Protokoll der Sitzung vom 27.05.2011

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und vereinzelt bei der CDU)

Alle Experten sind sich einig, dass das größte Suchtpotenzial vom Automatenspiel ausgeht. Deshalb mutet es schon komisch an, wenn sich die Politik seit Jahren intensiv mit der vermeintlichen Suchtgefahr bei den 60-jährigen Mitwochslottospielern beschäftigt und gleichzeitig tatenlos zusieht, wie immer aggressivere Formen des Automatenspiels den Menschen das Geld aus der Tasche ziehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und vereinzelt bei der CDU)

Wer sich in den Städten und in den Gemeinden umschaut, der stellt schnell fest, dass sich die Zahl der Spielhallen in den letzten Jahren massiv erhöht hat. Wer die Berichte der Kriminalämter liest, der weiß, dass diese über eine Vermehrung von Straftaten im Umfeld von Spielhallen berichten. Es besteht also offensichtlich Handlungsbedarf. Schleswig-Holstein muss ein eigenes Glücksspielgesetz für diesen Bereich verabschieden. Die Möglichkeit dazu gibt es bereits seit 2006. Mit unserem Antrag fordern wir die Landesregierung auf, hier nachzulegen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört auch der Einsatz auf Bundesebene, damit die Spielverordnung verschärft wird.

Ein weiterer Punkt in unserem Antrag befasst sich mit der viel diskutierten Neuordnung der Sportwetten. Für die grüne Fraktion habe ich bereits mehrfach deutlich gemacht, dass wir den Ansatz von

(Andreas Beran)

CDU und FDP, den Sportwettenmarkt kontrolliert zu öffnen, in der Grundausrichtung für richtig halten. Denn es ist ja zutreffend, dass man nicht einfach die Augen davor verschließen kann, dass es in Deutschland - trotz aller Verbote - einen großen unregulierten Sportwettenmarkt gibt und dass die Flexibilität des weltweiten Internets einem starren Staatsmonopol an dieser Stelle entgegensteht oder es zumindest mit diesemr schwer vereinbar ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Schleswig-Holstein hat in der Debatte um die kontrollierte Öffnung des Sportwettenmarktes eigene Akzente gesetzt. Das ist aus unserer Sicht auch gut so. Aber, meine Damen und Herren, liebe Kollegen Kubicki und von Boetticher, passen Sie auf, dass Sie das Blatt nicht überreizen! CDU und FDP haben bereits durchgesetzt, dass es das Glücksspielmonopol in der bisherigen Form nicht mehr geben wird. Jetzt ist Diplomatie gefragt, um eine gemeinsame Lösung aller Länder zu finden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Andreas Beran [SPD])

Herr Kubicki, dass Sie stattdessen wie eine wild gewordene Tarantel alle anderen Ministerpräsidenten als Glücksspiel-Taliban und unbelehrbare Extremisten diffamieren, das ist unterirdisch und verleitet zum Fremdschämen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Der Europäische Gerichtshof hat der Bundesrepublik ins Stammbuch geschrieben, für eine kohärente Regelung des Glücksspiels zu sorgen. Da wäre es doch geradezu absurd, wenn Schleswig-Holstein einen Sonderweg beschritte, der das Kohärenzproblem nicht löste, sondern sogar noch verschärfte.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Mit Freude.

Frau Kollegin, da ich mittlerweile gewöhnt bin, dass die Grünen Behauptungen aufstellen, um dann dagegen anzugehen, möchte ich Sie bitten, dass Sie mir mitteilen, wo ich andere Ministerprä

sidenten als „Glücksspiel-Taliban“ bezeichnet habe.

- Herr Kubicki, ich habe eine dpa-Meldung mit Zitaten von Ihnen gelesen. Sollte dies nicht stimmen -

Die Frage war, welche Ministerpräsidenten ich als „Glücksspiel-Taliban“ bezeichnet haben soll.

- Sie haben gesagt - so die dpa-Meldung -, dass diejenigen Länder und Sportwettanbieter, die weiter an dem alten Monopol festhielten, Glücksspiel-Taliban und Extremisten seien. So habe ich die dpa-Meldung gelesen.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kubicki, ich würde mich freuen, wenn meine Provokation von hier vorn dazu beitragen würde, dass Sie sagen, dass das so nicht wahr ist. Das würde mich als Schleswig-Holsteinerin glücklich machen.

(Heiterkeit und Beifall bei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist unglaublich! Sie behaupten einfach was! - Weitere Zurufe von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, CDU, FDP und Sportwettenanbieter versprechen Mehreinnahmen für das Land in abenteuerlicher Höhe: 60 Millionen bis 220 Millionen € sollen es jährlich sein. SchwarzGelb phantasiert über einen virtuellen Jackpot zur Lösung der Finanzprobleme des Landes.

(Unruhe)

- Herr Kubicki, haben Sie sich beruhigt?

Der Kommentar der Landesregierung zu solchen Fieberträumen sagt alles. So sagte Staatssekretär Wulff im Finanzausschuss, eine Einnahmeprognose abzugeben wäre - Zitat - „grob fahrlässig“.

Wahrscheinlich hat sich die Landesregierung mit den Erfahrungen anderer europäischer Länder beschäftigt. So sind die Steuereinnahmen in Großbritannien zwischen 2001 und 2009 um 30 % gefallen, obwohl sich die Wettumsätze infolge der Liberalisierung in der gleichen Zeit verfünffacht haben. Bei einer Rohertragsabgabe von 20 % brauchten wir in Schleswig-Holstein Wettumsätze von 3 Milliarden €, um 60 Millionen € zu generieren.

Meine Damen und Herren, woher sollen diese Wettumsätze denn kommen? Sie kommen mit Sicherheit doch nicht nur von schleswig-holsteinischen Spielern. Also spekulieren CDU und FDP darauf,

(Monika Heinold)

dass die Bürger der anderen Bundesländer hier online wetten. Das aber kommt der Anstiftung zu einer Straftat gleich. Denn wenn ein Niedersachse per Internet an einer Wette in Schleswig-Holstein teilnimmt, die in seinem Land illegal ist, dann macht er sich wegen Beteiligung an unerlaubtem Glücksspiel strafbar. Dänemark macht die Grenzen dicht und Schleswig-Holstein will die Bayern hier zum illegalen Glücksspiel animieren! - In was für Zeiten leben wir?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das frage ich mich auch!)

Für meine Fraktion steht deshalb unmissverständlich fest: Einen Alleingang des Landes darf es nicht geben, eine bundeseinheitliche Lösung ist zwingend.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Sollten sich die Bundesländer nicht auf einen einheitlichen Staatsvertrag einigen können, muss der Bund die Gesetzgebungskompetenz an sich ziehen und für eine vernünftige, kohärente Lösung sorgen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Zuruf des Abgeordneten Dr. Chri- stian von Boetticher [CDU])

- Herr Boetticher, das kann er über das Wirtschaftsrecht im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung machen.

Der schleswig-holsteinische Gesetzentwurf von CDU und FDP kann für eine bundeseinheitliche Lösung durchaus als Grundlage dienen, sofern die vorhandenen Schwachstellen nachgebessert werden.

Ich nenne zwei Beispiele. Nach dem Entwurf von CDU und FDP sollen Online-Spielbanken mit 20 % des Rohertrags besteuert werden, circa 2 % des Umsatzes. Die Präsenz-Spielbanken sollen dagegen mit 16,7 % des Umsatzes besteuert werden. Jedem dürfte einleuchten, dass das unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten kaum haltbar ist.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Gerade nicht!)

- Herr Kubicki, Sie als Oberjurist haben mit der Benennung Ihrer Kandidatinnen für das Amt der Flüchtlingsbeauftragten echt gezeigt, was in Ihnen steckt.

(Anhaltender Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der LINKEN)

Der Wissenschaftliche Dienst des Landtags hat bereits europarechtliche Bedenken angemeldet und

dringend die Notifizierung in Brüssel empfohlen. Diese haben CDU und FDP zwar nicht eingeleitet, dennoch machen sie eine Presseerklärung, in der sie sagen - Zitat -:

,,Aus europarechtlicher Sicht bestehen keine Bedenken gegen unseren Entwurf.“

Herr von Boetticher, Herr Kubicki, ein schlechtes Blatt fliegt meist trotz Pokerface am Ende auf.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Eine weitere Schwachstelle Ihres Gesetzentwurfs ist die Anstalt öffentlichen Rechts, sogar mit einem eigenen Präsidenten und einem achtköpfigen Verwaltungsrat.

(Christopher Vogt [FDP]: Sie kennen sich da ja gut aus!)