auf die immatrikulierten Studenten an der Kieler Universität und die Absolventenzahlen dort. Bei Spanisch werden wir nach heutigem Ermessen den Bedarf wohl im Großen und Ganzen decken können.
Im Fach Französisch gibt es allerdings einen Engpass in der Lehrerausbildung für die Regional- und Gemeinschaftsschulen. Das geht zurück auf die vor einigen Jahren in unserem Land durchgeführte Verlagerung der Lehrerausbildung für diese Lehrämter an die Universität Flensburg. Das Fach Französisch wurde dort bisher nicht angeboten, eine Romanistikprofessur gab und gibt es in Flensburg bisher nicht. Wir haben auf das Problem hingewiesen und sind zuversichtlich, dass die Uni Flensburg diese Lücke sehr bald schließen wird. Die Professur für Romanistik und Hispanistik ist ausgeschrieben, die Berufungskommission für die Besetzung ist kürzlich von der Uni Flensburg eingesetzt worden.
Ich möchte mich beim Wissenschaftsministerium für die Unterstützung unserer Bemühungen, in Flensburg erstmals eine Lehrerausbildung für das Fach Französisch zu installieren, herzlich bedanken, damit wir in Zukunft für die nicht gymnasialen allgemeinbildenden Schularten ausgebildete Lehrkräfte in diesem Unterrichtsfach bekommen. Das ist ganz wichtig, um den Schülern der Gemeinschaftsschulen und Regionalschulen Bildungsperspektiven zu eröffnen, die oft mit Kenntnissen in einer zweiten Fremdsprache verbunden sind.
Wir fördern den frühzeitigen Beginn des Fremdsprachenerwerbs bereits im Vorschulalter und legen dann mit Englisch in den Grundschulen eine verbindliche Basis.
Über den Unterricht hinaus setzen wir laufend Anreize durch die Unterstützung von Wettbewerben, durch Begabtenförderung und durch internationalen Austausch. Zahlen sind dazu im Einzelnen der Antwort auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion zu entnehmen. Einzigartig ist beispielsweise die intensive Zusammenarbeit, die kürzlich mit unserer französischen Partnerregion Pays de la Loire eingeleitet wurde, eine Zusammenarbeit bis hin zu naturwissenschaftlich und berufspraktisch ausgerichteten Projekten, eine Zusammenarbeit, die eine Kooperation mit dem IFM-GEOMAR und dessen französischem Partnerinstitut Ifremer in Nantes einschließt. Da geht es unter anderem um die Entwicklung schülergeeigneter Praktika an Forschungsinstituten. Ich finde, das ist eine besonders interessante und zukunftsweisende Initiative.
Die Prinzipien unserer Fremdsprachenvermittlung folgen den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zur Stärkung der Fremdsprachenkompetenz vom Oktober 2009. Dieses gute Niveau wollen wir halten und weiterentwickeln. Dem dient unter anderem der neue Online-Stellenmarkt Schule, der die Gewinnung von qualifiziertem Personal auch in diesem Bereich erleichtert.
Mein großer Dank gilt allen Fachlehrkräften in den Kitas, in den Schulen und in den Weiterbildungseinrichtungen, die sich für die Vermittlung von Fremdsprachenkenntnissen engagieren. Sie alle tragen dazu bei, Perspektiven zu erweitern.
Die Landesregierung hat ihre Redezeit um zweieinhalb Minuten überschritten. Diese Zeit stünde auch den Fraktionen jeweils zur Verfügung. - Für die SPD-Fraktion erteile ich dem Kollegen Martin Habersaat das Wort. - Die SPD-Fraktion hat 10 Minuten angemeldet, plus zweieinhalb Minuten wären zwölfeinhalb Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, Sie sitzen bequem. - In einer Zeit, da die FDP noch sehr beliebte Außenminister stellte, kam Hans-Dietrich Genscher einmal zu der Einsicht,
sein Verhältnis zur französischen Sprache ähnele dem Verhältnis zu seiner Frau. Genscher sagte: Ich liebe sie, aber ich beherrsche sie nicht. Politiker späterer Jahre konnten mit ihren Fremdsprachenkenntnissen weniger locker umgehen, Europäisierung und Globalisierung fordern mehr. Von der Aufzählung peinlicher Beispiele sehe ich trotz der ausreichenden Zeit ab.
Die Menschen sind im Umgang mit Völkern, die andere Idiome verwenden als sie selbst, im Wesentlichen mit zwei Strategien vorgegangen: Sie haben die Sprachen der anderen gelernt, oder sie haben sich einer übergreifenden Verkehrssprache, einer Lingua franca, bedient, die zumindest in einem Teil der Welt nationenübergreifend verwendet wurde. Dabei ist die Beherrschung fremder Sprachen kein Privileg der sozialen und Bildungseliten gewesen, sondern war gerade bei Soldaten und Händlern unerlässlich. Auch heute sollte die Beherrschung fremder Sprachen eine Chance für alle sein.
Ein paar Optimierungsmöglichkeiten auf diesen und anderen Feldern zeigt die Antwort auf unsere Große Anfrage auf. Ich werde fünf Punkte benennen, ohne Vorwurf an irgendwen, gemeint als Auftrag an uns alle. Die Antwort auf unsere Anfrage liefert umfangreiche Fakten und Datenmaterial, für das ich mich bei den beteiligten Ministerien und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den befragten Einrichtungen bedanke.
Schleswig-Holstein hat seit Längerem einen der Grundfehler des deutschen Bildungssystems überwunden, Kinder erst im Alter von zehn Jahren an eine Fremdsprache heranzuführen. Die Erfahrungen in bilingualen Familien zeigen, dass Kinder gerade in sehr jungem Alter in der Lage sind, mehrere Sprachen zu lernen und getrennt voneinander zu gebrauchen. Dass dabei Englisch im Mittelpunkt stehen muss, ist wohl unstrittig, weil Englisch nun einmal die Lingua franca unserer Zeit ist.
In zahlreichen Kindertageseinrichtungen wird den Kindern eine spielerische Begegnung mit der englischen Sprache ermöglicht. 15 Einrichtungen im Land nutzen die Immersionsmethode, bei der die Fremdsprache in Gestalt einer Fachkraft, die mit den Kindern nur in dieser einen Fremdsprache kommuniziert, Teil des Alltags wird. Außer Englisch werden auch Französisch, Russisch, Türkisch und sogar Japanisch angeboten. Neben der Offenheit für Fremdsprachen wird auch die Offenheit für fremde Kulturen gefördert, die bei Kindern per se
Leider gibt es aber nach dem Kindergarten einen Bruch im System, nämlich dann, wenn nach dem Kindergarten der Übergang in eine Grundschule folgt, die Englisch erst ab Klasse 3 wieder im Programm hat. Eine zu klärende Frage ist also: Wieweit ist sichergestellt, dass Kinder, die in der Kita ins Englische eingeführt worden sind, nicht in der 1. und 2. Klasse im Leerlauf landen und damit die Jahre im Kindergarten verloren sind. Optimierungspotenzial 1 ist also: den Übergang von der Kita in die Grundschule verbessern.
Die Versorgung mit Fremdsprachenassistenten hält mit der Nachfrage an den Schulen im Land bei Weitem nicht Schritt. Aus Sicht der Landesregierung ist der wichtigste Grund dafür, dass die Nachfrage nach der Fremdsprache Deutsch in den englisch- und französischsprachigen Ländern deutlich zurückgegangen ist. Es ist - das räume ich ein nicht Sache des Landesregierung, die Gründe dafür zu erforschen; dennoch wäre es interessant zu erfahren, warum das so ist. Möglicherweise hat der Bund durch Einsparungen beim Goethe-Institut und anderen Einrichtungen zumindest dazu beigetragen, dass Deutsch im Ausland weniger präsent ist, als es das einmal war.
Man darf nicht übersehen, dass in Osteuropa das Interesse am Deutschen ungebrochen ist. Deutsch ist keine Weltsprache und wird auch nie eine werden, aber das gilt für die meistgesprochene Sprache der Welt, das Chinesische, in noch stärkerem Maße. Es ist unterstützenswert und mutig, dass einige Schulen in Schleswig-Holstein Chinesisch im Angebot haben. Die Fachhochschule Lübeck konnte dem Wirtschaftsausschuss dieses Hauses in der vergangenen Woche von beeindruckenden deutschchinesischen Projekten berichten. Im Lande tut sich einiges, auch Hamburg hat durch die Partnerschaft zu Shanghai das Chinesische an manchen Schulen eingeführt. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, ich beschimpfe auch niemanden, sondern ich stelle nur fest: Wenn sowohl in Hamburg als auch in Schleswig-Holstein Chinesisch an manchen Schulen Raum greift, dann müsste das doch ein Bereich sein, in dem man gemeinsam weiterarbeiten und etwas entwickeln kann. Optimierungspotenzial 3: den
Der Weg zur Ganztagsschule mit unterrichtsergänzenden Angeboten bietet Chancen, auch weniger verbreitete Fremdsprachen in die Schule einzubeziehen. Es müssen nicht immer die so oft bemühten Sportvereine sein, es können auch einzelne sein, die eine etwas abgelegenere Fremdsprache gut genug beherrschen, um Schüler mit ihr so vertraut zu machen, dass sie die Anfangsfähigkeiten erwerben und darauf aufbauend weiterlernen können.
Zurück zu den Standard-Fremdsprachen an unseren Schulen: Wenn ich mir die Zahlen zu den Partnerschaften mit ausländischen Schulen und Schulfahrten dorthin ansehe, ist festzustellen, dass solche Aktivitäten weitgehend ein Privileg der Gymnasien sind. Es überrascht die Aussage des Ministeriums in einer anderen Frage, dass nämlich an Regionalund Gemeinschaftsschulen des Landes keine bilingualen Angebote bekannt seien. Entweder haben wir es mit einem Fall zu tun, dass Gemeinschaftsschulen im Internet unlauter mit Angeboten werben, die dort in Wirklichkeit gar nicht stattfinden, oder dass das Ministerium an der Stelle nicht genau hingeschaut hat. Optimierungspotenzial 4: alle Schulen des Landes in den Blick nehmen und dafür sorgen, dass diese Reisen ins Ausland eben nicht mehr ein Privileg der Gymnasien bleiben.
Wenn zur Vertiefung des Englischunterrichts nicht nur nach Großbritannien, sondern auch in die USA, nach Kanada, Neuseeland oder Tansania gefahren wird, frage ich mich, wie das finanziert werden kann. Ich hoffe, dass finanzschwächere Schüler davon nicht ausgeschlossen werden, weiß aber immerhin von einigen Schulen, dass es dort verantwortungsvolle Lösungen gibt. Ich hoffe, dass die auch an anderen Schulen gefunden werden.
Im Zusammenhang mit den Auslandsaufenthalten hat es mich besonders gefreut, dass die wenigen Schulen, die Russischunterricht erteilen, nicht nur nach Russland, sondern auch nach Weißrussland reisen. Ich denke, wir sollten gerade solche Kontakte ganz besonders fördern, um durch zwischenmenschliche Kontakte die Bunkermentalität des dortigen Regimes aufzubrechen. Das ist umso wichtiger, als vor wenigen Tagen eine ganze Reihe von Oppositionspolitikern im Gefängnis gelandet sind, darunter auch der Vorsitzende der dortigen Sozialdemokraten, Nikolai Statkewitsch, den wir in der Vergangenheit wiederholt hier im Landtag haben begrüßen können. Das Optimierungspotenzial 5 liegt also in dem Fall nicht in unserem Land.
Die Nachwuchssicherung für die Lehrkräfte in den Fremdsprachen ist nach Auskunft der Landesregierung nicht zufriedenstellend. In Latein, Französisch und Spanisch besteht bereits jetzt akuter Mangel. Das Land muss die Universität Flensburg darin unterstützen, künftig Französisch- und Spanisch-Lehrer auszubilden. Die Universität Flensburg plant bereits Romanistik-Initiativen, wird aber auf die Unterstützung des Landes angewiesen sein. Das Optimierungspotenzial 6 für Schleswig-Holstein lautet also: ein gemeinsames Konzept mit den Universitäten zur Sicherung des Lehrernachwuchses im Fremdsprachenbereich umsetzen.
Die beste Mitgift für eine gute Zukunft sind gute Sprachkenntnisse. Deshalb: Sprachen lernen, ein Leben lang! Das ist nicht von mir. Es kommt von einem meiner Vorgänger als bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, dem heutigen Vorsitzenden des deutschen Volkshochschulverbandes, Dr. Ernst Dieter Rossmann.
Die Zahlen des Volkshochschulverbandes über die Nachfrage nach Fremdsprachenangeboten zeigen, dass die Bereitschaft, sich diese Sprachkenntnisse anzueignen, vorhanden ist. Jedes Jahr belegen 60.000 Schleswig-Holsteinerinnen und SchleswigHolsteiner Sprachkurse an Volkshochschulen. Deutsch als Fremdsprache ist dabei nicht berücksichtigt.
Zusammenfassend kann man sagen: SchleswigHolstein ist auf einem guten Weg, in Teilen könnten wir besser sein. Anfangs hatte ich gesagt, ohne Vorwurf an irgendwen, sondern als Auftrag an uns alle: Ich bitte darum, die Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage in den Bildungsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen.
Ich schließe mit einem Ceterum censeo ab, das wie wir alle wissen - nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun haben darf: Ich teile Ihnen mit, dass ich der Meinung bin, dass die Wahlkreiseinteilung selten dämlich gelungen ist.
(Beifall bei der SPD - Zurufe der Abgeordne- ten Birgit Herdejürgen (SPD) und Dr. Christian von Boetticher [CDU])