Protokoll der Sitzung vom 25.08.2011

In einem anderen Petitionsverfahren konnte der Petitionsausschuss schnell und unbürokratisch helfen. Eine Petentin aus Kiel wollte unmittelbar vor ihrer Hochzeit einen neuen Reisepass beantragen. Sie war verwundert und erstaunt über die Auskunft, ein Eintrag des zukünftigen Familiennamens sei nicht möglich, sie könne den Pass nur unter ihrem Mädchennamen beantragen. Auf Nachfrage hat die Stadt Kiel eingeräumt, die Petentin falsch beraten zu haben. Die Petentin hat gebührenfrei - das finde ich sehr gut - einen neuen Reisepass für ihren neuen Familiennamen erhalten, und die Stadt Kiel hat sich ausdrücklich für diesen Fehler und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten entschuldigt.

(Detlef Buder [SPD]: Wer ist Oberbürger- meister?)

- Ich glaube, der sitzt nicht im Einwohnermeldeamt. Vielleicht sitzt er da manchmal und kann einiges für die Stadt Kiel tun.

Abschließend möchte ich auf eine Petition aufmerksam machen, die an alle Landesparlamente gerichtet war. Mit dem Hintergrund Stuttgart 21 wurde eine Stärkung der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Großvorhaben gefordert. Die Erfahrungen von Stuttgart 21 haben zu einer bundesweiten Debatte darüber geführt, ob und in welcher Form die Öffentlichkeit bei Großvorhaben frühzeitig beteiligt werden soll. Derzeit erarbeiten der Bund und die Länder Grundlagen für eine Novellierung des Planfeststellungsrechts, um unter anderem eine Beschleunigung von Planfeststellungsverfahren zu erreichen.

Baden-Württemberg hat im März 2011 einen Entschließungsantrag zur Stärkung der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Großvorhaben in den Bundesrat eingebracht. In den Fachausschüssen des Bundesrats haben sich die Länder mit großer Mehrheit für eine Vertagung des Entschließungsantrags ausgesprochen, um eine tiefer gehende fachliche Diskussion zu ermöglichen. Der Petitionsausschuss befürwortet in seinem Beschluss die Stärkung der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Großvorhaben und spricht sich deshalb für die Einbindung einer unabhängigen Stelle aus, deren Bericht in das Planfeststellungsverfahren einbezogen werden sollte. Nach dem Dafürhalten des Ausschusses wird eine Akzeptanz von Großprojekten vor allem durch größtmögliche Transparenz sowie eine Stärkung der Öffentlichkeitsbeteiligung erreicht.

Der Petitionsausschuss hält die Petition für geeignet, Diskussionen zu grundsätzlichen gesetzlichen Änderungen im parlamentarischen Raum anzustoßen. Sie wurde deshalb gemeinsam mit der Stellungnahme dem Innenministerium und den Fraktionen als Arbeitsmaterial zugeleitet.

Hiermit komme ich zum Schluss meines Berichts. Bei Interesse können Sie das alles nachlesen. Das ist im Internet über unsere Homepage veröffentlicht. Ich bitte um Bestätigung der Erledigung der Petitionen.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke der Frau Berichterstatterin. - Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Der Ausschuss empfiehlt, den Bericht in der Drucksache 17/1726 zur Kenntnis zu nehmen und die Erledigung der Petitionen zu bestätigen. Wer der Ausschussempfehlung folgen und so beschließen möch

(Katja Rathje-Hoffmann)

te, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf:

Keine Steuersenkungen zulasten des Landes und der Kommunen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/1632

Steuervereinfachung hat Vorrang vor Steuersenkungen

Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/1723

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Monika Heinold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser Antrag ist kurz und klar: Schleswig-Holstein kann sich keine Steuerausfälle durch Steuersenkungen leisten. Die Landesregierung muss Steuergesetze, die zu Steuerausfällen für Land und Kommunen führen, im Bundesrat ablehnen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

CDU und FDP haben einen Änderungsantrag vorgelegt, und - wie zu erwarten war - SchwarzGelb versucht, sich um eine klare Aussage herumzumogeln.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei SPD und SSW)

Das ist nicht nur ärgerlich. Damit verstoßen Sie auch gegen Beschlüsse, die wir gemeinsam gefasst haben, als wir die Schuldenbremse in der Landesverfassung verankert haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei SPD und SSW)

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, in Ihrem Antrag philosophieren Sie über Steuervereinfachung, über den Abbau bürokratischer Hürden im Steuerrecht, über die Notwendigkeit von steuerrechtlicher Aufgabenkritik - alles not

wendig, alles richtig, alles seit Jahrzehnten fest in den Parteiprogrammen fast aller Parteien verankert.

Das Problem ist: CDU und FDP haben in Berlin noch gar nicht damit begonnen, diese Reformen anzuschieben. Von einer tiefgreifenden Steuerreform, wie Sie sie hier immer wieder betonen, ist SchwarzGelb so weit entfernt wie die Buschtrommel vom Handy.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Daran wird vermutlich auch dieser Landtagsantrag nichts ändern.

Was aber real ist - darauf zielt unser Antrag ab -, ist eine FDP-Bundestagsfraktion, die wie ein trotziges Kind Steuersenkungen erpressen will und keine Ruhe geben wird, bis der Koalitionspartner nachgibt - Steuersenkungen, welche die Schuldenbremse konterkarieren; Steuersenkungen, welche unmittelbar Einfluss auf den Landeshaushalt hätten und massive Einschnitte bedeuten würden. Das ist es, was wir verhindern müssen. Dazu brauchen wir klare Beschlüsse des Landtages und kein Herumgeeier.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ihr Antrag öffnet nicht nur Hintertürchen, sondern ganze Scheunentore, denn die Landesregierung müsste jedes Mal bei einzelnen Steuersenkungen, die beschlossen werden, sagen: Wieso, steht doch im Landtagsantrag, hat der Landtag doch so gewollt; wenn das im Rahmen eines Gesamtpakets bis 2020 kostenneutral ist, ist doch alles in Ordnung.

Nachtigall, ick hör’ dir trapsen. Dieses Verfahren erinnert doch stark an das Wachstumsbeschleunigungsgesetz - ich kann es Ihnen nicht ersparen -, als die Herren Carstensen und Kubicki in Berlin eben mal 140 Millionen € zulasten von Land und Kommunen verspielt und behauptet haben, die Kompensation des Bundes komme später. Diese angebliche Kompensation - 100 Millionen € für Bildung - ist hier nie angekommen, und Sie haben es neulich selbst gesagt: Die wird es auch niemals geben. Deshalb sagen wir ganz klar: Bei solchen Gesamtpaketen, wie Sie sie hier beschreiben, kann und muss man die Annahme verweigern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Natürlich stimmt es, dass weder Steuersenkungen noch Steuererhöhungen pauschal ausgeschlossen werden können. Steuererhöhungen wollen wir als

(Vizepräsidentin Dr. Gitta Trauernicht)

Grüne sogar. Auch Steuersenkungen kann man nicht pauschal ausschließen, denn ein Steuersystem muss atmen können. Sie wissen, Kinderfreibeträge oder Grundfreibeträge sind nicht nur politisch gewollt, sondern werden verfassungsrechtlich sogar oft vorgegeben. Aber auch hier gilt: Das jeweils verabschiedete Steuerpaket muss in sich kostenneutral sein und zeitgleich - zeitgleich, Herr Koch - in Kraft treten und nicht das eine jetzt, weil der Wahlkampf für die FDP dann vielleicht ein bisschen besser läuft, und das andere irgendwann später, und wir schauen in die Röhre.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Persilscheine kann es an dieser Stelle nicht geben. Weder der konjunkturelle Aufschwung noch - ich musste mir neulich die Augen reiben, Frau Loedige - ein Steuerabkommen mit der Schweiz, wo Sie das Geld schon wieder ausgeben wollten, bringen finanzielle Spielräume, sie helfen einzig und allein, die Vorgaben der Schuldenbremse einzuhalten. Wer kein Geld hat, seine Schulen zu sanieren, hat erst recht kein Geld, Steuergeschenke zu verteilen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Steuersenkungen stehen im Widerspruch zur Schuldenbremse, sie passen nicht in eine Zeit, in der das Bildungssystem unterfinanziert ist, sie passen nicht in eine Zeit, in der wir in neue Technologien investieren müssen, um ganz vorn zu sein.

Herr Ministerpräsident, der Winterspeck ist weg, die Jacke ist dünn, die Hose ist alt, die Schuhe müssen dringend zum Schuster. Schleswig-Holstein hat als Land nichts zuzusetzen. Meine Fraktion fordert Sie deshalb auf: Bleiben Sie diesmal hart! Wehren Sie alle Begehrlichkeiten im Bundesrat ab! Erst das Land!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Katharina Loedige [FDP]: Welche denn? - Weitere Zurufe)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Tobias Koch das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schleswig-Holstein kann keine Steuersenkungen verkraften, wenn diese den eingeschlagenen Konsolidierungskurs gefährden. - Liebe Kollegin

nen und Kollegen, an der Stelle hätte ich von allen Fraktionen Applaus erwartet.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Das war bisher immer gemeinsame Politik dieses Hauses, und das ist es auch heute. Denn wir haben bereits im Mai 2010 in diesem Landtag mit den Stimmen aller Fraktionen - mit Ausnahme der LINKEN - die Bundesregierung aufgefordert, bis 2020 keine Mindereinnahmen für Länder und Kommunen zu beschließen, wenn diese die Einhaltung der Schuldenbremse gefährden.

Das zeigt: Der inhaltsgleiche Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - in der Juni-Tagung noch als Dringlichkeitsantrag gestellt - hat zwar die richtige inhaltliche Intention, er war aber weder dringlich, noch stellte er einen neuen Aspekt in der Debatte dar. Denn wir haben das bereits beschlossen, und wir müssen nicht alles doppelt und dreifach beschließen. Da hätte ich von den Grünen schon etwas mehr erwartet. So war es nur der übliche politische Schnellschuss, wie wir ihn aus der Opposition leider allzu oft erleben.

Für eine fundierte, sachliche Debatte ist es doch erforderlich, die Eckpunkte eines Gesetzentwurfs zu kennen. Erst dann kann man beurteilen, ob und in welchem Umfang sich Auswirkungen finanzieller Art auf Länder und Kommunen ergeben. Sollte sich die Bundesregierung zu einer Steuersenkung derart entscheiden, dass es zu einer Abschaffung oder Reduzierung des Solidaritätszuschlags kommt, gibt es keine Auswirkungen auf Länder und Kommunen. Dann wäre das im Bundesrat nicht einmal zustimmungspflichtig. Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN würde dann ins Leere laufen. Eine bloße Wiederholung unserer ablehnenden Position bringt die aktuelle steuerpolitische Debatte nicht voran. Wir haben das bereits beschlossen.

Wenn man sich die aktuelle Debatte anschaut, dann mangelt es in dieser Debatte an einem klaren Kompass.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)