Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Verankerung der landeseigenen Schuldenbremse in unserer Verfassung liegt gerade einmal etwas mehr als ein Jahr zurück. Die schwierige finanzielle Situation Schleswig-Holsteins zwingt uns zur stufenweisen Rückführung der Neuverschuldung. Diese Entscheidung wurde von fast allen Fraktionen mitgetragen.
Auch wenn wir über den Weg, auf dem die Schuldenbremse umzusetzen ist, wiederholt gestritten haben, sind wir uns grundsätzlich darin einig, dass ohne eine solche Regelung die Handlungsfähigkeit des Landes bedroht ist. Einig sind wir uns sicher auch darüber, dass dieser Weg heute und in Zukunft alles andere als einfach ist. Doch gerade weil es so eine anspruchsvolle Aufgabe ist, haben wir unsere Schuldenbremse an eine Reihe von Bedingungen geknüpft.
Besonders wichtig ist der verpflichtende Grundsatz des strukturell ausgeglichenen Haushalts gemäß Artikel 53 Abs. 1 der Landesverfassung. Die Landesregierung muss demnach bei ihrer Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung und in Angelegenheit der Europäischen Union die Schuldenbremse mit beachten. Das heißt konkret, dass sie keinen Beschlüssen zustimmen sollte, die zu Mehrausgaben oder zu Mindereinnahmen des Landes führen. Angesichts der aktuellen Steuersenkungsdebatte, die in einer solchen Belastung münden könnte, unterstützen wir den Antrag der Grünen selbstverständlich ohne Einschränkung.
Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Aus Sicht des SSW wäre die Zustimmung der Landesregierung zu den aktuellen Steuersenkungsplänen eine massive Verletzung des Grundprinzips der Schuldenbremse. Wer vor dem Hintergrund des vereinbarten Ab
baupfades vermeintlichen Mindereinnahmen zustimmt, ohne dafür eine entsprechende haushaltswirksame Kompensation auszuhandeln, nimmt in Kauf, das Schleswig-Holstein langsam an seinen Schulden erstickt und seine politischen Gestaltungsmöglichkeiten völlig aufgibt. Dies darf unter keinen Umständen passieren. Die Landesregierung ist in der Pflicht, im Bundesrat gegen derartige Vorhaben zu stimmen, um den damit verbundenen Schaden vom Land abzuwenden. Wir erwarten, dass den Worten des Ministerpräsidenten, nach denen die aktuellen Pläne nicht zulasten des Landes gehen dürfen, auch Taten folgen - nicht mehr und nicht weniger.
Manch einer hat vor dem Hintergrund der Wahlumfragen vielleicht Verständnis für diese Steuergeschenke der FDP - ich ganz sicher nicht. Denn Fakt ist, dass der Ruf nach Steuersenkungen zu einem völlig unpassenden Zeitpunkt kommt. Trotz der günstigen konjunkturellen Entwicklung und steigender Steuereinnahmen sind die Haushaltsrisiken des Bundes unverändert hoch. Vor allem die anfallenden Ausgaben im Rahmen der Energiewende und die möglichen Milliardenaufwendungen für weitere EU-Rettungspakete sind enorme Unsicherheitsfaktoren. Der Aufschwung nach der vergangenen schweren Wirtschafts- und Finanzkrise scheint sich zu stabilisieren. Diese Entwicklung ist ohne Zweifel auch erfreulich, doch Bund und Länder haben gerade erst einen umfassenden Konsolidierungspfad eingeschlagen, der keine Steuergeschenke erlaubt. Für uns steht fest: Die Konsolidierungsbemühungen haben gerade in der heutigen Aufschwungphase Vorrang vor irgendwelchen Steuergeschenken - an wen auch immer.
Aus Sicht des SSW bietet die günstige konjunkturelle Entwicklung durchaus die Chance, endlich eine Vereinfachung im Steuerrecht zu erreichen. Hier geben wir Union und FDP recht. Indem wir zum Beispiel die Ausnahmetatbestände bei der Mehrwertsteuer reduzieren oder aber eine gleichmäßigere Besteuerung von Einkommen einführen, könnten wir insgesamt zu mehr Gerechtigkeit innerhalb des Steuersystems kommen. An diesen Aufgaben sollte in der heutigen Lage verstärkt gearbeitet werden. Doch grundsätzlich gilt, dass am derzeitigen Gesamtniveau der Steuerbelastung festgehalten werden muss, um trotz der schmerzhaften Konsolidierungsbemühungen noch ein Minimum an Gestaltungsspielraum zu erhalten.
Der SSW ist der Auffassung, dass dem Staat eine Verantwortung für die Lebensumstände der Bürger zukommt. Hierzu zählen der Ausgleich sozialer
Härten ebenso wie die Investitionen in die wirtschaftsnahe Infrastruktur oder in die Bildung. Hierfür wird auch heute noch Geld benötigt. Andere Länder sind uns immer noch voraus was die Kinderbetreuung angeht. Wir haben immer noch Defizite beim Ausbau der Ganztagsschulen. Wir stehen immer noch vor großen Problemen bei der Verkehrsinfrastruktur. Das haben wir heute mehrfach gehört. Wir haben es immer noch nicht geschafft, eine Kultur des Förderns und Forderns bei der Lösung des Arbeitslosenproblems zu etablieren. Wo man hinsieht, gibt es riesige Herausforderungen, die ohne Geld nicht zu meistern sind, bei denen aber die Bürger von uns verlangen, dass wir Lösungen liefern.
Wir als Schleswig-Holsteiner brauchen sie umso mehr, diese Steuereinnahmen, damit wir unsere Schuldenbremse auch einhalten können und noch das Mindestmaß dessen, was wir als Staat und Bundesland leisten können, leisten können, ansonsten werden wir in der Tat zu einem Nachtwächterstaat. Deshalb Steuervereinfachung: ja - Steuersenkung zulasten des Landes und der Kommunen: auf jeden Fall nein.
Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Also man ist schon verblüfft: Man hört hier eine Debatte mit Beiträgen des Kollegen Koch und der Kollegin Loedige, in denen sie sagen, dass das, was in dem Antrag gefordert wird, nämlich Steuersenkungen für Land und Kommunen auszuschließen, unklar sei. Sie selbst legen aber einen Antrag vor, in dem Sie sagen, es kann eine Steuererhöhung, es kann aber auch eine Steuersenkung sein. Das ist eine klare Linie? Wenn Loriot sagte: „Früher war mehr Lametta“, ist das deutlich klarer als das, was Sie hier vorgetragen haben. Das muss ich wirklich sagen.
Das ist doch grotesk. Frau Loedige, in welcher Welt leben Sie eigentlich, hier ernsthaft zu sagen, dass die Vorschläge, die Sie machen, im Gegensatz zu dem, was wir fordern, den Krankenschwestern helfen würden? Ich weiß nicht, ob es Schönheitskliniken in der Schweiz gibt, in denen Krankenschwestern so viel verdienen, dass sie solche Steuern bezahlen können, aber eine normale Krankenschwester kann das nicht. Das ist doch unfassbar. Die Jahresversorgungsbezüge der Topmanager von DAXUnternehmen in Deutschland sind im Durchschnitt höher als das Lebensarbeitseinkommen von einer Friseurin, einer Krankenschwester oder einer Verkäuferin. Das ist die Wirklichkeit in diesem Land, Frau Loedige. Es ist doch eine Frechheit, sich hier hinzustellen und zu erzählen, Sie wollten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlasten, die hart arbeiten und solche Beiträge erzielten.
An Ihnen scheitern vernünftige Mindestlöhne. Von 40.000 ALG-II-Empfängern in Deutschland arbeiten mehr als ein Viertel die ganze Woche und müssen zusätzlich aus Steuermitteln finanziert werden, um zurecht zu kommen. Das ist die Wahrheit. Und da wollen Sie die Steuern senken, das ist doch wirklich unglaublich! Dann zu sagen, der Finanzminister hätte tolle Konzepte geliefert! Das, was ich von ihm kenne, sind Vorschläge, die Gewerbesteuer abzuschaffen, sind Vorschläge, die Erbschaftsteuer abzuschaffen, sind Vorschläge, die erniedrigte Mehrwertsteuer abzuschaffen. Das sind Vorschläge, die der Finanzminister dieses Landes macht, und das steht im Widerspruch zur Finanzlage des Landes und der Kommunen.
Ich möchte Ihnen noch eines sagen: Jedem hier ist doch klar, dass wir sowohl Ausgabenkürzungen als auch Verwaltungsreformen als auch Einnahmeverbesserungen brauchen. Da beißt die Maus keinen Faden ab, und das gilt auch ohne Wenn und Aber.
Warum setzt sich Frau Merkel in Europa denn nicht endlich durch, damit die Finanztransaktionssteuer kommt, anstatt nur davon zu reden? Natürlich brauchen wir eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes und nicht das, was Sie hier vortragen.
Ich muss ehrlich sagen: Zu glauben, mit dem, was Sie zu Steuern und Finanzen hier sagen, könnten Sie die Menschen verkohlen, damit täuschen Sie sich. Ihre Umfragewerte zeigen, dass das so ist. Sie sollten hier auch nicht wechselseitig darüber reden,
ob Sie oder Sie gemeinsam mit Herrn Albig hier im nächsten Landtag diskutieren können. Möglicherweise haben wir dann zwei Fraktionen weniger. Wenn Sie weiter so reden, werden Sie jedenfalls einen Beitrag dazu leisten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme aus der heutigen Debatte mit, dass auch DIE LINKE hier im Landtag für Steuersenkungen ist so vorgetragen von Herrn Schippels -, nämlich für Geringverdiener - ich glaube, das war das eine Stichwort - und bei kalter Progression. Gleichzeitig will die Opposition hier einen Antrag beschließen, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, das alles im Bundesrat abzulehnen. Die Formulierung lautet:
So einfach und simpel haben Sie es in Ihrem Antrag formuliert. Deswegen noch einmal der Hinweis: In unserem Antrag schließen wir Steuersenkungen nicht aus, Steuererhöhungen genauso wenig. Das Ganze muss aufkommensneutral sein. Wenn man an der einen Stelle etwas absenkt, muss man etwas an anderer Stelle erhöhen, Ausnahmen sind zu streichen. Das finden Sie in unserem Antrag - nicht so simpel formuliert wie bei Ihnen.
Schauen Sie auf der zweiten Seite unseres Antrages - der Antrag hat zwei Seiten - den zweiten Satz an:
„Dies darf im Ergebnis jedoch nicht zu strukturellen Mindereinnahmen von Land und Kommunen und zur Gefährdung der Haushaltskonsolidierung führen.“
Wir müssen einzelne Stellschrauben im Steuersystem drehen. Das wird an manchen Stellen zu Senkungen führen, das wird an anderen Stellen dazu führen, dass wir Ausnahmetatbestände streichen, dass wir vielleicht auch den einen oder anderen Steuersatz erhöhen. Deshalb wird in unserem Antrag beides nicht ausgeschlossen, das Ganze muss
aufkommensneutral sein, um die Konsolidierung nicht zu gefährden und um die Schuldenbremse einzuhalten. Ich glaube, dass ist ein sehr klares Konzept.
und feststellt, dass wir noch nicht im Wahlkampf sind, dann müsste man diesem Antrag eigentlich zustimmen können. Denn es müsste ja nur in unserem gemeinsamen Interesse sein, eine vernünftige, sinnvolle Steuerpolitik für die Bürgerinnen und Bürger und für unseren Landeshaushalt zu machen. Dann muss man hier auch keinen Wahlkampf machen, sondern dann kann man sagen: Das ist der richtige Kurs, dafür treten wir gemeinsam ein, das dient dem Land.
Deshalb noch einmal: Stimmen Sie zu. Das ist unser Antrag. Alles was ich vorgetragen habe, steht in unserem Antrag und ist dort nicht so einfach formuliert wie bei den Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin ein bisschen erstaunt, aber das bin ich immer bei diesen steuerpolitischen Debatten. Ich finde im Übrigen auch, dass sich die Dringlichkeit, die Sie noch im Juni an diesen Antrag gestellt haben, bisher nicht bestätigt hat. Es ist verwunderlich, dass ausgerechnet Sozialdemokraten und Grüne sich in dieser Debatte so vorrangig und lautstark zu Wort melden. Wir machen in diesem Jahr wieder nur neue Schulden, um damit die Zinsen der Schulden aus Ihrer Regierungszeit zu bezahlen.