Erstens. Die störanfälligen Meiler Krümmel und Brunsbüttel werden nicht mehr ans Netz gehen. Die potenzielle Gefahr, die diese beiden Kernkraftwerke hervorriefen, wird endgültig gebannt sein.
Zweitens. Der Ausstieg aus der Kernenergie ist unumkehrbar und mit einem Enddatum belegt. Weder die Übertragung der Restlaufzeiten noch andere politische Konstellationen werden den Ausstieg verhindern oder verschieben können.
Drittens. Gorleben wird nicht mehr als einzige Möglichkeit für ein Endlager angesehen. Es wird eine bundesweite ergebnisoffene Suche nach einem Standort für die Endlagerung von Brennstäben gestartet. Den Zuschlag soll der Standort erhalten, der sich geologisch am besten für eine Lagerung eignet. Ich habe vernommen, dass auch darüber nachgedacht werden soll, ob die geologisch endgültige Lagerung überhaupt der einzig sinnvolle Weg ist. Auch hier muss man sich fragen, ob es nicht allein wegen der Dauer der notwendigen Lagerung, der Halbwertszeiten, sinnvoll sein kann, auch eine jederzeitige Zugangsmöglichkeit zu entsprechenden Lagerstätten zu erhalten.
Der Ausstieg aus der Kernenergie bei einem gleichzeitig weiter steigenden Anteil der erneuerbaren Energien hat nicht nur innerhalb Europas, sondern weltweit eine Signalwirkung. Es ist eine Schlüsselfrage des 21. Jahrhunderts, ob es der
Menschheit gelingt, sich weg von begrenzten Ressourcen hin zu unerschöpflichen regenerativen Energiequellen zu bewegen. Nun geht es vor allen Dingen darum, diejenigen zu widerlegen, die behaupten, man könne keine moderne Industriegesellschaft wirtschaftlich mit sicherem Strom und preiswerten Energiequellen versorgen. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Versorgungssicherheit unserer Unternehmen und Bürger darf zu keinem Zeitpunkt infrage gestellt werden. Eine fortschrittliche Gesellschaft kann sich auch einen kurzen Stromausfall nicht leisten. Der Präsident des Verbands der Deutschen Maschinen- und Anlagebauer, Dr. Thomas Lindner, hat am 6. April 2011 in der „WirtschaftsWoche“ erklärt:
„Aber auch wir brauchen eine gesicherte Versorgung für hochpräzise arbeitende Betriebe. Ein Stromausfall von nur einer Millisekunde kostet mein Unternehmen 20.000 €.“
Prozesse sind heute in der Industrie, auch in der Informations- und Telekommunikationswirtschaft, so komplex, dass sie bei einem Stromausfall komplett und von neuem starten müssten. Es gilt nun, Lösungen zu finden für die drängenden Probleme in Bezug auf Leitungsbau, Speicherkapazitäten und die Vernetzung mit europäischen Nachbarn. Diesen Aspekt sollten und dürfen wir nicht aus den Augen lassen. Wenn ich mir vorstelle, dass sich die tschechische Regierung bereits Gedanken darüber macht, dass der Stromtransport durch ihre Netze kostenpflichtig entgolten werden soll, dann haben wir hier auch einen europäischen Aspekt, den wir zu berücksichtigen haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Probleme lassen sich nicht nur gesetzgeberisch lösen, sondern sie müssen zu einem Umdenken bei uns selbst führen. Wir können nicht einen Ausstieg aus der Kernenergie fordern und andererseits gegen den Bau von Hochspannungsleitungen sein. Wir können nicht zugleich den Ausbau von erneuerbaren Energien öffentlich fördern, um wenig später die notwendigen Speicherkapazitäten zu blockieren. Die Entwicklung und die Chancen, die Energieversorgung des 21. Jahrhunderts zu revolutionieren und auf neue Füße zu stellen, wird uns nur gelingen, wenn wir gemeinsam - gemeinsam, Herr Dr. Stegner, statt gegeneinander - daran arbeiten - das gilt für jeden von uns -, festgefahrenes Denken zu überwinden.
Wir sollten nicht anderen Angst einjagen und Druck aufbauen. Wir sollten uns bewegen und damit Kräfte auslösen, um bisher Undenkbares machbar zu machen. Die Umstellung der Energieversorgung ist eine gewaltige Herausforderung, der wir uns nicht verschließen können.
Wir müssen natürlich auch - das gilt nicht nur für die Grünen, sondern auch für die Vertreter der Umweltverbände - darüber nachdenken, ob es im Hinblick auf den Ausbau der erneuerbare Energien sinnvoll sein kann, dass die Leitungen durch das Wattenmeer nur in einem Monat pro Jahr verlegt werden dürfen. Wenn Sie den Prozess nicht schaffen, haben Sie wiederum ein Jahr verloren. Mir ist gesagt worden: Herr Kubicki, vergessen Sie den Zehnjahreszeitraum! Wenn wir hier nicht zu anderen Lösungen kommen, schaffen wir den Anschluss, für Offshore-Anlagen in der notwendigen Zeit nicht. Auch darüber müssen wir nachdenken, wie wir neue Prioritäten setzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Möglichkeit der Energiewende bietet die Gelegenheit, ein historisches Projekt voranzutragen, von dem unser Lebensstandard und möglicherweise auch das Überleben unseres Wohlfahrtsniveaus abhängig ist. Der World Energy Outlook der Weltenergieagentur aus dem Jahr 2010 geht davon aus, dass der globale Primärenergieverbrauch bis 2035 um 36 % steigen wird, ausgehend von 2008. Damit würde der Primärenergieverbrauch von 12.300 Millionen t Rohöleinheiten auf 16.700 Millionen t Rohöleinheiten steigen. Uns allen ist bewusst, dass dies, wenn auch physisch leistbar, sicherlich nicht mehr bezahlbar wäre, wenn man sich wie bisher auch weiterhin auf fossile Ressourcen verlassen würde. Allein für den Import von Kohle, Erdöl und Erdgas hat Deutschland 2010 66,8 Milliarden € ausgegeben. Bei weiter steigenden Preisen wird sich dieser Betrag, falls wir an der bisherigen Form der Energieerzeugung festhalten, deutlich erhöhen. Dieser Betrag steht für Maßnahmen im Inland nicht mehr zur Verfügung.
Es bieten sich große Aussichten für unsere Wirtschaft, wenn wir etwa die Hälfte dieser Exportausgaben in unserer Volkswirtschaft als Wertschöpfung erhalten könnten. Zugleich würden wir uns unabhängig machen von Ölstaaten und Gaslieferanten, die wenig gemein haben mit unseren Idealen. Die Wenigsten von ihnen sind wirkliche Demokratien. Eine Vielzahl achtet die Menschenrech
te nicht. In ihren Gefängnissen wird gefoltert. Manche dieser Staaten unterstützen auch finanziell den Terrorismus. Indem wir das Rohöl von diesen Staaten importieren, machen wir uns zwar nicht mitschuldig an dem Dilemma, wohl aber mitverantwortlich.
Die Energiewende weist vier zentrale Vorteile auf: Geringere Einfuhren von fossilen Brennstoffen, Unabhängigkeit vom Wohlwollen der autokratischen Importländer - gucken wir uns einmal die Entwicklung Europas in den letzten 60 Jahren an, dann wissen wir, welche Veränderungen bevorstehen und wie man mit Sicherheiten, die man fundamental zu haben glaubt, auch umgehen kann -, es ist ferner ein Mittel gegen die Erhöhung der CO2Konzentration in unserer Atmosphäre, und sie bietet Chancen für eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Wenn das richtig angestellt wird, dann ergeben sich hierbei in den verschiedenen Abschnitten der Wirtschaft ausreichende Potenziale, um eine Vielzahl von Jobs und Perspektiven zu schaffen, gerade und ausgerechnet und dankenswerterweise in Schleswig-Holstein.
Die Energieumstellung wird die verkrusteten kartellähnlichen Strukturen in der deutschen Energiewirtschaft auflösen. Dies deuten schon die Kursrückgänge der Aktien von E.ON und RWE an. Die Karten werden in diesen Märkten neu gemischt. Während die Laufzeitverlängerung nur den vier großen Stromkonzernen genützt hat, besteht nun bei dem neuen Konzept die Möglichkeit, dass auch kleine Unternehmen, Stadtwerke, Genossenschaften und andere, in den Markt eintreten und damit einen Wettbewerb entfachen, den wir dringend benötigen.
Lieber Christian, ist teile den Ansatz des Kollegen Stegner, Konzerne müssten zerschlagen werden was im Wesentlichen der Hippie-Ideologie entspricht - überhaupt nicht, aber zu glauben, dass ausgerechnet nur Konzerne Höchstleistungen erbringen könnten, wird dem Leistungsvolumen der deutschen mittelständischen Wirtschaft in keiner Weise gerecht.
Der deutsche Maschinenbau besteht ausschließlich aus mittelständischen Unternehmen - da haben wir keine Großkonzerne -, und die sind weltweit füh
rend. Ich will nur sagen, wir sollten aufpassen, dass wir in bestimmten Bereichen nicht solche Strukturen schaffen, die dann systemrelevant werden, weil wir dann keine Insolvenzmöglichkeiten für unternehmerische Fehlleistungen mehr haben.
Ich bitte, darüber einmal nachzudenken. Ich weiß, dass es wahrscheinlich nicht so gemeint worden ist, aber das darf schlicht und ergreifend nicht so stehenbleiben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe nicht die Befürchtung, dass die Energiewende technologisch scheitern wird oder dass wir deswegen in Stagnation, in ein Nullwachstum, geraten werden. Im Gegenteil, wenn der Mensch in seiner Geschichte eines bewiesen hat, dann, dass er in der Lage ist, auch die größten Herausforderungen zu meistern. Durch Erfindungen und Innovationen sind in der Vergangenheit viele Bedrohungen beseitigt und gemeistert worden.
Ich will das an einem kleinen Beispiel erläutern. 1850 hatten die Stadtplaner die Befürchtung, dass die Straßen New Yorks wegen der Zunahme an Kutschen bis zum Jahr 1910 in meterhohem Pferdemist ersticken würden. Als ähnliche Fehleinschätzung wird sich auch die aktuelle Prognose erweisen, dass den Autos langfristig der Treibstoff ausgehen wird. Daimler-Chrysler hat Anfang des Monats bewiesen, welches Potenzial in den oft unterschätzten und von vielen schlechtgeredeten Brennstoffzellen steckt. Daimler ist es gelungen, erfolgreich mit einer B-Klasse in 125 Tagen mit einer Fahrleistung von 30.000 km die Welt zu umrunden.
Mithilfe von regenerativen Energiequellen, zum Beispiel Windrädern, kann zukünftig Wasserstoff als Energieträger vor Ort erzeugt und später gegebenenfalls weitergeleitet werden.
Also, die Energiewende hat Potenziale, Probleme auch außerhalb unseres Landes zu lösen. Warum beispielsweise denken wir bei der Energieversorgung immer noch in nationalen Sphären? Häufig ist in diesen Tagen die Rede von der fehlenden europäischen Vision. Warum also rufen wir nicht die Idee einer autarken erneuerbaren Energieversorgung im europäischen Verbund aus, vielleicht auch mit der Türkei und Israel als Partner? Dies würde Staaten wie Griechenland in die Lage versetzen, sich mithilfe von Sonnenkraftwerken und
Windkraftanlagen neue Exporterlöse innerhalb des europäischen Marktes zu erschließen, Steuereinnahmen zu generieren und damit auch langfristig den Schuldenberg abzutragen.
Die Entscheidung über die Entwicklung der Energieversorgung der Zukunft hat jeder einzelne von uns in den Händen. Schon der französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry schrieb - ich zitiere, Herr Präsident -:
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ich gehe noch einmal auf Ihre Regierungserklärung ein. Sie sagten: Restrisiken sind keine theoretische Größe mehr. Ich sage: Das waren sie noch nie.
Selbstverständlich hätte man das wissen können. Japan hat jetzt ein Problem, nicht, obwohl sie etwas anderes gemacht haben als Atomkraft, sondern weil sie auf Atomkraft gesetzt haben, haben sie jetzt ein ökonomisches und ein ökologisches Problem. Das hätte man ahnen und auch wissen können.
Herr Ministerpräsident, Sie werfen eine Münze und nehmen die Zahl und sagen: Im Unterschied zu heute gab es 1986 noch nicht die Möglichkeit, erneuerbare Energien in hinreichendem Maße zu nutzen.
Ich werfe auch eine Münze, habe Kopf bekommen und sage: Mit dem heutigen Tag sind wir da, wo wir hätten vor 20 Jahren sein sollen.
Wir planen - da kommen wir wieder zusammen eine Energieversorgung ohne Atomenergie. Das ist eine spektakuläre Nachricht, und - egal aus welchen