- Ich glaube, dazu äußert sich nachher die Landesregierung relativ deutlich. Ich sage aber auch, dass
ich dieser Meinung bin: Wenn man den Brief von Klaus Schlie liest, dann wird deutlich, dass er sich nicht in der Hauptkritik mit dem Urteil beschäftigt, sondern dass er auf dieselben Folgen aufmerksam macht, auf die auch schon die Kollegen von der SPD hingewiesen haben; vier Tage vorher. Auf diese Folgen macht der Herr Minister aufmerksam. Er diskutiert über die Folgen und über die Frage, wie man solche Folgen vermeiden kann. Daher führt er eine Kritik an, aber sie bezieht sich nicht auf das konkrete Urteil, sondern auf die Debatte und auf die der Folgewirkung in der Polizei. Er macht auf die schwierige Lage aufmerksam. Ich glaube, dass das einem Innenminister gut zu Gesicht steht.
Abschließend sage ich noch eines: Die Polizei hat es über viele Jahrzehnte vermisst, dass ein Minister in einer schwierigen Situation, in der er genau weiß, dass er Unmut auf sich zieht, dass die Opposition versuchen wird, ihn zu treiben und dass sich auch der eine oder andere Verband negativ äußern wird, trotzdem das Kreuz hat, um sich vor seine Polizei zu stellen. Ich finde das richtig.
Herr Stegner, manch ein Innenminister hätte gut daran getan, wenn er sich auch einmal in der einen oder anderen Situation - und zwar nicht nur populistisch - hinter die Polizei gestellt hätte und wenn er es auch dann getan hätte, wenn er Ungemach auf sich ziehen könnte. Das haben Sie nie gemacht. Insofern werte ich Ihren Beitrag heute so, wie er historisch einzuordnen ist.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich befürchte, dass die Debatte - so sinnvoll sie auch ist - bedauerlicherweise in eine falsche Richtung läuft, weil sie von der Grundsatzfrage ablenkt. Herr Kollege Habeck, ich habe Verständnis dafür, dass man skandalisieren will. Der Kollege Stegner hat gestern polemisiert, es gebe eine Regierungskrise. Es gibt einen Vorgang, über den wir uns unterhalten müssen, bei dem es mit Sicherheit differenzierte Standpunkte geben kann.
Zunächst einmal steht außer Frage, dass Gerichtsurteile nicht sakrosankt sind. Auch Richter können kritisiert werden. Das ist aber momentan nicht die
- Moment, Herr Habeck! Hören Sie einfach zu! Versuchen Sie einmal, einem Gedankengang zu folgen, bevor Sie ihn ablehnen!
Darf Klaus Schlie einen Brief schreiben? - Selbstverständlich, er darf das ebenso wie jeder andere von uns. Die spannende Frage ist: Darf er das als Minister im Hinblick auf eine Amtsrichterin tun, die ein Urteil getroffen hat? - Auch da würde ich sagen: Das dürfte er möglicherweise. Die Behauptung, die im Raum steht, er wolle damit nicht beeinflussen, halte ich für nachrangig schwer vermittelbar, weil man einen Brief selbstverständlich nur schreibt, um zu beeinflussen, Herr Kollege Stegner. Sonst macht das keinen Sinn.
Man will auf die Meinungsbildung einwirken, sonst muss man keine Briefe schreiben. Jetzt steht die spannende Frage im Raum: Hat Herr Minister Schlie mit dem Brief, den er geschrieben hat, die Grenze überschritten, die das Gewaltenteilungsprinzip fordert? - Hier würde ich aus meiner persönlichen Einschätzung heraus sagen, er hat die Grenze erreicht.
Jetzt steht die nächste spannende Frage im Raum: Ist sie möglicherweise dadurch überschritten worden, dass er den Brief veröffentlicht hat, indem er ihn in das Internet gestellt und 6.800 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zugänglich gemacht hat? - Dazu würde ich persönlich sagen: Damit ist die Grenze überschritten.
Ich sage dies deshalb, weil sich ein Mitglied einer Regierung öffentlich in dem laufenden Verfahren positioniert und damit deutlich macht, dass er das Gewaltenteilungsprinzip zumindest in diesem Bereich für nicht maßgeblich erachtet. Die spannende Frage ist jetzt: Wie reagiert man darauf?
- Die FDP hat darauf reagiert. Ich habe gesagt, dass ich den Vorgang für bemerkenswert halte. Ich halte ihn nach wie vor für bemerkenswert. Ich hätte mich definitiv nicht so verhalten, und zwar vor allem deshalb, weil man - wenn ich das so sagen darf fragen muss, was die arme Amtsrichterin damit tun soll. Dies erklärt übrigens, warum die FDP dagegen ist, das Innenministerium mit dem Justizministerium zusammenzulegen. Es gab solche Vorschläge schon einmal in der Union. Wir sind deshalb dagegen.
Abgesehen davon wäre es die Aufgabe gewesen, einmal zu fragen, warum die Staatsanwaltschaft ermittelt und angeklagt hat. Die Amtsrichterin hat dies nicht von sich aus gemacht, sondern die Staatsanwaltschaft hat dies getan. Hier muss man nachfragen. Es wäre das erste Mal, dass ich es erlebe, dass die Staatsanwaltschaft die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen vollständig allein führt. Wahrscheinlich hat die Kriminalpolizei die Ermittlungen geführt. Das ist auch eine Behörde, die dem Innenminister untersteht.
Von daher hätte ich mal gefragt: Wie kommt die möglicherweise zu dem Ergebnis, dass es sich hierbei um eine Straftat handelt, die verfolgt werden muss? Ich hätte vielleicht den Versuch unternommen, schon im Vorfeld die Frage zu klären, warum ein solches Verfahren - ich verteidige gelegentlich solche Geschichten, weil Polizeibeamte selbstverständlich immer in der Gefahr stehen, die Grenze zu überschreiten und weil es immer Sekundenentscheidungen sind, bei denen Menschen anschließend zur Verantwortung gezogen werden, was ich bei der Einsatzdichte, die Polizeibeamte heute haben, schon für sehr bedenkenswert halte -, nicht über § 153 a StPO erledigt worden ist, das heißt ohne Urteilsfindung.
Aber natürlich steht die Frage im Raum: Wie soll sich denn die Justiz verhalten? Wenn die Staatsanwaltschaft zu der Erkenntnis kommt, es liegt eine Straftat vor, dann muss sie anklagen. Wenn das Gericht der Überzeugung ist, dass eine Straftat vorliegt, muss es verurteilen, und zwar unabhängig davon, welche Lebenserfahrungen man hat oder was ansonsten für Schwierigkeiten bestehen.
Das wäre in der Tat einer wirklichen Erörterung wert, von der ich glaube, das sie bedauerlicherweise dadurch verschüttet wird, dass hier jetzt skandalisiert wird. Ich habe Verständnis dafür, dass der
Kollege Klaus Schlie den Versuch unternommen hat, Unsicherheiten bei der Frage des Einsatzes von Pfefferspray zu beseitigen. Aber die spannende Frage ist doch: Hat er die Unsicherheit nun beseitigt? Ich glaube nein, eher ist das Gegenteil passiert. Denn Polizeibeamte müssen doch, bis die Rechtskraft des Urteils festgestellt worden ist, in einer vergleichbaren Situation immer mit dem Risiko rechnen, dass eine andere Staatsanwaltschaft entsprechende Ermittlungen aufnimmt und verurteilen wird.
Die spannende Frage wäre jetzt: Muss konkretisiert werden, wie der Pfeffersprayeinsatz zu organisieren ist. Ich meine, das muss es.
Ich habe eine Information aus der Innen- und Rechtsausschusssitzung. Da hat der Leiter der Polizeiabteilung erklärt, dass Pfefferspray und auch Waffengebrauch Mittel des Einsatzes unmittelbaren Zwangs sind. Das stimmt. Aber niemand von uns käme auf die Idee zu sagen, um einen Verwaltungsakt durchzusetzen: „Lasst uns prophylaktisch jemanden erschießen.“ Selbstverständlich darf man zur Durchsetzung eines Verwaltungsaktes - das war juristische Auffassung - auch prophylaktisch niemanden mit Pfefferspray besprühen.
Aber die Frage des Einsatzes muss für die Polizeibeamten konkret an der Polizeischule oder durch Verordnung geklärt werden, nicht jedoch durch Schreiben an eine Juristin, vor allem solange wir keine rechtskräftige Entscheidung in dieser Sache haben.
Ich befürchte, wenn Rechtskraft dieser Entscheidung nach Berufung und Revision eintritt, hat der Innenminister ein größeres Problem, als wenn er diesen Brief nicht geschrieben hätte. Aber - Klaus Schlie und ich haben darüber gesprochen - ich verstehe die Motivationslage. Ich hätte mir aber gewünscht, er hätte den Brief als Privatperson geschrieben und nicht als Minister; dann hätten wir hier nichts zu beanstanden. Ich denke, er wird das Nötige dazu aber noch sagen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Justiz ist Aufregung. Es gibt den schon zitierten offenen Brief, ein einmaliger Vorgang. Vom Anwalts- und Notarverband gemeinsam mit dem schleswig-holsteinischen Richterverband und gemeinsam mit der neuen Richtervereinigung wird ein Mitglied der Regierung geschlossen kritisiert. Herr Schlie - Herr Kubicki hat es ja schon angedeutet, und deshalb steigt in mir die Erwartung -, Sie sollten sich hier und heute vor diesem Plenum von diesem Schreiben distanzieren.
Was ist passiert? Sie haben als Innenminister mit Briefkopf des Innenministers versucht, auf ein laufendes Gerichtsverfahren Einfluss zu nehmen. Sie haben die möglichen Folgen der Entscheidung der Richterin als nicht unproblematisch charakterisiert, das heißt, Sie haben sich eindeutig im Namen des Innenministeriums wertend zu diesem Urteil geäußert. Ich möchte hier etwas aufgreifen, was bereits einige Kolleginnen und Kollegen und auch Herr Kubicki gesagt haben: Es ist für mich völlig klar, dass dieses Urteil für die tägliche Arbeit der Polizeibeamten natürlich von einer hohen Relevanz ist. Es ist auch völlig klar, wie Herr Kollege Dolgner sagt, dass das auch dort diskutiert wird. Darüber muss auch gesprochen werden. Das steht doch alles außerhalb der Debatte, darüber müssen wir überhaupt nicht reden. Ich habe auch Verständnis für jeden Polizeibeamten, der jetzt Fragen hat und wissen will, was passiert.
Die Frage, um die es hier geht, lautet: Ist Ihr Schreiben ein Weg, in irgendeiner Form dazu beizutragen, dass die Polizeibeamten es jetzt leichter haben? Das ist es nicht. Es wird Ihnen nicht gelingen, Herr Schlie, einen Keil zwischen die Polizei und die Justiz in Schleswig-Holstein zu treiben und diese gegeneinander auszuspielen; das wird in Schleswig-Holstein nicht funktionieren.
Geholfen hätte zum Beispiel eine Handreichung, wie jetzt Polizeibeamte in dieser Übergangszeit mit diesem Urteil umgehen können. Geholfen hätte ein Hinweis darauf, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, und geholfen hätte dann, wenn irgendwann Rechtskraft eintritt, die Frage: Was tut die Polizei, was tut der Innenminister, um bestimmte Dinge zu ändern, oder muss sich möglicherweise eine Änderung in der Polizeitaktik ergeben? All das hätte geholfen. Was Sie gemacht haben, hat dagegen nicht geholfen.
Ich möchte jetzt den politischen Punkt setzen; denn was in dieser ganzen Debatte im Prinzip fast untergegangen ist, das ist die Frage: Was sagt uns dieser Brief eigentlich über den Zustand dieser Landesregierung? Herr Schlie, es tut mir fast ein bisschen leid, denn ich hatte Sie ja in der letzten Landtagsdebatte, als wir hier vor einem Monat standen, sehr gelobt. Ich habe gesagt, dass Sie Ihr Haus gut führen. Bei allen inhaltlichen Differenzen, die wir häufig in der Sache haben. Aber, Herr Schlie, das war offensichtlich ein Missverständnis. Ich wollte natürlich nicht, dass Sie jetzt auch noch die Fachbereiche der anderen Kollegen so vorbildlich führen und dabei aus meiner Sicht extrem „übergriffig“ werden. So kann es ja wohl nicht gehen.
Ich möchte mit Verlaub des Präsidenten aus dem Schreiben des Herrn Justizministers an Sie zitierten. Er sagt dort - nur ein Satz -:
„Ihr direktes Anschreiben der zuständigen Richterin unter Umgehung des Justizministeriums muss ich daher besonders beanstanden.“
Herr Schlie, Sie sind Innenminister, Sie wissen, was ein Dienstweg ist, als das Ministerium, das auch für kommunale Fragen zuständig ist, wahrscheinlich mehr als jedes andere Haus, und Sie haben ihn missachtet. Sie haben darauf verzichtet, Herrn Schmalfuß in diesen Brief mit einzubinden. Herr Schlie, dass ist das, was man in der Juristerei Vorsatz nennt. Sie haben vorsätzlich hinter dem Rücken von Justizminister Schmalfuß agiert. Bei aller Gegnerschaft, die es selbstverständlich auch innerhalb einer Regierung geben darf, ist diese Profilierung auf Kosten des Kollegen nicht in Ordnung, und sie ist auch nicht gut für das Verhältnis von Polizei und Justiz in Schleswig-Holstein. Wir können Ihnen das nicht durchgehen lassen.