Protokoll der Sitzung vom 30.06.2011

Betrachtet man im Übrigen die soziale Komponente der Energiewende noch ein bisschen mehr, so kann man sich schon vorstellen, dass die Maßnahmen der energetischen Gebäudesanierung zu Mieterhöhungen führen können. Auch der Einbau von Anlagen, die erneuerbaren Strom erzeugen, ist ja nicht zum Nulltarif zu haben. Hier wird also die jeweilige Miete möglicherweise steigen. Damit die Miete nicht höher steigt als die Einsparungen, die sich aus der effizienteren Nutzung und Produktion von Energie ergeben, müssen neue Regelungen für die Berücksichtigung solcher Maßnahmen bei Mieterhöhungen her.

(Beifall bei SSW und der LINKEN)

Es ist jedenfalls vernünftig, dieses gleich mitzudenken. Eine Verlängerung der Berücksichtigungszeiträume, die für die Berechnung der Miete zugrunde gelegt werden, könnte hier zum Beispiel helfen. So könnte auch ein Mieter real sparen, und gleichzeitig gäbe es dadurch eine wesentlich höhere Akzeptanz für Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen in Mietwohnungen.

Auch wir sind der Auffassung, dass bei der energetischen Sanierung von Gebäuden noch sehr viel getan werden kann. Allerdings glauben wir nicht, dass Fördermöglichkeiten hierfür erst geschaffen werden müssen, wie es die SPD in ihren Antrag im ersten Spiegelstrich fordert. Die Fördermöglichkeiten sind vielmehr schon längst da. Wer es nicht glaubt, kann sich gern bei der Investitionsbank informieren. Vielmehr ist es doch so, dass für manch eine Sanierung zwar eine Kofinanzierung zu haben ist oder auch billige Kredite zur Verfügung stehen, aber man letztlich immer darauf angewiesen ist, relativ viel Eigenkapital selbst mitzubringen oder fremd zu finanzieren. Somit stellt sich eher die Frage, ob man hier noch stärker fördern kann.

Dazu gibt es zweierlei zu sagen: Als Anschubfinanzierung für die Entwicklung einer Branche macht das sicherlich Sinn. Als dauerhafte Subventi

on führt so etwas allerdings nur zu Mitnahmeeffekten in der Baubranche. Deshalb, glaube ich, liegt der Ansatz hier schief. Klug wäre es nach unserer Auffassung, die Entwicklung in einer Branche zu fördern und nicht den Absatz von wie auch immer gearteten Produkten.

Eine ähnliche Kritik richtet sich auch gegen die Forderung im gleichen Spiegelstrich, die gesetzlichen Grundlagen zu ändern und Förderprogramme aufzulegen, um Solarnutzung auf Dächern zu ermöglichen.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, könnte der Geräuschpegel bitte etwas heruntergehen? - Danke.

All das gibt es schon lange. Die Frage ist doch, ob die jetzige Gesetzeslage ausreichend ist. Viele Solarprojekte beweisen dies nicht nur, sondern sie zeigen auch, dass diese Projekte sehr wirtschaftlich sind. In unserem Land nutzt gerade die GEWOBA Nord, wie viele andere Wohnungsbaugenossenschaften auch, die Möglichkeiten, die es gibt, um ihre Gebäude umzurüsten. Somit gibt es kein Gesetzgebungsdefizit oder einen Mangel an Förderung, sondern es fehlt am politischen Willen bei Teilen der kommunalen Ebene und bei der Landesregierung. Sonst hätten wir zum Beispiel schon viel mehr Solarkollektoren auf landeseigenen Gebäuden, und dann wäre von den regierungstragenden Fraktionen auch ein entsprechender Antrag des SSW nicht abgelehnt worden.

Diese kurzen vertieften Ausführungen zu einigen der Themen, die heute beraten werden sollen, zeigen, dass es durchaus noch viel Beratungsbedarf beim Thema Energiewende gibt. Möglicherweise wird es auch in Zukunft zu einzelnen Themen unterschiedliche Auffassungen geben. Trotzdem ist es wichtig, dass wir schnell und effektiv handeln, damit wir Vorteile aus der neuen Entwicklung ziehen können. Wir können diejenigen sein, die überdurchschnittlich von der Energiewende profitieren können.

Auch dies will ich an einigen Zahlen aus meiner Heimat Nordfriesland deutlich machen. Die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien liegt bei uns in Nordfriesland bei über 2 Millionen MW/h, 1,8 Millionen MW/h aus Windenergie, 230.000 MW/h aus Biomasse und 100.000 MW/h

(Lars Harms)

aus Solaranlagen. Das bedeutet, dass ein Landstrich mit etwas mehr als 165.000 Einwohnern Strom für 440.000 Dreipersonenhaushalte oder umgerechnet für 1,32 Millionen Menschen produziert. Das ist eine gewaltige Zahl.

Wenn man dann noch bedenkt, dass sich mehr als 75 % der Stromerzeugung bei uns in Nordfriesland in Bürgerhand befindet, kann man erst ermessen, welche Chancen jetzt in der Energiewende für unser gesamtes Land und für seine Bürgerinnen und Bürger direkt stecken. Wenn wir den Weg der Energiewende weitergehen, dann schaffen wir Arbeitsplätze in unserem Land und erhöhen nebenbei auch noch die Steuereinnahmen, die auch unserem gebeutelten Haushalt zugute kommen. Deshalb unterstützen wir ausdrücklich die Aufforderung an die Landesregierung, die die SPD formuliert hat, sich auf allen Ebenen für eine Energiewende weg vom Atomstrom und Strom aus fossilen Energieträgern einzusetzen und den Weg hin zur ausschließlichen Nutzung von erneuerbaren Energien zu gehen. Das müssen wir tun - je schneller, desto besser. Wir müssen wieder führend werden. Wir müssen schnell sein. Wir dürfen uns von anderen Bundesländern nicht überflügeln lassen. Es geht darum, etwas Gutes für die Menschen zu tun und gleichzeitig Geld zu verdienen. Da sollten wir Schleswig-Holsteiner an erster Stelle stehen.

(Beifall bei SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Für einen Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Olaf Schulze von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über den Atomausstieg haben wir heute viel gehört. Wir alle sind uns einig, dass die Energiewende kommen muss. Die SPD-Fraktion hat einen Antrag genau zu diesem Thema gestellt, nämlich wie die Energiewende gestaltet werden muss und soll. Wir haben heute viel darüber gehört, dass wir die Netze ausbauen müssen, dass wir mehr Offshore-Anlagen bauen müssen beziehungsweise überhaupt ausbauen müssen. Hier möchte ich klarstellen: Herr Stegner hat nie gesagt, er sei gegen Offshore. Das hätte man, wenn man nicht so viel gebrüllt, sondern einfach nur zugehört hätte, auch gehört.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Wir sagen vielmehr: Eine Energiewende muss dezentral organisiert werden - dezentral bedeutet, von unten heraus. Das fängt bei den Kommunen an, geht über die Kreise und das Land hin zum Bund.

Wenn wir darüber diskutieren wollen, wie viele Netze wir ausbauen müssen, müssen wir darüber diskutieren, ob es nicht sinnvoller ist, den Strom vor Ort zu produzieren, anstatt ihn kilometerweit zu transportieren. Insofern muss das Augenmerk erst einmal darauf liegen, vor Ort zu produzieren, darauf, wie wir die Produktion vor Ort stärken können, wie wir vor Ort einspeisen können. Da sind die Netze gerade vor Ort wichtig. Deswegen setzen wir darauf, dass Stadtwerke vor Ort, Gemeindewerke vor Ort gestärkt werden. Das steht in unserem Antrag so drin, dass wir Gemeindewerke und Stadtwerke stärken wollen und nicht mehr die großen Energiekonzerne,

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

die bis jetzt nichts zur Energiewende beigetragen haben.

Die Energiewende ist bis jetzt kommunal und von den Bürgerinnen und Bürgern organisiert worden. Da müssen wir ansetzen. Deswegen hätte ich mich gefreut, Herr Ministerpräsident, wenn Sie vielleicht einmal zuhörten, wenn Sie zur Landesnetzgesellschaft nicht etwas falsch verstanden hätten. Die Landesnetzgesellschaft soll nicht dazu beitragen, Stadtwerken irgendwelche Goodies zu geben oder ihnen irgendetwas zu geben, was ihnen nicht zusteht, sondern sie soll einfach nur dafür sorgen, dass die Stadtwerke die gleichen Chancen wie die großen Energiekonzerne kriegen.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

Deshalb, so sagen wir, brauchen wir eine Landesnetzgesellschaft. Ich hätte mich gefreut, wenn wir schon im letzten Jahr, als wir den Antrag gestellt haben, ein bisschen mehr darüber diskutiert hätten und dass Sie nicht einfach ideologisch abgestimmt und gesagt hätten, das kostet nur Geld, ohne dass wir es wirklich berechnet haben.

(Zuruf)

- Nein, das haben wir nicht. - Das bedeutet doch nur, dass Sie mehr Menschen einstellen müssten oder mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, und deswegen wollen Sie es nicht. Das ist der falsche Weg. Wir müssen wirklich gucken, was sinnvoll für das Land ist. Ich glaube, hier haben wir gute Ansätze.

(Beifall bei der SPD)

(Lars Harms)

Deshalb möchte ich noch einmal unterstützen, dass wir die Anträge in den Wirtschaftsausschuss überweisen, damit wir dort noch einmal inhaltlich vernünftig darüber diskutieren können. Ich würde mich freuen, wenn wir wie bei der Atomkraft auch bei anderen Dingen einen Sinneswandel bei einigen Fraktionen hier im Hause hinbekommen könnten, damit wir gemeinsam diese Energiewende, die heute ja von allen gefordert worden ist, erreichen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Werner Kalinka von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Energiewende ist von den Menschen im Land gewollt, genauso wie von allen Fraktionen. Ohne Dialog allerdings ist die Energiewende nicht zu schaffen. Wir müssen überzeugen, wir müssen mitnehmen. Deswegen gibt es die Initiative der Koalition, die ich gern noch kurz vorstellen möchte.

Herr Kollege Stegner, Sie haben die Geschichte bemüht. Gestatten Sie mir dazu zwei Anmerkungen. Einmal: Ihr Entwurf des Landesentwicklungsplans 2008 sah Windeignungsflächen von 1 % vor. Wir haben sie auf 1,5 % ausgeweitet. Sie haben den Landesentwicklungsplan kritisiert.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zweitens. Sie haben bei der Aufzählung aus der Geschichte Schleswig-Holsteins vergessen, dass die SPD im Land in zwei Wahlperioden aus der Kernenergie aussteigen wollte. Sie haben aber fast 20 Jahre in diesem Land regiert, und einen Ausstieg haben Sie in dieser Zeit nicht annähernd geschafft. Das sind die beiden Dinge, die zur Wahrheit dazugehören. Dies muss Ihnen auch gesagt werden.

Herr Kalinka, lassen Sie eine Zwischenfrage des Fraktionsvorsitzenden Dr. Stegner zu?

Sehr geehrter Herr Kollege Kalinka, wären Sie bereit, dem Hause gegenüber zuzugestehen, dass sich

meine Kritik am Landesentwicklungsplan nicht auf diesen Punkt bezog, sondern darauf, dass Sie Politik gegen die Städte machen wollten mit dem, was Sie mit dem Landesentwicklungsplan gemacht haben,

(Zuruf von der CDU: Das ist falsch!)

und zweitens, dass das Atomgesetz leider nicht von der schleswig-holsteinischen Landesregierung in der Weise verändert werden kann, dass der Atomausstieg stattfindet, dass aber den Ausstiegsbemühungen der sozialdemokratisch geführten Regierung Ihre Partei mit großem Widerstand entgegengetreten ist? Wenn Sie das dem Hause zugestehen könnten, wäre ich Ihnen außerordentlich dankbar.

- Herr Kollege Dr. Stegner, zwei Anmerkungen: Haben Sie bei Ihrem Beschluss als Partei nicht gewusst, wie die gesetzliche Lage beim Atomausstieg war?

(Beifall bei der CDU)

Der zweite Punkt: Sie haben keinerlei Initiative entwickelt, um beim Landesentwicklungsplan mehr als 1 % Windeignungsfläche anzubieten. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU)

Insofern danke ich Ihnen für Ihre Frage.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir fordern mit unserem Antrag eine frühzeitige Bürgerbeteiligung; denn es gehört auch zur Aufrichtigkeit, dass wir von Konflikten sprechen, die mit dieser Wende einhergehen werden. Schon gibt es eine nicht unerhebliche Zahl von Bürgerinitiativen, auch von Protesten von Nachbarn über Windkraftanlagen, Biogasanlagen und auch über Gülleproduktionen. Diese Tendenz wird leider zunehmen. Das Stichwort der Stromtrassen ist schon genannt worden. Hier ist ein Umdenken notwendig.

Viele Proteste entstehen nur deshalb, weil man die Menschen nicht ausreichend informiert oder mitnimmt. Mit unserem Antrag bitten wir die Landesregierung zugleich, für Konfliktfälle auf lokaler Ebene die Erarbeitung eines Konzepts für eine Ombudsstelle für den Fachbereich erneuerbare Energien zu prüfen. Ich denke, dies ist ein wichtiger Punkt auch auf lokaler Ebene. Ich bedanke mich ausdrücklich bei Anke Spoorendonk und Lars Harms für den Hinweis auf die Notwendigkeit des Dialogs. Das ist wirklich ein wichtiger Punkt, mit dem man vieles vermeiden kann, was sonst mögli

(Olaf Schulze)