Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

c) Auswirkung der Liberalisierung des Glücksspiels auf das Suchtverhalten

Bericht der Landesregierung Drucksache 17/1348

Bericht und Beschlussempfehlung des Sozialausschusses Drucksache 17/1585

Ich erteile dem Berichterstatter des Innen- und Rechtsausschusses, Herrn Abgeordneten Thomas Rother, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, der Einfachheit halber verweise ich auf die Vorlage.

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zu dem Bericht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Arp von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wählen heute einen Weg, der etwas unüblich ist, nämlich den Weg der drei Lesungen. Aber § 28 unserer Geschäftsordnung lässt dies ausdrücklich zu. Wir sollten das auch machen, denn es gehört zum Selbstverständnis des Parlaments, sich mit einem solch umfassenden Thema auch ausführlich zu beschäftigen und hier darüber zu debattieren. Das ist auch kein neues Verfahren, denn auch andere Landesparlamente, beispielsweise die in NordrheinWestfalen oder auch Hessen - zum Beispiel beim Lehrerfortbildungsgesetz oder beim Kinderbildungsgesetz in Nordrhein-Westfalen oder in Hessen bei der Abschaffung der Studiengebühren -, haben schon drei Lesungen zu umfangreichen Vorhaben durchgeführt. Ich halte es auch für angemessen, dass wir das hier in dieser Form diskutieren.

Warum machen wir das? Wir haben eine sehr umfangreiche Anhörung in den Ausschüssen durchgeführt. Insbesondere den Mitgliedern des Innen- und Rechtsausschusses sei an dieser Stelle auch einmal

gedankt für die große Konzentration bei dem umfangreichen Werk, das sie sich an zwei Tagen haben vortragen lassen. Es gibt sehr viele Umdrucke, die sicher auch alle gelesen haben.

Ziel unseres Entwurfs ist es nach wie vor, einen unkontrollierten und unregulierten Markt, der in einem rechtsfreien Raum besteht, nämlich den Internetmarkt, zu einem rechtssicheren Raum zu machen. Es geht darum, die Kontrolle über einen Markt zu erlangen, um zu sehen, wer dort eigentlich spielt, wer dort anbietet - beide Seiten. Diese zu kontrollieren, ist das Ziel von CDU und FDP.

Hier geht es jetzt darum, diesen Markt zu erschließen, zu kontrollieren und ganz nebenbei - nicht ganz uneigennützig - zu sehen, dass wir dabei auch Geld einnehmen, Geld das unser Landeshaushalt dringend braucht. Es geht aber auch darum, dafür zu sorgen, dass der Bereich, der heute unterfinanziert ist, der Bereich der Suchtprävention, aber auch der Suchtforschung, gestärkt wird.

Bei den Änderungsanträgen, die wir jetzt vorgestellt haben, geht es unter anderem darum - ich will sie jetzt nicht alle im Einzelnen aufzählen, Sie haben das sicherlich gelesen -, dass die Genehmigung von Veranstaltungen und von Glücksspielen künftig zu versagen ist, wenn wir der Meinung sind, dass der Veranstalter unzulässig ist. Das ist neu.

Die erste Genehmigung von Veranstaltungen von Glücksspielen wird auf sieben, nicht mehr nur auf zwei Jahre begrenzt. Das hängt damit zusammen, dass der Vertrag der 15 Bundesländer für die Konzession ebenfalls eine Laufzeit von sieben Jahren vorsieht.

Bei dem Lottomonopol - das haben wir immer wieder gesagt - wollen wir bleiben. Wir glauben aber, dass es sinnvoller ist, das Thema nicht vom Blickwinkel der Spielsucht her zu betrachten - das gilt nur für Lotto, ich bleibe jetzt allein beim Lotto -, sondern aus der Sicht der effektiven Manipulations- und Suchtprävention. Darin besteht die größere Gefahr, und das rechtfertigt auch, beim Lotto das Monopol beizubehalten.

Weiter soll der Ausschuss künftig auch spielsüchtige Personen aus Spielbanken ausschließen können, wenn ein berechtigter Hinweis Dritter vorliegt. Auch das ist neu. Die Person kann dann gegenüber dem Ausschuss oder wem auch immer - nicht dem Parlament oder uns -, der Spielbankenaufsicht oder dem Betreiber erklären, dass sie weitermachen will.

Sportlern soll untersagt werden, selbst an Sportwetten teilzunehmen. Ein Verstoß dagegen wird

(Vizepräsidentin Dr. Gitta Trauernicht)

mit einer hohen Geldstrafe belegt. Wer Wetten veranstaltet, darf Wettkunden selbst keine Kredite gewähren. Die Werbung muss klarstellen, dass sie sich nicht gezielt an Minderjährige richtet, sondern umgekehrt, Minderjährige müssen vor der Werbung geschützt werden.

Hinsichtlich des Sozialkonzepts werden die Bestimmungen noch präziser gefasst. Anbieter öffentlicher Glücksspiele müssen unter anderem im Rahmen der Prävention leicht zugänglich und leicht verständliche Informationen über Spielrisiken, Adressen von Beratungsstellen und Erhebungsbögen zur Selbsterkennung von Suchtgefährdung bereitstellen. Der Prüfstelle ist alle zwei Jahre ein Bericht über die Anstrengungen der Glücksspielanbieter zuzuleiten.

Die Zusammensetzung des Verwaltungsrats der Prüfstelle wird neu gefasst, unter anderem gehören zukünftig je ein Repräsentant des Deutschen Olympischen Sportbundes, des Verbraucherschutzes, der Suchtverbände, des Finanzministeriums - das ist ganz wichtig - und des organisierten Sports dem Fachbeirat an.

Ganz präzise werden wir da, wo wir sagen, von den zusätzlichen Einnahmen aus dem Aufkommen aus der Abgabe der Online-Glücksspiele 5 % zur Finanzierung der Suchtarbeit sowie zur Finanzierung der Schuldner- und Insolvenzberatung einsetzen. Das ist Geld, das zusätzlich kommt, zusätzlich zu dem, was wir im Ausführungsgesetz für die Verteilung der Lottomittel an den Sport schon längst hier beschlossen haben. Das muss natürlich in der dritten Lesung in den endgültigen Entwurf mit aufgenommen werden. Das sind alles Beispiele für Änderungen, die wir mit aufnehmen werden.

Da wir mehrere Tagesordnungspunkte miteinander beraten, möchte ich noch etwas zu dem Antrag der Grünen sagen. Ich möchte in einigen Fällen auch ganz präzise auf ihn eingehen. Ein Mindestabstand von Spielhallen zu Jugendzentren, Schulen und Einrichtungen vorwiegend für Kinder- und Jugendliche - darüber ist sicherlich zu diskutieren. Die personellen Vorgaben für die Spielhallenbetreiber auch das ist ein sinnvoller Ansatz, über den man sicherlich diskutieren kann. Eine weitere Kontrollpflicht der Spielhallenbetreiber insbesondere hinsichtlich der Einhaltung der jugend- und spielschutzrechtlichen Bestimmungen in Räumlichkeiten - auch das können wir mittragen.

Man muss deutlich sagen: Wenn wir auf der einen Seite sagen, wir greifen ins Internet ein, um zu kontrollieren, dass der Spieler- und der Jugendschutz gewährleistet wird, weil er zurzeit nicht stattfindet,

muss das Gleiche auch für die Spielhallen gelten. Wir können das eine nicht von dem anderen trennen,

(Vereinzelter Beifall bei CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn sonst wäre das nicht kohärent.

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja, ist klar. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit bei Ihnen und erwarte von Ihnen noch weitere konstruktive Vorschläge in den Beratungen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf noch einmal an die Ausschüsse zu verweisen, zusammen mit den Anträgen der Grünen, damit man insbesondere im federführenden Innen- und Rechtsausschuss noch einmal weitergehend über die Thematik diskutieren kann. Ich freue mich danach auf die dritte Lesung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Frau Abgeordnete Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach der letzten Ministerpräsidentenrunde hat der Regierungschef Sachsen-Anhalts erklärt, man sei „auf einem guten Weg“ - so hieß es - zu einem einheitlichen Glücksspielstaatsvertrag. Die Ministerpräsidenten und -präsidentinnen aller 16 Länder seien sich einig - so war es den Medien zu entnehmen -, dass es im Oktober einen finalen Beschluss geben soll. Dies habe auch die schleswig-holsteinische Landesregierung bekräftigt.

Zeitgleich hat der schleswig-holsteinische Finanzausschuss mit den Stimmen von Schwarz-Gelb beschlossen, dass wir nun doch bereits im August 2011 die abschließende dritte Lesung des Glücksspielgesetzes durchführen wollen. Ich stelle fest, CDU und FDP ist es relativ wurscht, wie der Wunsch nach Gemeinsamkeit in Berlin ausgeht und ob es eine bundesweite Lösung geben wird. Ihnen scheint es auch egal zu sein, ob es Zusagen des Ministerpräsidenten gibt oder gegeben hat, sich um eine einheitliche Lösung zu kümmern.

Herr Abgeordneter Carstensen, wir sind sehr darauf gespannt, wie Sie sich bei der Abstimmung im Au

(Hans-Jörn Arp)

gust verhalten und wie Sie dann Ihr Verhalten den anderen Ministerpräsidenten erklären werden. Für Sie wird sich doch die Frage stellen: Solidarität mit den anderen Bundesländern oder Nibelungentreue zu Ihrem Kollegen Kubicki?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus unserer grünen Sicht - das haben wir immer wieder gesagt - wäre ein Alleingang des Landes unverantwortlich. Es wäre eine Kampfansage an alle anderen Bundesländer, wenn wir ein Glücksspielgesetz beschließen, ohne den verabredeten Einigungstermin abzuwarten.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Wolfgang Kubicki [FDP]: Wie bekommt man denn eine Eini- gung hin, Frau Heinold? Wie verhandelt man denn?)

- Herr Kubicki, ich weiß es, aber ich verrate Ihnen das nicht.

(Heiterkeit bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es ist ja richtig, auch der Staatsvertrag hat noch erhebliche Schwächen und muss nachgebessert werden. Aber auch der Entwurf von CDU und FDP kann nicht der letzte Aufschlag sein, denn er enthält die Maximalposition einer grenzenlosen Liberalisierung.

Jetzt ist Kompromissbereitschaft gefragt. Jetzt müssen CDU und FDP in Schleswig-Holstein deutlich machen, ob sie immer noch die notwendige Distanz zu den Glücksspielanbietern haben und ob sie bereit sind, Kompromisse einzugehen, statt auf Formulierungen zu bestehen.

(Beifall der Abgeordneten Anke Erdmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In den „Financial Times“ vom 22. Juni 2011 war

(Zuruf des Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU])

- mit Freude, Herr Arp, ich will nicht alles zitieren, obwohl es Spaß bringen würde - zu lesen, dass Sie sagen: 40 Millionen bis 60 Millionen € für die Landeskasse. Weiter hieß es in dem Bericht:

„Der Trick: In Schleswig-Holstein zugelassene Internetseiten könnten in ganz Deutschland aufgerufen werden. Die Steuern und Abgaben aber blieben in Kiel.“

Herr Arp, spätestens seit der Anhörung im Innenund Rechtsausschuss müssten Sie wissen, dass

Nicht-Schleswig-Holsteinerinnen und -SchleswigHolsteiner sich strafbar machen, wenn sie bei uns im Netz auf den Seiten von Anbietern spielen, die in ihrem Bundesland nicht zugelassen sind.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist Quatsch! Mein Gott!)