Protokoll der Sitzung vom 14.09.2011

Sie riskieren, aus dem Lottoblock zu fliegen. Sie machen es uns schwer, dort wieder hineinzukommen, da Sie kurz vor der Wahl Ihre Zockerlizenzen - wie wir heute gehört haben - auch noch weltweit vergeben. Die Antworten, die der Herr Innenminister heute Morgen im Ausschuss gegeben oder auch nicht gegeben hat, waren bezeichnend.

(Christopher Vogt [FDP]: Sie waren nicht da!)

- Im Gegensatz zu Ihnen informiere ich mich darüber, was passiert. Es ist nicht schwer herauszufinden, was dort vonstatten geht. Wir bleiben auf dem Schaden sitzen. Das ist keine verantwortliche Politik. Sie reden hier immer von nachhaltiger Finanzpolitik. Das, was Sie tun, ist aber pure Zockerei.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie setzen alles auf Schwarz-Gelb, nichts geht mehr, und am Ende gewinnt leider wie immer die Bank; das sind in diesem Fall die privaten Glücksspielbetreiber in Schleswig-Holstein und anderswo.

Drittens. Das, was Sie tun, ist eine parlamentarische Frechheit. Wir haben die dritte Lesung, doch trotz all der Zeit haben Sie es nicht hinbekommen, den Oppositionsfraktionen - auch nicht Ihren eigenen Fraktionen - den letzten Stand des Entwurfs vor der Debatte in angemessener Zeit zur Verfügung zu stellen. Das taten Sie, um den Widerstand in Ihrer eigenen Partei zu unterlaufen. Sie haben sogar die Dreistigkeit, uns unprofessionelle Oppositionsarbeit vorzuwerfen, weil wir Ihnen Ihre schlampige Arbeit nicht durchgehen lassen und es wagen, kritische Frage zu stellen. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Lars Harms [SSW] - Zurufe - Glocke des Präsidenten)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Stegner.

Ich verstehe Ihre Aufregung. An Ihrer Stelle wäre ich auch aufgeregt.

Trotz all der Zeit haben Sie es nicht hinbekommen, einen rechtlich sauberen Gesetzentwurf vorzulegen. Hier mussten die Grünen kräftig Nachhilfe geben. Deshalb buhlen Sie mit Ihrem peinlichen Entschließungsantrag um die grüne Zustimmung.

(Lachen bei der FDP)

Ich sage Ihnen aber: Murks bleibt Murks. All dies macht es uns leider nach der Wahl etwas schwieriger, das Gesetz wieder zu kippen, aber sei es drum: Wir werden es tun. Das ist politisch notwendig. Für ein solches Katastrophengesetz kann es keinen Bestandsschutz geben.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen diese Kehrtwende mit einer Mehrheit beschließen, die nicht verfassungsgemäß zustande gekommen ist. Es passt allerdings zusammen, dass Sie ein moralisch fragwürdiges Gesetz mit einer ebenso fragwürdigen Mehrheit beschließen wollen. Sie wollen Ihren Sonderweg zwei Monate vor der politischen Kehrtwende endgültig machen. Lizenzen für Jahre zu vergeben, hat mit dem Landeswohl überhaupt nichts zu tun.

Viertens. Das, was Sie tun, ist ein politischer Totalschaden für das Land Schleswig-Holstein. Sie isolieren Schleswig-Holstein. Es gab keine Bewegung auf Ihr Modell zu, und es gibt keine Bewegung. Es wird auch keine Bewegung geben, auch wenn Sie dies immer behaupten. Bei Schwarz-Gelb, bei Schwarz-Rot oder bei Rot-Grün und von Bayern bis Niedersachsen wird über die schleswig-holsteinische Koalition der Kopf geschüttelt. Kein einziges Bundesland macht bei dem, was Sie hier vorschlagen, mit, weil es Unsinn ist. Sie isolieren uns.

(Beifall bei SPD, der LINKEN und des Ab- geordneten Lars Harms [SSW])

Zudem verprellen Sie die anderen Länder mit Ihrer anmaßenden Art, indem Sie Ihre Meinung als die einzig mögliche vertreten. Herr Kubicki sprach von Glücksspiel-Taliban in den Staatskanzleien anderer Länder. Vorreiterrolle? Sind Sie ein Geisterfahrer? - Nein, Ihnen kommen Hunderte Geisterfahrer entgegen. Das ist die Position, die Sie bei diesem Thema einnehmen.

(Dr. Ralf Stegner)

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Das, was Sie über Spielvermittler im ganzen Bundesgebiet machen wollen, das haben früher die Piraten gemacht. Das ist modernes Freibeutertum. Sie hören ja aus den anderen Ländern, wie die das betrachten. Sie haben in Ihrem ganzen Prozedere - ich finde, dass ist ein gravierender Punkt - deutlich gemacht, dass Sie sich nicht zu schade sind, auf Kosten derer, die Sie nun begünstigen wollen, schöne Tage auf Sylt oder Malta zu verbringen. Das ist unseriös in höchster Potenz, das ist Lobbyismus in schlimmster Form, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Ihr permanentes Selbstlob und die Gerne-Groß-Attitüde bringen Ihnen in Berlin überhaupt nichts, schon gar nicht etwas, was dem Land in irgendeiner Form nutzen könnte.

Ich fasse zusammen: Wo sind die Gewinner, und wo sind die Verlierer? - Verlierer sind in aller erster Linie die Spielsüchtigen. Verlierer sind die Lottoannahmestellenbesitzer, die dichtmachen können, wenn wir aus dem Lottoblock fliegen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir werden das ja demnächst sehen!)

Wir werden das den Menschen in diesem Land auch sagen, dass Ihre ganzen Versuche in die falsche Richtung gehen. Verlierer ist das Land Schleswig-Holstein, das sich politisch isoliert, das sich von privaten Glücksspielbetreibern abhängig macht und denen auf Jahre hinaus verpflichtet bleibt. Verlierer sind die Steuerzahler. Gewinner sind einzig und allein jene privaten Glücksspielbetreiber, die die Sausen auf Malta und Sylt bezahlt haben, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Zuruf von der FDP: Unglaublich!)

Dieses Gesetz zeigt idealtypisch den Zustand dieser Regierungskoalition. Der Herr Ministerpräsident lässt sich mit Altherrenwitzen zitieren, ein führender CDU-Abgeordneter fordert eine Barschel-Ausstellung im Landeshaus, und der FDP-Fraktionsvorsitzende äußert sich zum Zustand seiner Partei. Wenn ich das wörtlich zitieren würde, müsste mich der Präsident rügen. Das, was Sie hier als Zustand dieser Regierungskoalition in diesem Haus abliefern, kann kein Kabarettist toppen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Sie machen uns bundesweit zum Gespött. Nirgendwo fühlen sich die Bürger so schlecht regiert wie in Schleswig-Holstein. Ich zitiere die „Kieler Nachrichten“ vom 9. September 2011.

(Lachen bei CDU und FDP)

Die Schleswig-Holsteiner wissen, dass dies die schlechteste Landesregierung seit Jahrzehnten ist. Leider versuchen Sie, das heute noch zu übertreffen.

Verabschieden Sie sich nicht auch noch - wir wissen, dass es bei Ihnen zu Ende geht - mit dem schlechtesten Gesetz, das seit Jahrzehnten dieses Haus passiert!

Deswegen lassen Sie mich zum Schluss noch einmal an die appellieren, die offenkundig bei Ihnen noch bis zum Schluss Widerstand geleistet haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wollen Sie sich wirklich gemeinsam an der Seite von Herrn Kubicki blamieren, nur weil dem das nichts mehr ausmacht? Wollen Sie das wirklich tun? Zeigen Sie Rückgrat, stimmen Sie heute mit Nein! Damit Sie das auch persönlich bekennen können, beantragt meine Fraktion namentliche Abstimmung über diesen Gesetzentwurf, zu diesem unmöglichen Gesetz.

(Zuruf von der FDP: Sehr gut!)

Sie schaden dem Allgemeinwohl. Ihnen macht das nichts aus. Das Problem ist, Sie werden nächstes Jahr nicht mehr regieren, aber das Land hat das auszubaden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Das Wort erteile ich jetzt dem Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An sich hatte ich vor, mich inhaltlich mit der Rede des Kollegen Dr. Stegner auseinanderzusetzen. Aber bedauerlicherweise ist von ihm relativ wenig gekommen. Ich möchte am Anfang nur sagen: Es ist für mich immer wieder wirklich erheiternd, Herr Kollege Dr. Stegner, wie Sie über das Ansehen des Landes, auch über das Ansehen politischer Parteien und Personen reden, Sie, den die eigenen Mitglie

(Dr. Ralf Stegner)

der im Rahmen einer Abstimmung mitgeteilt haben, dass sie Sie nicht für fähig halten, das Land Schleswig-Holstein als Ministerpräsident zu führen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich sage auch noch einmal ganz deutlich: Sie verstehen nicht nur von Bankgeschäften nichts; deswegen haben Sie am Aufsichtsrat der HSH-Nordbank auch nicht teilgenommen. Sie verstehen auch vom Glücksspielwesen nichts.

Damit möchte ich mich tatsächlich mal mit den rechtlichen Fragen beschäftigen, weil mir die fiskalischen Aspekte zwar wichtig erscheinen, aber nicht der ausschlaggebende Grund sind.

Ich möchte mich - ohne dass das irgendjemanden bei den Grünen schadet, obwohl wir unterschiedlicher Auffassung im Ergebnis sind, was ich gar nicht weiß, vielleicht im Verfahren - bei den Grünen bedanken, insbesondere bei Frau Heinold, die mit einer Reihe kritischer Fragen tatsächlich dazu beigetragen hat, dass wir bis zum Schluss - das ist der Sinn eines parlamentarischen Verfahrens - Unebenheiten oder Inkonsistenzen im eigenen Gesetzentwurf haben ausbügeln können. Ich möchte mich auch bei unseren Mitarbeitern in den Fraktionen bedanken, ebenso bei der Landesregierung, die zum Schluss auch noch sehr konstruktiv mitgewirkt hat.

(Lachen bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Bei allem Streit, Herr Kollege Dr. Habeck, eigentlich stellen wir uns doch parlamentarische Arbeit so vor, dass wir nicht dauernd aus Staatskanzleien oder aus Regierungen etwas vorgesetzt bekommen, sondern dass aus der Mitte des Parlaments heraus Gesetze geschaffen werden. Dafür, wie gesagt, bedanke ich mich auch bei den beiden Fraktionen, die in einer wirklich - ich bin 20 Jahre im Parlament sehr intensiven Beratungsweise, in einem Marathon, der teilweise bis nachts ging, Werner Kalinka, bis zum Schluss an dem Gesetzentwurf gefeilt haben. Dass wir heute zur Abstimmung kommen können, ist auch gut.

(Beifall bei FDP und CDU)

Herr Kollege Dr. Stegner, man muss der Historie auch mal die Wahrheit zuführen: Schon als der Glücksspielstaatsvertrag der Ministerpräsidenten im Jahre 2008 das Licht der Welt erblickt hat, war allen Beteiligten klar, dass er eigentlich rechtswidrig ist. Die Überlegung war die: Bis das entschieden ist, haben wir 4 Jahre Zeit gewonnen, sozusagen das Monopol, wo auch immer, zu retten, und danach schaffen wir neue rechtliche Regelungen.

Heute wissen wir, dass der Entwurf der 15 wieder rechtswidrig ist. Ich sage: Egal, in welchem Feld wir uns bewegen, ich weigere mich als Parlamentarier, ich weigere mich als Rechtsanwalt, ich weigere mich als Rechtssuchender, an Verfahren mitzuwirken, von denen ich weiß, dass sie rechtswidrig sind in der Hoffnung, ich könnte mir damit Zeit erkaufen. Wenn wir so im Gemeinwesen Gesetze schaffen, müssen wir uns nicht wundern, dass die Bürgerinnen und Bürger diese nicht mehr akzeptieren.

(Beifall bei CDU und FDP)

Selbstverständlich sind wir gezwungen, neue rechtliche Rahmendaten zu schaffen. Ich möchte mit einem Märchen aufräumen. Dauernd wird erklärt, wir würden etwas liberalisieren.