Protokoll der Sitzung vom 30.06.2011

Lächerlich und unseriös sei das, hieß es damals von Abgeordneten der CDU und CSU. Nur wenige Monate nach Tschernobyl ließ die CDU-Regierung in Schleswig-Holstein das Atomkraftwerk Brokdorf ans Netz gehen. Wir als SPD Schleswig-Holstein haben also Pionierarbeit für den Atomausstieg geleistet.

(Beifall bei der SPD)

Bald kam der SSW, später kamen die Grünen, viel später kam die Nord-FDP, und vor ein paar Wochen kam dann sogar die CDU dazu.

(Lachen bei CDU und FDP)

Das ist die Wahrheit in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei der SPD)

Als die Sozialdemokratie 1988 dann endlich Regierungsverantwortung übernommen hatte -

(Lachen bei CDU und FDP)

- Ein bisschen Geschichtskenntnis, Herr Oppositionsführer, Herr zukünftiger Oppositionsführer, Verzeihung, ich hatte das Adjektiv vergessen, würde Ihnen guttun.

Als die Sozialdemokratie dann 1988 endlich Regierungsverantwortung übernommen hatte, haben wir den Ausbau der erneuerbaren Energien -

(Anhaltende Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat der Herr Oppositionsführer. Ich möchte alle bitten zuzuhören.

Sie nehmen Rücksicht, solange das bei der CDU so läuft, weil die Kollegen da drüben sich so freuen.

Als wir dann 1988 die Regierungsverantwortung übernommen hatten, haben wir den Ausbau der erneuerbaren Energien massiv befördert. Björn Engholm sagte damals - ich zitiere -:

„Unser Ziel ist es, in 25 Jahren den Anteil der erneuerbaren Energien von derzeit 0,05 % auf 20 % zu steigern.“

Er wurde verlacht. Aus Ihren Reihen heraus hieß es, die Lichter würden ausgehen. Nach 17 Jahren erfolgreicher sozialdemokratischer und rot-grüner Regierung waren wir schon bei 40 % Anteil an erneuerbaren Energien. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD)

Günther Jansen und Claus Möller waren die Väter vieler Windparks hier in Schleswig-Holstein, von Biogasanlagen, von Blockheizkraftwerken. EEG und Ökosteuer, finanzielle Schlüssel zum Ausbau der erneuerbaren Energien, tragen die Handschrift der schleswig-holsteinischen Sozialdemokratie. Wir standen dafür in harscher Kritik der Fraktionen, die sich jetzt den Atomausstieg auf ihre schwarz-gelben Fahnen schreiben möchten. Es war doch Herr Austermann, Ihr Wirtschaftsminister, Herr Carstensen, der geradezu als Atomfundamentalist bezeichnet werden kann, wie wir es gerade noch vor wenigen Jahren erlebt haben.

(Beifall bei der SPD)

2001 beschloss die rot-grüne Bundesregierung den Atomausstieg in Deutschland, den gesellschaftlichen Konsens, den dieses Land in dieser im wahrsten Sinne des Wortes spaltenden Frage endlich hergestellt hat.

Weitere zehn Jahre später wurde dieser ohne jede Not von Schwarz-Gelb wieder aufgekündigt. Frau Merkel nannte das eine „energiepolitische Revolution“. Und dieser Ausstieg aus dem Ausstieg wurde von der hiesigen CDU und von Ihnen, Herr Ministerpräsident, vehement verteidigt und unterstützt. Ein Jahr später und leider vor allem nach einem furchtbaren Atomunfall später, vollzieht SchwarzGelb den Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg. Sie hielten Wort, erklären Sie großartig, Herr

(Dr. Ralf Stegner)

Ministerpräsident, immerhin schon seit März dieses Jahres. Das ist für Sie eine lange Frist, das stimmt. Das ist an sich schon lächerlich. Aber angesichts der Konstanz unserer Position in dieser Frage, die von Ihnen vehement bekämpft worden ist, ist das wirklich grotesk, was Sie hier vorgetragen haben, Herr Ministerpräsident. Das muss ich Ihnen schon sagen. Die neuen Fakten und den neuen Erkenntnisgewinn gibt es nur bei denen, die lange Zeit und vor allem im letzten Jahr die Ideologen gewesen sind in diesem Haus.

(Beifall bei der SPD)

Ein Ausstieg aus der Atomenergie, so schnell und so sicher wie möglich, war schon vor Fukushima nötig und möglich. Sie haben Zeit vertan, Sie haben nötige Gesetze blockiert, Sie haben öffentliche wie private Gelder in falsche Energien gelenkt. Allein Ihr erwarteter Ausstieg aus dem Atomkonsens hat die Energieunternehmen veranlasst, Investitionen in erneuerbare Energien eben nicht vorzunehmen.

Ihr Rückbezug auf Tschernobyl, wo der Ausstieg angeblich nicht möglich war, wäre zumindest etwas glaubhafter, wenn Sie die gleiche Argumentation nicht erst im letzten Jahr schon einmal verwendet hätten. Das haben Sie nämlich, was man in den Protokollen dieses Landtags nachlesen kann.

Nach 2010 war dieser Ausstieg angeblich nicht möglich. Die Brückentechnologien, wie Sie das immer nannten, seien so lange nötig, wie die erneuerbaren Energien noch nicht so weit seien, und alle, die das Gegenteil behaupteten, seien Träumer oder Spinner. Das war doch Ihre Argumentation noch vor wenigen Monaten hier im diesem Haus.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Ich bin froh, vor allem wohl auch alle in meiner Fraktion und in meiner Partei, dass der atomfreundliche Kurs von CDU in Bund und Land und der Bundes-FDP endlich zu Ende gegangen ist. Ihre scheinbar alternativlose - zu Recht übrigens das Unwort des Jahres - auf angeblichen Fakten gründende Atompolitik haben Sie vollständig einkassiert. Ich hoffe sehr, dass die unnötige Laufzeitverlängerung von Schwarz-Gelb im letzten Jahr nicht noch ein teures Nachspiel haben wird. Der Atomdeal von Frau Merkel mit den vier großen Atomkonzernen allein lässt schon einiges befürchten. Ihre Kehrtwende war spät. Aber man sagt ja, nur dem, der irrt, wird verziehen werden.

Herr Ministerpräsident, Sie haben heute wieder in der Ihnen sehr eigenen Art manchen klugen Satz vorgelesen, den man Ihnen aufgeschrieben hat,

(Zuruf von der CDU: Wie unverschämt muss man eigentlich sein? Liest selber alles ab!)

so wie Sie vor Kurzem noch das Gegenteil vorgelesen haben. Doch glaubwürdig, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Union, ist wirklich etwas anderes. Gute Politik ist politische Überzeugung und Kompetenz, sie ist Leidenschaft und Beharrlichkeit, wie wir dies bei diesem Thema gegen viele Widerstände, gegen Verleumdung und Häme bewiesen und durchgehalten haben.

(Beifall bei der SPD)

Ihre Glaubwürdigkeit wäre ja nun allein Ihr Problem, wenn es bei der Energiewende nicht an der Umsetzung hapern würde.

Jetzt komme ich zu den Punkten, die Sie hier vorgetragen haben. Kein Wunder, dass die SPD-Bundestagsfraktion nur dem eigenen Ausstiegsgesetz zustimmen wird und nicht allen anderen schlechten Hopplahopp-Gesetzen. Das gilt für die Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, soweit ich weiß, auch. Kaum eine Anregung für die Energiewende wurde aufgegriffen. Immerhin haben Sie die bevorzugte Förderung von Offshore gegenüber Onshore wieder aufgegeben. Das ist auch gut so, denn Offshore braucht großes Kapital, das nur Großkonzerne aufbringen können und unseren mittelständisch geprägten Unternehmen in Schleswig-Holstein wenig nützen wird.

(Zuruf von der FDP: Oh, ganz neue Töne!)

Doch wie sieht es mit den anderen Elementen aus? Umwidmung der Forschungsgelder für Atomenergie hin zu zukunftsträchtiger Energieforschung? Fehlanzeige. Erhöhung der Gelder für energetische Wohnraumsanierung, von der Sie gesprochen haben? - Fehlanzeige. Kein einziger Cent mehr, Herr Ministerpräsident! Stattdessen erleichtern Sie die Belastung von Mieterinnen und Mietern. Das ist ein gravierender Fehler, denn bei der energetischen Sanierung gibt es nur Gewinner. Das Handwerk gewinnt, weil es Arbeit hat. Die Mieter gewinnen, weil Energiekosten gespart werden. Und der Klimaschutz gewinnt auch. Energiewende funktioniert nur, wenn wir den Dreiklang aus Energiesparen und das ist immer noch die Energiequelle Nummer eins -, aus Energieeffizienz und aus konsequentem Umstieg auf erneuerbare Energien endlich gemeinsam durchsetzen.

(Dr. Ralf Stegner)

Geben Sie es doch zu, meine Damen und Herren auf der rechten Seite dieses Hauses: Sie mögen mehr Wendeerfahrung haben als wir, aber mit der Energiewende kennen wir uns nun wirklich besser aus.

(Beifall bei der SPD)

Bei uns ist das nämlich Einsicht, und bei uns ist das Überzeugung und nicht nur, wie bei Ihnen - wir haben es ja in Ihrer Rede gehört, Herr Ministerpräsident -, Kapitulation vor dem nach Fukushima Unvermeidlichen. Dass Ihnen Ihre Wählerinnen und Wähler das nicht abnehmen, konnten wir ja gerade in Baden-Württemberg bestaunen.

(Zuruf von der FDP - Heiterkeit bei der CDU)

Wir wollen eine Energiewende mit sicherer Energieversorgung.

(Anhaltende Heiterkeit bei CDU und FDP)

- Ich freue mich über die Erheiterung bei Ihnen. In der Sache haben Sie gar keinen Grund. Das ist natürlich das Lachen, das Ihnen im nächsten Jahr vergehen wird, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das wissen wir auch.

(Beifall bei der SPD - Glocke des Präsiden- ten)

Wir wollen eine Energiewende mit sicherer Energieversorgung für unsere Industriegesellschaft.

(Anhaltende Unruhe bei CDU und FDP)

- Sie hatten gestern einen rabenschwarzen Tag. Reißen Sie sich doch heute mal ein bisschen zusammen, Herr Kubicki!

(Lachen bei der FDP)

Wir wollen eine Energiewende mit sicherer Energieversorgung für unsere Industriegesellschaft, eine Energiewende, die sich alle leisten können und bei der Schleswig-Holstein mit Wertschöpfung und vielen guten Arbeitsplätzen vor Ort profitiert. Das ist alles machbar, jedenfalls dann, wenn eine Landesregierung eine konsequente Politik macht. Aber dazu wird es wohl einer rot-grünen Regierung in Schleswig-Holstein bedürfen, mit der ja selbst die Wirtschaft in diesem Land schon fest rechnet. Das kann man ja überall hören, egal, wo man im Land unterwegs ist.