Protokoll der Sitzung vom 27.05.2011

Die Abwägungskriterien sind genannt worden, und der Gesetzgeber hat eine Abwägungsprärogative, das heißt, kein Gericht der Welt kann und wird, wenn alle Informationen vorliegen, wir uns damit beschäftigen und dann zu der Einschätzung kommen, dass das eine oder andere für uns wichtiger ist als das andere, das aushebeln, sondern wird sich nur mit der Frage beschäftigen, ob wir tatsächlich einen Abwägungsprozess vorgenommen haben.

(Beifall bei FDP und CDU)

Es geht hier nicht um Verwaltungsentscheidungen, sondern um die Frage: Hat der Gesetzgeber beim Gesetzgebungsverfahren das Abwägungsgebot beachtet, ja oder nein? Das können Sie übrigens nachlesen bei der Verfassungsgerichtsentscheidung zur Fünfprozentklausel, wo genau das, dass wir abgewogen haben, verhindert hat - bedauerlicherweise aus unserer Sicht -, dass die Fünfprozentklausel gefallen ist.

Ich darf Ihnen einmal - das haben die öffentlichrechtlichen Sender gestern bedauerlicherweise auch nicht getan - den Satz aus dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags komplett zitieren:

„Ein kategorischer Ausschluss“

- ein willkürlicher Ausschluss

„des gesamten Landesgebietes unter Missachtung des Abwägungsgebotes als besondere Ausprägung der Ermessensausübung dürfte danach nicht möglich sein.“

Und auch auf Seite fünf heißt es, dass eine weitergehende Auslegung, dass es doch möglich sein dürfte, nicht darstellbar ist.

Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis - ich zitiere noch einmal -:

(Dr. Robert Habeck)

„Am Ende dieses Abwägungsprozesses kann … stehen, dass im Ergebnis räumlich das gesamte Landesgebiet erfasst wird.“

Es wird unsere Aufgabe jetzt im Herbst sein - Herr de Jager wird den Gesetzentwurf einbringen; das hat er ja angekündigt -, durch eine sachlich fundierte, sinnvolle Beratung unter Einschluss aller Faktoren dafür Sorge zu tragen, dass wir ein Gesetz schaffen, von dem ich sicher bin, dass es Bestand haben kann. Daran mitzuwirken, wäre auch die Aufgabe der Opposition.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das war keine Missachtung, Kollege Matthiessen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Matthiessen?

Herr Kollege Kubicki, was ist denn der Zweck dieses Gesetzes? Ist es ein Speicherungsgesetz oder ist es ein Speicherungsverhinderungsgesetz, vom Grundsatz her? Welche Ausführungen in den Landesgesetzen ergeben sich denn daraus?

- Darf ich das noch einmal sagen: Das Gesetz des Bundes erlaubt oder soll eine künftige Einlagerung von CCS auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erlauben. Durch eine Länderklausel ist es eingegrenzt worden, dass Länder selbst darüber bestimmen können, ob und - wenn ja - auf welchen Teilgebieten sie das zulassen wollen. Hätten wir das nicht rein verhandelt, hätten wir gar keine Möglichkeit, etwas zu tun.

Die komplette Ablehnung des Gesetzes würde uns auch nicht weiterhelfen, Herr Kollege Matthiessen, weil wir genau wissen: Wir können weder in Nordrhein-Westfalen noch in Brandenburg noch in Berlin einmaschieren. Es gibt Länder, die das schlicht und ergreifend nicht wollen, die selbst nicht entscheiden wollen, weil sie Angst vor der Entscheidung haben. Es gibt Brandenburg, das CCS gerne einlagern will, aber Angst davor hat, das selbst entscheiden zu müssen, weil man das lieber auf den Bund schieben will. Wir haben noch alle Gestaltungsmöglichkeiten. Die sollten wir optimal jetzt im Herbst nutzen. Sie werden sehen, auch die Be

völkerung wird sehen: Das wird ordentlich gemacht und auch Bestand haben.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Kollegen Dr. Michael von Abercron das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war mal in der Schule und musste ab und zu Hausaufgaben machen. Da ging es unter anderem darum, eine Inhaltsangabe am nächsten Tag dem Lehrer vorzutragen. Wenn man das nicht richtig konnte, hat man sich etwas ausgedacht. Dann hat ein Lehrer manchmal sehr treffend mir gegenüber bemerkt: Haben Sie möglicherweise eine andere Ausgabe als ich? Bei manchen Ausführungen, die ich hier heute gehört habe, insbesondere zu den Ausführungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, hatte ich diesen Eindruck. Das möchte ich insbesondere in Richtung linke Seite hier sagen. Ich wollte eben auch noch mal das zitieren, was Herr Kollege Kubicki eben zitiert hat. Das brauche ich jetzt nicht mehr nachzuholen.

Klar ist aber, wenn wir ein solches Gesetz machen, Herr Matthiessen - ich bin sehr dankbar, dass Sie noch einmal die Abwägungsgründe vorgetragen haben -, dann haben wir schon die Möglichkeit zu sagen: Da wollen wir das nicht. Das hat dann de facto so eine Bedeutung wie etwa die Festlegung eines Naturschutzgebietes. Das wäre so, als wenn Sie hinterher mitten in das Naturschutzgebiet plötzlich eine Anlage setzen wollten. Das können wir mit Sicherheit ausschließen.

Insofern, meine sehr verehrten Damen und Herren, manches, was hier gesagt worden ist, würde ich gern unterirdisch verpressen lassen. Ich befürchte: Es kommt immer wieder hoch.

(Beifall bei CDU und FDP - Heiterkeit)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Herrn Kollegen Detlef Matthiessen.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt eine Menge anderer Gründe, warum das Land Schleswig-Holstein gegen dieses neue

(Wolfgang Kubicki)

Gesetz sein sollte. Ich nenne einmal an erster Stelle den § 31, die Übertragung der finanziellen Verantwortung. Die soll nach 30 Jahren auf das Bundesland Schleswig-Holstein übergehen. Dass man sich das als Bundesland gefallen lässt, da raufen sich mir die Haare. Genau so ist es. Andere Bundesländer haben in ihren Änderungsanträgen verlangt, dass der CO2 Reinheitsgrad über 98 % betragen soll. Auch da hat sich das Land vornehmend zurückgehalten. Andere Länder haben gefordert, es in Naturschutzgebieten oder unter dem Meeresboden auszuschließen. Da hat sich auch das Land Schleswig-Holstein zurückgehalten.

Genauso gilt das für die Deckungsvorsorge, die andere Länder statt bei 3 % bei 10 % ansiedeln wollen. Das Land versäumt im Nebel dieser Begeisterung über diese angeblich wirksame Länderklausel, unsere Interessen im Bundesratsverfahren wahrzunehmen.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Gern doch.

Herr Kollege Matthiessen, würden Sie mir freundlicherweise erklären, warum sich das Land mit diesen Fragestellungen beschäftigen sollte, wenn wir doch bei uns nichts verpressen wollen?

- Wir gehen davon aus, dass es uns eventuell doch droht, dass dort etwas verpresst werden soll. Herr von Abercron hat im Wesentlichen ausgeführt, mit der AWZ, der Ausschließenden Wirtschaftszone, könne nichts passieren, was er nur mit technischen Dingen begründet hat. Ich verstehe nicht, warum Ölbohrungen möglich sein sollen, warum Kiesabbau aber möglich sein soll, Bohrinseln, Windparks und, und, und, aber eine Anlage für CO2-Verpressung nicht möglich sein soll. Das berührt auch die Interessen des Landes Schleswig-Holstein unmittelbar, Herr Kubicki, weil mir die Tiefenbiologen sagen, diese Tiefensalinen hängen großräumig geologisch zusammen. Das heißt, eine Verpressung auf See könnte hier negative Auswirken am Land haben. Das scheint nach meinen Informationen ein sehr ernst zunehmender Argumentationsstrang zu sein.

Ich frage Sie, Herr von Abercron,

(Heiterkeit)

wenn Sie denn ausschließen, dass das technisch möglich ist, warum dann das Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffkunde gesagt hat, diese große Blubberkarte, auf der die größten Potenziale auf See gesehen werde - - Sie möchten, glaube ich -

Das passt ganz gut. Der Herr Abgeordnete möchte Ihnen auch gerne eine Frage stellen.

(Heiterkeit - Beifall bei der CDU)

Herr Matthiessen, die Fragen passen gut zusammen. Insofern war es schön, dass Sie mir die Frage gestellt haben. Ich gebe Ihnen recht, genau aus diesem Grund gibt es das Abwägungsgebot, weil nämlich die Interessen der Öffentlichkeit damit berührt sind. Im Umkehrschluss, beim Kiesbau

Herr Kollege, kommen Sie zur Frage!

ist es schwer zu begründen - das ist jetzt meine Antwort -,

(Heiterkeit)

dass die Öffentlichkeit betroffen ist. Meine Antwort dazu. Meine Frage:

(Heiterkeit bei der CDU)

Worin sehen Sie den Unterschied zwischen Kiesabbau und einer solchen Verpressung? Der ist doch da oder nicht?

- Da ist natürlich ein Unterschied zwischen einer Ölbohrung und einem Kiesabbau. Im Prinzip sind dort großflächige Einrichtungen möglich, Herr von Abercron. Ich frage mich, warum wir diese Blubberkarte vom Bundesamt haben, in der die potenziellen Flächen im Raum Norddeutschland definiert werden. Die riesigsten Blubber finden sich 12 m vor der Küste Schleswig-Holsteins. Spinnen die denn?

(Heiterkeit)

Jetzt ist der Antwortteil auch vorbei. Die Zeit kann gern weiterlaufen, Herr Präsident.

(Detlef Matthiessen)