Protokoll der Sitzung vom 26.08.2011

Wir sollten die richtigen Maßnahmen ergreifen. Dazu gehört es, die Möglichkeiten, die wir haben, um das Finanzkapital in seiner Machtausübung zu begrenzen, zu nutzen. Vor allem gilt es, politische Verantwortung wieder dort wahrzunehmen, wo der richtige Ort dafür ist: in den Parlamenten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Ingrid Brand-Hückstädt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich Herrn Dr. Kies, Frau Dr. Riedinger und Herrn Peter ausdrücklich Dank sagen. Ohne sie wären wir angesichts all der juristischen Fragen, die sich auf diesem für uns Abgeordnete neuen Feld aufgetan haben, wohl verloren gewesen. Vielen Dank!

(Beifall)

Die FDP hat aus der Arbeit des Untersuchungsausschusses acht Erkenntnisse gezogen, die ich im Folgenden zusammenfassen will. Ich erzähle Ihnen auch etwas aus dem Innenleben dieser Bank - keine Angst, keine Details aus dem nichtöffentlichen Be

reich, sondern nur Dinge, die wir offen besprochen haben.

Die FDP Schleswig-Holsteins hat das neue Bankenmodell der Regierungen von Hamburg und Schleswig-Holstein seit 2003 immer kritisch begleitet. Deswegen waren wir auch auf einiges vorbereitet, als der Untersuchungsausschuss seine Arbeit aufnahm. Allerdings gab es immer wieder Überraschungsmomente, wo einem doch der Mund offen stehen blieb.

Erstens stellte sich sehr schnell heraus, dass die Geschäftspolitik der HSH-Nordbank falsch war. Ab 2003 war die HSH-Nordbank eben keine Landesbank mit öffentlichem Auftrag mehr, sondern eine international tätige Geschäftsbank. Eine Art „Kulturrevolution“ hatte stattgefunden - eine schwere Fehlentscheidung der damaligen rot-grünen Landesregierung. Denn diese Entscheidung war auch die Grundlage für überhöhte Renditeerwartungen; schließlich sollte Geld in die Landeskasse gespült werden. Wenn man schon neue Dimensionen für die HSH-Nordbank wollte, hätten mindestens Technik, Personal und Organisation für den globalen Markt fit gemacht werden müssen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Aber nichts davon ist geschehen. Genau deshalb hatte das Beben an den internationalen Finanzmärkten 2008 so verheerende Auswirkungen auf die HSH-Nordbank. Sie war personell, organisatorisch und technisch nicht für den globalen Markt aufgestellt.

Das Kreditwesengesetz verpflichtet die Banken zu einem angemessenen und wirksamen Risikomanagement, was eine angemessene Ausstattung des Instituts nicht nur in personeller, sondern auch in organisatorischer und technischer Hinsicht voraussetzt. Die Einführung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement und von internationalen Rechenschaftspflichten verliefen allerdings allerdings bei der HSH-Nordbank nach dem Motto „Pleiten, Pech und Pannen“. In der Wirtschaft übliche Management-Audits gab es nicht. Eine funktionierende Software gab es nicht. Eine ordnungsgemäße Besetzung von Vorstandsposten gab es lange Zeit nicht. Informationen des Vorstands an den Aufsichtsrat waren inhaltlich dürftig. Das berühmte Omegageschäft wurde dem Aufsichtsrat unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ vorgestellt. Universalgeschäfte auf dem internationalen Finanzmarkt waren von Politik, Vorstand und Aufsichtsrat gewünscht. Aber niemand hatte die Notwendigkeit ei

(Jürgen Weber)

ner Anpassung im technischen, personellen und organisatorischen Bereich gesehen.

Zweitens. Die HSH-Nordbank machte finanzielle Fehler. Trotz der niedrigen Eigenkapitaldecke wurden über die Jahre hinweg hohe Ausschüttungen an die Anteilseigner vorgenommen anstatt die Summen in der Bank als Stärkung des Eigenkapitals zu belassen und damit einen höheren Risikopuffer für zukünftige Entwicklungen zu schaffen. Für das Kreditersatzgeschäft fehlte eine hinreichende Strategie. Massive Klumpenrisiken, die niemand als solche erkannte, wurden über Jahre angehäuft.

Drittens. Zurückhaltung der Politiker in SchleswigHolstein und Hamburg in den Aufsichtsräten hätte in den Anfangsjahren bei der Gewinnausschüttung eine seriöse und solide Geschäftspolitik dargestellt.

Viertens. Die schleswig-holsteinischen Aufsichtsratsmitglieder waren sich weder ihrer Aufgaben bewusst, noch hatten sie ausreichende Kenntnisse. Die Überwachung des Vorstandes durch den Aufsichtsrat beinhaltet sowohl die Rechtsaufsicht, als auch die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung, eine Gesetzeslage nach dem Aktiengesetz, die nach unseren Erkenntnissen niemand im Aufsichtsrat wirklich verinnerlicht hatte. Eher lax war die Haltung zu den Kontrollaufgaben eines Aufsichtsratsmitgliedes, was Terminwahrnehmung und wirkliche wirtschaftliche Kenntnisse anging. Offenbar galt die Divise: Wenn die Bank Geld einbringt, braucht man doch nichts zu kontrollieren.

Fünftens. Schleswig-Holstein hätte finanzielle Hilfe aus Berlin bekommen. Dieser Ansicht ist die FDP auch.

(Beifall der Abgeordneten Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Bei der Rettungsaktion 2008 hat die damalige schwarz-rote Landesregierung ohne Not anderweitige Optionen und Möglichkeiten der Bankenrettung entweder nicht geprüft, zumindest aber nicht umgesetzt.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Richtig ist zwar, dass eine Insolvenz der HSH Nordbank keine Alternative war, eine Beteiligung des Bundes aber kategorisch auszuschließen, war mindestens fahrlässig.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundesregierung hätte nach Aussagen von Herrn Steinbrück nicht gegen den G 20-Beschluss, nämlich die Insolvenz einer systemrelevanten Bank auf jeden Fall zu verhindern, verstoßen. Hätte die damalige Landesregierung danach gehandelt, wäre eine einseitige Belastung der schleswig-holsteinischen und Hamburger Steuerzahler vermieden worden.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Sechstens. Die Wirtschaftsprüfer wurden nicht geprüft. Die gesetzliche Aufgabe von Wirtschaftsprüfern ist es, die Richtigkeit des Jahresabschlusses zu prüfen und nur dann zu testieren, wenn die Prüfung auch ordnungsgemäß ausfällt. Ich will es einmal so sagen: Es hat mich nicht verwundert, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO von ihrem Aussageverweigerungsrecht vor dem Ausschuss Gebrauch gemacht hat.

Siebtens. Die Deutsche Bankenaufsicht hat versagt. Auch die Deutschen Bankenaufsicht ließ sich bei ihren Prüfungen auf eine nur sehr zögerliche, völlig unverständliche Vorgehensweise ein. Für Wirtschaftsprüfer und Bankenaufsicht gilt: Zusehen ist keine Kontrolle.

Achtens. Die Krise der HSH Nordbank hat den Steuerzahler Geld gekostet. Die FDP ist der Ansicht, dass die Schieflage der HSH Nordbank und die Aussage, sie hätte den Steuerzahler bisher keinen Cent gekostet, betriebswirtschaftlich falsch ist. Während bei der Kapitalerhöhung 2008 noch 55 € je Aktie gezahlt wurden, waren dies 2009 nur noch 19 € je Aktie. Unabhängig von der Finanzierungsform wäre jedes Unternehmen verpflichtet, die dauerhafte Wertminderung als Abschreibung in die Gewinn- und Verlustrechnung aufzunehmen. 2010 betrug der Aktienwert nur noch 16,48 €, also weit von 55 € entfernt. Rechnet man das zusammen, kommen wir auf einen Verlust von 481 Millionen €.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die HSH Nordbank lange Jahre weltweit auf den Finanzmärkten ohne Netz und doppelten Boden agierte. Man wiegte sich in der angeblichen Sicherheit der Professionalität von ehemaligen Sparkassendirektoren. Aber an den Börsen in London und New York galt längst der Spruch: „Silly German Landesbank“, die, die alles kaufen, was andere nicht haben wollen. Unprofessionell und sorglos machte man Geschäfte, die man nicht verstand, mit Leuten, die man nicht kannte. Eine Provinzbank versuchte, Global Player zu spielen und scheiterte kläglich und das auf Kosten der Steuerzahler. Die Risiko

(Ingrid Brand-Hückstädt)

scheu fiel fast auf null, weil doch auch alles glattlief - bei den Banken genauso wie bei den Politikern, den Bänkern und in den Aufsichtsräten. Prüfen und hinterfragen musste man nicht, Detailkenntnisse waren nicht erforderlich, es floss doch genug Geld in die Landeskasse.

Es war wohl das gemeinsame, gleichstromige Zusammenwirken aller Beteiligten - Landespolitiker, Vorstände, Aufsichtsräte, Wirtschaftsprüfer, Rating-Agenturen und Bankenaufsicht -, dass die HSH an den Rand des Abgrunds brachte.

Die Einhaltung des Grundsatzes „Was wir nicht verstehen, verkaufen oder kaufen wir nicht“, hätte die HSH vor dem Debakel bewahren können.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Was bleibt an Erkenntnissen für die Zukunft? - Das Betreiben einer internationalen Geschäftsbank ist nicht Aufgabe der Politik. Bankengeschäfte können andere besser, und die sollen das in Zukunft auch tun. Deswegen gehören Finanzexperten und Bankfachleute in den Aufsichtrat - und keine Politiker.

Die Gewährträgerhaftung war ein Fehler. Das Motto der letzten Jahre „Gewinne werden privatwirtschaftlich verteilt und Verluste werden gemeinschaftlich sozialisiert“, darf nicht weiter gelten.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Wilfried Weng- ler [CDU])

Banker müssen wieder lernen, was Marktwirtschaft bedeutet: Nicht nur Risiko und Gewinn liegen nebeneinander, sondern auch Risiko und Verlust. Und für Verluste und Fehlverhalten muss man haften. Es war auch richtig, dass die FDP letztes Jahr darauf gedrängt hat, dass Professor Dr. Nonnenmacher seinen Vorstandsposten räumen musste.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ach, Sie waren das!)

Führungskräfte müssen nicht nur etwas von Finanzen verstehen, sondern auch soziale Führungskompetenz haben. Vorstandschefs, die für Millionen Euro eine Privatdetektei zum Abhören ihrer Mitarbeiter beauftragen, sind für eine Bank, deren Anteilseigner zwei Bundesländer sind, untragbar.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Belastungen der schleswig-holsteinischen Steuerzahler und weitere Risiken auch für die Kommunen und Gewährträger und Eigentümer der Spar

kassen sind nur durch einen werthaltigen Verkauf der HSH zu verhindern. Vielen Dank, SPD - angekommen im Club!

Das Immobiliengeschäft in Manhattan war fatal. Das Immobiliengeschäft an der Kieler Förde könnte profitabel sein. Eine Finanzkrise ist vorbei und mit Hilfe des Steuerzahlers einigermaßen glimpflich für die HSH Nordbank ausgegangen - bis jetzt. Die zweite, nach Meinung vieler Experten viel schlimmere Finanzkrise rollt immer schneller auf uns zu. Wie wir gleich besprechen werden, gibt es möglicherweise auch noch andere Probleme durch EUVorgaben. Hoffen wir also, dass die HSH Nordbank stark genug ist, diese zu überstehen.

Ich möchte an dieser Stelle aus gegebenem Anlass noch etwas sagen, was ich für sehr wichtig halte. Ein Dank sollte allen Mitarbeitern der HSH Nordbank gelten, die sich in allen Zeiten der Krise äußerst loyal verhalten haben.

(Beifall bei FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Kollegen Thorsten Fürter.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als der Untersuchungsausschuss im Herbst 2009 eingesetzt wurde, haben wir in der Rede damals die Erwartung formuliert, dass sich alle Fraktionen konstruktiv und sachlich an der Aufklärung beteiligen. Um es klar zu sagen: Diese Erwartung hat sich erfüllt. Dem Dank an die Mitarbeiter, der hier schon ausgesprochen wurde, und auch an den Ausschussvorsitz kann ich mich für die Grünen nur anschließen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt bei der CDU)

Auch die HSH Nordbank war unterm Strich kooperativ und hat mehr getan, als sie rechtlich musste, um die Aufklärung zu ermöglichen. Es gibt auch Gemeinsamkeiten in dieser Ausschussarbeit, die in den gemeinsamen Feststellungen zum Ausdruck kommen. Viele Positionen, die im Ausschuss entwickelt wurden, wurden gemeinsam getragen. Das gilt zum Beispiel für die Rückkehr eines Vertreters des Hauptaktionärs in den Aufsichtsrat, solange Schleswig-Holstein an der Bank beteiligt ist.

(Ingrid Brand-Hückstädt)