Protokoll der Sitzung vom 14.09.2011

Weitere Impulse gab es zum Ausbau der Tagesbetreuung in der Pflege, die die besonderen Belange der Frauen in den Pflegeberufen thematisiert. Die Initiativen zur Bekämpfung von Zwangsprostitution und Menschenhandel begrüßen wir ebenfalls.

Nun kurz zum Antrag der Fraktion DIE LINKE und zum Änderungsantrag von SPD und Grünen zur Einführung des Gender Budgeting in SchleswigHolstein.

(Zurufe)

- Und des SSW. Entschuldigung. Wir wollen es ja vollständig sagen. - Gender Budgeting als Teilstrategie oder Zusatzstrategie des Gender Mainstreaming bezieht sich auf die ökonomischen, fiskalischen und finanzpolitischen Aspekte des staatlichen Handelns. Kern des Gender Budgetings ist die Anwendung von Gender Mainstreaming in Bezug auf den Haushalt.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Damit soll eine systematische, auf die Gleichberechtigung von Frauen und Männern gerichtete Analyse und Steuerung durchgeführt werden. Dazu wird eine systematische Prüfung aller Einnahmen und Ausgaben des Haushalts bei der Aufstellung, Ausführung und Rechnungslegung sowie aller haushaltsbezogenen Maßnahmen auf ökonomische Effekte für Frauen und Männer sowie auf die gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse erforderlich sein. Weiterhin wird es erforderlich werden, alle Einnahmen- und Ausgabentitel unter GenderAspekten zu kontrollieren. Hierzu wären umfangreiche Untersuchungen in Bezug auf Umsetzungsmöglichkeiten erforderlich.

Die bisherige rechtliche und politische Verankerung der Haushaltsaufstellung ist nicht speziell auf das Gender Budgeting bezogen, was angesichts der Bedeutung der Haushaltspolitik und des erheblichen Aufwands für die tatsächliche Umsetzung von Gender-Analysen Akzeptanzprobleme auslöst. Insoweit wäre ein spezifisches Prüfverfahren nötig. Aufwendige spezielle Implementierungsstrategien müssten in allen Fachbereichen eingeführt werden. Konsequenterweise wäre auch noch ein Gender Controlling bei der Haushaltsführung erforderlich, das die tatsächliche Mittelverwendung im Haushalt

überprüft und zudem noch eine Gender-Analyse erstellt. Außerdem würde ein Gender-Budgeting-Beirat oder ein Gender-Rat erforderlich werden, um die Ergebnisse der Analysen und des Controllings auszuwerten.

(Gerrit Koch [FDP]: Das ist schon Gender Bashing!)

Das, meine Damen und Herren, erfordert erhebliche personelle Kapazitäten in allen Ressorts, die dazu eigens geschaffen werden müssten. Es müssten Personen neu eingestellt werden, und zudem wäre die Schulung des vorhandenen Personals zwingend erforderlich. So steht es in der Machbarkeitsstudie des Bundesministeriums von 2006 zum Gender Budgeting, die sodann - nach der Erstellung - auch schnell wieder in der politischen Versenkung verschwand - und da gehört sie auch hin.

Wir lehnen diesen Antrag und den Änderungsantrag dazu ab. Den Bericht des Ministeriums überweisen wir in den Ausschuss.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Siegrid Tenor-Alschausky das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Rathje-Hoffmann, es ist schön, dass Sie jetzt schon wissen, wie anschließend abgestimmt wird. Nun aber erst einmal zum Redebeitrag.

Berichtsanträge der regierungstragenden Fraktionen erfreuen die Landesregierung ja meist, bieten sie doch Gelegenheit, das Regierungshandeln möglichst positiv darzustellen. Was liegt uns nun heute hier vor? - Ein Protokoll der 21. GFMK, das uns unter anderem darüber informiert, dass die GFMK das Gutachten der Sachverständigenkommission für den ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung zur Kenntnis genommen hat. Man hat auch einstimmig einen Leitantrag angenommen. Das Gutachten stellt fest, dass echte Gleichstellung nur erreicht wird, wenn Männer und Frauen eigenständig für ihre Existenz sorgen und erwerbstätig sind.

Wir haben hier wiederholt darüber debattiert, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt für Frauen eher verschlechtert hat. Minijobs, häufig unfreiwillige Teilzeitarbeitsplätze, niedrigerer Lohn für gleichwertige Arbeit, kaum Frauen in Führungspo

(Katja Rathje-Hoffmann)

sitionen - das sind nur wenige Stichworte, die zeigen, dass wir von echter Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt weit entfernt sind.

(Beifall der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Die GFMK fordert die Bundesregierung zwar auf, Vorschläge zu unterbreiten, wie Minijobs da beseitigt werden können, wo sie reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verhindern, aber das reicht nicht aus.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ganz erstaunlich fand ich, dass man vereinbarte, über rechtliche Folgen einer Ehescheidung aufzuklären. Mit welchem Ziel? Haben die Regierung und die sie tragenden Fraktionen vor, über das Anfertigen von Broschüren hinaus initiativ zu werden?

Die Sachverständigenkommission hat das deutsche Recht näher unter die Lupe genommen. Denn gerade unser Rechtssystem prägt überholte Rollenbilder, beziehungsweise überholte Rollenbilder prägen unser Rechtssystem und blockieren fortschrittliche Veränderungen. Sowohl das Steuersystem mit dem Ehegattensplitting und den Steuerklassen III/V als auch die Mitversicherung in der Krankenkasse und die Hinterbliebenenversorgung gehen vom Bild der Versorgerehe aus. Diese Systeme verfestigen mit ihrer Struktur die überholten Rollenmuster. Hier besteht Handlungsbedarf, und wir sind gespannt, welche Bundesratsinitiativen von CDU und FDP ergriffen werden, um konkret dazu beizutragen, dass nicht weiterhin für Frauen und Kinder das Scheitern einer Ehe mit einem hohen Armutsrisiko verbunden ist.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

„Neue Wege - neue Chancen: Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebenslauf“, so lautet der Titel des Berichts der Landesregierung. Das ist ein vielversprechender Titel, allein der Inhalt ist maßlos enttäuschend. Der einzig erwähnenswerte Beschluss beinhaltet einen Prüfauftrag zur Kostenerstattung für Frauenhausaufenthalte ortsfremder Frauen. Aber auch das hilft den von Schließung bedrohten Frauenhäusern hier derzeit nicht weiter. Eine Einrichtung einer bundesweiten Frauen-Helpline, über deren Notwendigkeit man auch trefflich streiten kann, hilft nur dann, wenn die Frauen auch an Einrichtungen vor Ort vermittelt werden können.

Nun zum Thema Gender Budgeting. Wie Männer und Frauen in unterschiedlichen Lebenssituationen und Lebenskontexten von politischen Maßnahmen betroffen sind, hängt entscheidend davon ab, wie Ausgaben geplant beziehungsweise wie öffentliche Finanzen verwendet werden. Je genauer man darauf schaut, welches Ziel man mit welchen Mitteln erreichen will, desto wahrscheinlicher ist das Erreichen dieses Ziels.

Das ist eigentlich eine Binsenweisheit, und es wird auch kaum ernsthaft bestritten, dass eine solche Wirkungsanalyse zu mehr Ziel- und Passgenauigkeit führt. Es geht um geschlechtergerechteres Management öffentlicher Finanzen. Die Methoden hierfür sind Soll-Ist-Vergleiche, Zielerreichungsgradmessung und Wirkungsforschung - Methoden, die auch bei anderen finanzpolitischen Zielen zum Einsatz kommen. Öffentliche Mittel müssen zielgenau und effektiv eingesetzt werden. Etwas anderes können wir uns überhaupt nicht leisten. Gerade deshalb ist Gender Budgeting ein vernünftiges und finanzpolitisch gebotenes Instrument, um die knappen öffentlichen Gelder so zu steuern, dass sie das gewünschte Ziel erreichen.

(Beifall der Abgeordneten Antje Jansen [DIE LINKE])

Dabei möchte ich ausdrücklich davor warnen, Gender Budgeting als Mittel der Frauenförderung misszuverstehen. Das politische Ziel des Gender Mainstreaming, das hier im Landtag schon vor Jahren breite Zustimmung gefunden hat, ist die Gleichstellung der Geschlechter. Dazu gehört auch eine gerechte Ausgestaltung öffentlicher Haushalte.

Gender Budgeting kann gewährleisten, dass wir mit den öffentlichen Finanzen verantwortungsvoll und zielgerichtet Gleichstellungsziele unterstützen und nicht unterlaufen. Beim Gender Budgeting befinden wir uns auch in Schleswig-Holstein nicht mehr in der Stunde Null - wie es der Antrag der Linken vermuten lässt.

Ich bin erfreut darüber, dass der mündliche Bericht des Ministers über das hinausging, was uns schriftlich vorliegt. Nichtsdestotrotz bitte ich Sie um Zustimmung zum Antrag von Grünen, SPD und SSW und hoffe, dass wir im weiteren Verlauf die Inhalte in den Ausschüssen noch vertiefen werden.

(Beifall bei der SPD sowie vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

(Siegrid Tenor-Alschausky)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Kirstin Funke das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Als erstes möchte ich dem Gleichstellungsminister danken, dass er als Vorsitzender der 21. Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz viele wichtige Punkte gerade auch für die Frauen in Schleswig-Holstein nicht nur angesprochen, sondern auch angeschoben hat.

Die Gleichstellung von Frauen und Männern in der heutigen Gesellschaft anhand des Lebenslaufs thematisch anzugehen, so wie es auch der Bundesbericht zur Gleichstellung getan hat, halte ich für eine gelungene Herangehensweise, da ein Lebenslauf nie gradlinig verläuft und sich in den unterschiedlichen Lebensabschnitten für Männer und Frauen immer neue und andere Herausforderungen ergeben, die im Sinne der Gleichstellung auch vonseiten der Politik gestaltet werden sollten, um beiden bei ihren täglichen Herausforderungen dieselben Chancen zu ermöglichen.

So spiegelt das im Bericht gebrachte Beispiel eines Ehepaares, das Familienzuwachs erhält, und bei dem der Ehemann nach zwei Monaten Elternzeit wieder Vollzeit arbeitet, aber auch die Frau nach Ende der Elternzeit wieder in das Berufsleben einsteigen möchte, die vielerorts gelebte Realität wider. Wie für die Frau dann der Wiedereinstieg in das Berufsleben aussehen kann, ist von der realen Umsetzung her betrachtet oft begrenzt. Entweder geht sie in Teilzeit oder trägt mit einem sogenannten Minijob etwas zum Familieneinkommen bei.

Entscheidet sich die Frau oder der Mann, einen Minijob anzunehmen, was für eine kurze Zeit - und wenn man sich von dem wenigen Geld auch noch privat rentenversichert - oft für alle Beteiligten als die einfachste Lösung erscheint, so wird es jedoch auf einen längeren Zeitraum und auf lange Sicht gesehen nicht nur ein Problem der Frau oder des Mannes, der den Minijob annimmt, sondern auch der Gesellschaft, da das Risiko der Altersarmut dramatisch steigt. Deshalb finde ich es gut, dass nicht nur der Leitantrag sich dieses Themas angenommen hat, sondern dass auch ein weiterer Antrag der GFMK sich damit beschäftigt. Der Beschluss der GFMK beinhaltet die Aufforderung an die Bundesregierung, zeitnah Vorschläge zu machen,

„wie nicht nur unter arbeitsmarkt-, sozialund wirtschaftspolitischen, sondern insbesondere unter gleichstellungspolitischen Aspekten Minijobs dort, wo sie reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verhindern, beseitigt werden können.“

Das findet meine vollste Unterstützung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch auf die Anträge der Opposition zum Gender Budgeting eingehen. Natürlich ist das eine mögliche Herangehensweise, wie man einen Haushalt aufstellen kann. Aber ich frage mich, ob dies im Sinne der Gleichstellung zielführend ist. Wenn man von der Begrifflichkeit an das Gender Budgeting herangeht, so geht es dabei um eine geschlechtsdifferenzierte Analyse der öffentlichen Haushalte, solche Analysen, bei denen quantitativ die Ausgabeposten zwischen den Geschlechtern gegenübergestellt werden. Sie sagen aber noch nichts über die Ziele der Geschlechtergerechtigkeit aus. Meiner Meinung nach sollte man sich zuallererst auf konkrete Ziele für die Gleichstellungspolitik einigen und diese dann verwirklichen.

Des Weiteren hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine Machbarkeitsstudie zum Gender Budgeting vorgelegt. Daraus wurde vorhin schon zitiert. Auch ich möchte aus dieser Studie zitieren:

„Die genauen Inhalte und Vorgehensweisen sind bisher international und national nicht eindeutig definiert.“

Genau hier liegt das Hauptproblem. Da es keine einheitlichen Umsetzungsmaßnahmen und Standards zum Gender Budgeting gibt, müssten diese für Schleswig-Holstein speziell entwickelt werden. Dies stellt - wie Sie gleich verstehen werden - einen enormen Aufwand und ein Risiko dar. Dazu wissen wir noch nicht, ob der positive Effekt oder die Erkenntnisse des Gender Budgeting im Verhältnis zu den enormen Investitionen für die Umsetzung stehen.

Ich zitiere noch einmal aus der Machbarkeitsstudie des Ministeriums:

„Die Steuerung des Gender-Budgeting-Prozesses erfordert personelle Kapazität und die Verbindung von Haushalts- und Genderkompetenz. Die bisher zuständigen Verwaltungseinheiten sind kapazitär nicht ausreichend in der Lage, diesen Prozess zu steuern.“

Es müssen folglich neue Strukturen geschaffen werden - meine Kollegin hat es bereits ausgeführt -,

die die Koordination übernehmen. Es muss wissenschaftliches Fachpersonal eingestellt werden, das die Umsetzung überwacht. Die gesamte Verwaltung muss geschult werden, damit sie Gender Budgeting immerzu im Blick hat. Schließlich müssen ressortspezifische Wirkanalysen erstellt werden. Dies würde einen erheblichen bürokratischen Aufwand verursachen.

Wie wir sicherlich alle wissen, kommt eine Haushaltskonsolidierung allen zugute: der jüngeren Generation, den Rentnern, den Beitragszahlern und auch allen Frauen sowie Männern. Beim Gender Budgeting wissen wir noch nicht, wem es letztlich zugutekommt, oder ob es überhaupt jemandem zugutekommt.

Eine sichere und effektive Gleichstellungspolitik ist keine quantitative Auflistung der Ausgabeposten für die jeweiligen Geschlechter. Es sind vielmehr konkrete politische Maßnahmen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)