Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe anwesende Zuhörer! Der Atomausstieg ist gestern vom Bundestag beschlossen worden. Das ist unumkehrbar und gut so. Mit dieser Entscheidung sind weitreichende Folgen verbunden, die im vorliegenden Fragenkatalog skizziert wurden. Ich bedanke mich, dass Minister Schmalfuß auf der Basis der aktuellen Situation eine erste Einschätzung zu den Folgen des Atomausstiegs für SchleswigHolstein gegeben hat. Ich hätte mich allerdings gefreut, wenn wir einen schriftlichen Bericht bekommen hätten. Dann hätten wir ein bisschen besser und auch mit mehr Inhalt diskutieren können.
Aus den bestehenden Erfahrungen beim Rückbau von Atomkraftwerken wissen wir, dass wir wahrscheinlich einen jahrzehntelangen Prozess vor uns haben, bis auch die Atomkraftwerke in SchleswigHolstein sicher aus der Landschaft verschwunden sind. In diesem Prozess wird ein in diesem Volu
men am Arbeitsmarkt derzeit nicht vorhandenes Potenzial von Facharbeitskräften benötigt. Auch wenn der Rückbau wie vorher auch der Betrieb von Atomkraftwerken in erster Linie eine Aufgabe der Betreiber ist, muss der Staat die Aufsicht auch in diesem anstehenden Prozess sicherstellen. Vorher sind die Fragen der ausreichenden Rücklagen, die Endlagerung des anfallenden hochradioaktiven Materials und die Haftung bei Unfällen mit den Betreibern zu klären. Für diesen Prozess ist sicherlich auch die Frage zu klären, wie auch die Atomaufsicht personell für einen zu definierenden Zeitraum zu verstärken ist.
Wenn die Atomkraftwerke aus unserer Landschaft verschwunden sind, wird eine Folgenutzung der nunmehr freien Flächen stattfinden. Angesichts der Vornutzung und Anbindung an das Stromnetz sind hier neue, vor allem regenerative Energien besonders interessant. Diese Entscheidung steht jedoch in der Planungshoheit der Standortgemeinden und kann nicht vom Land vorgegeben werden; denn das sollte auch noch vor Ort diskutiert werden, und wir sollten dann jeweils auch vor Ort sehen, was dort am sinnvollsten ist.
Wie Sie den Ausführungen des Ministers entnommen haben, sind die meisten der gestellten Fragen heute nicht abschließend belastbar zu beantworten. Das kann zum heutigen Zeitpunkt auch gar nicht anders sein. Wir sollten uns daher nach dem Grundsatz „Genauigkeit geht vor Schnelligkeit“ sorgfältig mit diesen Fragen im Ausschuss befassen und dieses Thema zu einem geeigneten Zeitpunkt wieder aufrufen.
Zum Thema Arbeitsplätze! Ich meine, auch dieses Thema können wir gern noch einmal im Ausschuss diskutieren, auch, wie viele Arbeitsplätze durch den Rückbau geschlossen werden. Dort ist es nämlich so, dass auch in den Kommunen, in denen heute Arbeitsplätze sind, die Betriebe davon profitieren können, die jetzt schon da arbeiten. Ich weiß, es sind nicht alle Betriebe, und es ist richtig, dass wahrscheinlich auch Arbeitsplätze wegfallen werden. Aber es wäre natürlich schön gewesen, wenn die Bundesregierung den rot-grünen Kompromiss einfach beibehalten hätte. Dann hätte es eine Planungssicherheit für die Betreiber und auch für die Kommunen gegeben. Aber durch dieses Ad-hocEreignis aus dem letzten Jahr, als Sie ja die Atomkraftwerkslaufzeitverlängerung durchgesetzt haben,
und den jetzigen Umschwung ist die Planungssicherheit bei den Atomkraftwerksbetreibern auf ein Minimum gesunken.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie nach dem Beifall des Abgeordneten Magnussen auch eine Frage von ihm?
Herr Kollege, stimmen Sie mit mir überein, dass durch die Stilllegung die direkten Arbeitsplätze nicht betroffen sind, aber dass durch die Stilllegung Arbeitsplätze bei den Fremdfirmen, die jetzt im Werk tätig waren, sofort wegfallen und eine Sofortmaßnahme vollzogen werden muss, um dem entgegenzuwirken?
- Ich kann Ihnen da leider nur zum Teil zustimmen. Wenn Sie einmal von der Westküste in den Osten des Landes fahren würden, würden Sie sehen, dass zum Beispiel beim Atomkraftwerk Krümmel zurzeit noch eine neue Fassade angebaut wird und diese Arbeiten nicht gestoppt sind. Insofern sind bei dem Unternehmen weiterhin die Arbeitsplätze erhalten. Es gibt sicherlich einige Arbeitsplätze, die jetzt schon wegfallen, aber es gibt auch andere Arbeitsplätze, die durch den Rückbau neu geschaffen werden.
Würden Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass es an der Westküste vielleicht etwas anders ist? Die aktuellen Zahlen und Gespräche mit der Agentur für Arbeit dokumentieren klar und deutlich, dass im Moment massive Arbeitsplatzverluste anstehen. Die Renovierung in Brunsbüttel ist im Übrigen abgeschlossen. Auch da ist eine neue Fassade montiert worden.
- Ich nehme immer wieder gern zur Kenntnis, dass es an der Westküste anders ist als in anderen Landesteilen.
(Beifall bei der SPD sowie der Abgeordneten Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] und Silke Hinrichsen [SSW])
Sehr geehrter, lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es wirklich bemerkenswert, dass die Grünen hier einen mündlichen Berichtsantrag stellen, den Tagesordnungspunkt setzen lassen und dann drei Fraktionsmitglieder hier sitzen und sich den mündlichen Bericht anhören.
Das endgültige Aus für Kernkraftwerke und deren Rückbau sind für Schleswig-Holstein eine bisher unbekannte Herausforderungen mit vielen neuen Aspekten für die betroffene Wirtschaft, die Verwaltung und die Landespolitik. Insbesondere auf die Kraftwerksbetreiber kommen Herausforderungen zu. Es gibt geänderte Anforderungen an die Personalstruktur, und es wird zu einem Personalabbau kommen. Besonders externe Unternehmen und deren Beschäftigte werden davon betroffen sein.
Gestern hat der Bundestag historische Beschlüsse gefasst. Die große Herausforderung ist vor allem, dass in Deutschland nicht nur ein oder zwei Kernkraftwerke stillgelegt werden, sondern eben gleich acht auf einmal. Die Genehmigungen zum Leistungsbetrieb der weiteren Kernkraftwerke erlöschen - wie Sie wissen - gestaffelt bis zum Jahr 2022. Da stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Endlagerung. Denn es liegt in der Verantwortung der Generation, die die Kernenergie genutzt hat, auch dafür zu sorgen, dass die radioaktiven Abfälle sicher gelagert werden.
Der Ausstieg aus der Kernenergienutzung ist gesellschaftlich gewollt. Daher muss auch die gesamte Gesellschaft für den Rückbau und die Entsorgung Verantwortung tragen. Dies ist in der Vergan
genheit, wie Sie wissen, nicht ernsthaft angegangen worden. Es ist zu begrüßen, dass die ergebnisoffene weitere Erkundung von Gorleben nun weitergeführt wird. Zudem sollen auch weitere allgemeine geologische Eignungskriterien ermittelt und mögliche alternative Entsorgungsoptionen im gesamten Bundesgebiet geprüft werden.
Die Abwicklung der Stilllegung von Kernenergieanlagen ist in § 7 Abs. 3 des Atomgesetzes geregelt. Es bedarf eines atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens. Weitere rechtliche Grundlagen, die ebenfalls beachtet werden müssen, sind zum Beispiel die Strahlenschutzverordnung, das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, die Gefahrstoffverordnung und das Bundesimmissionsschutzgesetz. Herr Matthiessen, zu diesem Zeitpunkt heute, also einen Tag, nachdem der Bundestag beschlossen hat - der Bundesrat beschließt erst nächste Woche -, schon einen ausführlichen Bericht haben zu wollen, wie das Ganze vonstatten gehen soll, geht nun einmal einfach nicht.
Ich will nicht bezweifeln, dass die Fragen wichtig und richtig sind, aber dieses Thema wird uns definitiv noch lange beschäftigen. Natürlich muss auch die örtliche Bevölkerung informiert werden. Aber zum jetzigen Zeitpunkt kann man das alles noch nicht detailliert sagen.
Was jetzt erst einmal passiert ist, dass nach dem Abschluss der vorbereitenden Tätigkeiten erst mal die sogenannte Nachbetriebsphase beginnt. In dieser Phase werden die letzten Brennelemente abtransportiert. Ich hoffe natürlich ohne Proteste von Kraftwerksgegnern, Herr Thoroe. In folgenden, genau definierten Phasen werden die Kernkraftwerke nach und nach zurückgebaut.
Es sind in Deutschland schon mehrer Kernkraftwerke stillgelegt und rückgebaut worden. Die Erfahrungen, die dort gemacht worden sind, sind auch den anstehenden Projekten dienlich. Das Beispiel vom Kernkraftwerk Stade zeigt, wie zeit- und kostenintensiv eine Stilllegung und ein Rückbau ist. Die Abschaltung von Stade fand im November 2003 statt. Die Genehmigung des nuklearen Rückbaus erfolgte dann im September 2005, und der Rückbauprozess wird bis Ende 2015 andauern.
Einen letzten Aspekt will ich gern noch aufgreifen: Es ist natürlich darauf zu achten und dafür zu sorgen, dass im Zuge des Atomausstiegs achtsam mit Steuergeldern umgegangen wird. Herr Matthiessen erwähnte schon den Bundesrechnungshof. Wir haben eine große Anzeigenkampagne der grünen Bundestagsfraktion gesehen. Da muss man sich natürlich fragen, wie das finanziert worden ist.
Es gibt schon durchaus Erfahrungen von Steuergeldverschwendungen der Grünen, was den Atomausstieg anbetrifft. Als das Kernkraftwerk Stade, das ich gerade erwähnt habe, damals stillgelegt wurde, feierte der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin seine Freude auf einer großen Atomausstiegsparty - mit Politikern, Umweltschützern und Wirtschaftsvertretern. 41.823 € kostete das Vergnügen, und dieses Geld bezahlte der Steuerzahler.
(Ulrich Schippels [DIE LINKE]: So billig hätten wir das nicht gemacht! - Zuruf von der CDU: Hört, hört!)
Der Bundesrechnungshof hat das in einem Bericht ausführlich erwähnt und bezweifelt, dass dieser Empfang dem Zweck der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung erfülle. Im Bericht heißt es, das Ministerium habe damit eher Werbung für die Grünen gemacht.
- Genau, Frau Amtsberg, vielleicht noch am Rande etwas zu dem Thema. Bei dieser Party war nämlich der Ihnen sicherlich bekannte Schauspieler Manfred Krug engagiert worden. Der verließ aber schon nach dem ersten Lied die Bühne, weil das Publikum ihm kein Gehör schenkte und durcheinanderredete. Das ist wahrscheinlich üblich bei den Grünen. Krug sagte später in einem Zeitungsinterview - ich darf das zitieren -: „Ich wollte gerade das schöne Lied singen: ‚Es ist nicht leicht, so grün zu sein’. Als ich merkte, dass die sich so viel zu erzählen hatten und nicht in der Lage waren, mal einen Moment ruhig zu sein, dachte ich, da kannst du auch gehen.“
Unabhängig vom Atomausstieg muss ich wirklich sagen, dass es geschmacklos ist, Steuergelder an einem Tag zu verschwenden, an dem mehrere 100 Arbeiter in dem Kernkraftwerk Stade ihren Job verloren haben. Dass man dann so eine Sause macht,
geht überhaupt nicht. Ich freue mich auf die weiteren Debatten zu diesem Thema, die es sicherlich noch geben wird.