Um dieses Ziel zu erreichen, sind professionelle und wissenschaftlich gestützte Vorbereitungen erforderlich. Es ist aber zu befürchten, dass die Erträge aus dem bisherigen Stiftungskapital und die ergänzenden Landeszuschüsse dafür nicht ausreichen werden. Eckpunkte hierfür erwarte ich von der avisierten Konzeption des Vorstands der Bürgerstiftung.
Eine weitere Herausforderung der Zukunft wird die Koordination aller Gedenkstättenarbeiten in Schles
wig-Holstein sein. Dazu gehören die Abstimmung mit Einrichtungen wie dem Flandernbunker in Kiel oder dem Marineehrenmal in Laboe, aber auch eine mögliche Erweiterung des Informationsangebots mit Blick auf das Jüdische Museum in Rendsburg. Auch die Neulandhalle in Kronprinzenkoog als bauliche Hinterlassenschaft des Nationalsozialismus bietet sich als Ergänzung an. Der Minister hat es bereits erwähnt.
Erfreulich ist, dass die Landesregierung den Vorschlag, das Gebäude zu einem Ort der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zu entwickeln, unterstützen will.
Meine Damen und Herren, wir sollten uneingeschränkt die Bürgerstiftung in ihrem Bestreben unterstützen, Toleranz und gegenseitige Achtung unter den Menschen zu fördern sowie Verständnis und persönlichen Einsatz für den freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat zu stärken, wie es in ihrer Satzung steht.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dass dieses Prinzip keineswegs selbstverständlich ist, zeigt der tägliche Blick in die Zeitung. Aber das lehrt uns besonders die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts.
Die jungen Menschen, die heute dabei sind, ein Bewusstsein für Grundwerte und für ein Verständnis für die Geschichte zu erwerben, tun dies unter anderen Bedingungen als frühere Generationen. Der Bericht der Landesregierung weist darauf hin, dass nur noch wenige Zeitzeugen als glaubwürdige Referenzpersonen zur Verfügung stehen, die ihren Urenkeln von den Realitäten des nationalsozialistischen Regims berichten können mit allen Chancen und mit allen Risiken, die eine solche Erfahrungsweitergabe über die Generationen hinweg beinhaltet.
gang bedeutet, bringt für die Einrichtungen und Medien der historisch-politischen Bildung neue Herausforderungen mit sich. Gedenkstätten als Orte des früheren Geschehens bieten dabei die Möglichkeit, diesen Verlust an emotionaler Auseinandersetzung wenigstens teilweise auszugleichen. Die meisten Gedenkstätten dienen dem Wachhalten der Erinnerung an das Schicksal der Opfer und damit auch an die Schuld der Täter.
Der Bericht der Landesregierung stellt die wichtige Arbeit ausführlich dar, die beispielsweise in Ladelund, Kaltenkirchen, Ahrensbök, Husum-Schwesing geleistet wird.
Für viele junge Menschen ergibt sich daraus die Frage, warum es so viel Zustimmung zum Nazi-Regime gab und warum die Deutschen nicht in der Lage waren, sich selbst von diesem Unrechtssystem zu befreien, sodass sie am 8. Mai befreit werden mussten.
Bundespräsident von Weizsäcker hat das seinerzeit so formuliert: „Für uns ist das nicht der Tag der Niederlage, sondern der Tag der Befreiung.“
Es gibt derzeit eine lebhafte Diskussion über die Zukunft der Neulandhalle. Ich würdige es ausdrücklich, dass die Evangelische Kirche, die Eigentümerin des Gebäudes ist, sie nicht auf dem freien Markt veräußern will, um nicht Kaufinteressenten anzulocken, die wir da auf keinen Fall haben wollen. Ich rege deshalb an, dass wir gemeinsam nach Wegen suchen, die Potenziale der Neulandhalle in Dithmarschen als Stätte der Aufklärung gegen Rassismus und Faschismus auszuloten und zu prüfen, ob dieses Haus, zum Beispiel in Form einer Stiftung, diese Aufgabe wirksam erfüllen kann. Die Neulandhalle war kein Ort der Verfolgung, sondern ein Ort, der die nationalsozialistische Gesellschaftspolitik und ihr Ziel einer rassistischen Neuformulierung des deutschen Volkes transparent gemacht hat.
Nicht nur die Gleichschaltung der Köpfe, sondern möglichst auch die der Gesichter und Kopfformen wurde nach dem Vorbild von Zuchtbüchern für Pferde und Hunde angestrebt. Dieses Experiment, das ursprünglich der Ausdehnung der schleswigholsteinischen Westküste dienen sollte, sollte später in den besetzten Ostgebieten als Sklavenhaltersystem in riesigem Maßstab umgesetzt werden. Diese obszöne Provokation, diese obszöne Provokation
eines österreichischen Politikers, der nicht müde wurde, von der ordentlichen Beschäftigungspolitik des Dritten Reiches zu schwadronieren, muss dadurch konterkariert werden, dass man die sozialen Angebote des Nazi-Regimes in den Zusammenhang einbettet, in den sie gehören, nämlich den ihrer Gegenfinanzierung durch Völkermord und Weltkrieg. Der Historiker Götz Aly hat einen wichtigen Beitrag zur Erhellung dieses Zusammenhangs geleistet.
Ich bitte darum, den Bericht der Landesregierung an den Bildungsausschuss zu überweisen. Er sollte Grundlage für ein Gedenkstättenkonzept sein, das nicht an den Grenzen Schleswig-Holsteins halt macht, sondern die norddeutschen Bundesländer sowie das benachbarte Ausland - da denke ich insbesondere an Dänemark - mit einbezieht. Es gibt viele Details zu besprechen. Darauf freue ich mich.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal danke ich dem Ministerium für Bildung und Kultur für den ausführlichen und umfassenden Bericht. Herr Minister Klug, ich füge gern hinzu: Ich finde es richtig und wichtig, dass Sie am Tag der Befreiung am 8. Mai die Gedenkstätte in Ahrensbök besucht haben. Mich hat beeindruckt, was Sie dort gesagt haben. Ich darf sagen, Sie haben genau die richtigen Worte gefunden, um die Bedrückung der Menschen zu erfassen. Mein Respekt dafür.
Herr Kollege Wengler hat das auch gesagt. Ich möchte mich auch beim SSW und bei Anke Spoorendonk bedanken, dass sie das Thema in den Landtag eingebracht hat. Hier steht es auch richtig zur Diskussion. Ich finde, hier bringt es auch noch einmal etwas für die Öffentlichkeitswirkung.
Meine Damen und Herren, mit der Gründung der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten im Jahr 2002 hat sich die Landesregierung zum Ziel gesetzt, authentische Orte der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, wie in Ladelund, Kaltenkirchen, Ahrensbök oder Husum-Schwesing, zu erhalten und die Aufklärungsarbeit darüber zu fördern.
Zur Neulandhalle in Dieksanderkoog ist schon viel gesagt worden. Ich möchte ergänzen: Auch die Neulandhalle in Dieksanderkoog kann eine würdige Gedenkstätte werden, wenn das die Menschen in Dithmarschen wollen und das in breitem gesellschaftlichen Konsens kundtun.
Die Landesregierung berichtet über die Gedenkstättenarbeit in Schleswig-Holstein insbesondere in Bezug auf die Stätten des Gedenkens an die nationalsozialistische Terror- und Gewaltherrschaft. Diese Gedenkstätten sind Einrichtungen, die angesichts einer heranwachsenden Generation, für die solche Gräueltaten weit abseits des Vorstellbaren liegen, von besonderer Bedeutung sind. Sie sollen die Erinnerung an diese furchtbare Zeit lebendig halten und den kommenden Generationen stets eine Warnung sein.
Nach Ansicht der FDP-Fraktion macht der vorliegende Bericht deutlich, dass die Landesregierung ihre Verantwortung in diesem Bereich in vollem Umfang wahrnimmt und mit zahlreichen Projekten Wesentliches für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Gedenkstätten in Schleswig-Holstein leistet.
Die Förderung durch die Landesregierung ist davon geprägt, das ehrenamtliche Engagement mit finanziellen Zuschüssen, aber auch mit fachlicher Beratung und Begleitung zu unterstützen. Auch in diesem und in den kommenden Jahren werden trotz der allgemeinen Haushaltskonsolidierung die Mittel für die Gedenkstättenarbeit nicht gekürzt. Das möchte ich an dieser Stelle einmal ausdrücklich betonen.
Zudem konnten durch Haushaltsumschichtungen sogar noch zusätzliche Mittel für einzelne Projekte zur Verfügung gestellt werden. Auch das ist von meinen Vorrednern schon erwähnt worden.
Im Vordergrund bei der Entwicklung sollte weiter die stärkere Vernetzung der Gedenkstätten im Land stehen. Ein geschlossenes Auftreten wird mehr Aufmerksamkeit auf die Gedenkstätten lenken und sie in der Öffentlichkeit besser positionieren.
Die Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten als übergeordnete Institution ist hierzu unabdingbar und befindet sich mit ihrer Arbeit auf dem richtigen Weg, auch - das muss man sagen wenn von einem Erreichen der Ziele noch nicht endgültig gesprochen werden kann. Die BGSH ist
jedoch nicht in der Lage, das Engagement der zahlreichen ehrenamtlichen Helfer, die teilweise seit Jahrzehnten wichtige Erinnerungs- und Bildungsarbeit leisten, sowie der kirchlichen und gemeinnützigen Organisationen und die Unterstützung aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur zu ersetzen. Das Land kann hier nicht alleine stehen. Es ist also weiter eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen Partner erforderlich, wobei die BGSH jedoch wichtige Koordinierungsaufgaben übernehmen kann, um diese Arbeit effizienter zu gestalten. Man darf also gespannt sein auf die neue Konzeption, die auch schon von meinen Vorrednern für 2012 angekündigt worden ist.
Nicht zuletzt ist zu bedenken, dass sämtliche Gedenkstätten in Schleswig-Holstein ausschließlich durch bürgerschaftliche Initiativen ins Leben gerufen wurden und bis heute von diesen mit großer Verantwortung und mit vorbildhaftem Einsatz betrieben werden. - Ich richte meinen Blick nach oben auf die Tribüne. Auch Ihnen vielen Dank dafür.
Meine Fraktion wird diese Initiativen auch weiter nach Kräften fördern und sie in ihrer weitgehend eigenständigen Arbeit unterstützen. Dabei möchte ich zum Schluss doch noch betonen, dass die Erinnerungs- und Bildungsarbeit kein Selbstzweck ist, sondern auch der Vermittlung von übergeordneten Werten, wie Toleranz und Verständigung zwischen verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen, dient und den individuellen Einsatz dafür stärken muss.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Dr. Robert Habeck, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mit einem Zitat anfangen, das ich bei einem Besuch in Ladelund abgeschrieben habe: „Was unser Dorf erlebte, war derart grauenhaft, dass das Erleben zu schildern einfach unmöglich ist. Wir hatten auch hier, vor allem durch den Londoner Sender, vom KZ gehört, aber nie für möglich gehalten, dass die Zustände derart sata
Ladelund und Schwesing, die Begriffe sind heute schon ein paar Mal gefallen. Um den Sinn noch einmal zu erklären: Die Lager wurden gebaut, um die Gefangenen für den völlig sinnlosen Bau des sogenannten Friesenwalls hinzumorden. Das war das Bollwerk, ein Panzergrabensystem, das den Vormarsch der Alliierten von der Nordsee her stoppen sollte.
Sie standen im Novembermatsch auf den Körpern ihrer zusammengebrochenen Kameraden und buddelten weiter. Sie wurden erschlagen oder erschossen oder starben an Unterernährung. Die Aufseher wetteten - auch das kann man in Ladelund nachlesen -, wie viele Schläge man braucht, um einen Insassen zu töten. Lange Zeit lag der Rekord bei zwei Schlägen, dann wurde auch dieser noch unterboten.
Ich habe Johannes Meyer, den Pastor, erwähnt, weil er selbst ein Beispiel für die Erinnerungsarbeit ist, die wir in Schleswig-Holstein leisten müssen. Er war überzeugter Nazi, sehr früher Nazi, schrieb sogar einen Brief an Hitler, weil er nicht glauben wollte, dass dieser wusste, wie die Zustände in den KZ aussehen. Aber dennoch stellte er sich dann 1944, also noch zur Zeit des Regimes, mit vollem Bewusstsein den Verbrechen des Faschismus und schrieb die Ereignisse im KZ Ladelund nieder. Welche Widersprüche in einem Leben!
Die Verführung und die Verfolgung des Faschismus, hier in unserem Land sind sie beispielhaft zu besichtigen.