Es gibt in allen Gemeinden Entscheidungen zu treffen, und es gibt unterhalb der Gemeinde die Amtsverwaltung. Das ist die Verwaltungsebene, die für die Kommune hier zuständig ist.
Meine verehrten Damen und Herren, das Kommunalverfassungsrecht ist die Geschäftsgrundlage unserer Demokratie im Kleinen. Wir haben im Land Schleswig-Holstein 1.100 Gemeinden und Kreise. Darin arbeitet eine große Zahl engagierter Menschen, die selbst bestimmen wollen, was in ihrem Umfeld geschieht - siehe das Thema Ehrenamt, das wir heute Morgen in der Plenarsitzung bereits bearbeitet haben.
Wenn man hier die Gesetze ändert, muss man dies sorgsam tun und die Betroffenen und ihre Vorschläge auch hören. Ich möchte dem Innenminister danken, dass er dies zu vielen der vorgelegten Regelungen auch getan hat. Seit dem Herbst letzten Jahres hat es - das wurde angesprochen - auf den Regionalkonferenzen und anderen Veranstaltungen eine umfassende Diskussion über das Kommunalrecht gegeben. Dieses hat immerhin auch die Opposition in den letzten Monaten veranlasst, mehrere Gesetzentwürfe zu einzelnen kommunalrechtlichen Themen vorab in den Landtag zu bringen, deren Inhalte wir in den heute vorliegenden Gesetzentwürfen der Opposition zum Teil wiederfinden.
Es besteht weiterhin Diskussionsbedarf. Einer der wichtigsten Punkte im Gesetzentwurf der Landesregierung betrifft die Frage der Amtsordnung. Die vom Verfassungsgericht aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten sind bekannt.
In Artikel 1 des Gesetzentwurfs der Landesregierung wird nunmehr die Kataloglösung gewählt. Einer oder mehreren Kommunen wird die Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben weiterhin gestattet, jedoch in eingeschränkter Form, um dem
Landesverfassungsgerichtsurteil Rechnung zu tragen. Die Amtsverwaltung bereitet Beschlussempfehlungen vor und steht den Kommunen unterstützend zur Seite. Mindestens zwei amtsangshörige Gemeinden können zukünftig die Trägerschaft von Selbstverwaltungsaufgaben aus einem Auswahlkatalog ganz oder teilweise übertragen. Der Auswahlkatalog beinhaltet 16 Aufgaben, von denen maximal fünf Aufgaben ausgewählt werden können. Die Aufgaben und der Umfang der Übertragung müssen genau bezeichnet werden.
Mit der Neuregelung der Zusammensetzung des Amtsausschusses erfährt der Amtsausschuss zumindest in einigen Ämtern eine Reduzierung. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gehören dem Amtsausschuss an, ab 1.000 Einwohnern entsendet jede Gemeinde ein weiteres Mitglied, und ab 3.000 Einwohnern sind es zwei weitere Mitglieder. Den Mitgliedern des Amtsausschuss werden Stimmenkontingente zugewiesen, und zwar je 100 angefangene Einwohner eine Stimme im Amtsausschuss. Es erfolgt ein Systemwechsel, der besondere Mehrheitserfordernisse im Amtsausschuss regelt beziehungsweise die Stimmenverteilung anders gewichtet. Entscheidend ist nicht die Zahl der Mitglieder, sondern die Zahl der Stimmen. Diesen Vorschlag der Stimmenverteilung gab es bereits im Jahr 2006 im zweiten Verwaltungsstrukturgesetz. Auch das wurde schon angesprochen. Zukünftige Amtsdirektorinnen und -direktoren müssen die erforderliche Eignung, Befähigung und Sachkunde haben, um diesen Posten auszufüllen.
Diese Regelungen sind das Ergebnis davon, dass die Interessen der Betroffen gehört wurden. Die breite Mehrheit der kommunalen Vertreter und kommunalpolitisch Interessierten hat sich in Regionalkonferenzen gegen eine Direktwahl der Amtsausschüsse ausgesprochen, also auch gegen das, was BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit ihrem eigenen Gesetzentwurf vorschlagen.
Meine Damen und Herren von den Grünen, wenn Sie die Beteiligung der Betroffenen wirklich so hoch schätzen würden, wie Sie immer vorgeben, dann hätten Sie Ihren eigenen Gesetzentwurf so nicht vorlegen dürfen. Sie wollen darin eine Wahl der Amtsausschüsse, die von den Betroffenen im Land auf breiter Mehrheit abgelehnt wird. Umso erstaunlicher finde ich auch die gleichzeitige Aussage in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs, dass Sie die Ämter mittelfristig überflüssig machen wollen.
Herr Kollege Habeck, Ihre Presseäußerungen vom Februar dieses Jahres, in der nur noch von 150 Großgemeinden in Schleswig-Holstein die Rede ist, habe ich noch gut im Kopf. Aber wenn man mehr Selbstbestimmung vor Ort und mehr demokratische Beteiligung ernst nimmt, dann darf man die Kernaufgaben kommunaler Selbstverwaltung nicht auf eine höhere Ebene verlagern - das heißt nicht, dass es nicht zu freiwilligen Zusammenschlüssen von Gemeinden kommen darf. Das heißt nichts anderes, als dass sich die Entscheidungen noch weiter von den Bürgern vor Ort entfernen. Die Angelegenheiten werden sich damit noch weiter von den Menschen entfernen, die sie angehen. Nehmen wir das Urteil des Landesverfassungsgerichts MecklenburgVorpommern zur dortigen Kreisgebietsreform als Beispiel. Wir können nur hoffen, in Schleswig-Holstein niemals zu solchen Modellen gezwungen zu sein, die zwar zulässig, aber sehr bürgerfremd sind.
Ich will Ihnen auch gern sagen, dass ich als Bürgermeisterin in meiner Nachbargemeinde zurzeit eine Gemeindezusammenlegung erlebe, wenn ich auch nicht direkt mit ihr zu tun habe, die nicht reibungslos funktioniert. Sie spaltet die Dorfbevölkerung. Es findet sich hier nämlich nicht jeder wieder, man muss aber auf diesem Weg alle mitnehmen. Die bisher geleistete Ehrenamtlichkeit findet schlichtweg nicht mehr statt, die Bürgerinnen und Bürger können sich mit dem neuen Gebilde nicht identifizieren. Der Gesetzentwurf der Landesregierung belässt es bei der Freiwilligkeit und Bürgernähe, und er belässt die Entscheidungsfreiheit richtigerweise vor Ort.
Zu Artikel 2 des Gesetzes: Über die Gemeindeordnung wird es den Gemeinden zukünftig erlaubt, Gebietsteile durch Vertragsschließung umzugemeinden. Bisher war hier die Entscheidung der Kommunalaufsicht erforderlich. Einwohnerversammlungen können ohne Vorgabenfestlegung erfolgen. Bei der künftigen Berechnung des Verhältnisausgleichs wird von d`Hondt auf das Auszählverfahren St. Laguë/Schepers umgestellt.
Ausschuss- und Gemeindevertretersitzungen sind grundsätzlich öffentlich, die Nichtöffentlichkeit muss stets neu beschlossen werden. Gemeinden mit über 4.000 Einwohnern können zukünftig im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten beschließen, dass ein hauptamtlicher Bürgermeister gewählt werden soll, sie haben jedoch nicht die Befugnis, eine eigene Verwaltung einzurichten. Dies wird nötig, da der Arbeitsumfang gestiegen und die Arbeit im Rahmen der ehrenamtlichen Tätigkeit nicht mehr leistbar ist.
All diese Maßnahmen basieren auf der Erkenntnis, dass wir die Entscheidungsfreiheit vor Ort erhalten und stärken müssen. Und wir sollten vereinfachen. Ich darf mir deshalb auch die Bemerkung erlauben, dass die CDU-Fraktion bereits einen Vorschlag vorgelegt hat, wie wir die Gemeindeordnung auch redaktionell einfacher fassen könnten. Auch dies sollten wir im Ausschuss mit beraten.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Änderung des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes. Für das Kommunalwahlrecht schlägt die Landesregierung ähnliche Schritte vor, wie sie der Landtag schon für das Landtagswahlrecht mit deutlicher Mehrheit beschlossen hat. Das kann man tun, man muss es aber nicht. Jedenfalls zwingt das letzte Landesverfassungsgerichtsurteil nicht dazu. Für die Kommunalvertretungen gibt es schließlich keine Zielgröße von 69 in der Landesverfassung, die hier verletzt werden könnte. Deshalb sollten wir dies intensiv beraten. Es geht immerhin um über 1.100 Kommunen in unserem Land.
Ebenso ist mir eine gründliche Beratung der Gemeindevertretungsgrößen wichtig. Die Probleme mit vielen Mehrsitzen und Ausgleichsmandaten entstehen nach der letzten Kommunalwahl zu zwei Drittel in Kommunen mit über 10.000 Einwohnern. Auf das ganze Land gerechnet werden auf diese Weise nur etwa 3 % mehr Mandate vergeben, als es die Ausgangsgrößen in § 8 des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes vorsehen. Vielleicht kann man hier ja auch flexible oder punktuelle Lösungen schaffen.
Meine Damen und Herren, es liegt insgesamt ein Gesetzentwurf vor, der den Kommunen den notwendigen Spielraum lässt und ihnen weiteren Spielraum einräumt. Ich zitiere den ehemaligen SPDAbgeordneten, Klaus-Peter Puls, der gesagt hat:
Abschließend noch ein Wort zum Entwurf der SPD-Fraktion. Er geht in eine ähnliche Richtung wie der der Landesregierung, beinhaltet jedoch nur eine Übertragung von fünf Selbstverwaltungsaufgaben auf die Ämter. Für die Kommunen bedeutet das aus meiner Sicht eine Einschränkung für die Aufgabenwahrnehmung. Zum Thema Gleichstellung von Mann und Frau wollen Sie das Hauptamt der Gleichstellungsbeauftragen bei 10.000 Einwohnern vorschreiben. Warum eigentlich? Das ist weder notwendig noch bezahlbar. Auch die verpflichtende Einführung von Seniorenbeiräten in Kommunen über 8.000 Einwohnern erschließt sich mir
nicht. Auch Gemeinden mit 800 Einwohnern haben Seniorenbeiräte. Ich meine, wir sollten die Kommunen möglichst viel selbst entscheiden lassen; entscheidend ist, was sie wollen. Ich freue mich auf die Ausschussberatung.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn die Opposition anderer Meinung sein muss, wir von der Koalition sind extrem handlungsfähig und stellen das mit diesem Gesetzentwurf zur Kommunalverfassungsreform erneut unter Beweis.
Wir setzen den Koalitionsvertrag trotz deutlich abgekürzter Legislaturperiode Stück für Stück um. So setzt der Kabinettsentwurf die richtungsweisenden Vorgaben aus dem Urteil des Landesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2010 konsequent um. Damit wird - und das hatte oberste Priorität - die verfassungswidrige Rechtslage beseitigt. Auch die Vorschriften des Gemeinde- und Kreiswahlgesetzes werden angepasst und das Kommunalverfassungsrecht von einengenden Vorschriften befreit. Zugleich werden den Kommunen die notwendigen Handlungsspielräume verschafft und die kommunale Eigenverantwortung gestärkt.
Meine Damen und Herren, die Kommunen sind die Keimzelle der Demokratie, deshalb wollen wir mit diesem Entwurf die demokratische Teilhabe auf der kommunalen Ebene weiter verbessern.
Die zum Teil angestrebte große Reform der Verwaltungsstrukturen war allerdings wegen der kurzen Legislaturperiode und der bevorstehenden Kommunalwahl im Januar 2013 nicht seriös zu leisten. Diese Aufgabe werden wir ab dem 7. Mai 2012 überzeugend erledigen.
Meine Damen und Herren, schauen wir uns den Gesetzentwurf einmal näher an. Gegenüber den ersten Entwürfen zeigt er deutliche Verbesserungen. Herr Minister Schlie ist ganz offen in die von ihm einberufenen Regionalkonferenzen und Informationsveranstaltungen gegangen, hat die überzeugenden Vorschläge vor Ort angenommen und in der Folge seinen ersten Entwurf entsprechend überarbeitet.
So eine Anhörung der Basis machen sonst ja nur die Sozialdemokraten auf der Suche nach Spitzenkandidaten. Wir führen so eine Anhörung zielgerichtet auf der Suche nach der fachlich besten Kommunalverfassung für unser Land durch. So sieht anständiges Regieren aus.
Erstens. Wir von der FDP konnten uns gemeinsam mit dem Gemeindetag mit der Forderung nach der sogenannten Kataloglösung für die an die Ämter übertragbaren Aufgaben durchsetzen. Wir sind davon überzeugt, dass sich diese lange diskutierte Möglichkeit der begrenzten Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben 5 aus 16 - immerhin besser als 5 aus 49 - in der Praxis bewährt.
Zweitens. Die neue Zusammensetzung des Amtsausschusses sorgt dafür, dass die amtsangehörigen Gemeinden und Städte hier entsprechend ihrer Einwohnerzahl repräsentiert sind. Das ist gut. Noch besser ist allerdings, dass die Direktwahl der Amtsausschüsse nicht eingeführt werden soll - im Gegensatz zu den Grünen, die dies wollen und die mit der Direktwahl des Amtsausschusses den amtsangehörigen Gemeinden das Wasser abgraben wollen.
Wir begrüßen, dass Innenminister Schlie in § 9 der Amtsordnung versucht, eine Regelung zu finden, die verhindert, dass die Amtsausschüsse zu groß werden. Allerdings haben wir noch Bedenken hinsichtlich der Gesamtzusammensetzung und der Zu
sammensetzung nach Parteibeziehungsweise Fraktionszugehörigkeit sowie der Verteilung der Stimmrechte. Ob diese Neuregelung mit Stimmkontingenten und der theoretischen Möglichkeit eines Stimmensplittings praktikabel ist, werden wir in den Anhörungen im Innen- und Rechtsausschuss diskutieren und auf ihre Praxistauglichkeit hin untersuchen.
Drittens. Die vorübergehend beabsichtigte Verkleinerung der Gemeindevertretung ist wieder vom Tisch. Das Verhältnis der unmittelbaren Vertreter und Listenvertreter wird allerdings sinnvoll zum Zwecke der Wahlgleichheit angeglichen. Dies ist besonders wichtig, um analog zum Landeswahlgesetz Überhang- und Ausgleichsmandate nach Möglichkeit zu verhindern.
Viertens. Ferner haben wir uns für die Beibehaltung der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen starkgemacht und im Gesetzentwurf vorgesehen.