Protokoll der Sitzung vom 16.09.2011

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne unsere heutige Sitzung und begrüße Sie alle ganz herzlich.

Zunächst einige geschäftsleitende Bemerkungen: Erkrankt sind aus der CDU-Fraktion die Kollegen Jens-Christian Magnussen und Mark-Oliver Potzahr, aus der Fraktion DIE LINKE die Kollegin Ranka Prante und aus der Fraktion des SSW die Kollegin Silke Hinrichsen. Wir wünschen allen Kolleginnen und Kollegen gute und baldige Genesung.

(Beifall)

Beurlaubt ist von der Landesregierung Frau Ministerin Dr. Rumpf für den ganzen Tag.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, begrüßen Sie bitte mit mir auf der Tribüne Besucherinnen und Besucher des Alstergymnasiums aus Henstedt-Ulzburg. - Seien Sie uns herzlich willkommen hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Wir steigen in die Tagesordnung ein.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14, 22 und 25 zur gemeinsamen Beratung auf:

Gemeinsame Beratung

a) Finanzierung des baulichen Masterplans UK S-H

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/1761

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/1820

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/1824

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/1834 (neu)

(Unruhe)

- Ich freue mich, dass alle am Morgen schon so fit sind. Aber ein bisschen mehr Aufmerksamkeit wäre ganz nett.

4980 Schleswig-Holsteinischer Landtag (17. WP) - 58. Sitzung - Freitag, 16. September 2011

b) Solide Grundlage für die Entscheidung über die Zukunft des UK S-H schaffen

Antrag der Fraktion des SSW Drucksache 17/1774

c) Zukunft der Anlage für Partikeltherapie in Kiel

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/1778

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Mit dem Antrag zu c) wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse also zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich erteile für die Landesregierung dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager, das Wort.

Frau Präsidentin, ich habe es so verstanden, dass die Tagesordnungspunkte zur verbundenen Debatte aufgerufen worden sind und ich auch zum UK S-H sprechen soll. Ich werde dazu nicht berichten, mich aber gleichwohl äußern. Ich darf damit auch beginnen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, dass wir uns fraktionsübergreifend - wenn ich vom Antrag des SSW absehe - einig sind in dem Anliegen, die bauliche Infrastruktur der Hochschulmedizin in Schleswig-Holstein rasch zu sanieren. Aber da ist wahrscheinlich auch der SSW mit im Boot. Auch zu dem Wie der Umsetzung gibt es inzwischen eine weitgehend einheitliche Meinung hier im Landtag.

(Zuruf von der LINKEN)

- DIE LINKE habe ich vergessen - wie konnte mir das passieren!

(Antje Jansen [DIE LINKE]: DIE LINKE, genau!)

Die Reaktionen der Fraktionen auf die Kabinettsentscheidung am Dienstag haben das gezeigt.

Es ist zu begrüßen, dass sowohl mit dem Ergebnis der Kabinettsberatung vom Dienstag als auch mit der Debatte, die wir heute hier führen, das Signal gegeben wird, sehr schnell mit der Umsetzung des baulichen Masterplans zu beginnen; ich werde ihn gleich noch erläutern. Es ist notwendig, dass neben den Baumaßnahmen, die es in den vergangenen Jahren gegeben hat, nunmehr tatsächlich die bauliche Sanierung in einem Guss erfolgt. Genau das verbindet sich mit dem baulichen Masterplan: kein weiteres Bauen mit Salami-Taktik, sondern Umsetzung in einem Guss. Der bauliche Masterplan ist auch durch die zeitliche Kohärenz der Maßnahme dazu angetan, die Betriebsabläufe im UK S-H so zu verbessern, dass es zu einer „Rationalisierungsrendite“ kommt, das heißt zu Einsparungen bei den Betriebskosten, die dazu führen, dass dieses Projekt refinanziert werden kann.

Ich habe bereits gesagt, dass schon in den vergangenen Jahren investiert worden ist. In den Jahren 2003 bis 2011, also seit Beginn der Fusion, sind rund 260 Millionen € in Baumaßnahmen an beiden Standorten des UK S-H investiert worden. Die Landesregierung hat sich vorgenommen, bis zum Beginn der Baumaßnahmen aus dem ÖPP-Projekt an weiteren Standorten Maßnahmen weiter im klassischen Sinne zu finanzieren. Es hat keinen Stillstand der Rechtspflege gegeben, was das Bauen am UK S-H anbelangt; es wird auch keinen Stillstand der Rechtspflege geben. Es geht vielmehr darum, wie wir die strategischen Investitionen in die Zukunft am besten organisieren.

Das von uns vorgeschlagene Modell sieht als ÖPP-Projekt vor, dass private Investoren die Gebäude sanieren und betreiben und das UK S-H sie über einen Zeitraum von voraussichtlich 25 Jahren zurückmietet. Im Rahmen dieses Verfahrens ist vorgesehen, im Bereich der Krankenversorgung bis zu 340 Millionen € zu investieren - an beiden Standorten und weitgehend zu gleichen Teilen.

Die Bauten für Forschung und Lehre sind nicht in das ÖPP-Projekt integriert. Dies sind Investitionen in Höhe von nochmals circa 160 Millionen €, die an beiden Standorten erfolgen sollen und die weiterhin aus den Hochschulbautiteln des Landes bezahlt werden.

Die Landesregierung hat sich in ihrem Grundsatzbeschluss darauf verständigt, diesen Weg zu gehen, weil er beinhaltet, dass private Investoren in die Baumaßnahmen einbezogen werden, gleichzeitig allerdings die Trägerschaft beim UK S-H und somit das Management in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft bleibt. Das ist auch gleichzeitig ein Signal

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(Vizepräsidentin Herlich Marie Todsen-Reese)

der Stabilität an das UK S-H, weil dies die Voraussetzungen dafür schafft, dass dieses große ÖPPProjekt vorbereitet werden kann, ohne dass es weitere strukturelle Verunsicherung gibt. Ich bin mir sicher, dass in den Reden gleich gesagt wird: Dann hättet ihr die Markterkundung erst gar nicht zu machen brauchen; das hättet ihr gleich machen können. Darauf antworte ich, dass man zunächst die Modelle der Privatisierung kennen muss, bevor man sie verwirft.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Das Modell der Privatisierung, das aus der Markterkundung hervorgegangen ist, ist von der Koalition und in der Regierung als nicht besser als das Modell eines normalen ÖPP angesehen worden. Das ist der Grund, weshalb wir uns für das ÖPPModell entschieden haben.

Wir brauchen die privaten Partner, weil wir die erforderlichen Beträge aus den öffentlichen Kassen nicht mehr bekommen. Insofern ging es um die Frage, wie dieses private Kapital eingebunden werden kann. Die Vorteile eines solchen ÖPP-Modells Bau bestehen nicht nur darin, dass wir uns privaten Kapitals bedienen, sondern auch darin, dass wir uns des Know-hows von Privaten bedienen, die darüber hinaus in der Lage sind, günstiger zu bauen, als es die öffentliche Hand kann.

Ein wesentlicher Teil des Grundsatzbeschlusses der Landesregierung bedeutet ebenfalls, dass in der weiteren Umsetzung Sorge dafür getragen werden soll, dass die Bauten, die in der Krankenversorgung gebaut werden, den Standards privater Krankenhäuser entsprechen, weil damit Sorge dafür getragen wird, dass wir im Bauprojekt keine Kostenexplosionen haben, die angetan sein können, die Wirtschaftlichkeit dieses Projekts infrage zu stellen. Insofern geht es darum, dass man ein rigoroses Kostencontrolling durchführen muss, um dafür Sorge zu tragen, dass das UK S-H diese Baumaßnahmen am Ende auch wirklich wird tragen können.

Ein weiterer Punkt der Beschlussfassung des Kabinetts und der Abstimmung mit den Fraktionen innerhalb der Koalition bestand darin, dass wir das Vergabeverfahren - wir sind bekanntlich damit beauftragt worden, bis Ende des Jahres die Grundlagen zu erarbeiten - in Form eines wettbewerblichen Dialogs durchführen. Das ist eine neue Methode der Vergabe, die von der Europäischen Kommission für besonders komplexe Vergabeverfahren auf den Weg gebracht worden ist. Der Vor

teil dieses wettbewerblichen Dialogs besteht darin, dass wir die Grundlagen des Vergabeverfahrens während der Verhandlung verändern können, das heißt, wir haben die Möglichkeit, die Wirtschaftlichkeit des ÖPP-Modells während der Verhandlung mit den Bietern sicherzustellen. Das ist notwendig, weil die Markterkundung ja keine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung beinhaltet hat. Das war auch nicht ihre Aufgabe. Mit diesem wettbewerblichen Dialog können wir die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung nun während der Verhandlungen fortführen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass es uns mit dieser Grundsatzentscheidung gelungen ist, einen Weg zu finden, wie wir Private einbinden, ohne dass wir die öffentliche Trägerschaft für das UK S-H aufgeben müssen. Ich glaube, das ist aus Gründen der Forschung und Lehre eine richtige Entscheidung, das ist übrigens auch aus Gründen der Gesundheitspolitik eine richtige Entscheidung, und es ist ein wichtiges Signal an die Beschäftigten, an die Patienten und auch an die Menschen, die vom Thema Hochschulmedizin an beiden Standorten betroffen sind, insgesamt. Dies ist meiner Meinung nach eine wichtige Voraussetzung, um dieses Projekt in einer breit getragenen politischen Mehrheit hier im Haus auf den Weg zu bringen und die strittige Diskussion, die wir ja dauerhaft und - um im Sprachgebrauch zu bleiben chronisch um UK S-H haben, ein wenig abzuschwächen und diese Dinge in Ruhe vorzubereiten.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, damit darf ich den Teil des UK S-H verlassen und auf das Thema NRoCK zu sprechen kommen. Auch diesbezüglich hat es in dieser Woche eine Entwicklung gegeben. Zwischen dem UK S-H und der Firma Siemens wurde ein Letter of Intent unterzeichnet, der in einem Gespräch, das bei mir stattgefunden hat, an dem ich also ebenfalls beteiligt war, entstanden ist. Dieser beinhaltet im Wesentlichen, dass es einen Auflösungsvertrag für das NRoCK, das Partikeltherapiezentrum in Kiel, geben soll. Das ist eine bedauerliche Nachricht für jene, die als Patienten auf diese Technologie gesetzt haben.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: In der Tat!)

Es ist auch eine bedauerliche Nachricht für den Standort Kiel, der damit als Gesundheitsstandort ein weiteres Asset gehabt hätte. Diese Entwicklung ist dadurch entstanden - es ist wichtig, dass man das feststellt -, dass sich Siemens als Hersteller nicht in der Lage gesehen hat, diese Anlage in einem ver

(Minister Jost de Jager)

tragskonformen Zustand abzuliefern. Der Vertrag, den wir hatten - das ist wichtig, wenn man weiter auf das Thema ÖPP setzen will -, sah vor, dass das Technologierisiko für die Herstellung der Anlage beim Hersteller, nämlich bei Siemens, liegt und dass das wirtschaftliche Betriebsrisiko beim Land liegt. Ein wirtschaftliches Betriebsrisiko ist aber gar nicht eingetreten. Vielmehr ist ein Herstellungsrisiko eingetreten. Insofern galt es, eine Abwägung zu treffen, ob aufgrund eines Technologierisikos beim Hersteller ein größeres wirtschaftliches Risiko für das Land entstanden wäre. Das wäre aus meiner Sicht nicht hinzunehmen gewesen, weil das Geschäftsmodell des NRoCK, dieser Partikeltherapieanlage, ein weiteres wirtschaftliches Risiko nicht vertragen hätte.