Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

oder -kritik oder wie wir es auch immer angehen, torpedieren und anfangen zu versenken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für den Klimaschutz sind so viele schöne Reden auf europäischer Ebene gehalten und letztlich unverbindliche Ziele beschlossen worden. Während der letzten deutschen Ratspräsidentschaft 2007 wir erinnern uns alle, Klimakanzlerin Merkel mit dem Drei-mal-20-Ziel - wurden diese wichtigen Ziele verabschiedet, die bis heute nicht umgesetzt werden.

Wenn ich sehe, dass die Berechnungen der Europäischen Kommission deutlich machen, dass die bisherigen politischen Instrumente, einschließlich der vorgeschlagenen Effizienzrichtlinie, gerade einmal 9 % erreichen lassen und nicht 20 %, wird deutlich, welch hohes Defizit wir da haben und dass wir hier nachsteuern müssen. Dennoch möchte Schwarz-Gelb weiter auf Fördermaßnahmen und Freiwilligkeit setzen. Wie passt das mit dem Ziel der Haushaltskonsolidierung zusammen, das wir heute mehrfach beschworen haben? Wie ist das damit zu vereinbaren, dass wir sagen, wir wollen am liebsten fördern, Knete rausschieben und nicht einen vernünftigen wirtschaftlichen Rahmen setzen, indem sich Effizienztechnologien entwickeln können?

Ich bitte Sie, bei dieser Entscheidung zu bedenken: Der Nachteil von verbindlichen Rahmenregeln auf europäische Ebene ist, dass wir uns daran halten müssen, der Vorteil aber ist: Wir bekommen einen Rahmen für einen europäischen Wettbewerb, für den Einsatz zukunftsfähiger Technologien und weniger Abhängigkeit von Energieimporten. Wir müssen in Deutschland raus aus der Bremsersituation, aus dem Bremserhäuschen und dürfen nicht immer nur davon reden, was wir wollen, und dann auf europäischer Ebene blockieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Kollegen Niclas Herbst das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir die großen europäischen Linien heute Vormittag geregelt haben, können wir uns hinabbegeben in die Frage des Subsidiaritätsprinzips. Darum geht es hier, lieber Kollege Voß. Es geht nicht um die inhaltliche Diskussion.

(Bernd Voß)

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu hat er auch geredet!)

- Er ist schon der Versuchung erlegen, inhaltlich dazu Stellung zu nehmen.

Ich glaube, dass die vier Unterzeichner des Antrags zur Subsidiaritätsrüge durchaus unterschiedliche Vorstellungen haben, wie man Klimaziele definiert und umsetzt. Es ist eben eine schwierige Geschichte mit der Subsidiarität, wenn man sie ernst nimmt.

Wir müssen uns die Frage stellen: Wer ist hier zuständig, wer kann Ziele am besten umsetzen? Dass keine alleinige Zuständigkeit der EU gegeben ist, ist völlig klar, das steht übrigens auch in der Richtlinie. Es ist die Frage: Ist das ein gemeinsames Anliegen in Europa? - Ja, gar keine Frage, da sind wir uns wahrscheinlich einig. Aber brauchen wir die koordinierende Wirkung und Maßnahmen auf europäischer Ebene? Da sage ich: So, wie die Richtlinie dort steht, eben nicht.

Wir müssen darauf hinweisen, dass wir innerhalb Europas erhebliche Unterschiede struktureller Art haben, zum Beispiel bei kommunalen Wohnungsbauunternehmen, zum Beispiel bei der Anzahl öffentlicher Gebäude, auch beim derzeitigen energetischen Zustand. Wir sind der Meinung, es kann vor Ort besser geklärt werden. Ich habe in meinem Wahlkreis zum Beispiel eine sehr gute kommunale Energieeffizienzinitiative. Was dort an Ideen kommt, wird durch die Richtlinie gar nicht abgebildet. Deshalb bin ich klar der Meinung, dass hier Subsidiarität gegeben ist.

Ich sage noch einmal: Ich will die Ziele und die vielen guten Punkte, die die Richtlinie enthält, überhaupt nicht wegdiskutieren, ich glaube aber, dass wir dazu keinen Vorschlag für eine Richtlinie von Rat und Parlament brauchen, sondern dass wir das vor Ort besser klären können. Deshalb unser Antrag. Ich bitte um Zustimmung.

(Beifall bei CDU, FDP und SSW)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Fischer das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Voß, mein Vorschlag ist: Sie heben die Rede auf. Sie werden Sie noch einmal brauchen, wenn wir im Detail über den Inhalt reden. Richtig ist, hier gibt es viele Punkte, bei denen wir

in der Sache wahrscheinlich nah beieinander sind. Hier geht es allerdings nicht um die Sache, sondern um die Frage eines Subsidiaritätsverstoßes, einer Prüfung von Subsidiarität.

Ich würde gern vorschlagen - weil sich eigentlich an dieser Stelle ein neues, wirklich wichtiges Recht des Parlaments nach außen zeigt -, es nicht durch inhaltliche Debatten zu verwässern. Es geht heute ganz einfach darum, ob Subsidiarität berührt ist oder nicht. Deswegen haben wir gemeinsam diesen Antrag auf den Weg gebracht. Ich möchte Sie daran erinnern, dass dahinter etwas steht, an das wir uns vielleicht erst noch gewöhnen müssen. Das ist der Umstand, dass wir als Landtag spätestens durch das Bundesverfassungsgericht mehr Kompetenzen für die europäischen Bereiche bekommen haben. Wir haben nämlich nicht nur Informationskompetenzen erweitert bekommen, sondern wir haben vor allem Beteiligungskompetenzen erweitert bekommen. Diese Beteiligungskompetenzen sind für uns sehr wichtig. Eine dieser Kompetenzen ist die Entscheidung darüber, ob Subsidiarität berührt ist oder nicht. Darum geht es heute. Das ist der Gegenstand unseres Antrags.

Ich möchte Sie gern daran erinnern, dass wir als Landesparlament und als Landesparlamentarier in der Vergangenheit immer unter der Ungleichzeitigkeit von Information und der Ungleichzeitigkeit von Beteiligung gelitten haben. Wenn man sich einmal die Praxis der letzten Jahre anschaut, wird man feststellen, dass der Bund immer weiter ist als die Länder. Und in den Ländern ist in europapolitischen Fragen die Landesregierung - das ist vielleicht auch strukturell so bedingt - weiter als das Parlament. Also sind die Landesparlamente in dieser Kette diejenigen, die am schlechtesten abschneiden. Ich bin der Meinung, diese SubsidiaritätsMitbestimmungsmöglichkeit ist ein Mehr an europäischer Verantwortung dieser Parlamente. Deshalb sollten wir diese Sache sehr ernst nehmen und eben nicht versuchen, sie mit einer inhaltlichen Debatte zu überlagern. Ich denke, da sind wir in der Diskussion, die wir darüber in Zukunft führen werden, einer Meinung. Denn die Frage von Subsidiarität wird weiterhin eine Rolle bei uns spielen. Da ist der Europaausschuss der Ausschuss, der sich damit befasst.

Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die Zeit will ich es sehr kurz machen und sagen: Wir würden darum bitten, diesem Antrag, den wir hier vorgelegt haben, zuzustimmen. Es ist damit möglich, auf eine europapolitische Entscheidung Einfluss zu

(Niclas Herbst)

nehmen. Das ist unser Recht. Dieses Recht sollten wir nutzen.

(Beifall bei SPD, SSW und der Abgeordne- ten Niclas Herbst [CDU] und Kirstin Funke [FDP])

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat Frau Abgeordnete Kirstin Funke von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dem vorliegenden Dokument der Europäischen Kommission, dem Richtlinienvorschlag zur Energieeffizienz und zur Aufhebung der Kraft-Wärme-Kopplungs-Richtlinie und der Energiedienstleistungsrichtlinie, geht es heute in erster Linie - wie meine Vorredner schon sagten - um die Prüfung der Subsidiarität, das heißt, ob die EUKommission mit ihren Vorschlägen zur Energieeffizienz in Belange eingreift, die auf unterer Ebene besser geregelt werden können. Da der Energiebereich nicht zu den originären Politikfeldern gehört, die von der EU geregelt werden, bedarf es eines besonderen Hinschauens.

Inhalt und Kernpunkt der Richtlinie ist - da muss ich dann doch einmal kurz auf den Inhalt der Richtlinie eingehen -, dass sie als Teil des europäischen Energieeffizienzplans 2011 nun verbindliche Maßnahmen - schwerpunktmäßig im Gebäudebereich vorsieht. Für das allgemeine politische Ziel, bis 2020 im Primärenergieverbrauch europaweit 20 % einzusparen, soll nun ein gemeinsamer europäischer Rahmen geschaffen werden. Konkret stellt sich die Kommission im öffentlichen Sektor eine Vorbildfunktion der energetischen Sanierung seiner Gebäude vor, und zwar mit einer verbindlichen jährlichen Sanierungsquote in Höhe von 3 %, da die Kommission europaweit von einer derzeitigen 1,5-prozentigen Sanierungsquote bei Gebäuden ausgeht.

Hiervon sind natürlich alle öffentlichen Gebäude auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene betroffen sowie Wohnungsunternehmen und andere, in öffentlichem Eigentum stehende Unternehmen. Das heißt eben auch Schulen und ganze Wohngebiete.

Die Europäische Kommission ist zu der Auffassung gelangt, dass nur durch eine starre Quotenregelung die Energieeinsparung bis zum Jahr 2020 erreicht

werden kann. Der Kommission ist zwar bewusst, dass die einzelnen Mitgliedstaaten und deren untere Ebenen bereits eigene Verfahren zur Förderung der Energieeffizienz entwickelt haben, hält sie aber nicht für effektiv genug für die Erreichung der gemeinsamen Ziele.

Zu den jährlich geforderten Sanierungsmaßnahmen kommt eine umfassende jährliche Berichtspflicht hinzu sowie eine erneute Überprüfung der Ziele bereits im Jahr 2014 mit der Ankündigung, dass zusätzliche gesetzliche Vorschläge gemacht würden, wenn die Überprüfung negativ ausfallen sollte. Das könnte auch zu Vorgaben verbindlicher nationaler Energieeffizienzziele pro Mitgliedstaat führen, was dann in der Umsetzung alle Bürger und nicht allein den öffentlichen Sektor betreffen würde.

Die vorliegende Richtlinie enthält noch weitere Vorschläge zur Energieeffizienz, aber der Teil der Sanierungsquote ist derjenige, der eine starke Betroffenheit für Schleswig-Holstein ausmacht. Hier sehen wir auch die Subsidiaritätsbedenken.

Die FDP-Fraktion steht zur Energieeffizienz und auch zu dem europäischen Ziel der 20-prozentigen Einsparung im Primärenergiebereich bis 2020. Auch wir kommen zu dem Ergebnis, dass gerade im Gebäudebereich eine Energieeinsparung sehr effizient, wirkungsvoll und nachhaltig ist. Die Frage, die man sich aber stellen muss, ist: Wie erreiche ich effektiv und ohne zusätzlichen Bürokratismus für alle Beteiligten die Ziele, ohne dass dabei aus Praktikabilitäts-, Kosten- oder Wirtschaftlichkeitsgründen eine Umsetzung unmöglich gemacht wird?

Deswegen begrüßt die FDP-Fraktion den von der Bundesregierung bereits aufgelegten Energieeffizienzplan unter dem Motto „Fördern statt Fordern“. Wir sind der Auffassung, dass dies der richtige Weg zur Energieeffizienzgewinnung auf allen Ebenen ist, und nicht allein auf dem öffentlichen Sektor. Dass die Richtlinie nicht nur in die Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten und Länder eingreift, sondern auch in die öffentlichen Haushalte von Ländern und Kommunen - auch als Träger von öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften - sehen wir als FDP-Fraktion als bedenklich an und sind deshalb zu der Meinung gelangt, dass wir die Landesregierung bitten, im Bundesrat auf Subsidiaritätsbedenken hinzuweisen, und dass diese Bedenken in der Stellungnahme des Bundesrats berücksichtigt werden.

Darüber hinaus - jetzt doch inhaltlich - lehnen wir die Richtlinie auch politisch ab. Neben den bereits erwähnten unvertretbaren Mehrbelastungen der öf

(Rolf Fischer)

fentlichen Haushalte strotzt die Richtlinie vor Überregulierung. Wir sprechen uns für marktkonforme und technologieneutrale Lösungen aus. Wir haben Vertrauen in die Bürgerinnen und Bürger, die ausreichend Verantwortungsbewusstsein haben, um selbst zu entscheiden, wie sie Energie einsparen wollen. Zudem haben wir auf europäischer Ebene ich erwähnte es bereits - die Strategie 2020 mit der Öffnung für die Mitgliedstaaten, die Ziele selbstständig umzusetzen. Mit Interesse habe ich auch den grünen Antrag gelesen, der noch weitere Regulierungen will, die voll von Misstrauen gegenüber den Verbrauchern sind.

(Zuruf des Abgeordneten Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist der übliche grüne Zentralismus. Ich muss hier diese Schärfe hereinbringen.

(Beifall bei der FDP - Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immer der- selbe Textbaustein!)

Wir lehnen diesen Ansatz entschieden ab. Deswegen bitten wir um Abstimmung in der Sache.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Abgeordneter Björn Thoroe das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde mich kurz fassen und nur auf zwei Punkte eingehen.

In Artikel 5 des EG-Vertrags steht Folgendes:

„In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können…“

Die EU-Kommission stellt zwar zu Recht fest, dass die Mitgliedsländer ihre selbst gesteckten Ziele, bis 2020 den Primärverbrauch um 20 % zu senken, um mindestens die Hälfte verfehlen werden, wenn sie so weitermachen. Wir glauben aber, dass der Schwarze Peter bei der Bundesregierung liegt. Nicht die fehlenden Vorgaben der EU sind Ursache für mangelnde Energieeffizienz, sondern der mangelnde politische Wille der Bundesregierung. Des

halb werden wir den Subsidiaritätsbedenken heute zustimmen.

Für den SSW hat Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz der Kürze der Zeit fand ich die Debatte eigentlich ganz interessant, muss ich sagen. Auf der einen Seite haben wir den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und auf der anderen Seite die Position der FDP, die eigentlich sagt: Nein, Subsidiarität ist betroffen, aber wir wollen uns auch inhaltlich äußern.